Erklärung des andern Briefes Pauli Cap. 3. v. 6-8.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Jmmerdar lernen, aber nicht zur Erkenntniß der Wahrheit kommen, ist leider die Eigenschaft vieler blossen Namen-Christen; unter welchen denn auch nicht wenige sind, die nimmermehr lernen, und also auch noch viel- weniger die Wahrheit erkennen.
2. Jn göttlichen Dingen lernet niemand recht und also, daß er zur rechten Erkenntniß der Wahrheit gelange, es sey denn, daß er die lautere Evangelische Grund-Wahrheiten in der Ord- nung wahrer Bekehrung und Erneuerung gläu- big annehme, und sie auch zugleich ins innerli- che und äusserliche Leben vor GOtt und Men- schen verwandele; wie es denn daher auch in der Schule Christi einerley war, mathetes ein Lehr- Jünger und ein Nachfolger zu seyn. Man sehe vorher c. 2, 25. 26. da Paulus zur Erkennt- niß der Wahrheit die wahre Bekehrung erfordert.
3. Es ist demnach keiner mit herrschenden Sünden beladener, und keiner von mancherley Lüsten getriebener Sclave derselben, wahrhaf- tig erleuchtet: sintemal es ihm bey allem seinem lernen, ja auch lehren, an der lautern und leben- digen Erkenntniß der Wahrheit fehlet.
4. Wohl aber denen, die also mit Sün- den beladen sind, daß sie solche ihre Last also füh- len, daß sie davon gerne los seyn wollen, und dahero mit einem zerknirschten und zerschlagenen Hertzen zu Christo, der sie zu sich rufet, kommen: denn gleichwie diese also lernen, daß sie auch den Sinn Christi an sich nehmen, so werden sie auch nach abgenommener unerträglichen Sünden- Last erqvicket unter dem sanften Joche und der leichten Last Christi, Matth. 11, 28. 29.
V. 8.
Gleicherweise, wie (unter den Egypti- schen Zauberern, sonderlich) Jannes und Jam- bres Mosi (da er um die Loßlassung der Kinder Jsrael bey dem Pharao anhielte, und seine ihm von GOtt anbefohlene Forderung mit vielen und grossen Wunderwercken zum Gericht über die Egyptier bekräftigte,) widerstunden, (und den König samt seinen Bedienten und dem Vol- cke wider ihn einnahmen, 2 B. Mos. 7.) also widerstehen auch diese (von v. 1. bis 5. zuvor beschriebene verführische Menschen und Jrrleh- rer) der Wahrheit, (dem Rathe GOttes von unserer Seligkeit, was desselben Haupt-Lehren und deroselben richtige Application betrifft: dahingegen dasjenige, was sie davon zum Schein des Rechten noch etwa übrig behalten, nicht mehr den Namen der Wahrheit verdienet, da es nicht allein ausser seinem Zusammenhange ste- het, und gantz entkräftet, sondern auch mit so vielen Jrrlehren vermenget und verderbet ist.) Es sind Menschen (wie von einem gantz heil- losen Gemüthe oder Willen und gottlosen Leben nach v. 1-5. also auch) von zerrütteten Sin- nen: (katephtharmenoi ton nou~n, dem Verstan- de nach verderbt, also daß ihr Verstand in der Finsterniß, und also, den Jrrthümern und den Vorurtheilen nach, in äusserster Corruption [Spaltenumbruch]
lieget, und sie nichts weniger, als Erleuchtete sind, dafür sie sich doch ausgeben und angesehen seyn wollen,) untüchtig zum Glauben, (ado- kimoi peri ten pistin, in Glaubens-Sachen un- ächt und verwerflich, die des Glaubens nicht fähig sind, und noch vielweniger davon eine rechtschaffne Probe ablegen. Siehe 2 Cor. 13, 5.
Anmerckungen.
1. Die Namen der zween von den Egypti- schen Zauberern, welcher Moses nicht gedencket, sind dem Apostel schon aus alten Judischen Schriften und aus der Tradition bekannt ge- wesen, und auch daher den heydnischen Philo- sophis nicht unbekannt geblieben; wie bey dem Eusebio de Praeparat. Evang. L. IX. c. 3. theils auch bey dem Plinio H. N. L. XXX. c. 1. zu se- hen ist.
