Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 6. v. 1-3. an die Hebräer. [Spaltenumbruch]
rer dazu gehabten Gelegenheit nicht zu gedencken.Es hat demnach ein ieglicher die Zeit wohl zu er- wegen, die er nemlich theils den Jahren nach am natürlichen Alter erreichet, und theils die er schon von der ersten Erweckung zum rechtschaffnen We- sen des Christenthums zurück geleget hat. Da man sich denn selbst wohl zu prüfen hat, wie weit man im Laufe der Erneuerung gekommen sey, oder nicht. O wie mancher wird in der Selbst-Prü- fung seine Trägheit finden? Wird man aber gleich ohne Selbst-Betrug eines getreuen Fort- ganges gewahr, so hat man doch Ursache in der Armuth des Geistes zu bleiben, und GOtt für seine Gnade zu preisen. 7. Die Eigenschaft und Pflicht der Män- 8. Die Männer in Christo heissen auch 9. Die starcke Speisen der Vollkomme- 10. Wird man des Bösen so gewohnet, 11. Da zu dem Unterscheide des Guten und Das Sechste Capitel, [Spaltenumbruch]
Darinnen Der Apostel die gläubigen Hebräer vor dem Rückfall, mit Vorstellung der grossen Gefahr/ warnet und/ mit Bezeugung seines guten ge- gen sie gefasseten Vertrauens/ sie zur Beständigkeit ermah- net und ermuntert. V. 1. 2. 3. DArum wollen wir die Lehre Anmer- Q q
Cap. 6. v. 1-3. an die Hebraͤer. [Spaltenumbruch]
rer dazu gehabten Gelegenheit nicht zu gedencken.Es hat demnach ein ieglicher die Zeit wohl zu er- wegen, die er nemlich theils den Jahren nach am natuͤrlichen Alter erreichet, und theils die er ſchon von der erſten Erweckung zum rechtſchaffnen We- ſen des Chriſtenthums zuruͤck geleget hat. Da man ſich denn ſelbſt wohl zu pruͤfen hat, wie weit man im Laufe der Erneuerung gekommen ſey, oder nicht. O wie mancher wird in der Selbſt-Pruͤ- fung ſeine Traͤgheit finden? Wird man aber gleich ohne Selbſt-Betrug eines getreuen Fort- ganges gewahr, ſo hat man doch Urſache in der Armuth des Geiſtes zu bleiben, und GOtt fuͤr ſeine Gnade zu preiſen. 7. Die Eigenſchaft und Pflicht der Maͤn- 8. Die Maͤnner in Chriſto heiſſen auch 9. Die ſtarcke Speiſen der Vollkomme- 10. Wird man des Boͤſen ſo gewohnet, 11. Da zu dem Unterſcheide des Guten und Das Sechſte Capitel, [Spaltenumbruch]
Darinnen Der Apoſtel die glaͤubigen Hebraͤer vor dem Ruͤckfall, mit Vorſtellung der groſſen Gefahr/ warnet und/ mit Bezeugung ſeines guten ge- gen ſie gefaſſeten Vertrauens/ ſie zur Beſtaͤndigkeit ermah- net und ermuntert. V. 1. 2. 3. DArum wollen wir die Lehre Anmer- Q q
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Cap. 6. v. 1-3. an die Hebraͤer.
rer dazu gehabten Gelegenheit nicht zu gedencken.
Es hat demnach ein ieglicher die Zeit wohl zu er-
wegen, die er nemlich theils den Jahren nach am
natuͤrlichen Alter erreichet, und theils die er ſchon
von der erſten Erweckung zum rechtſchaffnen We-
ſen des Chriſtenthums zuruͤck geleget hat. Da
man ſich denn ſelbſt wohl zu pruͤfen hat, wie weit
man im Laufe der Erneuerung gekommen ſey, oder
nicht. O wie mancher wird in der Selbſt-Pruͤ-
fung ſeine Traͤgheit finden? Wird man aber
gleich ohne Selbſt-Betrug eines getreuen Fort-
ganges gewahr, ſo hat man doch Urſache in der
Armuth des Geiſtes zu bleiben, und GOtt fuͤr
ſeine Gnade zu preiſen.
7. Die Eigenſchaft und Pflicht der Maͤn-
ner in Chriſto iſt es, daß ſie andere lehren und
weiter fuͤhren koͤnnen, und zwar nicht allein der
Erkenntniß nach mit Worten, ſondern auch der
Ubung nach mit ihrem erbaulichen Exempel. Wie
denn in der Apoſtoliſchen Kirche die oͤffentlichen
Lehrer aus der Gemeine der Zuhoͤrer genommen
wurden.
8. Die Maͤnner in Chriſto heiſſen auch
τέλειοι Vollkommene, nicht als wenn ſie nicht
noch immer mehr zu wachſen haͤtten, ſondern im
Gegenſatz auf die Anfaͤnger, oder jungen Kinder:
da ſie ſonſt an ſich ſelbſt noch zu ihrem taͤglichen
Wachsthum der ſtarcken Speiſe benoͤthigt
ſind.
