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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 5. v. 12-14
[Spaltenumbruch] Vollkommnen aber (welche den Erwachsenen
gleich, und wie zu mehrerm Alter also auch zu meh-
rer Stärcke des Geistes und des Glaubens ge-
langet sind) gehöret starcke Speise (eine aus-
führliche Abhandelung von den zu dem gantzen
Rathe GOttes von unserer Seligkeit gehörigen
Geheimnissen) die durch Gewohnheit (län-
gere und fleißigere Ubung und Erfahrung) haben
geübte Sinne
(einen geöffneten und erleuchte-
ten Verstand, auch geheiligten und gestärckten
Willen) zum Unterscheide (und weisen, auch
richtigen, Beurtheilung) des Guten und des
Bösen
(nicht weniger auch des wahren und des
falschen, oder der Wahrheit und der Jrrthü-
mer.)

Anmerckungen.

1. Es giebt wie im natürlichen, also auch
im geistlichen Leben, oder wie im Reiche der Na-
tur, also auch im Reiche der Gnaden, unter-
schiedliche Alter:
nemlich das kindische Alter
der jungen Kinder, der Jünglinge und der
Alten, oder Väter: wie sie von Johanne 1 Ep.
c. 2, 13. 14. genennet werden.

2. Das Alter der jungen Kinder hat
zwar das geistliche Leben aus GOTT nach der
Ordnung der Wiedergeburt zum Grunde 1 Pet.
2, 2. sie suchen und finden auch ihre Nahrung an
der lautern Milch des Evangelii, daraus sie ihr
geistliches Leben selbst haben 1 Cor. 3, 1. 2. und ist
ihre Eigenschaft, daß sie ihren himmlischen Va-
ter kennen, 1 Joh. 3, 13. und durch den Geist der
Kindschaft mit den Erwachsenen schon rufen
Abba, lieber Vater Röm. 8, 15. Gal. 4, 6.
auch billig ihre Pflicht darinnen, welches ihre
grösseste Wohlthat ist, beweisen, nemlich daß sie
begierig sind nach der geistlichen und lautern
Milch, um dadurch immer mehr zuzunehmen 1 Pet.
2, 2. Allein dieses Alter hat doch noch grosse
Schwachheit und Gebrechen an sich. Denn,
nach unserm Text ist es noch unverständig, (siehe
auch 1 Cor. 14, 20.) es kan noch keine starcke
Speisen der göttlichen Wahrheit verdauen; es
ist noch unerfahren in dem Worte der Gerechtig-
keit und hat noch keine geübte Sinne zum Unter-
scheide des Guten und des Bösen. Und dazu ist
es in manchen Stücken noch fleischlich gesinnet,
also daß, ob es gleich das Fleisch nicht mehr herr-
schen lässet (als welches mit dem Stande der
Kindschaft aus GOtt nicht bestehen könte) so
giebt es doch demselben noch mehr Raum, als es
seyn solte 1 Cor. 3, 1. 2. 3. Und bey solcher Be-
schaffenheit ist es vieler Gefahr der Verführung
unterworfen. Daher Paulus an die Ephesier
c. 4, 14. schreibet: - - Daß wir nicht mehr
Kinder seyn und uns wägen und wiegen las-
sen von allerley Wind der Lehre durch
Schalckheit der Menschen und Teuscherey,
damit sie uns erschleichen zu verführen.