2. So wenig aber, wie daher, als aus ei- ner solchen bloß zur Historie gehörigen Sache, fol- get, daß man in Glaubens-Sachen nebst der heiligen Schrift auch auf die Tradition zu ge- hen habe: so wenig verlieret dadurch, daß Pau- lus dieses schon vorher gewußt, die göttliche In- spiration ihre Gewißheit, oder gehet ihr etwas ab: denn diese hat es ja nicht allein mit denen vorher unbekannt gewesenen Sachen zu thun: da sie in diesen letztern nicht erst die Sachen selbst eingegeben, sondern die heiligen Männer GOt- tes auf eine besondere Art regieret hat, was sie von den schon vorher bekannt gewesenen Sachen schreiben, und wie sie es verzeichnen solten. So war ja auch die gantze Evangelische Historie den Evangelisten schon vorhin bekannt worden, sie sind aber doch nichts desto weniger bey der Aufzeichnung, was die Materie und die Form der Sachen betrifft, einer besondern göttlichen Inspiration benöthigt gewesen.
3. Nichts hat mehr Wahrheit, und nichts verdienet mehr den Namen der Wahrheit, als die Christliche Religion: da sie so vest gegrün- det ist, nemlich auf GOtt selbst, und sie, wenn alles andere mit der Welt und in ihrer Lust ver- gehet, ewig bestehet, und lauter Realität in sich hält, darum, wer Wahrheit liebet, seinen Fleiß nicht besser anwenden kan, als auf die For- schung und Betrachtung der Christlichen Reli- gion, nemlich einer solchen, dadurch er sich selbst also in der Wahrheit gründen und bevesti- gen läßt, daß er zur lebendigen und seligmachen- den Erkenntniß der Wahrheit kommt.
4. Das widerstehen der Wahrheit ge- schiehet von fleischlich-gesinneten und unbekehr- ten Lehrern damit, wenn sie die zum Grunde und zur Ordnung des Heyls gehörige Wahrheiten, oder Lehren, für verdächtig und für irrig halten, sie den Leuten verleiden, und die aufrichtigen Zeugen derselben fälschlich beschuldigen, ja recht verlästern, und ihr Amt, welches doch ein Amt des Heiligen Geistes ist, bey vielen Seelen un- kräftig machen: welches gewiß die allerschwere- ste Sünde vor GOtt ist, so vielen Schein des Rechten sie auch vor Menschen an sich nimmt, sonderlich mit dem Vorgeben der geretteten Or- thodoxie.
5. Es
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 3. v. 6-8.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Jmmerdar lernen, aber nicht zur Erkenntniß der Wahrheit kommen, iſt leider die Eigenſchaft vieler bloſſen Namen-Chriſten; unter welchen denn auch nicht wenige ſind, die nimmermehr lernen, und alſo auch noch viel- weniger die Wahrheit erkennen.
2. Jn goͤttlichen Dingen lernet niemand recht und alſo, daß er zur rechten Erkenntniß der Wahrheit gelange, es ſey denn, daß er die lautere Evangeliſche Grund-Wahrheiten in der Ord- nung wahrer Bekehrung und Erneuerung glaͤu- big annehme, und ſie auch zugleich ins innerli- che und aͤuſſerliche Leben vor GOtt und Men- ſchen verwandele; wie es denn daher auch in der Schule Chriſti einerley war, μαϑητὴς ein Lehr- Juͤnger und ein Nachfolger zu ſeyn. Man ſehe vorher c. 2, 25. 26. da Paulus zur Erkennt- niß der Wahrheit die wahre Bekehrung erfordert.
3. Es iſt demnach keiner mit herrſchenden Suͤnden beladener, und keiner von mancherley Luͤſten getriebener Sclave derſelben, wahrhaf- tig erleuchtet: ſintemal es ihm bey allem ſeinem lernen, ja auch lehren, an der lautern und leben- digen Erkenntniß der Wahrheit fehlet.
4. Wohl aber denen, die alſo mit Suͤn- den beladen ſind, daß ſie ſolche ihre Laſt alſo fuͤh- len, daß ſie davon gerne los ſeyn wollen, und dahero mit einem zerknirſchten und zerſchlagenen Hertzen zu Chriſto, der ſie zu ſich rufet, kommen: denn gleichwie dieſe alſo lernen, daß ſie auch den Sinn Chriſti an ſich nehmen, ſo werden ſie auch nach abgenommener unertraͤglichen Suͤnden- Laſt erqvicket unter dem ſanften Joche und der leichten Laſt Chriſti, Matth. 11, 28. 29.
