Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, v. 14. 15. an die Calosser. [Spaltenumbruch]
gefallen ruhet, und der daher mit grossemNachdrucke heißt o agapetos, der Gelieb- te Matth. 3, 17. 17, 5. Ephes. 1, 6. sondern durch welchen er uns auch seine grosse Men- schen-Liebe in der größten That und Wohl- that hat zu erkennen gegeben, ja sie uns zu schmecken und zu empfinden giebet Rom. 5, 5. Das Reich des Sohnes GOttes ist nun der Stand der Gnaden und der Herrlichkeit: Zuvorderst der Stand der Gnaden und der seligen Gemeinschaft mit GOTT und in GOTT: das Reich des Lichts, darinnen man des Haupt-Gutes der Gerechtigkeit CHristi und der Vergebung der Sünden mit aller Fülle der übrigen Heils-Güter geniesset, und daher bereits wircklich, ob gleich noch sehr unvollkommen, selig ist. c. Die Art und Weise der Bekehrung wird ausgedrucket mit den beyden Worten: Er hat errettet, er hat versetzet: errettet aus der Gewalt der Finsterniß und des Satans, versetzet in das Reich seines lieben Sohnes. Womit denn angezeiget wird die wirckliche und grosse Veränderung, welche bey der Bekehrung in dem Menschen vorgehet, und daß dieselbe nicht ankomme auf des Menschen eigene Kräfte, noch auf eine blosse svasionem moralem, oder auf eine solche Vorstellung, da man den Menschen durch allerley Bewe- gungs-Gründe zu überzeugen suchet, daß er sich bekehre. Denn ob gleich solche Gründe dem Menschen billig vorgehalten werden, so muß es doch dabey nicht bleiben, als wenn er die Kräfte schon in sich habe, solcher Uber- zeugung von der Nothwendigkeit der Bekeh- rung nachzukommen: sondern es gehören da- zu Gnaden-Kräfte, welche der Mensch durch die Wirckung des Heiligen Geistes aus der Fülle JESU CHristi empfangen muß. Und die empfänget er am Glauben, wenn er sich in der Bekehrung dazu bringen lässet. Denn der Glaube ist in ihm ein geist- liches Leben und ein geistliches Licht, daß er vermöge des Glaubens göttliche Din- ge heilsamlich erkennen kan, und auch Kräf- te hat, das geistliche Leben in einem GOtt gefälligen Wandel nach allen Pflichten zu er- weisen. Es ist demnach die Bekehrung eine solche Versetzung, da man, als ein wilder und unfruchtbarer Baum, aus einem unter lauter Unsegen liegenden Grunde und Boden hinweg genommen, und in ein gesegnetes fruchtbares Land, in CHristum selbst, als in den fruchtbaren Weinstock, und in den guten Oel-Baum, versetzet und eingepfropfet wird Joh. 15, [1] u. f. Rom. 11, 17. 6. Wir finden demnach in diesem Orte die Gnade GOttes in ihren beyden Haupt- Eigenschaften und Wirckungen, nemlich in der medicinali und forensi. Jn der medicinali zur Bekehrung, innerlichen Genesung und See- len Gesundheit: in der forensi zur Erlösung und Vergebung der Sünde. Welche beyde Haupt- Wohlthaten allemal unzertrennlich müssen bey einander seyn. Denn ohne die Erlösung und Rechtfertigung findet kein evangelischer und ver- [Spaltenumbruch] traulicher Wandel statt; und ohne die wahre Bekehrung und Heiligung wird die trostreiche Lehre von der Erlösung und Vergebung der Sünden nur aufs schnödeste gemißbrauchet. Und wie könte auch immermehr eines ohne das an- dere seyn, da die menschliche Natur ein gedop- peltes malum, oder grosses Ubel in und an sich hat, malum culpae, das zur Strafe führende Schuld-Ubel, und malum damni, das Ubel am innern Seelen-Schaden, ja am geistli- chen Tode. Denn gratia medicinalis dem Schuld-Ubel, und medicinalis dem innern See- len-Schaden abhilft. 