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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 4, v. 7-10. an die Colosser.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Tychicus ist allem Ansehen nach einer
von den Evangelisten, oder solchen Apostoli-
schen Männern, gewesen, welche mit der Ver-
kündigung des Evangelii, auch Pflantzung und
Besuchung der Kirchen der Apostel ihre getreue
Gehülfen waren.
2. Dieses Tychici wird zuerst gedacht Ap.
Gesch. 20, 40. daß er aus Asien gewesen, und
sich in der Gesellschaft Pauli befunden, als er
die Reise aus Asien nach Jerusalem vorhatte.
Daß ihn Paulus in der ersten Gefangenschaft
zu Rom um sich gehabt habe, das siehet man
aus diesem Orte. Er muß auch hernach, als
Paulus, nach erhaltener Freyheit, auf der letz-
tern grossen Reise
nach Orient und Griechen-
Land begriffen war, und sich in Macedonien
aufhielte, um ihn gewesen seyn, dieweil er in
dem dazumal an Titum geschriebenen Brief c.
3, 12. setzet: Wenn ich zu dir senden werde
Arteman, oder Tychicum, so komm ei-
lends zu mir nach Nicopolin.
Und daß ihn
Paulus auch in der letztern Gefangenschaft
zu Rom um sich gehabt habe, das siehet man in
den beyden zu der Zeit geschriebenen Briefen,
nemlich aus dem an die Ephesier, und dem
letztern an den Timotheum. Denn Eph. 6,
21. 22. schreibet er von ihm also: Auf daß ihr
aber wisset, wie es um mich stehet, und
was ich schaffe, wird euch alles kund thun
Tychicus, mein lieber Bruder und ge-
treuer Diener in dem HERRN: wel-
chen ich gesandt habe zu euch um desselbi-
gen willen, daß ihr erfahret, wie es um
mich stehet, und daß er eure Hertzen trö-
ste.
Daraus man siehet, daß ihn der Apostel
mit dem Briefe nach Ephesus gesandt habe. Und
darauf beziehet er sich auch 2 Tim. 4, 12.
3. Dem Tychico giebt der Apostel zu sei-
nem Lobe ein dreyfaches gutes Zeugniß; daß er
nemlich sey ein lieber Brudtr, ein getreuer
Diener,
und ein Mit-Knecht in dem
HErrn.
Das erste war der Grund von den
beyden übrigen. Denn wäre er kein lieber
Bruder,
das ist, kein wahrhaftig bekehrtes
und erleuchtetes Kind GOttes gewesen, so hät-
te er auch kein treuer Diener und Mitknecht
seyn können. Es giebet zwar wol Mitknechte,
oder Collegen, die sich auch wol Confratres,
Mit-Brüder, nennen lassen, aber die doch
keine wahre Kinder GOttes und keine geistliche
Brüder sind: und daher ist es auch um ihren
Beystand im Amte schlecht bestellet.
4. Ein Diener war er nicht so wol Pau-
li, als CHristi, am Evangelio, und also auch
Pauli Gehülfe: wie der Evangelisten oder Apo-
stolischen Männer, ihre Eigenschaft war.
5. Die Treue, welcher Lob Paulus Ty-
chico giebt, hatte den Glauben in ihm zum
Grunde: wie denn auch das Wort pistos sich
auf pistin, den Glauben, beziehet. Denn es
[Spaltenumbruch] ist keine wahre, oder übernatürliche Treue des
Amts und des eigenen Christenthums, als nur
die, welche aus dem wahren Glauben geboh-
ren ist, und im Glauben bewiesen wird.
6. Die Worte en Kurio, im HErrn,
gehören, wie schon oft erinnert ist, als ein be-
sonderer Character zu Pauli stilo, und gehen al-
hier nicht allein auf das Wort sundoulos, Mit-
Knecht,
sondern auch auf die vorhergehenden
Worte: Lieber Bruder, und getreuer
Mit-Knecht:
als welches beydes Tychicus
im HErrn war: und eben daher konte er ihm
auch solche Namen nach aller Wahrheit beyle-
gen. Es hatte demnach Pauli und Tychici Ge-
meinschaft die Vereinigung und Gemeinschaft
mit CHristo zum Grunde.