3. Man hat aber von diesem Alter der jun-
gen Kinder in Christo diejenigen wohl zu unter-
scheiden, welche der Apostel Gal. 4, 1. u. f. mit
unmündigen Kindern, welche unter den Vor-
mündern stehen, vergleichet. Denn dadurch ver-
stehet er die Gläubigen des alten Testaments und
[Spaltenumbruch] setzet ihnen entgegen die Gläubigen des neuen Te-
staments, und vergleichet diese mit solchen Kin-
dern, welche zu ihren Jahren gekommen, und die
ihnen zugehörigen Güter schon selbst verwalten.
Welches denn ein solches Recht aller Gläubigen
nach dem Evangelio ist, welches ihnen nach dem
dreyfachen Alter zukömmt; ob gleich nach dem
einen mehr, als nach dem andern. Es kan dem-
nach einer zwar nicht mehr ein unmündiges Kind
seyn nach Art des alten Bundes; der doch aber
unter dem neuen Bunde noch in dem zartesten Al-
ter seines Glaubens und Christenthums sich be-
findet. Und solche junge Kinder waren noch die
meisten unter den gläubigen Hebräern. Und
gleichwie jene unmündige Kinder unter dem Ge-
setze an den Levitischen Satzungen ihre soikheia,
ihre erste Gründe und gleichsam Buchstaben hat-
ten, nach Gal. 4, 3. 9. Col. 2, 8. 20. also hatten
diese unter dem neuen Bunde auch ihre soikheia,
die der Apostel nennet stoikhei~a tes arkhes ton
logion tou~ Theou~, gleichsam die Buchstaben des An-
fangs, oder die ersten Anfänge der göttlichen
Worte: wodurch er alhier solche Lehren verste-
het, welche bey uns im Catechismo pflegen vorge-
tragen zu werden: davon er auch c. 6, 1. 2. einige
anführet, und sie überhaupt nennet ton tes ar-
khes tou~ Khrittou~ logon, die anfängliche Lehre von
Christo und dem Christenthum.

4. Daß aber auch die gläubigen Hebräer
nicht alle mehr solche Anfänger gewesen sind, sie-
het man unter andern daraus, daß er c. 6, 1. spricht,
er wolle ohne weitläuftige Wiederholung der An-
fangs-Lehren zur Vollkommenheit gehen. c. 6,
10. und c. 10, 32. 33. 34. auch die Vollkommnen,
oder Jünglinge, theils auch Väter im Christen-
thum, also beschreibet, daß sie ein löbliches Werck
und Arbeit der Liebe an dem Namen GOttes be-
wiesen, und daß, nachdem sie erleuchtet, sie erduldet
haben einen grossen Kampf des Leidens, auch zum
theil selbst durch Schmach und Trübsal ein
Schauspiel worden, zum theil Gemeinschaft ge-
habt mit denen, denen es also gehet, mit seinen
Banden Mitleiden gehabt, und den Raub ihrer
Güter mit Freuden erduldet haben. u. s. w.

5. Es gehet aber leider noch itzo also, daß
von denen, welche durch die heilige Taufe und
durch das Wort des Evangelii in der Ordnung
der Wiedergeburt zum geistlichen Leben aus
GOtt gebracht sind, so manche wo nicht gar wie-
der zurück gehen, doch bey dem ersten Anfange
stehen und also gleichsam immer unmündige Kin-
der bleiben. Welche denn wohl zu erwegen ha-
ben, nicht allein wie gefährlich solcher ihr Stille-
stand und ihre Trägheit sey, wegen des so gar
leichten gäntzlichen Rückfalls; sondern auch wie
unanständig es sey, dem geistlichen Alter nach, im-
mer ein unverständiges und schwaches Kind zu
bleiben; da man hingegen nach der Natur wie
am Alter, also auch an Leibes-Stärcke und Kräf-
ten zugenommen hat.

6. Von dem Alter der Jünglinge, oder
Männer, ja der Alten in Christo stehet in unserm
Texte, daß sie sollen Meister seyn, nemlich auch
andere zu lehren und zwar der Zeit nach, ande-

rer

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 5. v. 12-14
[Spaltenumbruch] Vollkommnen aber (welche den Erwachſenen
gleich, und wie zu mehrerm Alter alſo auch zu meh-
rer Staͤrcke des Geiſtes und des Glaubens ge-
langet ſind) gehoͤret ſtarcke Speiſe (eine aus-
fuͤhrliche Abhandelung von den zu dem gantzen
Rathe GOttes von unſerer Seligkeit gehoͤrigen
Geheimniſſen) die durch Gewohnheit (laͤn-
gere und fleißigere Ubung und Erfahrung) haben
geuͤbte Sinne
(einen geoͤffneten und erleuchte-
ten Verſtand, auch geheiligten und geſtaͤrckten
Willen) zum Unterſcheide (und weiſen, auch
richtigen, Beurtheilung) des Guten und des
Boͤſen
(nicht weniger auch des wahren und des
falſchen, oder der Wahrheit und der Jrrthuͤ-
mer.)

