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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Cap. 2. v. 15-17.
[Spaltenumbruch] nichts, oder wenig übrig haben, kaum gleich kom-
men.

6. Ein Reicher, der ein ziemliches Vermö-
gen hat, solte sich eine rechte Freude daraus ma-
chen, daß er gegen die Armen kan ausfliessen.
Ja er hat in der That Ursache, sich darüber, daß
er geben kan (welches viel seliger, oder besser ist,
denn nehmen) mehr zu erfreuen, als der, welcher
die Gabe von ihm empfänget. Denn man
wird ja dadurch gleichsam eine Hand, wodurch
GOTT, von dem doch alles Gute auch im Rei-
che der Natur herrühret, gutes thut. Wie
hoch unser Heyland eine einem seiner Glieder
erwiesene Wohlthat annimmt, sehe man unter
andern Matth. 25, 35. u. f.

7. Zur mehrern Erläuterung gehören hie-
her vor andern sonderlich diese beyde Stellen:
Sprichw. 3, 27. 28. Wegere dich nicht dem
Dürftigen gutes zu thun, so deine Hand
es von GOtt hat, solches zu thun. Sprich
nicht zu deinem Freunde: Gehe hin und
komme wieder: morgen will ich dir geben,
so du es doch wol hast.
Siehe auch Jes. 58,
8. u. f. 1 Joh. 3, 17. 18. Wenn iemand dieser
Welt Güter hat, und siehet seinen Bruder
darben, und schleußt sein Hertz vor ihm
zu, wie bleibet die Liebe GOttes bey ihm?
Meine Kindlein, lasset uns nicht lieben mit
Worten, noch mit der Zungen, sondern mit
der That und mit der Wahrheit.
Siehe
auch 5 B. Mos. 15, 7. u. f.

V. 17.

Also auch der Glaube, wenn er nicht
Wercke hat, ist er todt an ihm selber.

Anmerckungen.

1. Zuvorderst haben wir zu sehen, worauf
das Vergleichungs-Wort outo, also, gehe.
Es will der Apostel damit so viel sagen: Gleich-
wie das eine salsche Liebe ist, welche man ohne
That nur bloß mit tröstlichen Worten gegen
die Armen bezeuget: GOtt berathe euch u. s.
w. also ist das auch ein falscher eingebildeter
Glaube, welcher nur in der buchstäblichen Er-
kenntniß, und in dem natürlichen Beyfall und
Vertrauen bestehet, aber sich durch die Liebe
nicht thätig erweiset.

2. Damit man so viel eigentlicher erken-
nen möge, in welchem Verstande der Glaube
todt genennet werde, so haben wir zuvorderst
zu erwegen, worinnen das Leben des Glau-
bens bestehe? davon demnach folgende Puncte
zu mercken sind:

a. Das Leben des Glaubens ist nichts an-
ders, als seine eigentliche Natur, sein We-
sen,
seine wirckliche und wesentliche Be-
schaffenheit:
Welche der Apostel Paulus
1 Thess. 1, 3. nennet ergon das Werck des
Glaubens,
das ist, seine Wircklichkeit und
rechte Realität, welche er daselbst von der
Liebe unterscheidet. Und also gehören zum
Leben des Glaubens alle seine wahren Theile,
daraus er bestehet, als da sind: eine überna-
türliche geistliche Erkentniß, nach welcher
[Spaltenumbruch] der Glaube ein göttliches Licht ist in der See-
le: ein zu solcher Erkentniß gehöriger über-
natürlicher, oder von dem heiligen Geiste ge-
wirckter Beyfall; nach welcher man das er-
kannte ungezweifelt für wahr hält: ein sehn-
liches Verlangen nach der Gnade GOttes
in Christo, welches unser Heyland Matth. 5,
6. einen Hunger und Durst nennet nach der
Gerechtigkeit, nemlich die uns Christus zur
Vergebung der Sünden, oder zur Zudeckung
unserer Ungerechtigkeit erworben hat: und
denn auch dabey das zuversichtliche Ver-
trauen,
nach welcher man das durch den
Hunger und Durst schwächlich ergriffene sich
noch vester und also zueignet, daß man dar-
innen, als in seinem höchsten Schatze und
Gute ruhet.
b. Diese wesentliche Natur und Theile des
Glaubens and also der Glaube selbst, werden
deßwegen lebendig genennet, oder es wird
ihnen, und also dem Glauben selbst ein Leben
zugeschrieben, weil ein solcher Glaube nicht
eingebildet, sondern wircklich ist, und sich in
der Seelen wircksam erweiset, wie es des Le-
bens, und alles dessen, was lebet, Eigenschaft
ist. Welche Wircksamkeit sich denn zum al-
lervordersten darinnen erweiset, daß er, oder
der Mensch, vermöge seines also in ihm le-
benden Glaubens, sich in Christo zum Gna-
den-Thron nahet, das verheissene und er-
kannte Evangelische Haupt-Gut der Gerech-
tigkeit Christi wircklich suchet, findet, ergreif-
fet, empfähet, sich zueignet, und veste hält.
Welches von dem Glauben unmöglich gesa-
get werden könte, wenn er nicht nach allen
seinen Stücken etwas lebendiges in der See-
le wäre.
c. Da nun der wahre Glaube in der Wieder-
geburt
also entstehet, daß auch die Wieder-
geburt selbst nicht unfüglich durch eine Hin-
wegnehmung des Unglaubens und durch die
Schenckung des Glaubens beschrieben wird,
so ist leichtlich zu erachten, daß der Glaube die-
ses sein Leben aus der Wiedergeburt, oder
nach derselben von GOTT habe; und daß,
wenn die Wiedergeburt, oder Bekehrung,
durch eine geistliche Lebendigmachung und Er-
weckung beschrieben wird, das Absehen da-
mit eigentlich auf den Glauben gehe, als der
seinem Wesen nach ein recht geistliches Le-
ben,
auch geistliches Licht, in der Seele
ist.
d. Gleichwie nun des Glaubens Haupt-Ge-
schäfte ist, daß er in organischer Activität
sich nach dem Evangelio zum Gnaden-Thron
nahet, und zuvorderst das gedachte Haupt-
Gut der Gerechtigkeit Christi, mit demselben
aber auch alle übrige Heyls-Güter, aus der
Fülle JEsu Christi nimmt: Joh. 1, 16. also er-
weiset er sich auch nicht weniger wircksam,
oder lebendig, daß er die ihm vermöge seines
wesentlichen Lebens schon beywohnende Kraft
der Liebe gegen GOTT, sich selbst, und den
Nechsten thätig erweiset; Gleichwie ein
Bettler mit seiner Hand, weil sie lebendig und
gesund

Richtige und erbauliche Cap. 2. v. 15-17.
[Spaltenumbruch] nichts, oder wenig uͤbrig haben, kaum gleich kom-
men.

6. Ein Reicher, der ein ziemliches Vermoͤ-
gen hat, ſolte ſich eine rechte Freude daraus ma-
chen, daß er gegen die Armen kan ausflieſſen.
Ja er hat in der That Urſache, ſich daruͤber, daß
er geben kan (welches viel ſeliger, oder beſſer iſt,
denn nehmen) mehr zu erfreuen, als der, welcher
die Gabe von ihm empfaͤnget. Denn man
wird ja dadurch gleichſam eine Hand, wodurch
GOTT, von dem doch alles Gute auch im Rei-
che der Natur herruͤhret, gutes thut. Wie
hoch unſer Heyland eine einem ſeiner Glieder
erwieſene Wohlthat annimmt, ſehe man unter
andern Matth. 25, 35. u. f.