7. Diese gedoppelte aus der Gnade fliessen- de Haupt-Wohlthat setzet der Apostel alhier al- so zusammen, daß er zu erst der gratiae medici- nalis gedencket: als welche auch in der Zueig- nung des Heils den Anfang machet: denn es kan der Mensch zu der Vergebung der Sünden nicht anders gelangen, als durch den Glauben. Den Glauben aber überkömmt er, als ein geist- liches Leben und Licht, und mit ihm die geist- liche Gesundsheits-Kraft, von der gratia medi- cinali, als welche ihn zur Bekehrung bringet, und in dieser den Glauben anzündet. Jm übri- gen wird der Leser den schönen Parallel-Ort Ap. Ges. 26, 18. nach allen Haupt-Stücken die- ses bisher erläuterten Orts wol von sich selbst conferiren; sich aber auch bey dieser practischen Materie wohl zu prüfen haben, was er davon erfahren habe, oder nicht. V. 15. Welcher ist das Ebenbild des unsicht- Anmerckungen. 1. Das Wort GOTT stehet alhier ei- gentlich von der Person des Vaters, dessen auch mit dem Unterschiede von dem Sohne kurtz vor- her ist gedacht worden. Die Unsichtbarkeit GOttes zeiget an die bloß geistliche Natur Got- tes: bey welcher wir wider die Schwachheit unserer Sinnen, oder unsers sinnlichen Begrifs, zu mercken haben, daß ein Geist eben daher, weil er kein sichtbares und cörperliches Wesen an sich hat, so viel wircklicher und realer ist; da er lau- ter selbstständige Kraft ist: wie wir an dem er- schaffnen Geiste unserer eigenen Sele erkennen. Denn daß dieselbe unsichtbar ist, das ist offen- bar: daß sie doch aber ein selbständiges Kraft- Wesen sey, das voller Wirckung ist, das em- pfinden und erfahren wir in uns, insonderheit dieses, daß sie das gedoppelte Haupt-Vermö- gen des Verstandes und des Willens in sich habe. So ist auch aus solcher ihrer geistlichen Natur offenbar, daß sie mit dem Leibe unmög- lich aufhören kan, sondern im Tode übrig blei- bet: sintemal sie nichts cörperliches, das aus gewissen Theilen bestehet, aus einander gelöset werden kan, und daher zerstörlich und verwes- lich ist, an sich hat, und dannenhero unverwes- lich und ewig ist, und die Kräfte ihres Verstan- des und ihres Willens ausser dem Leibe so wol, als C c c c c 2
Cap. 1, v. 14. 15. an die Caloſſer. [Spaltenumbruch]
gefallen ruhet, und der daher mit groſſemNachdrucke heißt ὁ ἀγαπητὸς, der Gelieb- te Matth. 3, 17. 17, 5. Epheſ. 1, 6. ſondern durch welchen er uns auch ſeine groſſe Men- ſchen-Liebe in der groͤßten That und Wohl- that hat zu erkennen gegeben, ja ſie uns zu ſchmecken und zu empfinden giebet Rom. 5, 5. Das Reich des Sohnes GOttes iſt nun der Stand der Gnaden und der Herrlichkeit: Zuvorderſt der Stand der Gnaden und der ſeligen Gemeinſchaft mit GOTT und in GOTT: das Reich des Lichts, darinnen man des Haupt-Gutes der Gerechtigkeit CHriſti und der Vergebung der Suͤnden mit aller Fuͤlle der uͤbrigen Heils-Guͤter genieſſet, und daher bereits wircklich, ob gleich noch ſehr unvollkommen, ſelig iſt. c. Die Art und Weiſe der Bekehrung wird ausgedrucket mit den beyden Worten: Er hat errettet, er hat verſetzet: errettet aus der Gewalt der Finſterniß und des Satans, verſetzet in das Reich ſeines lieben Sohnes. Womit denn angezeiget wird die wirckliche und groſſe Veraͤnderung, welche bey der Bekehrung in dem Menſchen vorgehet, und daß dieſelbe nicht ankomme auf des Menſchen eigene Kraͤfte, noch auf eine bloſſe ſvaſionem moralem, oder auf eine ſolche Vorſtellung, da man den