Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 2, v. 1-5. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
d. Verborgen werden diese Schätze genennet eben deswegen, weil sie Schätze sind, als die man zu verbergen pfleget. Und wird mit dieser Verbergung, was das Geheimniß des Evangelii betrifft, gesehen auf den Unglau- ben der Menschen, der sie nicht erkennet, und daher verachtet: ob sie gleich so klar geoffen- baret, daß die neue Oeconomie vor der al- ten daher einen grossen Vorzug hat. Davon Paulus 2 Cor. 4, 3. 4. spricht: Jst unser Evangelium verdeckt, so ists in denen, die verlohren werden, verdeckt u. f. Von dieser verborgenen Weisheit heißt es Matth. 11, 25. Jch preise dich, Vater und HErr Himmels und der Erden, daß du sol- ches den Klugen und Weisen verborgen hast, und hast es den Unmündigen offen- baret. Und Paulus spricht 1 Cor. 2, 7. Wir reden von der heimlichen verborgenen Weisheit, welche GOTT verordnet hat vor der Welt zu unserer Herrlich- keit: welche keiner von den Obersten dieser Welt erkannt hat u. f. Und weil auch den schon Erleuchteten selbst noch immer vieles in diesem Geheimnisse verborgen blei- bet, also daß sie nöthig haben, darinnen noch immer eine Tiefe nach der andern einzuschauen, so wünschet der Apostel den Colossern ein noch reichers Maß zur glaubigen Einsicht in die- ses Geheimniß, und den schon gar helle se- henden Ephesiern noch immer mehr erleuch- tete Augen ihres Gemüths c. 1, 18. Siehe auch Ps. 51, 8. da David spricht: Siehe, du hast Lust zur Weisheit, die im ver- borgen lieget: Du lässest mich wissen die heimliche Weisheit. V. 4. Jch sage aber davon (Gr. dieses aber, Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieser Worte ist nicht undeutlich, nemlich der Apostel zeiget an, zu welchem Zweck er den Gläubigen die wahre Weisheit in dem Geheimniß des Evangelii von CHristo anpreise, nemlich daß sie sich nicht sol- len von der falschen einnehmen lassen. Und al- so zeiget auch diese Connexion an, daß vorher die Rede nicht eigentlich sey von dem, was Chri- stus in seiner eignen Person für einen Schatz der Weisheit habe, sondern was wir an ihm und an dem Evangelio haben. 2. Pithanologia lst eine solche Vorstellung, die bey einer ungegründeten Sache an statt der Gründe lauter angenommenen Schein und Schmincke in hohen gekünstelten und verblüm- ten Worten zur Uberredung gebrauchet. Pau- lus nennet die pithanologian eine khrestologian und eulogian, süsse Worte und prächtige Reden Rom. 16, 18. und 1 Cor. 2, 1. 4. upero- khen logou, hohe Worte, und v. 4. peithous [Spaltenumbruch] anthropines sophias logous, vernünftige Re- den menschlicher Weisheit: Und Petrus 1 Ep. 2, 18. up[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]rogka mat aiotetos, stoltze Worte, nemlich nach dem stoltzen aufgeblase- nen Sinne. Die falsche Beredsamkeit pfleget gemeiniglich ein Werckzeug der falschen Weis- heit zu seyn. Dagegen die wahre Weisheit zur Uberzeugung keiner Rede-Kunst gebrauchet, son- dern nur ihrer Gründe. Was aber von natür- licher Gabe der Wohlredenheit bey einem Men- schen vorhanden ist, das wird denn bey der wah- ren Weisheit, welche nicht ohne die wahre Furcht GOttes ist, durch diese geheiliget, und also mit aller Einfalt recht angewendet. 