Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 2, v. 7. 8. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
5. Gläubige Christen wandeln nicht allein vor CHristo, in seinen allsehenden Augen, sondern auch in ihm und aus seiner Kraft in ih- nen, nach der seligen Vereinigung und Gemein- schaft, darinnen sie mit ihm stehen. Und da CHristus ihnen auch der Weg ist Joh. 14, 6; so wandeln sie auf ihm und gehen durch ihn zum Vater. Wie Paulus in CHristo beydes gelebet und gewandelt habe, zeiget er an Gal. 2, 20. wenn er spricht: Jch lebe, doch nun nicht ich, sondern CHristus lebet in mir: denn was ich ietzt lebe, das lebe ich im Glau- ben des Sohnes GOttes, der mich gelie- bet hat, und sich selbst für mich darge- geben. 6. Von der Bevestigung im Glauben bedienet sich der Apostel des sehr gewöhnlichen, und daher auch sehr bekanten, und nicht weniger auch sehr füglichen gedoppelten Gleichnisses von einem tief und wohl bewurtzelten Baume und von einem wohl gegründeten Gebäude. Und wie mancher unbewurtzelter Baum verdorret nicht? und wie manches übelgegründetes Gebäude ge- het nicht über einen Haufen, oder nimmt doch grossen Schaden? Unser Heiland spricht selbst Matth. 12, 33. Setzet einen guten Baum, so wird die Frucht gut. Unglaubige hingegen und Abtrünnige sind kahle und unfruchtbare Bäume, zweymal erstorben und ausge- wurtzelt. Jud. v. 12. Und das Haus, wel- ches auf einen Sand gebauet ist, thut bey einem Sturm- oder Platz-Regen einen leichten und grossen Fall, da das auf den Felsen gebauete un- beweglich stehet. Matth. 7, 24. u. f. 7. Gleichwie wir nicht allein vor Chri- sto, sondern auch in CHristo wandeln sollen: also sollen wir auch nicht allein von ihm, son- dern auch in ihm, und auf ihn, bewurtzelt, oder zur Bewurtzelung gebracht und erbauet seyn. Denn er ist nicht allein der Gärtner und der Baumeister, sondern auch der Grund und Boden, in welchem wir unsere Bevestigung haben. Siehe desgleichen Eph. 2, 20. 21. Jhr seyd erbauet auf den Grund der Apostel und Propheten, (auf den von ihnen gelegten Grund,) da JEsus CHristus der Eckstein ist, en o, auf welchem der gantze Bau in einander gefüget wächset zu einem heili- gen Tempel im HErrn; en o, auf welchen auch ihr mit erbauet werdet zu einer Be- hausung GOttes im Geiste. Und c. 3, 18. da es heißt: CHristum zu wohnen durch den Glauben in eurem Hertzen, und durch die Liebe eingewurtzelt und gegründet werden. Wer in CHristum recht eingewur- tzelt ist, der ist der an den Wasserbächen ge- pflantzte Baum, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit und dessen Blätter auch nicht einmal verwelcken Ps. 1, 3. 8. Was der Apostel alhier nennet veste werden im Glauben, das nennet er Hebr. 13, 9. veste werden durch die Gnade, sin- temal der Glaube sich an die Gnade hält, und darinn, auch davon seine Nahrung hat, wie ein Baum von der Erden, da er durch die Wurtzel die Feuchtigkeit des Erdreichs an sich ziehet. 9. Ein guter Zufluß giebet auch einen guten Ausfluß: und wer viel einnimmt, kan und muß auch vieles ausgeben. Da nun der Mensch durch den Glauben von CHristo und in CHristo so viel geistliches Gutes empfähet, und dadurch im Stande der Gnaden immer mehr bevestiget wird; so muß er auch durch Danck- barkeit, und zwar eine solche, welche nicht al- lein in Worten, sondern auch, und zuvorderst, im Affect des Hertzens bestehet, und sich durch Gehorsam im gantzen Leben erweiset, reichlich gegen GOTT ausfliessen. Darum spricht er alhier: seyd in demselben (in dem Glauben, der in Worte und Wercke mit Danckbarkeit ausfliesset,) reichlich danckbar. So hat er sie auch schon vorher darauf geführet und c. 1, 12. gesaget: Dancket dem Vater, der uns tüchtig gemachet hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Lichte. Siehe auch c. 3, 15. und 1 Thess. 