7. Paulus hatte zwar von Epaphra erfah-
ren, wie es um die Colossensische Gemeine stün-
de cap. 1, 7. 8. und darnach hatte er auch diesen
gantzen Brief eingerichtet: es konte sich aber in-
dessen manches aufs neue begeben haben, son-
derlich in Ansehung der Versuchungen von den
blinden Gesetz-Eiverern, und nicht einmal halb-
bekehrten und dazu schwülstigen Philosophis.
Dannenhero Paulus gerne nähere Nachricht
von ihnen haben und sie indessen durch den ge-
genwärtigen Dienst Tychici gestärcket wissen
wolte.
8. Dieser Onesimus ist aber der, dessen
Paulus in dem Briefe an den Philemonem mit
mehrern gedencket. Und da er mit dem Tychi-
co, der den Colossern diesen an sie geschriebenen
Brief überbringen solte, zugleich gereiset ist,
so siehet man daraus, daß dieser Brief mit dem
an den Philomonem zu einer Zeit sey geschrie-
ben worden; und daß Philemon zu Colossen
müsse wohnhaft gewesen seyn: sintemal Pau-
lus Onesimum, den er dem Philemoni wieder
zurück sandte, einen von den ihrigen, das ist,
einen Colossenser, nennet.
9. Was kan das Evangelium nicht für
grosse Dinge, oder für grosse Veränderungen,
machen? Denn an dem Onesimo hatte es aus
einem untreuen, diebischen und verlauffe-
nen Knechte einen treuen lieben Bruder in
CHristo,
und also zuvorderst ein Kind GOt-
tes, gemachet; wie der Brief an den Philemo-
nem mit mehrern bezeuget.
10. Onesimus war nicht allein rechtschaf-
fen zu CHristo bekehret worden, sondern er hat-
te sich auch von der Zeit an nach dem Zustande
der gantzen Römischen Kirche genaue erkundi-
get, und war von derselben Gliedern für ein
rechtschaffnes, ob gleich, der äusserlichen An-
kunft nach, fremdes, doch ächtes Mit-Glied in
brüderlicher Gemeinschaft erkannt worden. Da-
her er den Colossern nebst dem Tychico von allen
gute Nachricht geben konte.
V. 10.

Es grüsset euch Aristarchus, mein
Mit-Gefangener, und Marcus, der Nef-

fe
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Cap. 4, v. 7-10. an die Coloſſer.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Tychicus iſt allem Anſehen nach einer
von den Evangeliſten, oder ſolchen Apoſtoli-
ſchen Maͤnnern, geweſen, welche mit der Ver-
kuͤndigung des Evangelii, auch Pflantzung und
Beſuchung der Kirchen der Apoſtel ihre getreue
Gehuͤlfen waren.
2. Dieſes Tychici wird zuerſt gedacht Ap.
Geſch. 20, 40. daß er aus Aſien geweſen, und
ſich in der Geſellſchaft Pauli befunden, als er
die Reiſe aus Aſien nach Jeruſalem vorhatte.
Daß ihn Paulus in der erſten Gefangenſchaft
zu Rom um ſich gehabt habe, das ſiehet man
aus dieſem Orte. Er muß auch hernach, als
Paulus, nach erhaltener Freyheit, auf der letz-
tern groſſen Reiſe
nach Orient und Griechen-
Land begriffen war, und ſich in Macedonien
aufhielte, um ihn geweſen ſeyn, dieweil er in
dem dazumal an Titum geſchriebenen Brief c.
3, 12. ſetzet: Wenn ich zu dir ſenden werde
Arteman, oder Tychicum, ſo komm ei-
lends zu mir nach Nicopolin.
Und daß ihn
Paulus auch in der letztern Gefangenſchaft
zu Rom um ſich gehabt habe, das ſiehet man in
den beyden zu der Zeit geſchriebenen Briefen,
nemlich aus dem an die Epheſier, und dem
letztern an den Timotheum. Denn Eph. 6,
21. 22. ſchreibet er von ihm alſo: Auf daß ihr
aber wiſſet, wie es um mich ſtehet, und
was ich ſchaffe, wird euch alles kund thun
Tychicus, mein lieber Bruder und ge-
treuer Diener in dem HERRN: wel-
chen ich geſandt habe zu euch um deſſelbi-
gen willen, daß ihr erfahret, wie es um
mich ſtehet, und daß er eure Hertzen troͤ-
ſte.