Anmerckungen.

1. Es giebt wie im natuͤrlichen, alſo auch
im geiſtlichen Leben, oder wie im Reiche der Na-
tur, alſo auch im Reiche der Gnaden, unter-
ſchiedliche Alter:
nemlich das kindiſche Alter
der jungen Kinder, der Juͤnglinge und der
Alten, oder Vaͤter: wie ſie von Johanne 1 Ep.
c. 2, 13. 14. genennet werden.

2. Das Alter der jungen Kinder hat
zwar das geiſtliche Leben aus GOTT nach der
Ordnung der Wiedergeburt zum Grunde 1 Pet.
2, 2. ſie ſuchen und finden auch ihre Nahrung an
der lautern Milch des Evangelii, daraus ſie ihr
geiſtliches Leben ſelbſt haben 1 Cor. 3, 1. 2. und iſt
ihre Eigenſchaft, daß ſie ihren himmliſchen Va-
ter kennen, 1 Joh. 3, 13. und durch den Geiſt der
Kindſchaft mit den Erwachſenen ſchon rufen
Abba, lieber Vater Roͤm. 8, 15. Gal. 4, 6.
auch billig ihre Pflicht darinnen, welches ihre
groͤſſeſte Wohlthat iſt, beweiſen, nemlich daß ſie
begierig ſind nach der geiſtlichen und lautern
Milch, um dadurch immer mehr zuzunehmen 1 Pet.
2, 2. Allein dieſes Alter hat doch noch groſſe
Schwachheit und Gebrechen an ſich. Denn,
nach unſerm Text iſt es noch unverſtaͤndig, (ſiehe
auch 1 Cor. 14, 20.) es kan noch keine ſtarcke
Speiſen der goͤttlichen Wahrheit verdauen; es
iſt noch unerfahren in dem Worte der Gerechtig-
keit und hat noch keine geuͤbte Sinne zum Unter-
ſcheide des Guten und des Boͤſen. Und dazu iſt
es in manchen Stuͤcken noch fleiſchlich geſinnet,
alſo daß, ob es gleich das Fleiſch nicht mehr herr-
ſchen laͤſſet (als welches mit dem Stande der
Kindſchaft aus GOtt nicht beſtehen koͤnte) ſo
giebt es doch demſelben noch mehr Raum, als es
ſeyn ſolte 1 Cor. 3, 1. 2. 3. Und bey ſolcher Be-
ſchaffenheit iſt es vieler Gefahr der Verfuͤhrung
unterworfen. Daher Paulus an die Epheſier
c. 4, 14. ſchreibet: ‒ ‒ Daß wir nicht mehr
Kinder ſeyn und uns waͤgen und wiegen laſ-
ſen von allerley Wind der Lehre durch
Schalckheit der Menſchen und Teuſcherey,
damit ſie uns erſchleichen zu verfuͤhren.

