Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 15. 16. [Spaltenumbruch]
ten und Trachten dahin gehe, um das theilsschon erhaltene Kleinod im guten Gewissen zu bewahren, theils das aufs künftige beygelegte gewiß zu überkommen. 6. Und dieses Regiment des Friedens wird nicht allein geführet über die Hertzen, son- dern auch zuvorderst in den Hertzen; wie es ei- gentlich im Griechischen lautet. Denn, wie schon gedacht, lauft der Mensch nicht allein nach dem Kleinod, sondern er hat es auch schon dem guten Anfange nach, wircklich in sich, und eben dadurch, als durch den seligen Genuß der Erst- linge, wird er in der beständigen Begierde nach der vollen Erndte erhalten. 7. Wir sind zum Genuß aller Seligkeit berufen. Weil nun in dem Frieden mit GOtt sich alle Seligkeit gleichsam concentriret, so heißt es alhier: Wir sind zum Frieden berufen. Daher denn von sich selbst folget, daß der, wer ein solches Kind des Friedens ist, auch gern Frie- den mit Menschen, so viel an ihm ist, unterhält: nach Rom. 12, 18. 8. Die Colosser waren also berufen, daß sie der berufenden Gnade sich folgsam erwiesen hatten. Sie waren, als Müheselige und Be- ladene, nicht allein berufen, sondern auch also zu CHristo gekommen, daß sie, nach abgenom- mener und sie vorher beunruhigenden Last der Sünden, ihre Erquickung und Ruhe für ihre Seelen in CHristo gefunden hatten. Matth. 11, 28. 9. Die Berufung war geschehen en eni so- mati, in einem Leibe, das ist, en für eis, zu einem, nemlich geistlichen Leibe. Welches der Apostel deßwegen dazu gesetzet hat, damit er hie- durch anzeigen möchte, wie daß der Friede mit GOTT auch den Frieden der Glieder CHristi unter einander mit sich führete. Darum er Eph. 5, 3. 4. spricht: Seyd fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seyd auf einerley Hoffnung eures Berufs u. f. Siehe Rom. 12, 5. 1 Cor. 12, 12. 26. Eph. 1, 2. 10. 15. 10. Der Danckbarkeit gedencket der A- postel deßwegen hiebey, weil man erkennen soll, was es für eine grosse Wohlthat sey, zur Ge- meinschaft GOTTes und zum Friede und zur Würde eines Gliedes an dem geistlichen Leibe CHristi berufen seyn. Darum hat der Apo- stel auch schon vorher die Colosser darauf gefüh- ret, wenn er c. 2, 6. 7. spricht: Wie ihr nun angenommen habt den HErrn JEsum, so wandelt in ihm - - und seyd in demsel- ben reichlich danckbar. Jm übrigen ist al- hier sonderlich der Parallel-Ort vom Frieden GOttes aus Phil. 4, 7. zu conferiren. V. 16. Lasset das Wort CHristi reichlich un- Anmerckungen. 1. Der Verbindung nach ist alhier zu mercken, daß, nachdem der Apostel unterschied- liche Erinnerungen zur Ablegung des alten und Anziehung des neuen Menschen überhaupt und insonderheit gegeben hat, er nun das Mittel an- zeiget, wodurch sie den Wachsthum des neuen Menschen am meisten befordern solten und kön- ten, nemlich durch den andächtigen und fleißi- gen Gebrauch des göttlichen Worts: als wel- ches gleichsam die tägliche Nahrung des neuen Menschen seyn solte. 2. Der Ordnung nach finden wir alhier drey Stücke: das erste gehet überhaupt auf die fleißige Handlung des göttlichen Worts, daß man es solle reichlich und in aller Weisheit unter sich wohnen lassen: das andere, wie man dasselbe zur Erbauung unter einander anwenden solle: und denn drittens, wie es alles auf GOtt zu richten sey. 3. Die Rede ist vom Worte CHristi. Nun ist zwar alles Wort GOTTes CHristi Wort, auch das Gesetz; sintemal er dasselbe auf dem Berge Sinai aus der Wolcken-Seule, worinnen er vor dem Heer der Jsraeliten durch die Wüsten