Daraus man ſiehet, daß ihn der Apoſtel
mit dem Briefe nach Epheſus geſandt habe. Und
darauf beziehet er ſich auch 2 Tim. 4, 12.
3. Dem Tychico giebt der Apoſtel zu ſei-
nem Lobe ein dreyfaches gutes Zeugniß; daß er
nemlich ſey ein lieber Brudtr, ein getreuer
Diener,
und ein Mit-Knecht in dem
HErrn.
Das erſte war der Grund von den
beyden uͤbrigen. Denn waͤre er kein lieber
Bruder,
das iſt, kein wahrhaftig bekehrtes
und erleuchtetes Kind GOttes geweſen, ſo haͤt-
te er auch kein treuer Diener und Mitknecht
ſeyn koͤnnen. Es giebet zwar wol Mitknechte,
oder Collegen, die ſich auch wol Confratres,
Mit-Bruͤder, nennen laſſen, aber die doch
keine wahre Kinder GOttes und keine geiſtliche
Bruͤder ſind: und daher iſt es auch um ihren
Beyſtand im Amte ſchlecht beſtellet.
4. Ein Diener war er nicht ſo wol Pau-
li, als CHriſti, am Evangelio, und alſo auch
Pauli Gehuͤlfe: wie der Evangeliſten oder Apo-
ſtoliſchen Maͤnner, ihre Eigenſchaft war.
5. Die Treue, welcher Lob Paulus Ty-
chico giebt, hatte den Glauben in ihm zum
Grunde: wie denn auch das Wort πιστὸς ſich
auf πίστιν, den Glauben, beziehet. Denn es
[Spaltenumbruch] iſt keine wahre, oder uͤbernatuͤrliche Treue des
Amts und des eigenen Chriſtenthums, als nur
die, welche aus dem wahren Glauben geboh-
ren iſt, und im Glauben bewieſen wird.
6. Die Worte ἐν Κυρίῳ, im HErrn,
gehoͤren, wie ſchon oft erinnert iſt, als ein be-
ſonderer Character zu Pauli ſtilo, und gehen al-
hier nicht allein auf das Wort σύνδουλος, Mit-
Knecht,
ſondern auch auf die vorhergehenden
Worte: Lieber Bruder, und getreuer
Mit-Knecht:
als welches beydes Tychicus
im HErrn war: und eben daher konte er ihm
auch ſolche Namen nach aller Wahrheit beyle-
gen. Es hatte demnach Pauli und Tychici Ge-
meinſchaft die Vereinigung und Gemeinſchaft
mit CHriſto zum Grunde.
7. Paulus hatte zwar von Epaphra erfah-
ren, wie es um die Coloſſenſiſche Gemeine ſtuͤn-
de cap. 1, 7. 8. und darnach hatte er auch dieſen
gantzen Brief eingerichtet: es konte ſich aber in-
deſſen manches aufs neue begeben haben, ſon-
derlich in Anſehung der Verſuchungen von den
blinden Geſetz-Eiverern, und nicht einmal halb-
bekehrten und dazu ſchwuͤlſtigen Philoſophis.
Dannenhero Paulus gerne naͤhere Nachricht
von ihnen haben und ſie indeſſen durch den ge-
genwaͤrtigen Dienſt Tychici geſtaͤrcket wiſſen
wolte.
8. Dieſer Oneſimus iſt aber der, deſſen
Paulus in dem Briefe an den Philemonem mit
mehrern gedencket. Und da er mit dem Tychi-
co, der den Coloſſern dieſen an ſie geſchriebenen
Brief uͤberbringen ſolte, zugleich gereiſet iſt,
ſo ſiehet man daraus, daß dieſer Brief mit dem
an den Philomonem zu einer Zeit ſey geſchrie-
ben worden; und daß Philemon zu Coloſſen
muͤſſe wohnhaft geweſen ſeyn: ſintemal Pau-
lus Oneſimum, den er dem Philemoni wieder
zuruͤck ſandte, einen von den ihrigen, das iſt,
einen Coloſſenſer, nennet.