3. Man hat aber von dieſem Alter der jun-
gen Kinder in Chriſto diejenigen wohl zu unter-
ſcheiden, welche der Apoſtel Gal. 4, 1. u. f. mit
unmuͤndigen Kindern, welche unter den Vor-
muͤndern ſtehen, vergleichet. Denn dadurch ver-
ſtehet er die Glaͤubigen des alten Teſtaments und
[Spaltenumbruch] ſetzet ihnen entgegen die Glaͤubigen des neuen Te-
ſtaments, und vergleichet dieſe mit ſolchen Kin-
dern, welche zu ihren Jahren gekommen, und die
ihnen zugehoͤrigen Guͤter ſchon ſelbſt verwalten.
Welches denn ein ſolches Recht aller Glaͤubigen
nach dem Evangelio iſt, welches ihnen nach dem
dreyfachen Alter zukoͤmmt; ob gleich nach dem
einen mehr, als nach dem andern. Es kan dem-
nach einer zwar nicht mehr ein unmuͤndiges Kind
ſeyn nach Art des alten Bundes; der doch aber
unter dem neuen Bunde noch in dem zarteſten Al-
ter ſeines Glaubens und Chriſtenthums ſich be-
findet. Und ſolche junge Kinder waren noch die
meiſten unter den glaͤubigen Hebraͤern. Und
gleichwie jene unmuͤndige Kinder unter dem Ge-
ſetze an den Levitiſchen Satzungen ihre ςοιχεῖα,
ihre erſte Gruͤnde und gleichſam Buchſtaben hat-
ten, nach Gal. 4, 3. 9. Col. 2, 8. 20. alſo hatten
dieſe unter dem neuen Bunde auch ihre ςοιχεῖα,
die der Apoſtel nennet στοιχει῀α τῆς ἀρχῆς τῶν
λογίων του῀ Θεου῀, gleichſam die Buchſtaben des An-
fangs, oder die erſten Anfaͤnge der goͤttlichen
Worte: wodurch er alhier ſolche Lehren verſte-
het, welche bey uns im Catechiſmo pflegen vorge-
tragen zu werden: davon er auch c. 6, 1. 2. einige
anfuͤhret, und ſie uͤberhaupt nennet τὸν τῆς ἀρ-
χῆς του῀ Χριττου῀ λόγον, die anfaͤngliche Lehre von
Chriſto und dem Chriſtenthum.

4. Daß aber auch die glaͤubigen Hebraͤer
nicht alle mehr ſolche Anfaͤnger geweſen ſind, ſie-
het man unter andern daraus, daß er c. 6, 1. ſpricht,
er wolle ohne weitlaͤuftige Wiederholung der An-
fangs-Lehren zur Vollkommenheit gehen. c. 6,
10. und c. 10, 32. 33. 34. auch die Vollkommnen,
oder Juͤnglinge, theils auch Vaͤter im Chriſten-
thum, alſo beſchreibet, daß ſie ein loͤbliches Werck
und Arbeit der Liebe an dem Namen GOttes be-
wieſen, und daß, nachdem ſie erleuchtet, ſie erduldet
haben einen groſſen Kampf des Leidens, auch zum
theil ſelbſt durch Schmach und Truͤbſal ein
Schauſpiel worden, zum theil Gemeinſchaft ge-
habt mit denen, denen es alſo gehet, mit ſeinen
Banden Mitleiden gehabt, und den Raub ihrer
Guͤter mit Freuden erduldet haben. u. ſ. w.

5. Es gehet aber leider noch itzo alſo, daß
von denen, welche durch die heilige Taufe und
durch das Wort des Evangelii in der Ordnung
der Wiedergeburt zum geiſtlichen Leben aus
GOtt gebracht ſind, ſo manche wo nicht gar wie-
der zuruͤck gehen, doch bey dem erſten Anfange
ſtehen und alſo gleichſam immer unmuͤndige Kin-
der bleiben. Welche denn wohl zu erwegen ha-
ben, nicht allein wie gefaͤhrlich ſolcher ihr Stille-
ſtand und ihre Traͤgheit ſey, wegen des ſo gar
leichten gaͤntzlichen Ruͤckfalls; ſondern auch wie
unanſtaͤndig es ſey, dem geiſtlichen Alter nach, im-
mer ein unverſtaͤndiges und ſchwaches Kind zu
bleiben; da man hingegen nach der Natur wie
am Alter, alſo auch an Leibes-Staͤrcke und Kraͤf-
ten zugenommen hat.