3. Das Betrügen, davor der Apostel warnet, geschiehet durch falsche Schlüsse; denn das alhier gebrauchte Wort paralogizesthai heißt falsche Schlüsse und mit denselben gleich- sam Luft-Streiche machen. Denn also gehet es bey der falschen Weisheit, welche voller Thor- heit und Eitelkeit ist. Der davon erfüllet ist, und sie vorträget, will das Ansehen haben, daß er die Wahrheit rede, und seinen Vortrag auf gute Gründe baue. Weil es ihm aber an die- sen fehlet, so ist in seiner Lehre nichts, als leeres Blendwerck, darinnen weder ein rechter Grund, noch ein solcher Zusammenhang ist, wie die Ket- te der himmlischen Wahrheit hat; sondern wenn man die Sache beym Lichte besiehet, destruiret sie sich selbst. Davor warnet nun der Apostel. Dazu in dem folgenden Contexte sonderlich ge- höret der 18. Vers: Lasset euch niemand das Ziel verrücken. Eph. 5, 6. heißt es: Las- set euch niemand verführen mit vergebli- chen Worten. Und Hebr. 13, 9. Lasset euch nicht mit mancherley und fremden Lehren umtreiben. V. 5. Denn ob ich wol nach dem Fleisch nicht Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieser Worte mit den vorhergehenden ist diese: Der Apostel will die Colosser warnen vor der Verführung: und dazu führet er dieses zum Grunde an, daß er er- fahren, wie es innerlich und äusserlich so wohl um sie stehe. Damit er denn so viel sagen will, daß ihn eben dieses angetrieben habe, sie vor Verführung zu warnen, damit sie in dem gu- ten Zustande verharren und noch vielmehr darinn zunehmen möchten. 2. Es ist eine vortrefliche Sache um den Geist, oder um die unsterbliche Seele des Menschen; denn damit kan man sich in einem Au- E e e e e 2
Cap. 2, v. 1-5. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
d. Verborgen werden dieſe Schaͤtze genennet eben deswegen, weil ſie Schaͤtze ſind, als die man zu verbergen pfleget. Und wird mit dieſer Verbergung, was das Geheimniß des Evangelii betrifft, geſehen auf den Unglau- ben der Menſchen, der ſie nicht erkennet, und daher verachtet: ob ſie gleich ſo klar geoffen- baret, daß die neue Oeconomie vor der al- ten daher einen groſſen Vorzug hat. Davon Paulus 2 Cor. 4, 3. 4. ſpricht: Jſt unſer Evangelium verdeckt, ſo iſts in denen, die verlohren werden, verdeckt u. f. Von dieſer verborgenen Weisheit heißt es Matth. 11, 25. Jch preiſe dich, Vater und HErr Himmels und der Erden, daß du ſol- ches den Klugen und Weiſen verborgen haſt, und haſt es den Unmuͤndigen offen- baret. Und Paulus ſpricht 1 Cor. 2, 7. Wir reden von der heimlichen verborgenen Weisheit, welche GOTT verordnet hat vor der Welt zu unſerer Herrlich- keit: welche keiner von den Oberſten dieſer Welt erkannt hat u. f. Und weil auch den ſchon Erleuchteten ſelbſt noch immer vieles in dieſem Geheimniſſe verborgen blei- bet, alſo daß ſie noͤthig haben, darinnen noch immer eine Tiefe nach der andern einzuſchauen, ſo wuͤnſchet der Apoſtel den Coloſſern ein noch reichers Maß zur glaubigen Einſicht in die- ſes Geheimniß, und den ſchon gar helle ſe- henden Epheſiern noch immer mehr erleuch- tete Augen ihres Gemuͤths c. 1, 18. Siehe auch Pſ. 51, 8. da David ſpricht: Siehe, du haſt Luſt zur Weisheit, die im ver- borgen lieget: Du laͤſſeſt mich wiſſen die heimliche Weisheit. V. 4. Jch ſage aber davon (Gr. dieſes aber, Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieſer Worte iſt nicht undeutlich, nemlich der Apoſtel zeiget an, zu welchem Zweck er den Glaͤubigen die wahre Weisheit in dem Geheimniß des Evangelii von CHriſto anpreiſe, nemlich daß ſie ſich nicht ſol- len von der falſchen einnehmen laſſen. Und al- ſo zeiget auch dieſe Connexion an, daß vorher die Rede nicht eigentlich ſey von dem, was Chri- ſtus in ſeiner eignen Perſon fuͤr einen Schatz der Weisheit habe, ſondern was wir an ihm und an dem Evangelio haben. 