9. Was kan das Evangelium nicht fuͤr
groſſe Dinge, oder fuͤr groſſe Veraͤnderungen,
machen? Denn an dem Oneſimo hatte es aus
einem untreuen, diebiſchen und verlauffe-
nen Knechte einen treuen lieben Bruder in
CHriſto,
und alſo zuvorderſt ein Kind GOt-
tes, gemachet; wie der Brief an den Philemo-
nem mit mehrern bezeuget.
10. Oneſimus war nicht allein rechtſchaf-
fen zu CHriſto bekehret worden, ſondern er hat-
te ſich auch von der Zeit an nach dem Zuſtande
der gantzen Roͤmiſchen Kirche genaue erkundi-
get, und war von derſelben Gliedern fuͤr ein
rechtſchaffnes, ob gleich, der aͤuſſerlichen An-
kunft nach, fremdes, doch aͤchtes Mit-Glied in
bruͤderlicher Gemeinſchaft erkannt worden. Da-
her er den Coloſſern nebſt dem Tychico von allen
gute Nachricht geben konte.
V. 10.

Es gruͤſſet euch Ariſtarchus, mein
Mit-Gefangener, und Marcus, der Nef-

fe
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[819/0847] Cap. 4, v. 7-10. an die Coloſſer. Anmerckungen. 1. Tychicus iſt allem Anſehen nach einer von den Evangeliſten, oder ſolchen Apoſtoli- ſchen Maͤnnern, geweſen, welche mit der Ver- kuͤndigung des Evangelii, auch Pflantzung und Beſuchung der Kirchen der Apoſtel ihre getreue Gehuͤlfen waren. 2. Dieſes Tychici wird zuerſt gedacht Ap. Geſch. 20, 40. daß er aus Aſien geweſen, und ſich in der Geſellſchaft Pauli befunden, als er die Reiſe aus Aſien nach Jeruſalem vorhatte. Daß ihn Paulus in der erſten Gefangenſchaft zu Rom um ſich gehabt habe, das ſiehet man aus dieſem Orte. Er muß auch hernach, als Paulus, nach erhaltener Freyheit, auf der letz- tern groſſen Reiſe nach Orient und Griechen- Land begriffen war, und ſich in Macedonien aufhielte, um ihn geweſen ſeyn, dieweil er in dem dazumal an Titum geſchriebenen Brief c. 3, 12. ſetzet: Wenn ich zu dir ſenden werde Arteman, oder Tychicum, ſo komm ei- lends zu mir nach Nicopolin. Und daß ihn Paulus auch in der letztern Gefangenſchaft zu Rom um ſich gehabt habe, das ſiehet man in den beyden zu der Zeit geſchriebenen Briefen, nemlich aus dem an die Epheſier, und dem letztern an den Timotheum. Denn Eph. 6, 21. 22. ſchreibet er von ihm alſo: Auf daß ihr aber wiſſet, wie es um mich ſtehet, und was ich ſchaffe, wird euch alles kund thun Tychicus, mein lieber Bruder und ge- treuer Diener in dem HERRN: wel- chen ich geſandt habe zu euch um deſſelbi- gen willen, daß ihr erfahret, wie es um mich ſtehet, und daß er eure Hertzen troͤ- ſte. Daraus man ſiehet, daß ihn der Apoſtel mit dem Briefe nach Epheſus geſandt habe. Und darauf beziehet er ſich auch 2 Tim. 4, 12. 3. Dem Tychico giebt der Apoſtel zu ſei- nem Lobe ein dreyfaches gutes Zeugniß; daß er nemlich ſey ein lieber Brudtr, ein getreuer Diener, und ein Mit-Knecht in dem HErrn. Das erſte war der Grund von den beyden uͤbrigen. Denn waͤre er kein lieber Bruder, das iſt, kein wahrhaftig bekehrtes und erleuchtetes Kind GOttes geweſen, ſo haͤt- te er auch kein treuer Diener und Mitknecht ſeyn koͤnnen. Es giebet zwar wol Mitknechte, oder Collegen, die ſich auch wol Confratres, Mit-Bruͤder, nennen laſſen, aber die doch keine wahre Kinder GOttes und keine geiſtliche Bruͤder ſind: und daher iſt es auch um ihren Beyſtand im Amte ſchlecht beſtellet. 