5, 18. Seyd danckbar in allen Din- gen: denn das ist der Wille GOTT es in CHristo JEsu an euch. V. 8. Sehet zu, daß euch niemand berau- Anmerckungen. 1. Damit diese nöthige Warnung Pauli so viel besser erkant werde, so wird dienlich seyn, die Anmerckungen auf diese vier Puncte zu rich- ten: erstlich darauf, wie man die Philosophie nach der eigentlichen Bedeutung des Worts und nach den ersten und ältesten originibus historiae philosophicae anzusehen habe: hernach was sie zur Zeit der alten Philosophischen Secten für eine Gestalt bekommen habe: drittens, was Pau- lus alhier durch die Philosophie verstehe: und viertens, wie nöthig die Application der Apo- stolischen Warnung noch heute zu Tage sey. Wer die heilige Schrift nur zu seiner Erbauung lieset, und sich dabey um die Abweichung der Gelehrten unbekümmert läßt, der kan die nechst folgende Deduction nur überschlagen. 2. Was den ersten Punct betrifft, so ist davon folgendes zu mercken: a. Sophia heißt die Weisheit, und also Philoso- phia eine solche Liebe zur Weisheit, vermöge welcher man sich mit Fleiß darauf legt, sie erlanget und sich nach ihrer Anweisung zu sei- ner Wohlfahrt richtet. b. Da der Mensch nicht allein zum zeitlichen, sondern auch zum ewigen Leben erschaffen ist, und er es daher nicht allein mit zeitlichen und irdischen, sondern auch und fürnemlich, mit geistlichen, göttlichen und ewigen Dingen, welche auf sein geistliches und ewiges Heil gehen, zu thun hat, oder doch von Rechts wegen zu thun haben soll; so ist es eigentlich die Weisheit, wenn einer damit recht beschäf- tiget ist: da hingegen irdische und zeitliche Dinge zu erkennen und recht damit umzuge- hen E e e e e 3
Cap. 2, v. 7. 8. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
5. Glaͤubige Chriſten wandeln nicht allein vor CHriſto, in ſeinen allſehenden Augen, ſondern auch in ihm und aus ſeiner Kraft in ih- nen, nach der ſeligen Vereinigung und Gemein- ſchaft, darinnen ſie mit ihm ſtehen. Und da CHriſtus ihnen auch der Weg iſt Joh. 14, 6; ſo wandeln ſie auf ihm und gehen durch ihn zum Vater. Wie Paulus in CHriſto beydes gelebet und gewandelt habe, zeiget er an Gal. 2, 20. wenn er ſpricht: Jch lebe, doch nun nicht ich, ſondern CHriſtus lebet in mir: denn was ich ietzt lebe, das lebe ich im Glau- ben des Sohnes GOttes, der mich gelie- bet hat, und ſich ſelbſt fuͤr mich darge- geben. 6. Von der Beveſtigung im Glauben bedienet ſich der Apoſtel des ſehr gewoͤhnlichen, und daher auch ſehr bekanten, und nicht weniger auch ſehr fuͤglichen gedoppelten Gleichniſſes von einem tief und wohl bewurtzelten Baume und von einem wohl gegruͤndeten Gebaͤude. Und wie mancher unbewurtzelter Baum verdorret nicht? und wie manches uͤbelgegruͤndetes Gebaͤude ge- het nicht uͤber einen Haufen, oder nimmt doch groſſen Schaden? Unſer Heiland ſpricht ſelbſt Matth. 12, 33. Setzet einen guten Baum, ſo wird die Frucht gut. Unglaubige hingegen und Abtruͤnnige ſind kahle und unfruchtbare Baͤume, zweymal erſtorben und ausge- wurtzelt. Jud. v. 12. Und das Haus, wel- ches auf einen Sand gebauet iſt, thut bey einem Sturm- oder Platz-Regen einen leichten und groſſen Fall, da das auf den Felſen gebauete un- beweglich ſtehet. Matth. 7, 24. u. f. 7. Gleichwie wir nicht allein vor Chri- ſto, ſondern auch in CHriſto wandeln ſollen: alſo ſollen wir auch nicht allein von ihm, ſon- dern auch in ihm, und auf ihn, bewurtzelt, oder zur Bewurtzelung gebracht und erbauet ſeyn. Denn er iſt nicht allein der Gaͤrtner und der Baumeiſter, ſondern auch der Grund und Boden, in welchem wir unſere Beveſtigung haben. Siehe desgleichen Eph. 2, 20. 