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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 1. v. 13-15. Erklärung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Da die Versuchung zweyerley ist, zum
guten und zum bösen, und der Apostel von der
zum guten gehandelt und gezeiget hat, wie sie in
dem von GOtt verhengeten Creutze bestehe, und
unter der gnädigen Regierung GOttes, bey der
Treue und Beharrung der Creutzträger zu vielem
guten diene, ja endlich sich mit Erlangung der
Crone des Lebens endige; so kömmt er nun auf
die Versuchung zum bösen, und zeiget an, wie
daß diese keines weges von GOtt, sondern von
dem Menschen selbst aus seinem natürlichen
Verderben herkomme.

2. Wenn der Apostel spricht: Niemand
sage, wenn er versuchet wird;
so giebt er da-
mit nicht undeutlich zu verstehen, daß es unter
den bekehrten Hebräern solche falsche Lehrer ge-
geben habe, welche das Sünden-Ubel einer fata-
l
en Nothwendigkeit zugeschrieben, und die Ursa-
che davon GOtt, oder der göttlichen Verord-
nung, zugeeignet haben. Davon er demnach
alhier das Gegentheil bezeuget. Es pflegte
auch zu geschehen, daß einige sich unter dem
wahren Creutze zum Abfall reitzen liessen. Da-
mit nun diese Versuchung nicht mit jener, oder
der zum guten confundiret würde, so giebt der
Apostel davon zum Unterscheide einen nöthigen
Unterricht.

3. Soll niemand sagen, wenn man zum
bösen versuchet wird, daß es von GOtt komme,
und ist GOTT nicht ein Versucher zum bösen;
so soll man auch nicht sagen, daß GOtt den
Fall des menschlichen Gefchlechts also ver-
ordnet habe, daß er habe geschchen müssen:

Und eben so wenig soll man GOtt zum Urheber
einiger Sünde machen.

4. Es ist aber nicht genug, daß man die-
ses nicht mit ausdrücklichen Worten sage, ja
auch wol einen solchen Satz mißbillige, sondern
man muß auch solche Principia fahren lassen,
daraus ein solcher Schluß durch eine richtige
Folge entstehet.

5. Weil GOtt das höchste Gut wesent-
lich ist Matth. 19, 17. so ist er apeirastos kakon,
von so unendlicher Güte, daß weder passive ei-
niges böses bey ihm Platz findet, noch auch ac-
tive
von ihm herrühret: welches letztere mit
den Worten: er selbst aber versuchet nie-
mand,
bezeuget wird.

6. Die Materie de origine mali, vom
Ursprunge des Bösen, ist fast die allerschwere-
ste in der gantzen Theologie. Unterdessen, ob
gleich, wie die göttliche Providentz dabey ihr
Geschäfte habe, eine Sache ist von unbegreiflicher
Tiefe; so kan man doch dieses wohl nach aller
Wahrheit sagen, und davon versichert seyn, daß
kein Sünden-Ubel von GOtt herkomme, und
zwar aus folgenden Gründen:

a. Weil GOTT das wesentliche und
unendliche Gut
ist, von welchem da-
her unmöglich eine solche Wirckung, wel-
che wider sein gantzes Wesen streitet, herrüh-
ren kan. Darum es unvernünftig wäre, sol-
ches zu sagen.
[Spaltenumbruch]
b. Weil er das Böse so ernstlich haßt, auch
verboten hat, und so fort strafet. Siehe un-
ter andern Ps. 5, 5.
c. Weil die Sünde des menschlichen Ge-
schlechts, da sie der Sohn GOttes, als der
Bürge und Mittler, über sich genommen hat-
te, dergestalt an ihm ist gestrafet worden, daß
er daher den zeitlichen und ewigen Tod hat
schmecken müssen. Jes. 53. Hebr. 2, 9.
V. 14. 15.

Sondern ein ieglicher wird versuchet,
wenn er von seiner eigenen Lust gereitzet
und gelocket wird. Darnach wenn die Lust
empfangen hat, gebieret sie die Sünde: die
Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebieret
sie den Tod.

Anmerckungen.