V. 8.
Gleicherweiſe, wie (unter den Egypti- ſchen Zauberern, ſonderlich) Jannes und Jam- bres Moſi (da er um die Loßlaſſung der Kinder Jſrael bey dem Pharao anhielte, und ſeine ihm von GOtt anbefohlene Forderung mit vielen und groſſen Wunderwercken zum Gericht uͤber die Egyptier bekraͤftigte,) widerſtunden, (und den Koͤnig ſamt ſeinen Bedienten und dem Vol- cke wider ihn einnahmen, 2 B. Moſ. 7.) alſo widerſtehen auch dieſe (von v. 1. bis 5. zuvor beſchriebene verfuͤhriſche Menſchen und Jrrleh- rer) der Wahrheit, (dem Rathe GOttes von unſerer Seligkeit, was deſſelben Haupt-Lehren und deroſelben richtige Application betrifft: dahingegen dasjenige, was ſie davon zum Schein des Rechten noch etwa uͤbrig behalten, nicht mehr den Namen der Wahrheit verdienet, da es nicht allein auſſer ſeinem Zuſammenhange ſte- het, und gantz entkraͤftet, ſondern auch mit ſo vielen Jrrlehren vermenget und verderbet iſt.) Es ſind Menſchen (wie von einem gantz heil- loſen Gemuͤthe oder Willen und gottloſen Leben nach v. 1-5. alſo auch) von zerruͤtteten Sin- nen: (κατεϕϑαρμένοι τὸν νου῀ν, dem Verſtan- de nach verderbt, alſo daß ihr Verſtand in der Finſterniß, und alſo, den Jrrthuͤmern und den Vorurtheilen nach, in aͤuſſerſter Corruption [Spaltenumbruch]
lieget, und ſie nichts weniger, als Erleuchtete ſind, dafuͤr ſie ſich doch ausgeben und angeſehen ſeyn wollen,) untuͤchtig zum Glauben, (ἀδό- κιμοι περὶ τὴν πίστιν, in Glaubens-Sachen un- aͤcht und verwerflich, die des Glaubens nicht faͤhig ſind, und noch vielweniger davon eine rechtſchaffne Probe ablegen. Siehe 2 Cor. 13, 5.
Anmerckungen.
1. Die Namen der zween von den Egypti- ſchen Zauberern, welcher Moſes nicht gedencket, ſind dem Apoſtel ſchon aus alten Judiſchen Schriften und aus der Tradition bekannt ge- weſen, und auch daher den heydniſchen Philo- ſophis nicht unbekannt geblieben; wie bey dem Euſebio de Præparat. Evang. L. IX. c. 3. theils auch bey dem Plinio H. N. L. XXX. c. 1. zu ſe- hen iſt.
2. So wenig aber, wie daher, als aus ei- ner ſolchen bloß zur Hiſtorie gehoͤrigen Sache, fol- get, daß man in Glaubens-Sachen nebſt der heiligen Schrift auch auf die Tradition zu ge- hen habe: ſo wenig verlieret dadurch, daß Pau- lus dieſes ſchon vorher gewußt, die goͤttliche In- ſpiration ihre Gewißheit, oder gehet ihr etwas ab: denn dieſe hat es ja nicht allein mit denen vorher unbekannt geweſenen Sachen zu thun: da ſie in dieſen letztern nicht erſt die Sachen ſelbſt eingegeben, ſondern die heiligen Maͤnner GOt- tes auf eine beſondere Art regieret hat, was ſie von den ſchon vorher bekannt geweſenen Sachen ſchreiben, und wie ſie es verzeichnen ſolten. So war ja auch die gantze Evangeliſche Hiſtorie den Evangeliſten ſchon vorhin bekannt worden, ſie ſind aber doch nichts deſto weniger bey der Aufzeichnung, was die Materie und die Form der Sachen betrifft, einer beſondern goͤttlichen Inſpiration benoͤthigt geweſen.
3. Nichts hat mehr Wahrheit, und nichts verdienet mehr den Namen der Wahrheit, als die Chriſtliche Religion: da ſie ſo veſt gegruͤn- det iſt, nemlich auf GOtt ſelbſt, und ſie, wenn alles andere mit der Welt und in ihrer Luſt ver- gehet, ewig beſtehet, und lauter Realitaͤt in ſich haͤlt, darum, wer Wahrheit liebet, ſeinen Fleiß nicht beſſer anwenden kan, als auf die For- ſchung und Betrachtung der Chriſtlichen Reli- gion, nemlich einer ſolchen, dadurch er ſich ſelbſt alſo in der Wahrheit gruͤnden und beveſti- gen laͤßt, daß er zur lebendigen und ſeligmachen- den Erkenntniß der Wahrheit kommt.