9. Die ſtarcke Speiſen der Vollkomme-
nen ſind die tiefere Einſichten in die Geheimniſſe,
und Wege, theils auch Gerichte GOttes. Jn
dem Genuß ſolcher Speiſen iſt diß die beſte Ei-
genſchaft, daß ſie ſich an nichts ſtoſſen, oder aͤr-
gern und am Geiſte ſchwaͤchen laſſen, ſondern al-
les gleichſam wohl verdauen koͤnnen und zu ihrer
Staͤrckung anwenden.
10. Wird man des Boͤſen ſo gewohnet,
daß man einen rechten Habitum, oder eine ſolche
Fertigkeit darinnen erlanget, darinnen es einem
gleichſam zum rechten Hand-Wercke wird: ſo
kan und muß man auch des Guten ſo gewohnet
werden, daß es einem nicht allein moͤglich, ſondern
auch leicht wird, und man nicht wol wieder davon
ablaſſen kan. Auf welche Art es einem gleich-
ſam zur andern Natur wird, nemlich zur neuen
Natur. Und dadurch bekoͤmmt man an der
Seelen recht geuͤbte Sinne, nemlich erleuch-
tete Augen zu ſehen Eph. 1, 18. aufmerckſame
Ohren zu hoͤren Matth. 13, 43. Joh. 8, 47. eine
empfindliche Zunge zu ſchmecken Pſ. 34, 9.
1 Pet. 2, 3. u. ſ. w.
11. Da zu dem Unterſcheide des Guten und
Boͤſen ſolche geuͤbte geiſtliche Sinne erfordert
werden, und ſich dieſe nur bey den Maͤnnern in
Chriſto befinden, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß
kein unbekehrter und fleiſchlich geſinneter Lehrer,
da er noch nicht einmal zum Alter der jungen Kin-
der in Chriſto gelanget iſt, einen geiſtlicher Weiſe
wahren Unterſcheid des Guten und des Boͤſen
wiſſe; ob er gleich nach ſeiner bloß buchſtaͤblichen
Erkenntniß viel davon reden kan. Jm uͤbrigen
hat man bey dem Alter der Maͤnner in Chriſto
dieſe beyden Oerter wohl zu mercken: Eph. 4, 13.
da es heißt: ein vollkommner Mann wer-
den, der da ſey in der Maſſe des vollkomm-
nen Alters Chriſti u. ſ. w. und 1 Joh. 2, 13. 14.
ſtarck ſeyn, das Wort GOttes bey ſich blei-
bend haben, und den Boͤſewicht uͤberwun-
den haben.
Das Sechſte Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel die glaͤubigen Hebraͤer vor dem Ruͤckfall, mit
Vorſtellung der groſſen Gefahr/ warnet und/ mit Bezeugung ſeines guten ge-
gen ſie gefaſſeten Vertrauens/ ſie zur Beſtaͤndigkeit ermah-
net und ermuntert.
V. 1. 2. 3.
DArum wollen wir die Lehre
vom Anfang Chriſtliches Le-
bens (τὸν τῆς ἀρχῆς Χριςου῀ λόγον,
die anfaͤngliche Lehr evon Chriſto
und dem Chriſtenthum) itzt laſ-
ſen, und zur Vollkommenheit fahren (uͤber
den Anfang weiter gehen und die Lehren abhan-
delen, welche fuͤr die Maͤnneꝛ in Chꝛiſto gehoͤren und
einer ſtarcken Speiſe gleich ſind) nicht abermal
(aufs neue mit weitlaͤuftiger Wiederholung)
Grund legen von Buſſe der Todten Wercke,
(und wahrer Bekehꝛung) vom Glauben an Gott
(wie ſich dieſer nach ſeinem Weſen, Perſonen und
Wercken geoffenbaret habe) von der Taufe,
von der Lehre (βαπτισμῶν διθαχῆς, der Lehre
von den Taufen, wie es um die Chriſtliche
Taufe ſtehe, und wie ſie von den Judiſchen Rei-
nigungen unterſchieden ſey) von Haͤnde aufle-
gen (wie ſolches ſonderlich bey der Mittheilung
der auſſerordentlichen Gaben und bey Beſtellung
der Lehrer geſchehen iſt) von der Todten Auf-
erſtehung und vom ewigen Gerichte (von
dem Gerichte, welches den Eingang giebet zur
ſeligen und unſeligen Ewigkeit) und das
(nemlich von allen dieſen Puncten einmal aus-
fuͤhrlich zu handeln, um die unwiſſende darinnen
recht zu gruͤnden) wollen wir thun, ſo es
GOtt anders zulaͤßt (wie einen beſonderen
innern Trieb, alſo auch eine aͤuſſerliche beſondere
Veranlaſſung und Gelegenheit dazu giebet.)
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