Menſchen durch allerley Bewe- gungs-Gruͤnde zu uͤberzeugen ſuchet, daß er ſich bekehre. Denn ob gleich ſolche Gruͤnde dem Menſchen billig vorgehalten werden, ſo muß es doch dabey nicht bleiben, als wenn er die Kraͤfte ſchon in ſich habe, ſolcher Uber- zeugung von der Nothwendigkeit der Bekeh- rung nachzukommen: ſondern es gehoͤren da- zu Gnaden-Kraͤfte, welche der Menſch durch die Wirckung des Heiligen Geiſtes aus der Fuͤlle JESU CHriſti empfangen muß. Und die empfaͤnget er am Glauben, wenn er ſich in der Bekehrung dazu bringen laͤſſet. Denn der Glaube iſt in ihm ein geiſt- liches Leben und ein geiſtliches Licht, daß er vermoͤge des Glaubens goͤttliche Din- ge heilſamlich erkennen kan, und auch Kraͤf- te hat, das geiſtliche Leben in einem GOtt gefaͤlligen Wandel nach allen Pflichten zu er- weiſen. Es iſt demnach die Bekehrung eine ſolche Verſetzung, da man, als ein wilder und unfruchtbarer Baum, aus einem unter lauter Unſegen liegenden Grunde und Boden hinweg genommen, und in ein geſegnetes fruchtbares Land, in CHriſtum ſelbſt, als in den fruchtbaren Weinſtock, und in den guten Oel-Baum, verſetzet und eingepfropfet wird Joh. 15, [1] u. f. Rom. 11, 17. 6. Wir finden demnach in dieſem Orte die Gnade GOttes in ihren beyden Haupt- Eigenſchaften und Wirckungen, nemlich in der medicinali und forenſi. Jn der medicinali zur Bekehrung, innerlichen Geneſung und See- len Geſundheit: in der forenſi zur Erloͤſung und Vergebung der Suͤnde. Welche beyde Haupt- Wohlthaten allemal unzertrennlich muͤſſen bey einander ſeyn. Denn ohne die Erloͤſung und Rechtfertigung findet kein evangeliſcher und ver- [Spaltenumbruch] traulicher Wandel ſtatt; und ohne die wahre Bekehrung und Heiligung wird die troſtreiche Lehre von der Erloͤſung und Vergebung der Suͤnden nur aufs ſchnoͤdeſte gemißbrauchet. Und wie koͤnte auch immermehr eines ohne das an- dere ſeyn, da die menſchliche Natur ein gedop- peltes malum, oder groſſes Ubel in und an ſich hat, malum culpæ, das zur Strafe fuͤhrende Schuld-Ubel, und malum damni, das Ubel am innern Seelen-Schaden, ja am geiſtli- chen Tode. Denn gratia medicinalis dem Schuld-Ubel, und medicinalis dem innern See- len-Schaden abhilft. 7. Dieſe gedoppelte aus der Gnade flieſſen- de Haupt-Wohlthat ſetzet der Apoſtel alhier al- ſo zuſammen, daß er zu erſt der gratiæ medici- nalis gedencket: als welche auch in der Zueig- nung des Heils den Anfang machet: denn es kan der Menſch zu der Vergebung der Suͤnden nicht anders gelangen, als durch den Glauben. Den Glauben aber uͤberkoͤmmt er, als ein geiſt- liches Leben und Licht, und mit ihm die geiſt- liche Geſundsheits-Kraft, von der gratia medi- cinali, als welche ihn zur Bekehrung bringet, und in dieſer den Glauben anzuͤndet. Jm uͤbri- gen wird der Leſer den ſchoͤnen Parallel-Ort Ap. Geſ. 26, 18. nach allen Haupt-Stuͤcken die- ſes bisher erlaͤuterten Orts wol von ſich ſelbſt conferiren; ſich aber auch bey dieſer practiſchen Materie wohl zu pruͤfen haben, was er davon erfahren habe, oder nicht. V. 15. Welcher iſt das Ebenbild des unſicht- Anmerckungen. 