6. Von dem Alter der Juͤnglinge, oder
Maͤnner, ja der Alten in Chriſto ſtehet in unſerm
Texte, daß ſie ſollen Meiſter ſeyn, nemlich auch
andere zu lehren und zwar der Zeit nach, ande-

rer
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[304/0306] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 5. v. 12-14 Vollkommnen aber (welche den Erwachſenen gleich, und wie zu mehrerm Alter alſo auch zu meh- rer Staͤrcke des Geiſtes und des Glaubens ge- langet ſind) gehoͤret ſtarcke Speiſe (eine aus- fuͤhrliche Abhandelung von den zu dem gantzen Rathe GOttes von unſerer Seligkeit gehoͤrigen Geheimniſſen) die durch Gewohnheit (laͤn- gere und fleißigere Ubung und Erfahrung) haben geuͤbte Sinne (einen geoͤffneten und erleuchte- ten Verſtand, auch geheiligten und geſtaͤrckten Willen) zum Unterſcheide (und weiſen, auch richtigen, Beurtheilung) des Guten und des Boͤſen (nicht weniger auch des wahren und des falſchen, oder der Wahrheit und der Jrrthuͤ- mer.) Anmerckungen. 1. Es giebt wie im natuͤrlichen, alſo auch im geiſtlichen Leben, oder wie im Reiche der Na- tur, alſo auch im Reiche der Gnaden, unter- ſchiedliche Alter: nemlich das kindiſche Alter der jungen Kinder, der Juͤnglinge und der Alten, oder Vaͤter: wie ſie von Johanne 1 Ep. c. 2, 13. 14. genennet werden. 2. Das Alter der jungen Kinder hat zwar das geiſtliche Leben aus GOTT nach der Ordnung der Wiedergeburt zum Grunde 1 Pet. 2, 2. ſie ſuchen und finden auch ihre Nahrung an der lautern Milch des Evangelii, daraus ſie ihr geiſtliches Leben ſelbſt haben 1 Cor. 3, 1. 2. und iſt ihre Eigenſchaft, daß ſie ihren himmliſchen Va- ter kennen, 1 Joh. 3, 13. und durch den Geiſt der Kindſchaft mit den Erwachſenen ſchon rufen Abba, lieber Vater Roͤm. 8, 15. Gal. 4, 6. auch billig ihre Pflicht darinnen, welches ihre groͤſſeſte Wohlthat iſt, beweiſen, nemlich daß ſie begierig ſind nach der geiſtlichen und lautern Milch, um dadurch immer mehr zuzunehmen 1 Pet. 2, 2. Allein dieſes Alter hat doch noch groſſe Schwachheit und Gebrechen an ſich. Denn, nach unſerm Text iſt es noch unverſtaͤndig, (ſiehe auch 1 Cor. 14, 20.) es kan noch keine ſtarcke Speiſen der goͤttlichen Wahrheit verdauen; es iſt noch unerfahren in dem Worte der Gerechtig- keit und hat noch keine geuͤbte Sinne zum Unter- ſcheide des Guten und des Boͤſen. Und dazu iſt es in manchen Stuͤcken noch fleiſchlich geſinnet, alſo daß, ob es gleich das Fleiſch nicht mehr herr- ſchen laͤſſet (als welches mit dem Stande der Kindſchaft aus GOtt nicht beſtehen koͤnte) ſo giebt es doch demſelben noch mehr Raum, als es ſeyn ſolte 1 Cor. 3, 1. 2. 3. Und bey ſolcher Be- ſchaffenheit iſt es vieler Gefahr der Verfuͤhrung unterworfen. Daher Paulus an die Epheſier c. 4, 14. ſchreibet: ‒ ‒ Daß wir nicht mehr Kinder ſeyn und uns waͤgen und wiegen laſ- ſen von allerley Wind der Lehre durch Schalckheit der Menſchen und Teuſcherey, damit ſie uns erſchleichen zu verfuͤhren. 3. Man hat aber von dieſem Alter der jun- gen Kinder in Chriſto diejenigen wohl zu unter- ſcheiden, welche der Apoſtel Gal. 4, 1. u. f. mit unmuͤndigen Kindern, welche unter den Vor- muͤndern ſtehen, vergleichet. Denn dadurch ver- ſtehet er