21. Jhr ſeyd erbauet auf den Grund der Apoſtel und Propheten, (auf den von ihnen gelegten Grund,) da JEſus CHriſtus der Eckſtein iſt, ἐν ᾧ, auf welchem der gantze Bau in einander gefuͤget waͤchſet zu einem heili- gen Tempel im HErrn; ἐν ᾧ, auf welchen auch ihr mit erbauet werdet zu einer Be- hauſung GOttes im Geiſte. Und c. 3, 18. da es heißt: CHriſtum zu wohnen durch den Glauben in eurem Hertzen, und durch die Liebe eingewurtzelt und gegruͤndet werden. Wer in CHriſtum recht eingewur- tzelt iſt, der iſt der an den Waſſerbaͤchen ge- pflantzte Baum, der ſeine Frucht bringet zu ſeiner Zeit und deſſen Blaͤtter auch nicht einmal verwelcken Pſ. 1, 3. 8. Was der Apoſtel alhier nennet veſte werden im Glauben, das nennet er Hebr. 13, 9. veſte werden durch die Gnade, ſin- temal der Glaube ſich an die Gnade haͤlt, und darinn, auch davon ſeine Nahrung hat, wie ein Baum von der Erden, da er durch die Wurtzel die Feuchtigkeit des Erdreichs an ſich ziehet. 9. Ein guter Zufluß giebet auch einen guten Ausfluß: und wer viel einnimmt, kan und muß auch vieles ausgeben. Da nun der Menſch durch den Glauben von CHriſto und in CHriſto ſo viel geiſtliches Gutes empfaͤhet, und dadurch im Stande der Gnaden immer mehr beveſtiget wird; ſo muß er auch durch Danck- barkeit, und zwar eine ſolche, welche nicht al- lein in Worten, ſondern auch, und zuvorderſt, im Affect des Hertzens beſtehet, und ſich durch Gehorſam im gantzen Leben erweiſet, reichlich gegen GOTT ausflieſſen. Darum ſpricht er alhier: ſeyd in demſelben (in dem Glauben, der in Worte und Wercke mit Danckbarkeit ausflieſſet,) reichlich danckbar. So hat er ſie auch ſchon vorher darauf gefuͤhret und c. 1, 12. geſaget: Dancket dem Vater, der uns tuͤchtig gemachet hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Lichte. Siehe auch c. 3, 15. und 1 Theſſ. 5, 18. Seyd danckbar in allen Din- gen: denn das iſt der Wille GOTT es in CHriſto JEſu an euch. V. 8. Sehet zu, daß euch niemand berau- Anmerckungen. 1. Damit dieſe noͤthige Warnung Pauli ſo viel beſſer erkant werde, ſo wird dienlich ſeyn, die Anmerckungen auf dieſe vier Puncte zu rich- ten: erſtlich darauf, wie man die Philoſophie nach der eigentlichen Bedeutung des Worts und nach den erſten und aͤlteſten originibus hiſtoriæ philoſophicæ anzuſehen habe: hernach was ſie zur Zeit der alten Philoſophiſchen Secten fuͤr eine Geſtalt bekommen habe: drittens, was Pau- lus alhier durch die Philoſophie verſtehe: und viertens, wie noͤthig die Application der Apo- ſtoliſchen Warnung noch heute zu Tage ſey. Wer die heilige Schrift nur zu ſeiner Erbauung lieſet, und ſich dabey um die Abweichung der Gelehrten unbekuͤmmert laͤßt, der kan die nechſt folgende Deduction nur uͤberſchlagen. 2. Was den erſten Punct betrifft, ſo iſt davon folgendes zu mercken: a. Sophia heißt die Weisheit, und alſo Philoſo- phia eine ſolche Liebe zur Weisheit, vermoͤge welcher man ſich mit Fleiß darauf legt, ſie erlanget und ſich nach ihrer Anweiſung zu ſei- ner Wohlfahrt richtet. b. Da der Menſch nicht allein zum zeitlichen, ſondern auch zum ewigen Leben erſchaffen iſt, und er es daher nicht allein mit zeitlichen und irdiſchen, ſondern auch und fuͤrnemlich, mit geiſtlichen, goͤttlichen und ewigen Dingen, welche auf ſein geiſtliches und ewiges Heil gehen, zu thun hat, oder doch von Rechts wegen zu thun haben ſoll; ſo iſt es eigentlich die Weisheit, wenn einer damit recht beſchaͤf- tiget iſt: da hingegen irdiſche und zeitliche Dinge zu erkennen und recht damit umzuge- hen E e e e e 3
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Cap. 2, v. 7. 8. an die Coloſſer.