1. Es ist dieser Ort vor vielen andern wohl
zu mercken wegen der Erb- und wircklichen Sün-
de, welche darinnen gar nachdrücklich beschrieben
wird. Auf die Erb-Sünde gehen die ersten
Worte: von seiner eignen Lust versuchet,
gelocket und gereitzet werden.

2. Bey der Erb-Sünde ist zweyerley zu
mercken: erstlich worinn sie bestehe: und denn, wie
sie sich zuerst äussere. Worinnen sie bestehet,
das ist die Lust. Dabey man folgendes zu erwe-
gen hat:

a. Daß die Erb-Sünde zwar in der Lust beste-
he: aber nicht darinn allein; sondern zugleich
im gäntzlichen Verlust des Ebenbildes
GOttes, was desselben Haupt-Kräfte betrift;
und also auch in einem geistlichen Unvermö-
gen
zu allem geistlichen guten. Eph. 2, 1. setzet
Paulus beydes zusammen, wenn er spricht: da
ihr todt waret durch Ubertretung und
Sünde.
Denn gleichwie mit dem Worte,
Ubertretung und Sünde sonderlich auf die
Lust gesehen, so wird mit dem Worte todt,
todt seyn,
das geistliche Unvermögen ange-
zeiget.
b. Man hat bey der Lust das Wesen der Seele
worinnen sich die Lust befindet, von der Lust
selbst wohl zu unterscheiden. Die Lust befin-
det sich der Wurtzel, oder dem eigentlichen Si-
tze nach sonderlich in dem Willen des Men-
schen, der Wille aber gehöret zum Wesen der
Seele, und ist an sich selbst ein gutes Geschöpf-
fe GOttes. Hingegen die im Willen liegende
und von demselben ausbrechende Lust ist durch
die Sünde gantz verderbt. Denn sie ist von
dem Schöpfer auf die Creatur geführet, theils
auf den Menschen selbst in vieler verkehrten Ei-
genliebe, und theils auf das, was ausser ihm ist
in unordentlicher Welt-Liebe.
c. Jn dieser bösen und unreinen Lust lieget der
Grund aller Sünden; sonderlich der dreyfa-
chen Haupt-Sünde, des Ehrgeitzes, des
Geld-Geitzes und der fleischlichen Wohl-
lust.
Denn diese drey Haupt-Sünden haben
ihren Mittel-Punct in der verkehrten und un-
reinen Lust.
d. Diese böse Erblust herrschet von Natur bey
allen
J i i
Cap. 1. v. 13-15. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Da die Verſuchung zweyerley iſt, zum
guten und zum boͤſen, und der Apoſtel von der
zum guten gehandelt und gezeiget hat, wie ſie in
dem von GOtt verhengeten Creutze beſtehe, und
unter der gnaͤdigen Regierung GOttes, bey der
Treue und Beharrung der Creutztraͤger zu vielem
guten diene, ja endlich ſich mit Erlangung der
Crone des Lebens endige; ſo koͤmmt er nun auf
die Verſuchung zum boͤſen, und zeiget an, wie
daß dieſe keines weges von GOtt, ſondern von
dem Menſchen ſelbſt aus ſeinem natuͤrlichen
Verderben herkomme.

2. Wenn der Apoſtel ſpricht: Niemand
ſage, wenn er verſuchet wird;
ſo giebt er da-
mit nicht undeutlich zu verſtehen, daß es unter
den bekehrten Hebraͤern ſolche falſche Lehrer ge-
geben habe, welche das Suͤnden-Ubel einer fata-
l
en Nothwendigkeit zugeſchrieben, und die Urſa-
che davon GOtt, oder der goͤttlichen Verord-
nung, zugeeignet haben. Davon er demnach
alhier das Gegentheil bezeuget. Es pflegte
auch zu geſchehen, daß einige ſich unter dem
wahren Creutze zum Abfall reitzen lieſſen. Da-
mit nun dieſe Verſuchung nicht mit jener, oder
der zum guten confundiret wuͤrde, ſo giebt der
Apoſtel davon zum Unterſcheide einen noͤthigen
Unterricht.