4. Ein Diener war er nicht ſo wol Pau- li, als CHriſti, am Evangelio, und alſo auch Pauli Gehuͤlfe: wie der Evangeliſten oder Apo- ſtoliſchen Maͤnner, ihre Eigenſchaft war. 5. Die Treue, welcher Lob Paulus Ty- chico giebt, hatte den Glauben in ihm zum Grunde: wie denn auch das Wort πιστὸς ſich auf πίστιν, den Glauben, beziehet. Denn es iſt keine wahre, oder uͤbernatuͤrliche Treue des Amts und des eigenen Chriſtenthums, als nur die, welche aus dem wahren Glauben geboh- ren iſt, und im Glauben bewieſen wird. 6. Die Worte ἐν Κυρίῳ, im HErrn, gehoͤren, wie ſchon oft erinnert iſt, als ein be- ſonderer Character zu Pauli ſtilo, und gehen al- hier nicht allein auf das Wort σύνδουλος, Mit- Knecht, ſondern auch auf die vorhergehenden Worte: Lieber Bruder, und getreuer Mit-Knecht: als welches beydes Tychicus im HErrn war: und eben daher konte er ihm auch ſolche Namen nach aller Wahrheit beyle- gen. Es hatte demnach Pauli und Tychici Ge- meinſchaft die Vereinigung und Gemeinſchaft mit CHriſto zum Grunde. 7. Paulus hatte zwar von Epaphra erfah- ren, wie es um die Coloſſenſiſche Gemeine ſtuͤn- de cap. 1, 7. 8. und darnach hatte er auch dieſen gantzen Brief eingerichtet: es konte ſich aber in- deſſen manches aufs neue begeben haben, ſon- derlich in Anſehung der Verſuchungen von den blinden Geſetz-Eiverern, und nicht einmal halb- bekehrten und dazu ſchwuͤlſtigen Philoſophis. Dannenhero Paulus gerne naͤhere Nachricht von ihnen haben und ſie indeſſen durch den ge- genwaͤrtigen Dienſt Tychici geſtaͤrcket wiſſen wolte. 8. Dieſer Oneſimus iſt aber der, deſſen Paulus in dem Briefe an den Philemonem mit mehrern gedencket. Und da er mit dem Tychi- co, der den Coloſſern dieſen an ſie geſchriebenen Brief uͤberbringen ſolte, zugleich gereiſet iſt, ſo ſiehet man daraus, daß dieſer Brief mit dem an den Philomonem zu einer Zeit ſey geſchrie- ben worden; und daß Philemon zu Coloſſen muͤſſe wohnhaft geweſen ſeyn: ſintemal Pau- lus Oneſimum, den er dem Philemoni wieder zuruͤck ſandte, einen von den ihrigen, das iſt, einen Coloſſenſer, nennet. 9. Was kan das Evangelium nicht fuͤr groſſe Dinge, oder fuͤr groſſe Veraͤnderungen, machen? Denn an dem Oneſimo hatte es aus einem untreuen, diebiſchen und verlauffe- nen Knechte einen treuen lieben Bruder in CHriſto, und alſo zuvorderſt ein Kind GOt- tes, gemachet; wie der Brief an den Philemo- nem mit mehrern bezeuget. 10. Oneſimus war nicht allein rechtſchaf- fen zu CHriſto bekehret worden, ſondern er hat- te ſich auch von der Zeit an nach dem Zuſtande der gantzen Roͤmiſchen Kirche genaue erkundi- get, und war von derſelben Gliedern fuͤr ein rechtſchaffnes, ob gleich, der aͤuſſerlichen An- kunft nach, fremdes, doch aͤchtes Mit-Glied in bruͤderlicher Gemeinſchaft erkannt worden. Da- her er den Coloſſern nebſt dem Tychico von allen gute Nachricht geben konte. V. 10. Es gruͤſſet euch Ariſtarchus, mein Mit-Gefangener, und Marcus, der Nef- fe L l l l l 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/847>, abgerufen am 20.07.2024.