5. Glaͤubige Chriſten wandeln nicht allein
vor CHriſto, in ſeinen allſehenden Augen,
ſondern auch in ihm und aus ſeiner Kraft in ih-
nen, nach der ſeligen Vereinigung und Gemein-
ſchaft, darinnen ſie mit ihm ſtehen. Und da
CHriſtus ihnen auch der Weg iſt Joh. 14, 6; ſo
wandeln ſie auf ihm und gehen durch ihn
zum Vater. Wie Paulus in CHriſto beydes
gelebet und gewandelt habe, zeiget er an Gal.
2, 20. wenn er ſpricht: Jch lebe, doch nun
nicht ich, ſondern CHriſtus lebet in mir:
denn was ich ietzt lebe, das lebe ich im Glau-
ben des Sohnes GOttes, der mich gelie-
bet hat, und ſich ſelbſt fuͤr mich darge-
geben.
6. Von der Beveſtigung im Glauben
bedienet ſich der Apoſtel des ſehr gewoͤhnlichen,
und daher auch ſehr bekanten, und nicht weniger
auch ſehr fuͤglichen gedoppelten Gleichniſſes von
einem tief und wohl bewurtzelten Baume und von
einem wohl gegruͤndeten Gebaͤude. Und wie
mancher unbewurtzelter Baum verdorret nicht?
und wie manches uͤbelgegruͤndetes Gebaͤude ge-
het nicht uͤber einen Haufen, oder nimmt doch
groſſen Schaden? Unſer Heiland ſpricht ſelbſt
Matth. 12, 33. Setzet einen guten Baum, ſo
wird die Frucht gut. Unglaubige hingegen
und Abtruͤnnige ſind kahle und unfruchtbare
Baͤume, zweymal erſtorben und ausge-
wurtzelt. Jud. v. 12. Und das Haus, wel-
ches auf einen Sand gebauet iſt, thut bey einem
Sturm- oder Platz-Regen einen leichten und
groſſen Fall, da das auf den Felſen gebauete un-
beweglich ſtehet. Matth. 7, 24. u. f.
7. Gleichwie wir nicht allein vor Chri-
ſto, ſondern auch in CHriſto wandeln ſollen:
alſo ſollen wir auch nicht allein von ihm, ſon-
dern auch in ihm, und auf ihn, bewurtzelt,
oder zur Bewurtzelung gebracht und erbauet ſeyn.
Denn er iſt nicht allein der Gaͤrtner und der
Baumeiſter, ſondern auch der Grund und
Boden, in welchem wir unſere Beveſtigung
haben. Siehe desgleichen Eph. 2, 20. 21. Jhr
ſeyd erbauet auf den Grund der Apoſtel
und Propheten, (auf den von ihnen gelegten
Grund,) da JEſus CHriſtus der Eckſtein
iſt, ἐν ᾧ, auf welchem der gantze Bau in
einander gefuͤget waͤchſet zu einem heili-
gen Tempel im HErrn; ἐν ᾧ, auf welchen
auch ihr mit erbauet werdet zu einer Be-
hauſung GOttes im Geiſte. Und c. 3, 18.
da es heißt: CHriſtum zu wohnen durch
den Glauben in eurem Hertzen, und durch
die Liebe eingewurtzelt und gegruͤndet
werden. Wer in CHriſtum recht eingewur-
tzelt iſt, der iſt der an den Waſſerbaͤchen ge-
pflantzte Baum, der ſeine Frucht bringet
zu ſeiner Zeit und deſſen Blaͤtter auch nicht
einmal verwelcken Pſ. 1, 3.