3. Soll niemand ſagen, wenn man zum
boͤſen verſuchet wird, daß es von GOtt komme,
und iſt GOTT nicht ein Verſucher zum boͤſen;
ſo ſoll man auch nicht ſagen, daß GOtt den
Fall des menſchlichen Gefchlechts alſo ver-
ordnet habe, daß er habe geſchchen muͤſſen:

Und eben ſo wenig ſoll man GOtt zum Urheber
einiger Suͤnde machen.

4. Es iſt aber nicht genug, daß man die-
ſes nicht mit ausdruͤcklichen Worten ſage, ja
auch wol einen ſolchen Satz mißbillige, ſondern
man muß auch ſolche Principia fahren laſſen,
daraus ein ſolcher Schluß durch eine richtige
Folge entſtehet.

5. Weil GOtt das hoͤchſte Gut weſent-
lich iſt Matth. 19, 17. ſo iſt er ἀπείραστος κακῶν,
von ſo unendlicher Guͤte, daß weder paſſive ei-
niges boͤſes bey ihm Platz findet, noch auch ac-
tive
von ihm herruͤhret: welches letztere mit
den Worten: er ſelbſt aber verſuchet nie-
mand,
bezeuget wird.

6. Die Materie de origine mali, vom
Urſprunge des Boͤſen, iſt faſt die allerſchwere-
ſte in der gantzen Theologie. Unterdeſſen, ob
gleich, wie die goͤttliche Providentz dabey ihr
Geſchaͤfte habe, eine Sache iſt von unbegreiflicher
Tiefe; ſo kan man doch dieſes wohl nach aller
Wahrheit ſagen, und davon verſichert ſeyn, daß
kein Suͤnden-Ubel von GOtt herkomme, und
zwar aus folgenden Gruͤnden:

a. Weil GOTT das weſentliche und
unendliche Gut
iſt, von welchem da-
her unmoͤglich eine ſolche Wirckung, wel-
che wider ſein gantzes Weſen ſtreitet, herruͤh-
ren kan. Darum es unvernuͤnftig waͤre, ſol-
ches zu ſagen.
[Spaltenumbruch]
b. Weil er das Boͤſe ſo ernſtlich haßt, auch
verboten hat, und ſo fort ſtrafet. Siehe un-
ter andern Pſ. 5, 5.
c. Weil die Suͤnde des menſchlichen Ge-
ſchlechts, da ſie der Sohn GOttes, als der
Buͤrge und Mittler, uͤber ſich genommen hat-
te, dergeſtalt an ihm iſt geſtrafet worden, daß
er daher den zeitlichen und ewigen Tod hat
ſchmecken muͤſſen. Jeſ. 53. Hebr. 2, 9.
V. 14. 15.

Sondern ein ieglicher wird verſuchet,
wenn er von ſeiner eigenen Luſt gereitzet
und gelocket wird. Darnach wenn die Luſt
empfangen hat, gebieret ſie die Suͤnde: die
Suͤnde aber, wenn ſie vollendet iſt, gebieret
ſie den Tod.

Anmerckungen.

1. Es iſt dieſer Ort vor vielen andern wohl
zu mercken wegen der Erb- und wircklichen Suͤn-
de, welche darinnen gar nachdruͤcklich beſchrieben
wird. Auf die Erb-Suͤnde gehen die erſten
Worte: von ſeiner eignen Luſt verſuchet,
gelocket und gereitzet werden.

2. Bey der Erb-Suͤnde iſt zweyerley zu
mercken: erſtlich worinn ſie beſtehe: und denn, wie
ſie ſich zuerſt aͤuſſere. Worinnen ſie beſtehet,
das iſt die Luſt. Dabey man folgendes zu erwe-
gen hat:

a. Daß die Erb-Suͤnde zwar in der Luſt beſte-
he: aber nicht darinn allein; ſondern zugleich
im gaͤntzlichen Verluſt des Ebenbildes
GOttes, was deſſelben Haupt-Kraͤfte betrift;
und alſo auch in einem geiſtlichen Unvermoͤ-
gen
zu allem geiſtlichen guten. Eph. 2, 1. ſetzet
Paulus beydes zuſammen, wenn er ſpricht: da
ihr todt waret durch Ubertretung und
Suͤnde.
Denn gleichwie mit dem Worte,
Ubertretung und Suͤnde ſonderlich auf die
Luſt geſehen, ſo wird mit dem Worte todt,
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b. Man hat bey der Luſt das Weſen der Seele
worinnen ſich die Luſt befindet, von der Luſt
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det ſich der Wurtzel, oder dem eigentlichen Si-
tze nach ſonderlich in dem Willen des Men-
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fe GOttes. Hingegen die im Willen liegende
und von demſelben ausbrechende Luſt iſt durch
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genliebe, und theils auf das, was auſſer ihm iſt
in unordentlicher Welt-Liebe.
c. Jn dieſer boͤſen und unreinen Luſt lieget der
Grund aller Suͤnden; ſonderlich der dreyfa-
chen Haupt-Suͤnde, des Ehrgeitzes, des
Geld-Geitzes und der fleiſchlichen Wohl-
luſt.
Denn dieſe drey Haupt-Suͤnden haben
ihren Mittel-Punct in der verkehrten und un-
reinen Luſt.
d. Dieſe boͤſe Erbluſt herrſchet von Natur bey
allen
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[433/0435] Cap. 1. v. 13-15. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. Anmerckungen. 1. Da die Verſuchung zweyerley iſt, zum guten und zum boͤſen, und der Apoſtel von der zum guten gehandelt und gezeiget hat, wie ſie in dem von GOtt verhengeten Creutze beſtehe, und unter der gnaͤdigen Regierung GOttes, bey der Treue und Beharrung der Creutztraͤger zu vielem guten diene, ja endlich ſich mit Erlangung der Crone des Lebens endige; ſo koͤmmt er nun auf die Verſuchung zum boͤſen, und zeiget an, wie daß dieſe keines weges von GOtt, ſondern von dem Menſchen ſelbſt aus ſeinem natuͤrlichen Verderben herkomme. 2. Wenn der Apoſtel ſpricht: Niemand ſage, wenn er verſuchet wird; ſo giebt er da- mit nicht undeutlich zu verſtehen, daß es unter den bekehrten Hebraͤern ſolche falſche Lehrer ge- geben habe, welche das Suͤnden-Ubel einer fata- len Nothwendigkeit zugeſchrieben, und die Urſa- che davon GOtt, oder der goͤttlichen Verord- nung, zugeeignet haben. Davon er demnach alhier das Gegentheil bezeuget. Es pflegte auch zu geſchehen, daß einige ſich unter dem wahren Creutze zum Abfall reitzen lieſſen. Da- mit nun dieſe Verſuchung nicht mit jener, oder der zum guten confundiret wuͤrde, ſo giebt der Apoſtel davon zum Unterſcheide einen noͤthigen Unterricht. 3. Soll niemand ſagen, wenn man zum boͤſen verſuchet wird, daß es von GOtt komme, und iſt GOTT nicht ein Verſucher zum boͤſen; ſo ſoll man auch nicht ſagen, daß GOtt den Fall des menſchlichen Gefchlechts alſo ver- ordnet habe, daß er habe geſchchen muͤſſen: Und eben ſo wenig ſoll man GOtt zum Urheber einiger Suͤnde machen. 4. Es iſt aber nicht genug, daß man die- ſes nicht mit ausdruͤcklichen Worten ſage, ja auch wol einen ſolchen Satz mißbillige, ſondern man muß auch ſolche Principia fahren laſſen, daraus ein ſolcher Schluß durch eine richtige Folge entſtehet. 5. Weil GOtt das hoͤchſte Gut weſent- lich iſt Matth. 