die Glaͤubigen des alten Teſtaments und ſetzet ihnen entgegen die Glaͤubigen des neuen Te- ſtaments, und vergleichet dieſe mit ſolchen Kin- dern, welche zu ihren Jahren gekommen, und die ihnen zugehoͤrigen Guͤter ſchon ſelbſt verwalten. Welches denn ein ſolches Recht aller Glaͤubigen nach dem Evangelio iſt, welches ihnen nach dem dreyfachen Alter zukoͤmmt; ob gleich nach dem einen mehr, als nach dem andern. Es kan dem- nach einer zwar nicht mehr ein unmuͤndiges Kind ſeyn nach Art des alten Bundes; der doch aber unter dem neuen Bunde noch in dem zarteſten Al- ter ſeines Glaubens und Chriſtenthums ſich be- findet. Und ſolche junge Kinder waren noch die meiſten unter den glaͤubigen Hebraͤern. Und gleichwie jene unmuͤndige Kinder unter dem Ge- ſetze an den Levitiſchen Satzungen ihre ςοιχεῖα, ihre erſte Gruͤnde und gleichſam Buchſtaben hat- ten, nach Gal. 4, 3. 9. Col. 2, 8. 20. alſo hatten dieſe unter dem neuen Bunde auch ihre ςοιχεῖα, die der Apoſtel nennet στοιχει῀α τῆς ἀρχῆς τῶν λογίων του῀ Θεου῀, gleichſam die Buchſtaben des An- fangs, oder die erſten Anfaͤnge der goͤttlichen Worte: wodurch er alhier ſolche Lehren verſte- het, welche bey uns im Catechiſmo pflegen vorge- tragen zu werden: davon er auch c. 6, 1. 2. einige anfuͤhret, und ſie uͤberhaupt nennet τὸν τῆς ἀρ- χῆς του῀ Χριττου῀ λόγον, die anfaͤngliche Lehre von Chriſto und dem Chriſtenthum. 4. Daß aber auch die glaͤubigen Hebraͤer nicht alle mehr ſolche Anfaͤnger geweſen ſind, ſie- het man unter andern daraus, daß er c. 6, 1. ſpricht, er wolle ohne weitlaͤuftige Wiederholung der An- fangs-Lehren zur Vollkommenheit gehen. c. 6, 10. und c. 10, 32. 33. 34. auch die Vollkommnen, oder Juͤnglinge, theils auch Vaͤter im Chriſten- thum, alſo beſchreibet, daß ſie ein loͤbliches Werck und Arbeit der Liebe an dem Namen GOttes be- wieſen, und daß, nachdem ſie erleuchtet, ſie erduldet haben einen groſſen Kampf des Leidens, auch zum theil ſelbſt durch Schmach und Truͤbſal ein Schauſpiel worden, zum theil Gemeinſchaft ge- habt mit denen, denen es alſo gehet, mit ſeinen Banden Mitleiden gehabt, und den Raub ihrer Guͤter mit Freuden erduldet haben. u. ſ. w. 5. Es gehet aber leider noch itzo alſo, daß von denen, welche durch die heilige Taufe und durch das Wort des Evangelii in der Ordnung der Wiedergeburt zum geiſtlichen Leben aus GOtt gebracht ſind, ſo manche wo nicht gar wie- der zuruͤck gehen, doch bey dem erſten Anfange ſtehen und alſo gleichſam immer unmuͤndige Kin- der bleiben. Welche denn wohl zu erwegen ha- ben, nicht allein wie gefaͤhrlich ſolcher ihr Stille- ſtand und ihre Traͤgheit ſey, wegen des ſo gar leichten gaͤntzlichen Ruͤckfalls; ſondern auch wie unanſtaͤndig es ſey, dem geiſtlichen Alter nach, im- mer ein unverſtaͤndiges und ſchwaches Kind zu bleiben; da man hingegen nach der Natur wie am Alter, alſo auch an Leibes-Staͤrcke und Kraͤf- ten zugenommen hat. 6. Von dem Alter der Juͤnglinge, oder Maͤnner, ja der Alten in Chriſto ſtehet in unſerm Texte, daß ſie ſollen Meiſter ſeyn, nemlich auch andere zu lehren und zwar der Zeit nach, ande- rer

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/306>, abgerufen am 23.11.2024.