8. Was der Apoſtel alhier nennet veſte
werden im Glauben, das nennet er Hebr.
13, 9. veſte werden durch die Gnade, ſin-
temal der Glaube ſich an die Gnade haͤlt, und
darinn, auch davon ſeine Nahrung hat, wie ein
Baum von der Erden, da er durch die Wurtzel
die Feuchtigkeit des Erdreichs an ſich ziehet.
9. Ein guter Zufluß giebet auch einen
guten Ausfluß: und wer viel einnimmt, kan
und muß auch vieles ausgeben. Da nun der
Menſch durch den Glauben von CHriſto und in
CHriſto ſo viel geiſtliches Gutes empfaͤhet, und
dadurch im Stande der Gnaden immer mehr
beveſtiget wird; ſo muß er auch durch Danck-
barkeit, und zwar eine ſolche, welche nicht al-
lein in Worten, ſondern auch, und zuvorderſt,
im Affect des Hertzens beſtehet, und ſich durch
Gehorſam im gantzen Leben erweiſet, reichlich
gegen GOTT ausflieſſen. Darum ſpricht er
alhier: ſeyd in demſelben (in dem Glauben,
der in Worte und Wercke mit Danckbarkeit
ausflieſſet,) reichlich danckbar. So hat er
ſie auch ſchon vorher darauf gefuͤhret und c. 1,
12. geſaget: Dancket dem Vater, der uns
tuͤchtig gemachet hat zu dem Erbtheil der
Heiligen im Lichte. Siehe auch c. 3, 15. und
1 Theſſ. 5, 18. Seyd danckbar in allen Din-
gen: denn das iſt der Wille GOTT es in
CHriſto JEſu an euch.
V. 8.
Sehet zu, daß euch niemand berau-
be durch die Philoſophie und loſe Verfuͤh-
rung, nach der Menſchen Lehre, und
nach den Welt-Satzungen, und nicht nach
Chriſto.
Anmerckungen.
1. Damit dieſe noͤthige Warnung Pauli
ſo viel beſſer erkant werde, ſo wird dienlich ſeyn,
die Anmerckungen auf dieſe vier Puncte zu rich-
ten: erſtlich darauf, wie man die Philoſophie
nach der eigentlichen Bedeutung des Worts und
nach den erſten und aͤlteſten originibus hiſtoriæ
philoſophicæ anzuſehen habe: hernach was ſie zur
Zeit der alten Philoſophiſchen Secten fuͤr eine
Geſtalt bekommen habe: drittens, was Pau-
lus alhier durch die Philoſophie verſtehe: und
viertens, wie noͤthig die Application der Apo-
ſtoliſchen Warnung noch heute zu Tage ſey.
Wer die heilige Schrift nur zu ſeiner Erbauung
lieſet, und ſich dabey um die Abweichung der
Gelehrten unbekuͤmmert laͤßt, der kan die nechſt
folgende Deduction nur uͤberſchlagen.
2. Was den erſten Punct betrifft, ſo iſt
davon folgendes zu mercken:
a. Sophia heißt die Weisheit, und alſo Philoſo-
phia eine ſolche Liebe zur Weisheit, vermoͤge
welcher man ſich mit Fleiß darauf legt, ſie
erlanget und ſich nach ihrer Anweiſung zu ſei-
ner Wohlfahrt richtet.
b. Da der Menſch nicht allein zum zeitlichen,
ſondern auch zum ewigen Leben erſchaffen iſt,
und er es daher nicht allein mit zeitlichen und
irdiſchen, ſondern auch und fuͤrnemlich, mit
geiſtlichen, goͤttlichen und ewigen Dingen,
welche auf ſein geiſtliches und ewiges Heil
gehen, zu thun hat, oder doch von Rechts
wegen zu thun haben ſoll; ſo iſt es eigentlich
die Weisheit, wenn einer damit recht beſchaͤf-
tiget iſt: da hingegen irdiſche und zeitliche
Dinge zu erkennen und recht damit umzuge-
hen
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