19, 17. ſo iſt er ἀπείραστος κακῶν, von ſo unendlicher Guͤte, daß weder paſſive ei- niges boͤſes bey ihm Platz findet, noch auch ac- tive von ihm herruͤhret: welches letztere mit den Worten: er ſelbſt aber verſuchet nie- mand, bezeuget wird. 6. Die Materie de origine mali, vom Urſprunge des Boͤſen, iſt faſt die allerſchwere- ſte in der gantzen Theologie. Unterdeſſen, ob gleich, wie die goͤttliche Providentz dabey ihr Geſchaͤfte habe, eine Sache iſt von unbegreiflicher Tiefe; ſo kan man doch dieſes wohl nach aller Wahrheit ſagen, und davon verſichert ſeyn, daß kein Suͤnden-Ubel von GOtt herkomme, und zwar aus folgenden Gruͤnden: a. Weil GOTT das weſentliche und unendliche Gut iſt, von welchem da- her unmoͤglich eine ſolche Wirckung, wel- che wider ſein gantzes Weſen ſtreitet, herruͤh- ren kan. Darum es unvernuͤnftig waͤre, ſol- ches zu ſagen. b. Weil er das Boͤſe ſo ernſtlich haßt, auch verboten hat, und ſo fort ſtrafet. Siehe un- ter andern Pſ. 5, 5. c. Weil die Suͤnde des menſchlichen Ge- ſchlechts, da ſie der Sohn GOttes, als der Buͤrge und Mittler, uͤber ſich genommen hat- te, dergeſtalt an ihm iſt geſtrafet worden, daß er daher den zeitlichen und ewigen Tod hat ſchmecken muͤſſen. Jeſ. 53. Hebr. 2, 9. V. 14. 15. Sondern ein ieglicher wird verſuchet, wenn er von ſeiner eigenen Luſt gereitzet und gelocket wird. Darnach wenn die Luſt empfangen hat, gebieret ſie die Suͤnde: die Suͤnde aber, wenn ſie vollendet iſt, gebieret ſie den Tod. Anmerckungen. 1. Es iſt dieſer Ort vor vielen andern wohl zu mercken wegen der Erb- und wircklichen Suͤn- de, welche darinnen gar nachdruͤcklich beſchrieben wird. Auf die Erb-Suͤnde gehen die erſten Worte: von ſeiner eignen Luſt verſuchet, gelocket und gereitzet werden. 2. Bey der Erb-Suͤnde iſt zweyerley zu mercken: erſtlich worinn ſie beſtehe: und denn, wie ſie ſich zuerſt aͤuſſere. Worinnen ſie beſtehet, das iſt die Luſt. Dabey man folgendes zu erwe- gen hat: a. Daß die Erb-Suͤnde zwar in der Luſt beſte- he: aber nicht darinn allein; ſondern zugleich im gaͤntzlichen Verluſt des Ebenbildes GOttes, was deſſelben Haupt-Kraͤfte betrift; und alſo auch in einem geiſtlichen Unvermoͤ- gen zu allem geiſtlichen guten. Eph. 2, 1. ſetzet Paulus beydes zuſammen, wenn er ſpricht: da ihr todt waret durch Ubertretung und Suͤnde. Denn gleichwie mit dem Worte, Ubertretung und Suͤnde ſonderlich auf die Luſt geſehen, ſo wird mit dem Worte todt, todt ſeyn, das geiſtliche Unvermoͤgen ange- zeiget. b. Man hat bey der Luſt das Weſen der Seele worinnen ſich die Luſt befindet, von der Luſt ſelbſt wohl zu unterſcheiden. Die Luſt befin- det ſich der Wurtzel, oder dem eigentlichen Si- tze nach ſonderlich in dem Willen des Men- ſchen, der Wille aber gehoͤret zum Weſen der Seele, und iſt an ſich ſelbſt ein gutes Geſchoͤpf- fe GOttes. Hingegen die im Willen liegende und von demſelben ausbrechende Luſt iſt durch die Suͤnde gantz verderbt. Denn ſie iſt von dem Schoͤpfer auf die Creatur gefuͤhret, theils auf den Menſchen ſelbſt in vieler verkehrten Ei- genliebe, und theils auf das, was auſſer ihm iſt in unordentlicher Welt-Liebe. c. Jn dieſer boͤſen und unreinen Luſt lieget der Grund aller Suͤnden; ſonderlich der dreyfa- chen Haupt-Suͤnde, des Ehrgeitzes, des Geld-Geitzes und der fleiſchlichen Wohl- luſt. Denn dieſe drey Haupt-Suͤnden haben ihren Mittel-Punct in der verkehrten und un- reinen Luſt. d. Dieſe boͤſe Erbluſt herrſchet von Natur bey allen J i i

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/435>, abgerufen am 22.11.2024.