7. Zur mehrern Erlaͤuterung gehoͤren hie-
her vor andern ſonderlich dieſe beyde Stellen:
Sprichw. 3, 27. 28. Wegere dich nicht dem
Duͤrftigen gutes zu thun, ſo deine Hand
es von GOtt hat, ſolches zu thun. Sprich
nicht zu deinem Freunde: Gehe hin und
komme wieder: morgen will ich dir geben,
ſo du es doch wol haſt.
Siehe auch Jeſ. 58,
8. u. f. 1 Joh. 3, 17. 18. Wenn iemand dieſer
Welt Guͤter hat, und ſiehet ſeinen Bruder
darben, und ſchleußt ſein Hertz vor ihm
zu, wie bleibet die Liebe GOttes bey ihm?
Meine Kindlein, laſſet uns nicht lieben mit
Worten, noch mit der Zungen, ſondern mit
der That und mit der Wahrheit.
Siehe
auch 5 B. Moſ. 15, 7. u. f.

V. 17.

Alſo auch der Glaube, wenn er nicht
Wercke hat, iſt er todt an ihm ſelber.

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt haben wir zu ſehen, worauf
das Vergleichungs-Wort ούτω, alſo, gehe.
Es will der Apoſtel damit ſo viel ſagen: Gleich-
wie das eine ſalſche Liebe iſt, welche man ohne
That nur bloß mit troͤſtlichen Worten gegen
die Armen bezeuget: GOtt berathe euch u. ſ.
w. alſo iſt das auch ein falſcher eingebildeter
Glaube, welcher nur in der buchſtaͤblichen Er-
kenntniß, und in dem natuͤrlichen Beyfall und
Vertrauen beſtehet, aber ſich durch die Liebe
nicht thaͤtig erweiſet.

2. Damit man ſo viel eigentlicher erken-
nen moͤge, in welchem Verſtande der Glaube
todt genennet werde, ſo haben wir zuvorderſt
zu erwegen, worinnen das Leben des Glau-
bens beſtehe? davon demnach folgende Puncte
zu mercken ſind:

a. Das Leben des Glaubens iſt nichts an-
ders, als ſeine eigentliche Natur, ſein We-
ſen,
ſeine wirckliche und weſentliche Be-
ſchaffenheit:
Welche der Apoſtel Paulus
1 Theſſ. 1, 3. nennet ἔργον das Werck des
Glaubens,
das iſt, ſeine Wircklichkeit und
rechte Realitaͤt, welche er daſelbſt von der
Liebe unterſcheidet. Und alſo gehoͤren zum
Leben des Glaubens alle ſeine wahren Theile,
daraus er beſtehet, als da ſind: eine uͤberna-
tuͤrliche geiſtliche Erkentniß, nach welcher
[Spaltenumbruch] der Glaube ein goͤttliches Licht iſt in der See-
le: ein zu ſolcher Erkentniß gehoͤriger uͤber-
natuͤrlicher, oder von dem heiligen Geiſte ge-
wirckter Beyfall; nach welcher man das er-
kannte ungezweifelt fuͤr wahr haͤlt: ein ſehn-
liches Verlangen nach der Gnade GOttes
in Chriſto, welches unſer Heyland Matth. 5,
6. einen Hunger und Durſt nennet nach der
Gerechtigkeit, nemlich die uns Chriſtus zur
Vergebung der Suͤnden, oder zur Zudeckung
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denn auch dabey das zuverſichtliche Ver-
trauen,
nach welcher man das durch den
Hunger und Durſt ſchwaͤchlich ergriffene ſich
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innen, als in ſeinem hoͤchſten Schatze und
Gute ruhet.
b. Dieſe weſentliche Natur und Theile des
Glaubens and alſo der Glaube ſelbſt, werden
deßwegen lebendig genennet, oder es wird
ihnen, und alſo dem Glauben ſelbſt ein Leben
zugeſchrieben, weil ein ſolcher Glaube nicht
eingebildet, ſondern wircklich iſt, und ſich in
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Welches von dem Glauben unmoͤglich geſa-
get werden koͤnte, wenn er nicht nach allen
ſeinen Stuͤcken etwas lebendiges in der See-
le waͤre.
c. Da nun der wahre Glaube in der Wieder-
geburt
alſo entſtehet, daß auch die Wieder-
geburt ſelbſt nicht unfuͤglich durch eine Hin-
wegnehmung des Unglaubens und durch die
Schenckung des Glaubens beſchrieben wird,
ſo iſt leichtlich zu erachten, daß der Glaube die-
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nach derſelben von GOTT habe; und daß,
wenn die Wiedergeburt, oder Bekehrung,
durch eine geiſtliche Lebendigmachung und Er-
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mit eigentlich auf den Glauben gehe, als der
ſeinem Weſen nach ein recht geiſtliches Le-
ben,
auch geiſtliches Licht, in der Seele
iſt.
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nahet, und zuvorderſt das gedachte Haupt-
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aber auch alle uͤbrige Heyls-Guͤter, aus der
Fuͤlle JEſu Chriſti nimmt: Joh. 1, 16. alſo er-
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oder lebendig, daß er die ihm vermoͤge ſeines
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[456/0458] Richtige und erbauliche Cap. 2. v. 15-17. nichts, oder wenig uͤbrig haben, kaum gleich kom- men. 6. Ein Reicher, der ein ziemliches Vermoͤ- gen hat, ſolte ſich eine rechte Freude daraus ma- chen, daß er gegen die Armen kan ausflieſſen. Ja er hat in der That Urſache, ſich daruͤber, daß er geben kan (welches viel ſeliger, oder beſſer iſt, denn nehmen) mehr zu erfreuen, als der, welcher die Gabe von ihm empfaͤnget. Denn man wird ja dadurch gleichſam eine Hand, wodurch GOTT, von dem doch alles Gute auch im Rei- che der Natur herruͤhret, gutes thut. Wie hoch unſer Heyland eine einem ſeiner Glieder erwieſene Wohlthat annimmt, ſehe man unter andern Matth. 25, 35. u. f. 7. Zur mehrern Erlaͤuterung gehoͤren hie- her vor andern ſonderlich dieſe beyde Stellen: Sprichw. 3, 27. 28. Wegere dich nicht dem Duͤrftigen gutes zu thun, ſo deine Hand es von GOtt hat, ſolches zu thun. Sprich nicht zu deinem Freunde: Gehe hin und komme wieder: morgen will ich dir geben, ſo du es doch wol haſt. Siehe auch Jeſ. 58, 8. u. f. 1 Joh. 3, 17. 18. Wenn iemand dieſer Welt Guͤter hat, und ſiehet ſeinen Bruder darben, und ſchleußt ſein Hertz vor ihm zu, wie bleibet die Liebe GOttes bey ihm? Meine Kindlein, laſſet uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zungen, ſondern mit der That und mit der Wahrheit. Siehe auch 5 B. Moſ. 15, 7. u. f. V. 17. Alſo auch der Glaube, wenn er nicht Wercke hat, iſt er todt an ihm ſelber. Anmerckungen. 