2. Πιϑανολογία lſt eine ſolche Vorſtellung, die bey einer ungegruͤndeten Sache an ſtatt der Gruͤnde lauter angenommenen Schein und Schmincke in hohen gekuͤnſtelten und verbluͤm- ten Worten zur Uberredung gebrauchet. Pau- lus nennet die πιϑανολογίαν eine χρηστολογίαν und ἐυλογίαν, ſuͤſſe Worte und praͤchtige Reden Rom. 16, 18. und 1 Cor. 2, 1. 4. ὑπερο- χὴν λόγου, hohe Worte, und v. 4. πειϑοὺς [Spaltenumbruch] ἀνϑρωπίνης σοφίας λογοὺς, vernuͤnftige Re- den menſchlicher Weisheit: Und Petrus 1 Ep. 2, 18. ὑπ[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]ρογκα ματ αιότητος, ſtoltze Worte, nemlich nach dem ſtoltzen aufgeblaſe- nen Sinne. Die falſche Beredſamkeit pfleget gemeiniglich ein Werckzeug der falſchen Weis- heit zu ſeyn. Dagegen die wahre Weisheit zur Uberzeugung keiner Rede-Kunſt gebrauchet, ſon- dern nur ihrer Gruͤnde. Was aber von natuͤr- licher Gabe der Wohlredenheit bey einem Men- ſchen vorhanden iſt, das wird denn bey der wah- ren Weisheit, welche nicht ohne die wahre Furcht GOttes iſt, durch dieſe geheiliget, und alſo mit aller Einfalt recht angewendet. 3. Das Betruͤgen, davor der Apoſtel warnet, geſchiehet durch falſche Schluͤſſe; denn das alhier gebrauchte Wort παραλογίζεσϑαι heißt falſche Schluͤſſe und mit denſelben gleich- ſam Luft-Streiche machen. Denn alſo gehet es bey der falſchen Weisheit, welche voller Thor- heit und Eitelkeit iſt. Der davon erfuͤllet iſt, und ſie vortraͤget, will das Anſehen haben, daß er die Wahrheit rede, und ſeinen Vortrag auf gute Gruͤnde baue. Weil es ihm aber an die- ſen fehlet, ſo iſt in ſeiner Lehre nichts, als leeres Blendwerck, darinnen weder ein rechter Grund, noch ein ſolcher Zuſammenhang iſt, wie die Ket- te der himmliſchen Wahrheit hat; ſondern wenn man die Sache beym Lichte beſiehet, deſtruiret ſie ſich ſelbſt. Davor warnet nun der Apoſtel. Dazu in dem folgenden Contexte ſonderlich ge- hoͤret der 18. Vers: Laſſet euch niemand das Ziel verruͤcken. Eph. 5, 6. heißt es: Laſ- ſet euch niemand verfuͤhren mit vergebli- chen Worten. Und Hebr. 13, 9. Laſſet euch nicht mit mancherley und fremden Lehren umtreiben. V. 5. Denn ob ich wol nach dem Fleiſch nicht Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieſer Worte mit den vorhergehenden iſt dieſe: Der Apoſtel will die Coloſſer warnen vor der Verfuͤhrung: und dazu fuͤhret er dieſes zum Grunde an, daß er er- fahren, wie es innerlich und aͤuſſerlich ſo wohl um ſie ſtehe. Damit er denn ſo viel ſagen will, daß ihn eben dieſes angetrieben habe, ſie vor Verfuͤhrung zu warnen, damit ſie in dem gu- ten Zuſtande verharren und noch vielmehr darinn zunehmen moͤchten. 2. Es iſt eine vortrefliche Sache um den Geiſt, oder um die unſterbliche Seele des Menſchen; denn damit kan man ſich in einem Au- E e e e e 2
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Cap. 2, v. 1-5. an die Coloſſer.