herzog, gegeben hat, als der Schö- pfer, und damals noch zukünftige Meßias: es wird aber, mit Einschliessung des Gesetzes, son- derlich auf das Evangelium gesehen; auf das Evangelium, welches er im alten Testamente durch Mosen und die Propheten verheissen hat, durch sie auch hat aufzeichnen lassen, und wel- ches er in den Tagen seines Fleisches, oder öf- fentlichen Lehr-Amts, auf Erden selbst verkün- diget, auch durch seine Apostel hat verkündigen und in Schriften verfassen lassen. Denn daß der Apostel auch auf die Schriften des Neuen Testaments, in sofern sie schon vorhanden wa- ren und noch folgen würden, mit gesehen habe, erhellet auch aus c. 4, 15. da es heißt: Wenn die, oder diese Epistel bey euch gelesen ist, so schaffet, daß sie auch in der Gemeine zu Laodicea gelesen werde, und daß ihr die an die von Laodicea (Gr. die aus Laodi- cea) auch leset. Von der durch CHristum geschehenen Offenbarung des Worts spricht Jo- hannes c. 1, 18. Niemand hat GOTT ie ge- sehen: der eingebohrne Sohn, der in des Vaters Schooß ist, der hats uns verkün- diget. Und Hebr. 1, 1. spricht Paulus, daß GOTT in den letzten Tagen zu uns gere- det habe durch den Sohn. 4. Von diesem Worte saget nun Paulus, es solle unter den Colossern reichlich woh- nen. Davon alle Worte nachdrücklich sind: a. Das wohnen wird sonst eigentlich von Per- sonen gebrauchet, und schicket sich so viel bes- ser für das Wort Christi, so viel genauer Christus mit seinem Worte verbunden ist: sintemal wo sein Wort wohnet, da wohnet er auch selbst durch das Wort im Hertzen. Denn wohnet Christus durch den Glau- ben in unsern Hertzen, nach Eph. 3, 17. so geschiehet solches Einwohnen auch durch das Wort
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 15. 16. [Spaltenumbruch]
ten und Trachten dahin gehe, um das theilsſchon erhaltene Kleinod im guten Gewiſſen zu bewahren, theils das aufs kuͤnftige beygelegte gewiß zu uͤberkommen. 6. Und dieſes Regiment des Friedens wird nicht allein gefuͤhret uͤber die Hertzen, ſon- dern auch zuvorderſt in den Hertzen; wie es ei- gentlich im Griechiſchen lautet. Denn, wie ſchon gedacht, lauft der Menſch nicht allein nach dem Kleinod, ſondern er hat es auch ſchon dem guten Anfange nach, wircklich in ſich, und eben dadurch, als durch den ſeligen Genuß der Erſt- linge, wird er in der beſtaͤndigen Begierde nach der vollen Erndte erhalten. 7. Wir ſind zum Genuß aller Seligkeit berufen. Weil nun in dem Frieden mit GOtt ſich alle Seligkeit gleichſam concentriret, ſo heißt es alhier: Wir ſind zum Frieden berufen. Daher denn von ſich ſelbſt folget, daß der, wer ein ſolches Kind des Friedens iſt, auch gern Frie- den mit Menſchen, ſo viel an ihm iſt, unterhaͤlt: nach Rom. 12, 18. 8. Die Coloſſer waren alſo berufen, daß ſie der berufenden Gnade ſich folgſam erwieſen hatten. Sie waren, als Muͤheſelige und Be- ladene, nicht allein berufen, ſondern auch alſo zu CHriſto gekommen, daß ſie, nach abgenom- mener und ſie vorher beunruhigenden Laſt der Suͤnden, ihre Erquickung und Ruhe fuͤr ihre Seelen in CHriſto gefunden hatten. Matth. 11, 28. 9. Die Berufung war geſchehen ἐν ἑνὶ σώ- ματι, in einem Leibe, das iſt, ἐν fuͤr ἐις, zu einem, nemlich geiſtlichen Leibe. Welches der Apoſtel deßwegen dazu geſetzet hat, damit er hie- durch anzeigen moͤchte, wie daß der Friede mit GOTT auch den Frieden der Glieder CHriſti unter einander mit ſich fuͤhrete. Darum er Eph. 5, 3. 4. ſpricht: Seyd fleißig zu halten die Einigkeit im Geiſt durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein Geiſt, wie ihr auch berufen ſeyd auf einerley Hoffnung eures Berufs u. f. Siehe Rom. 12, 5. 