1. Das Wort GOTT ſtehet alhier ei- gentlich von der Perſon des Vaters, deſſen auch mit dem Unterſchiede von dem Sohne kurtz vor- her iſt gedacht worden. Die Unſichtbarkeit GOttes zeiget an die bloß geiſtliche Natur Got- tes: bey welcher wir wider die Schwachheit unſerer Sinnen, oder unſers ſinnlichen Begrifs, zu mercken haben, daß ein Geiſt eben daher, weil er kein ſichtbares und coͤrperliches Weſen an ſich hat, ſo viel wircklicher und realer iſt; da er lau- ter ſelbſtſtaͤndige Kraft iſt: wie wir an dem er- ſchaffnen Geiſte unſerer eigenen Sele erkennen. Denn daß dieſelbe unſichtbar iſt, das iſt offen- bar: daß ſie doch aber ein ſelbſtaͤndiges Kraft- Weſen ſey, das voller Wirckung iſt, das em- pfinden und erfahren wir in uns, inſonderheit dieſes, daß ſie das gedoppelte Haupt-Vermoͤ- gen des Verſtandes und des Willens in ſich habe. So iſt auch aus ſolcher ihrer geiſtlichen Natur offenbar, daß ſie mit dem Leibe unmoͤg- lich aufhoͤren kan, ſondern im Tode uͤbrig blei- bet: ſintemal ſie nichts coͤrperliches, das aus gewiſſen Theilen beſtehet, aus einander geloͤſet werden kan, und daher zerſtoͤrlich und verwes- lich iſt, an ſich hat, und dannenhero unverwes- lich und ewig iſt, und die Kraͤfte ihres Verſtan- des und ihres Willens auſſer dem Leibe ſo wol, als C c c c c 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item> <list> <item><pb facs="#f0783" n="755"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 1, v. 14. 15. an die Caloſſer.</hi></fw><lb/><cb/> gefallen ruhet, und der daher mit groſſem<lb/> Nachdrucke heißt ὁ ἀγαπητὸς, <hi rendition="#fr">der Gelieb-<lb/> te</hi> Matth. 3, 17. 17, 5. Epheſ. 1, 6. ſondern<lb/> durch welchen er uns auch ſeine groſſe Men-<lb/> ſchen-Liebe in der groͤßten That und Wohl-<lb/> that hat zu erkennen gegeben, ja ſie uns zu<lb/> ſchmecken und zu empfinden giebet Rom. 5, 5.<lb/> Das <hi rendition="#fr">Reich</hi> des Sohnes GOttes iſt nun der<lb/><hi rendition="#fr">Stand der Gnaden</hi> und der <hi rendition="#fr">Herrlichkeit:</hi><lb/> Zuvorderſt der Stand der Gnaden und der<lb/> ſeligen Gemeinſchaft mit GOTT und in<lb/> GOTT: das Reich des Lichts, darinnen<lb/> man des Haupt-Gutes der Gerechtigkeit<lb/> CHriſti und der Vergebung der Suͤnden mit<lb/> aller Fuͤlle der uͤbrigen Heils-Guͤter genieſſet,<lb/> und daher bereits wircklich, ob gleich noch ſehr<lb/> unvollkommen, ſelig iſt.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c.</hi><hi rendition="#fr">Die Art und Weiſe</hi> der Bekehrung wird<lb/> ausgedrucket mit den beyden Worten: <hi rendition="#fr">Er<lb/> hat errettet, er hat verſetzet:</hi> errettet aus<lb/> der Gewalt der Finſterniß und des Satans,<lb/> verſetzet in das Reich ſeines lieben Sohnes.<lb/> Womit denn angezeiget wird die wirckliche<lb/> und groſſe <hi rendition="#fr">Veraͤnderung,</hi> welche bey der<lb/> Bekehrung in dem Menſchen vorgehet, und<lb/> daß dieſelbe nicht ankomme auf des Menſchen<lb/> eigene Kraͤfte, noch auf eine bloſſe <hi rendition="#aq">ſvaſionem<lb/> moralem,</hi> oder auf eine ſolche Vorſtellung,<lb/> da man den Menſchen durch allerley Bewe-<lb/> gungs-Gruͤnde zu uͤberzeugen ſuchet, daß er<lb/> ſich bekehre. Denn ob gleich ſolche Gruͤnde<lb/> dem Menſchen billig vorgehalten werden, ſo<lb/> muß es doch dabey nicht bleiben, als wenn<lb/> er die Kraͤfte ſchon in ſich habe, ſolcher Uber-<lb/> zeugung von der Nothwendigkeit der Bekeh-<lb/> rung nachzukommen: ſondern es gehoͤren da-<lb/> zu <hi rendition="#fr">Gnaden-Kraͤfte,</hi> welche der Menſch<lb/> durch die Wirckung des Heiligen Geiſtes aus<lb/> der Fuͤlle JESU CHriſti empfangen muß.