d. Verborgen werden dieſe Schaͤtze genennet
eben deswegen, weil ſie Schaͤtze ſind, als
die man zu verbergen pfleget. Und wird mit
dieſer Verbergung, was das Geheimniß des
Evangelii betrifft, geſehen auf den Unglau-
ben der Menſchen, der ſie nicht erkennet, und
daher verachtet: ob ſie gleich ſo klar geoffen-
baret, daß die neue Oeconomie vor der al-
ten daher einen groſſen Vorzug hat. Davon
Paulus 2 Cor. 4, 3. 4. ſpricht: Jſt unſer
Evangelium verdeckt, ſo iſts in denen, die
verlohren werden, verdeckt u. f. Von
dieſer verborgenen Weisheit heißt es Matth.
11, 25. Jch preiſe dich, Vater und HErr
Himmels und der Erden, daß du ſol-
ches den Klugen und Weiſen verborgen
haſt, und haſt es den Unmuͤndigen offen-
baret. Und Paulus ſpricht 1 Cor. 2, 7. Wir
reden von der heimlichen verborgenen
Weisheit, welche GOTT verordnet
hat vor der Welt zu unſerer Herrlich-
keit: welche keiner von den Oberſten
dieſer Welt erkannt hat u. f. Und weil
auch den ſchon Erleuchteten ſelbſt noch immer
vieles in dieſem Geheimniſſe verborgen blei-
bet, alſo daß ſie noͤthig haben, darinnen noch
immer eine Tiefe nach der andern einzuſchauen,
ſo wuͤnſchet der Apoſtel den Coloſſern ein noch
reichers Maß zur glaubigen Einſicht in die-
ſes Geheimniß, und den ſchon gar helle ſe-
henden Epheſiern noch immer mehr erleuch-
tete Augen ihres Gemuͤths c. 1, 18. Siehe
auch Pſ. 51, 8. da David ſpricht: Siehe,
du haſt Luſt zur Weisheit, die im ver-
borgen lieget: Du laͤſſeſt mich wiſſen die
heimliche Weisheit.
V. 4.
Jch ſage aber davon (Gr. dieſes aber,
nemlich was ietzo geſetzet iſt, ſage ich zu dem En-
de,) daß euch niemand betruͤge mit ver-
nuͤnftigen Reden, (welche die menſchliche
Argliſtigkeit zur Verfuͤhrung gebrauchet.
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſer Worte iſt
nicht undeutlich, nemlich der Apoſtel zeiget an,
zu welchem Zweck er den Glaͤubigen die wahre
Weisheit in dem Geheimniß des Evangelii von
CHriſto anpreiſe, nemlich daß ſie ſich nicht ſol-
len von der falſchen einnehmen laſſen. Und al-
ſo zeiget auch dieſe Connexion an, daß vorher
die Rede nicht eigentlich ſey von dem, was Chri-
ſtus in ſeiner eignen Perſon fuͤr einen Schatz der
Weisheit habe, ſondern was wir an ihm und an
dem Evangelio haben.