1 Cor. 12, 12. 26. Eph. 1, 2. 10. 15. 10. Der Danckbarkeit gedencket der A- poſtel deßwegen hiebey, weil man erkennen ſoll, was es fuͤr eine groſſe Wohlthat ſey, zur Ge- meinſchaft GOTTes und zum Friede und zur Wuͤrde eines Gliedes an dem geiſtlichen Leibe CHriſti berufen ſeyn. Darum hat der Apo- ſtel auch ſchon vorher die Coloſſer darauf gefuͤh- ret, wenn er c. 2, 6. 7. ſpricht: Wie ihr nun angenommen habt den HErrn JEſum, ſo wandelt in ihm ‒ ‒ und ſeyd in demſel- ben reichlich danckbar. Jm uͤbrigen iſt al- hier ſonderlich der Parallel-Ort vom Frieden GOttes aus Phil. 4, 7. zu conferiren. V. 16. Laſſet das Wort CHriſti reichlich un- Anmerckungen. 1. Der Verbindung nach iſt alhier zu mercken, daß, nachdem der Apoſtel unterſchied- liche Erinnerungen zur Ablegung des alten und Anziehung des neuen Menſchen uͤberhaupt und inſonderheit gegeben hat, er nun das Mittel an- zeiget, wodurch ſie den Wachsthum des neuen Menſchen am meiſten befordern ſolten und koͤn- ten, nemlich durch den andaͤchtigen und fleißi- gen Gebrauch des goͤttlichen Worts: als wel- ches gleichſam die taͤgliche Nahrung des neuen Menſchen ſeyn ſolte. 2. Der Ordnung nach finden wir alhier drey Stuͤcke: das erſte gehet uͤberhaupt auf die fleißige Handlung des goͤttlichen Worts, daß man es ſolle reichlich und in aller Weisheit unter ſich wohnen laſſen: das andere, wie man daſſelbe zur Erbauung unter einander anwenden ſolle: und denn drittens, wie es alles auf GOtt zu richten ſey. 3. Die Rede iſt vom Worte CHriſti. Nun iſt zwar alles Wort GOTTes CHriſti Wort, auch das Geſetz; ſintemal er daſſelbe auf dem Berge Sinai aus der Wolcken-Seule, worinnen er vor dem Heer der Jſraeliten durch die Wuͤſten herzog, gegeben hat, als der Schoͤ- pfer, und damals noch zukuͤnftige Meßias: es wird aber, mit Einſchlieſſung des Geſetzes, ſon- derlich auf das Evangelium geſehen; auf das Evangelium, welches er im alten Teſtamente durch Moſen und die Propheten verheiſſen hat, durch ſie auch hat aufzeichnen laſſen, und wel- ches er in den Tagen ſeines Fleiſches, oder oͤf- fentlichen Lehr-Amts, auf Erden ſelbſt verkuͤn- diget, auch durch ſeine Apoſtel hat verkuͤndigen und in Schriften verfaſſen laſſen. Denn daß der Apoſtel auch auf die Schriften des Neuen Teſtaments, in ſofern ſie ſchon vorhanden wa- ren und noch folgen wuͤrden, mit geſehen habe, erhellet auch aus c. 4, 15. da es heißt: Wenn die, oder dieſe Epiſtel bey euch geleſen iſt, ſo ſchaffet, daß ſie auch in der Gemeine zu Laodicea geleſen werde, und daß ihr die an die von Laodicea (Gr. die aus Laodi- cea) auch leſet. Von der durch CHriſtum geſchehenen Offenbarung des Worts ſpricht Jo- hannes c. 1, 18. Niemand hat GOTT ie ge- ſehen: der eingebohrne Sohn, der in des Vaters Schooß iſt, der hats uns verkuͤn- diget. Und Hebr. 1, 1. ſpricht Paulus, daß GOTT in den letzten Tagen zu uns gere- det habe durch den Sohn. 4. Von dieſem Worte ſaget nun Paulus, es ſolle unter den Coloſſern reichlich woh- nen. Davon alle Worte nachdruͤcklich ſind: a. Das wohnen wird ſonſt eigentlich von Per- ſonen gebrauchet, und ſchicket ſich ſo viel beſ- ſer fuͤr das Wort Chriſti, ſo viel genauer Chriſtus mit ſeinem Worte verbunden iſt: ſintemal wo ſein Wort wohnet, da wohnet er auch ſelbſt durch das Wort im Hertzen. Denn wohnet Chriſtus durch den Glau- ben in unſern Hertzen, nach Eph. 3, 17. ſo geſchiehet ſolches Einwohnen auch durch das Wort
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 15. 16.