4. Das widerſtehen der Wahrheit ge- ſchiehet von fleiſchlich-geſinneten und unbekehr- ten Lehrern damit, wenn ſie die zum Grunde und zur Ordnung des Heyls gehoͤrige Wahrheiten, oder Lehren, fuͤr verdaͤchtig und fuͤr irrig halten, ſie den Leuten verleiden, und die aufrichtigen Zeugen derſelben faͤlſchlich beſchuldigen, ja recht verlaͤſtern, und ihr Amt, welches doch ein Amt des Heiligen Geiſtes iſt, bey vielen Seelen un- kraͤftig machen: welches gewiß die allerſchwere- ſte Suͤnde vor GOtt iſt, ſo vielen Schein des Rechten ſie auch vor Menſchen an ſich nimmt, ſonderlich mit dem Vorgeben der geretteten Or- thodoxie.
5. Es
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[170/0172]
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli Cap. 3. v. 6-8.
Anmerckungen.
1. Jmmerdar lernen, aber nicht zur
Erkenntniß der Wahrheit kommen, iſt leider
die Eigenſchaft vieler bloſſen Namen-Chriſten;
unter welchen denn auch nicht wenige ſind, die
nimmermehr lernen, und alſo auch noch viel-
weniger die Wahrheit erkennen.
2. Jn goͤttlichen Dingen lernet niemand
recht und alſo, daß er zur rechten Erkenntniß der
Wahrheit gelange, es ſey denn, daß er die lautere
Evangeliſche Grund-Wahrheiten in der Ord-
nung wahrer Bekehrung und Erneuerung glaͤu-
big annehme, und ſie auch zugleich ins innerli-
che und aͤuſſerliche Leben vor GOtt und Men-
ſchen verwandele; wie es denn daher auch in der
Schule Chriſti einerley war, μαϑητὴς ein Lehr-
Juͤnger und ein Nachfolger zu ſeyn. Man
ſehe vorher c. 2, 25. 26. da Paulus zur Erkennt-
niß der Wahrheit die wahre Bekehrung
erfordert.
3. Es iſt demnach keiner mit herrſchenden
Suͤnden beladener, und keiner von mancherley
Luͤſten getriebener Sclave derſelben, wahrhaf-
tig erleuchtet: ſintemal es ihm bey allem ſeinem
lernen, ja auch lehren, an der lautern und leben-
digen Erkenntniß der Wahrheit fehlet.
4. Wohl aber denen, die alſo mit Suͤn-
den beladen ſind, daß ſie ſolche ihre Laſt alſo fuͤh-
len, daß ſie davon gerne los ſeyn wollen, und
dahero mit einem zerknirſchten und zerſchlagenen
Hertzen zu Chriſto, der ſie zu ſich rufet, kommen:
denn gleichwie dieſe alſo lernen, daß ſie auch den
Sinn Chriſti an ſich nehmen, ſo werden ſie auch
nach abgenommener unertraͤglichen Suͤnden-
Laſt erqvicket unter dem ſanften Joche und der
leichten Laſt Chriſti, Matth. 11, 28. 29.
V. 8.
Gleicherweiſe, wie (unter den Egypti-
ſchen Zauberern, ſonderlich) Jannes und Jam-
bres Moſi (da er um die Loßlaſſung der Kinder
Jſrael bey dem Pharao anhielte, und ſeine ihm
von GOtt anbefohlene Forderung mit vielen und
groſſen Wunderwercken zum Gericht uͤber die
Egyptier bekraͤftigte,) widerſtunden, (und
den Koͤnig ſamt ſeinen Bedienten und dem Vol-
cke wider ihn einnahmen, 2 B. Moſ. 7.) alſo
widerſtehen auch dieſe (von v. 1. bis 5. zuvor
beſchriebene verfuͤhriſche Menſchen und Jrrleh-
rer) der Wahrheit, (dem Rathe GOttes von
unſerer Seligkeit, was deſſelben Haupt-Lehren
und deroſelben richtige Application betrifft:
dahingegen dasjenige, was ſie davon zum Schein
des Rechten noch etwa uͤbrig behalten, nicht
mehr den Namen der Wahrheit verdienet, da
es nicht allein auſſer ſeinem Zuſammenhange ſte-
het, und gantz entkraͤftet, ſondern auch mit ſo
vielen Jrrlehren vermenget und verderbet iſt.)