1. Zuvorderſt haben wir zu ſehen, worauf das Vergleichungs-Wort ούτω, alſo, gehe. Es will der Apoſtel damit ſo viel ſagen: Gleich- wie das eine ſalſche Liebe iſt, welche man ohne That nur bloß mit troͤſtlichen Worten gegen die Armen bezeuget: GOtt berathe euch u. ſ. w. alſo iſt das auch ein falſcher eingebildeter Glaube, welcher nur in der buchſtaͤblichen Er- kenntniß, und in dem natuͤrlichen Beyfall und Vertrauen beſtehet, aber ſich durch die Liebe nicht thaͤtig erweiſet. 2. Damit man ſo viel eigentlicher erken- nen moͤge, in welchem Verſtande der Glaube todt genennet werde, ſo haben wir zuvorderſt zu erwegen, worinnen das Leben des Glau- bens beſtehe? davon demnach folgende Puncte zu mercken ſind: a. Das Leben des Glaubens iſt nichts an- ders, als ſeine eigentliche Natur, ſein We- ſen, ſeine wirckliche und weſentliche Be- ſchaffenheit: Welche der Apoſtel Paulus 1 Theſſ. 1, 3. nennet ἔργον das Werck des Glaubens, das iſt, ſeine Wircklichkeit und rechte Realitaͤt, welche er daſelbſt von der Liebe unterſcheidet. Und alſo gehoͤren zum Leben des Glaubens alle ſeine wahren Theile, daraus er beſtehet, als da ſind: eine uͤberna- tuͤrliche geiſtliche Erkentniß, nach welcher der Glaube ein goͤttliches Licht iſt in der See- le: ein zu ſolcher Erkentniß gehoͤriger uͤber- natuͤrlicher, oder von dem heiligen Geiſte ge- wirckter Beyfall; nach welcher man das er- kannte ungezweifelt fuͤr wahr haͤlt: ein ſehn- liches Verlangen nach der Gnade GOttes in Chriſto, welches unſer Heyland Matth. 5, 6. einen Hunger und Durſt nennet nach der Gerechtigkeit, nemlich die uns Chriſtus zur Vergebung der Suͤnden, oder zur Zudeckung unſerer Ungerechtigkeit erworben hat: und denn auch dabey das zuverſichtliche Ver- trauen, nach welcher man das durch den Hunger und Durſt ſchwaͤchlich ergriffene ſich noch veſter und alſo zueignet, daß man dar- innen, als in ſeinem hoͤchſten Schatze und Gute ruhet. b. Dieſe weſentliche Natur und Theile des Glaubens and alſo der Glaube ſelbſt, werden deßwegen lebendig genennet, oder es wird ihnen, und alſo dem Glauben ſelbſt ein Leben zugeſchrieben, weil ein ſolcher Glaube nicht eingebildet, ſondern wircklich iſt, und ſich in der Seelen wirckſam erweiſet, wie es des Le- bens, und alles deſſen, was lebet, Eigenſchaft iſt. Welche Wirckſamkeit ſich denn zum al- lervorderſten darinnen erweiſet, daß er, oder der Menſch, vermoͤge ſeines alſo in ihm le- benden Glaubens, ſich in Chriſto zum Gna- den-Thron nahet, das verheiſſene und er- kannte Evangeliſche Haupt-Gut der Gerech- tigkeit Chriſti wircklich ſuchet, findet, ergreif- fet, empfaͤhet, ſich zueignet, und veſte haͤlt. Welches von dem Glauben unmoͤglich geſa- get werden koͤnte, wenn er nicht nach allen ſeinen Stuͤcken etwas lebendiges in der See- le waͤre. c. Da nun der wahre Glaube in der Wieder- geburt alſo entſtehet, daß auch die Wieder- geburt ſelbſt nicht unfuͤglich durch eine Hin- wegnehmung des Unglaubens und durch die Schenckung des Glaubens beſchrieben wird, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß der Glaube die- ſes ſein Leben aus der Wiedergeburt, oder nach derſelben von GOTT habe; und daß, wenn die Wiedergeburt, oder Bekehrung, durch eine geiſtliche Lebendigmachung und Er- weckung beſchrieben wird, das Abſehen da- mit eigentlich auf den Glauben gehe, als der ſeinem Weſen nach ein recht geiſtliches Le- ben, auch geiſtliches Licht, in der Seele iſt. d. Gleichwie nun des Glaubens Haupt-Ge- ſchaͤfte iſt, daß er in organiſcher Activitaͤt ſich nach dem Evangelio zum Gnaden-Thron nahet, und zuvorderſt das gedachte Haupt- Gut der Gerechtigkeit Chriſti, mit demſelben aber auch alle uͤbrige Heyls-Guͤter, aus der Fuͤlle JEſu Chriſti nimmt: Joh. 1, 16. alſo er- weiſet er ſich auch nicht weniger wirckſam, oder lebendig, daß er die ihm vermoͤge ſeines weſentlichen Lebens ſchon beywohnende Kraft der Liebe gegen GOTT, ſich ſelbſt, und den Nechſten thaͤtig erweiſet; Gleichwie ein Bettler mit ſeiner Hand, weil ſie lebendig und geſund

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/458>, abgerufen am 26.06.2024.