ten und Trachten dahin gehe, um das theils
ſchon erhaltene Kleinod im guten Gewiſſen zu
bewahren, theils das aufs kuͤnftige beygelegte
gewiß zu uͤberkommen.
6. Und dieſes Regiment des Friedens wird
nicht allein gefuͤhret uͤber die Hertzen, ſon-
dern auch zuvorderſt in den Hertzen; wie es ei-
gentlich im Griechiſchen lautet. Denn, wie
ſchon gedacht, lauft der Menſch nicht allein nach
dem Kleinod, ſondern er hat es auch ſchon dem
guten Anfange nach, wircklich in ſich, und eben
dadurch, als durch den ſeligen Genuß der Erſt-
linge, wird er in der beſtaͤndigen Begierde nach
der vollen Erndte erhalten.
7. Wir ſind zum Genuß aller Seligkeit
berufen. Weil nun in dem Frieden mit GOtt
ſich alle Seligkeit gleichſam concentriret, ſo heißt
es alhier: Wir ſind zum Frieden berufen.
Daher denn von ſich ſelbſt folget, daß der, wer
ein ſolches Kind des Friedens iſt, auch gern Frie-
den mit Menſchen, ſo viel an ihm iſt, unterhaͤlt:
nach Rom. 12, 18.
8. Die Coloſſer waren alſo berufen, daß
ſie der berufenden Gnade ſich folgſam erwieſen
hatten. Sie waren, als Muͤheſelige und Be-
ladene, nicht allein berufen, ſondern auch alſo
zu CHriſto gekommen, daß ſie, nach abgenom-
mener und ſie vorher beunruhigenden Laſt der
Suͤnden, ihre Erquickung und Ruhe fuͤr ihre
Seelen in CHriſto gefunden hatten. Matth. 11,
28.
9. Die Berufung war geſchehen ἐν ἑνὶ σώ-
ματι, in einem Leibe, das iſt, ἐν fuͤr ἐις, zu
einem, nemlich geiſtlichen Leibe. Welches der
Apoſtel deßwegen dazu geſetzet hat, damit er hie-
durch anzeigen moͤchte, wie daß der Friede mit
GOTT auch den Frieden der Glieder CHriſti
unter einander mit ſich fuͤhrete. Darum er
Eph. 5, 3. 4. ſpricht: Seyd fleißig zu halten
die Einigkeit im Geiſt durch das Band des
Friedens. Ein Leib und ein Geiſt, wie
ihr auch berufen ſeyd auf einerley Hoffnung
eures Berufs u. f. Siehe Rom. 12, 5. 1 Cor.
12, 12. 26. Eph. 1, 2. 10. 15.
10. Der Danckbarkeit gedencket der A-
poſtel deßwegen hiebey, weil man erkennen ſoll,
was es fuͤr eine groſſe Wohlthat ſey, zur Ge-
meinſchaft GOTTes und zum Friede und zur
Wuͤrde eines Gliedes an dem geiſtlichen Leibe
CHriſti berufen ſeyn. Darum hat der Apo-
ſtel auch ſchon vorher die Coloſſer darauf gefuͤh-
ret, wenn er c. 2, 6. 7. ſpricht: Wie ihr nun
angenommen habt den HErrn JEſum,
ſo wandelt in ihm ‒ ‒ und ſeyd in demſel-
ben reichlich danckbar. Jm uͤbrigen iſt al-
hier ſonderlich der Parallel-Ort vom Frieden
GOttes aus Phil. 4, 7. zu conferiren.