Es ſind Menſchen (wie von einem gantz heil-
loſen Gemuͤthe oder Willen und gottloſen Leben
nach v. 1-5. alſo auch) von zerruͤtteten Sin-
nen: (κατεϕϑαρμένοι τὸν νου῀ν, dem Verſtan-
de nach verderbt, alſo daß ihr Verſtand in der
Finſterniß, und alſo, den Jrrthuͤmern und den
Vorurtheilen nach, in aͤuſſerſter Corruption
lieget, und ſie nichts weniger, als Erleuchtete
ſind, dafuͤr ſie ſich doch ausgeben und angeſehen
ſeyn wollen,) untuͤchtig zum Glauben, (ἀδό-
κιμοι περὶ τὴν πίστιν, in Glaubens-Sachen un-
aͤcht und verwerflich, die des Glaubens nicht
faͤhig ſind, und noch vielweniger davon eine
rechtſchaffne Probe ablegen. Siehe 2 Cor. 13, 5.
Anmerckungen.
1. Die Namen der zween von den Egypti-
ſchen Zauberern, welcher Moſes nicht gedencket,
ſind dem Apoſtel ſchon aus alten Judiſchen
Schriften und aus der Tradition bekannt ge-
weſen, und auch daher den heydniſchen Philo-
ſophis nicht unbekannt geblieben; wie bey dem
Euſebio de Præparat. Evang. L. IX. c. 3. theils
auch bey dem Plinio H. N. L. XXX. c. 1. zu ſe-
hen iſt.
2. So wenig aber, wie daher, als aus ei-
ner ſolchen bloß zur Hiſtorie gehoͤrigen Sache, fol-
get, daß man in Glaubens-Sachen nebſt der
heiligen Schrift auch auf die Tradition zu ge-
hen habe: ſo wenig verlieret dadurch, daß Pau-
lus dieſes ſchon vorher gewußt, die goͤttliche In-
ſpiration ihre Gewißheit, oder gehet ihr etwas
ab: denn dieſe hat es ja nicht allein mit denen
vorher unbekannt geweſenen Sachen zu thun: da
ſie in dieſen letztern nicht erſt die Sachen ſelbſt
eingegeben, ſondern die heiligen Maͤnner GOt-
tes auf eine beſondere Art regieret hat, was ſie
von den ſchon vorher bekannt geweſenen Sachen
ſchreiben, und wie ſie es verzeichnen ſolten.
So war ja auch die gantze Evangeliſche Hiſtorie
den Evangeliſten ſchon vorhin bekannt worden,
ſie ſind aber doch nichts deſto weniger bey der
Aufzeichnung, was die Materie und die Form
der Sachen betrifft, einer beſondern goͤttlichen
Inſpiration benoͤthigt geweſen.
3. Nichts hat mehr Wahrheit, und nichts
verdienet mehr den Namen der Wahrheit, als
die Chriſtliche Religion: da ſie ſo veſt gegruͤn-
det iſt, nemlich auf GOtt ſelbſt, und ſie, wenn
alles andere mit der Welt und in ihrer Luſt ver-
gehet, ewig beſtehet, und lauter Realitaͤt in
ſich haͤlt, darum, wer Wahrheit liebet, ſeinen
Fleiß nicht beſſer anwenden kan, als auf die For-
ſchung und Betrachtung der Chriſtlichen Reli-
gion, nemlich einer ſolchen, dadurch er ſich
ſelbſt alſo in der Wahrheit gruͤnden und beveſti-
gen laͤßt, daß er zur lebendigen und ſeligmachen-
den Erkenntniß der Wahrheit kommt.
4. Das widerſtehen der Wahrheit ge-
ſchiehet von fleiſchlich-geſinneten und unbekehr-
ten Lehrern damit, wenn ſie die zum Grunde und
zur Ordnung des Heyls gehoͤrige Wahrheiten,
oder Lehren, fuͤr verdaͤchtig und fuͤr irrig halten,
ſie den Leuten verleiden, und die aufrichtigen
Zeugen derſelben faͤlſchlich beſchuldigen, ja recht
verlaͤſtern, und ihr Amt, welches doch ein Amt
des Heiligen Geiſtes iſt, bey vielen Seelen un-
kraͤftig machen: welches gewiß die allerſchwere-
ſte Suͤnde vor GOtt iſt, ſo vielen Schein des
Rechten ſie auch vor Menſchen an ſich nimmt,
ſonderlich mit dem Vorgeben der geretteten Or-
thodoxie.
5. Es
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/172>, abgerufen am 23.11.2024.
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