2. Πιϑανολογία lſt eine ſolche Vorſtellung,
die bey einer ungegruͤndeten Sache an ſtatt der
Gruͤnde lauter angenommenen Schein und
Schmincke in hohen gekuͤnſtelten und verbluͤm-
ten Worten zur Uberredung gebrauchet. Pau-
lus nennet die πιϑανολογίαν eine χρηστολογίαν
und ἐυλογίαν, ſuͤſſe Worte und praͤchtige
Reden Rom. 16, 18. und 1 Cor. 2, 1. 4. ὑπερο-
χὴν λόγου, hohe Worte, und v. 4. πειϑοὺς
ἀνϑρωπίνης σοφίας λογοὺς, vernuͤnftige Re-
den menſchlicher Weisheit: Und Petrus
1 Ep. 2, 18. ὑπ_ ρογκα ματ αιότητος, ſtoltze
Worte, nemlich nach dem ſtoltzen aufgeblaſe-
nen Sinne. Die falſche Beredſamkeit pfleget
gemeiniglich ein Werckzeug der falſchen Weis-
heit zu ſeyn. Dagegen die wahre Weisheit zur
Uberzeugung keiner Rede-Kunſt gebrauchet, ſon-
dern nur ihrer Gruͤnde. Was aber von natuͤr-
licher Gabe der Wohlredenheit bey einem Men-
ſchen vorhanden iſt, das wird denn bey der wah-
ren Weisheit, welche nicht ohne die wahre
Furcht GOttes iſt, durch dieſe geheiliget, und
alſo mit aller Einfalt recht angewendet.
3. Das Betruͤgen, davor der Apoſtel
warnet, geſchiehet durch falſche Schluͤſſe; denn
das alhier gebrauchte Wort παραλογίζεσϑαι
heißt falſche Schluͤſſe und mit denſelben gleich-
ſam Luft-Streiche machen. Denn alſo gehet
es bey der falſchen Weisheit, welche voller Thor-
heit und Eitelkeit iſt. Der davon erfuͤllet iſt,
und ſie vortraͤget, will das Anſehen haben, daß
er die Wahrheit rede, und ſeinen Vortrag auf
gute Gruͤnde baue. Weil es ihm aber an die-
ſen fehlet, ſo iſt in ſeiner Lehre nichts, als leeres
Blendwerck, darinnen weder ein rechter Grund,
noch ein ſolcher Zuſammenhang iſt, wie die Ket-
te der himmliſchen Wahrheit hat; ſondern wenn
man die Sache beym Lichte beſiehet, deſtruiret
ſie ſich ſelbſt. Davor warnet nun der Apoſtel.
Dazu in dem folgenden Contexte ſonderlich ge-
hoͤret der 18. Vers: Laſſet euch niemand
das Ziel verruͤcken. Eph. 5, 6. heißt es: Laſ-
ſet euch niemand verfuͤhren mit vergebli-
chen Worten. Und Hebr. 13, 9. Laſſet euch
nicht mit mancherley und fremden Lehren
umtreiben.
V. 5.
Denn ob ich wol nach dem Fleiſch nicht
da bin, (1 Cor. 5, 3.) ſo bin ich aber im
Geiſt (nach dem Afſect meines Hertzens, mit
vielem Gebete und Wunſche, auch mit vieler
Vorſorge) bey euch, freue mich und ſehe
(im Geiſte mit vergnuͤglicher Betrachtung, aus
dem, was mir Epaphras davon erzehlet hat c.
1, 8.) eure Ordnung (in aͤuſſerlichen guten
Verfaſſungen des Kirchen-Weſens) und (was
euren innerlichen Zuſtand betrifft, (euren ve-
ſten Glanben an CHriſtum.
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſer Worte mit
den vorhergehenden iſt dieſe: Der Apoſtel will
die Coloſſer warnen vor der Verfuͤhrung: und
dazu fuͤhret er dieſes zum Grunde an, daß er er-
fahren, wie es innerlich und aͤuſſerlich ſo wohl
um ſie ſtehe. Damit er denn ſo viel ſagen will,
daß ihn eben dieſes angetrieben habe, ſie vor
Verfuͤhrung zu warnen, damit ſie in dem gu-
ten Zuſtande verharren und noch vielmehr darinn
zunehmen moͤchten.
2. Es iſt eine vortrefliche Sache um den
Geiſt, oder um die unſterbliche Seele des
Menſchen; denn damit kan man ſich in einem
Au-
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