V. 16.
Laſſet das Wort CHriſti reichlich un-
ter euch wohnen in aller Weisheit, leh-
ret und vermahnet euch ſelbſt mit Pſal-
men und Lob-Geſaͤngen, und geiſtlichen
lieblichen Liedern, und ſinget dem HErrn
in eurem Hertzen. Siehe auch Eph. 5, 19.
Anmerckungen.
1. Der Verbindung nach iſt alhier zu
mercken, daß, nachdem der Apoſtel unterſchied-
liche Erinnerungen zur Ablegung des alten und
Anziehung des neuen Menſchen uͤberhaupt und
inſonderheit gegeben hat, er nun das Mittel an-
zeiget, wodurch ſie den Wachsthum des neuen
Menſchen am meiſten befordern ſolten und koͤn-
ten, nemlich durch den andaͤchtigen und fleißi-
gen Gebrauch des goͤttlichen Worts: als wel-
ches gleichſam die taͤgliche Nahrung des neuen
Menſchen ſeyn ſolte.
2. Der Ordnung nach finden wir alhier
drey Stuͤcke: das erſte gehet uͤberhaupt auf
die fleißige Handlung des goͤttlichen Worts,
daß man es ſolle reichlich und in aller Weisheit
unter ſich wohnen laſſen: das andere, wie man
daſſelbe zur Erbauung unter einander anwenden
ſolle: und denn drittens, wie es alles auf GOtt
zu richten ſey.
3. Die Rede iſt vom Worte CHriſti.
Nun iſt zwar alles Wort GOTTes CHriſti
Wort, auch das Geſetz; ſintemal er daſſelbe
auf dem Berge Sinai aus der Wolcken-Seule,
worinnen er vor dem Heer der Jſraeliten durch
die Wuͤſten herzog, gegeben hat, als der Schoͤ-
pfer, und damals noch zukuͤnftige Meßias: es
wird aber, mit Einſchlieſſung des Geſetzes, ſon-
derlich auf das Evangelium geſehen; auf das
Evangelium, welches er im alten Teſtamente
durch Moſen und die Propheten verheiſſen hat,
durch ſie auch hat aufzeichnen laſſen, und wel-
ches er in den Tagen ſeines Fleiſches, oder oͤf-
fentlichen Lehr-Amts, auf Erden ſelbſt verkuͤn-
diget, auch durch ſeine Apoſtel hat verkuͤndigen
und in Schriften verfaſſen laſſen. Denn daß
der Apoſtel auch auf die Schriften des Neuen
Teſtaments, in ſofern ſie ſchon vorhanden wa-
ren und noch folgen wuͤrden, mit geſehen habe,
erhellet auch aus c. 4, 15. da es heißt: Wenn
die, oder dieſe Epiſtel bey euch geleſen iſt,
ſo ſchaffet, daß ſie auch in der Gemeine
zu Laodicea geleſen werde, und daß ihr
die an die von Laodicea (Gr. die aus Laodi-
cea) auch leſet. Von der durch CHriſtum
geſchehenen Offenbarung des Worts ſpricht Jo-
hannes c. 1, 18. Niemand hat GOTT ie ge-
ſehen: der eingebohrne Sohn, der in des
Vaters Schooß iſt, der hats uns verkuͤn-
diget. Und Hebr. 1, 1. ſpricht Paulus, daß
GOTT in den letzten Tagen zu uns gere-
det habe durch den Sohn.
4. Von dieſem Worte ſaget nun Paulus,
es ſolle unter den Coloſſern reichlich woh-
nen. Davon alle Worte nachdruͤcklich ſind:
a. Das wohnen wird ſonſt eigentlich von Per-
ſonen gebrauchet, und ſchicket ſich ſo viel beſ-
ſer fuͤr das Wort Chriſti, ſo viel genauer
Chriſtus mit ſeinem Worte verbunden iſt:
ſintemal wo ſein Wort wohnet, da wohnet er
auch ſelbſt durch das Wort im Hertzen.
Denn wohnet Chriſtus durch den Glau-
ben in unſern Hertzen, nach Eph. 3, 17. ſo
geſchiehet ſolches Einwohnen auch durch das
Wort
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