<lb/> Und die empfaͤnget er am <hi rendition="#fr">Glauben,</hi> wenn<lb/> er ſich in der Bekehrung dazu bringen<lb/> laͤſſet. Denn der <hi rendition="#fr">Glaube</hi> iſt in ihm ein <hi rendition="#fr">geiſt-<lb/> liches Leben</hi> und ein <hi rendition="#fr">geiſtliches Licht,</hi><lb/> daß er vermoͤge des Glaubens goͤttliche Din-<lb/> ge heilſamlich <hi rendition="#fr">erkennen</hi> kan, und auch <hi rendition="#fr">Kraͤf-<lb/> te</hi> hat, das geiſtliche Leben in einem GOtt<lb/> gefaͤlligen Wandel nach allen Pflichten zu er-<lb/> weiſen. Es iſt demnach die Bekehrung eine<lb/> ſolche <hi rendition="#fr">Verſetzung,</hi> da man, als ein wilder<lb/> und unfruchtbarer Baum, aus einem unter<lb/> lauter Unſegen liegenden Grunde und Boden<lb/> hinweg genommen, und in ein geſegnetes<lb/> fruchtbares Land, in CHriſtum ſelbſt, als in<lb/> den fruchtbaren Weinſtock, und in den guten<lb/> Oel-Baum, verſetzet und eingepfropfet wird<lb/> Joh. 15, <supplied>1</supplied> u. f. Rom. 11, 17.</item> </list> </item><lb/> <item>6. Wir finden demnach in dieſem Orte<lb/> die <hi rendition="#fr">Gnade GOttes</hi> in ihren <hi rendition="#fr">beyden Haupt-<lb/> Eigenſchaften</hi> und <hi rendition="#fr">Wirckungen,</hi> nemlich in<lb/> der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">medicinali</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">forenſi.</hi></hi> Jn der <hi rendition="#aq">medicinali</hi><lb/> zur Bekehrung, innerlichen Geneſung und See-<lb/> len Geſundheit: in der <hi rendition="#aq">forenſi</hi> zur Erloͤſung und<lb/> Vergebung der Suͤnde. Welche beyde Haupt-<lb/> Wohlthaten allemal unzertrennlich muͤſſen bey<lb/> einander ſeyn. Denn ohne die Erloͤſung und<lb/> Rechtfertigung findet kein evangeliſcher und ver-<lb/><cb/> traulicher Wandel ſtatt; und ohne die wahre<lb/> Bekehrung und Heiligung wird die troſtreiche<lb/> Lehre von der Erloͤſung und Vergebung der<lb/> Suͤnden nur aufs ſchnoͤdeſte gemißbrauchet. Und<lb/> wie koͤnte auch immermehr eines ohne das an-<lb/> dere ſeyn, da die menſchliche Natur ein gedop-<lb/> peltes <hi rendition="#aq">malum,</hi> oder groſſes Ubel in und an ſich<lb/> hat, <hi rendition="#aq">malum culpæ,</hi> das zur <hi rendition="#fr">Strafe fuͤhrende<lb/> Schuld-Ubel,</hi> und <hi rendition="#aq">malum damni,</hi> das Ubel<lb/> am <hi rendition="#fr">innern Seelen-Schaden,</hi> ja am geiſtli-<lb/> chen Tode. Denn <hi rendition="#aq">gratia medicinalis</hi> dem<lb/> Schuld-Ubel, und <hi rendition="#aq">medicinalis</hi> dem innern See-<lb/> len-Schaden abhilft.</item><lb/> <item>7. Dieſe gedoppelte aus der Gnade flieſſen-<lb/> de Haupt-Wohlthat ſetzet der Apoſtel alhier al-<lb/> ſo <hi rendition="#fr">zuſammen,</hi> daß er zu erſt der <hi rendition="#aq">gratiæ medici-<lb/> nalis</hi> gedencket: als welche auch in der Zueig-<lb/> nung des Heils den Anfang machet: denn es<lb/> kan der Menſch zu der Vergebung der Suͤnden<lb/> nicht anders gelangen, als durch den Glauben.<lb/> Den <hi rendition="#fr">Glauben</hi> aber uͤberkoͤmmt er, als ein geiſt-<lb/> liches <hi rendition="#fr">Leben</hi> und <hi rendition="#fr">Licht,</hi> und mit ihm die geiſt-<lb/> liche Geſundsheits-Kraft, von der <hi rendition="#aq">gratia medi-<lb/> cinali,</hi> als welche ihn zur Bekehrung bringet,<lb/> und in dieſer den Glauben anzuͤndet. Jm uͤbri-<lb/> gen wird der Leſer den ſchoͤnen Parallel-Ort<lb/> Ap. Geſ. 26, 18. nach allen Haupt-Stuͤcken die-<lb/> ſes bisher erlaͤuterten Orts wol von ſich ſelbſt<lb/><hi rendition="#aq">conferir</hi>en; ſich aber auch bey dieſer <hi rendition="#aq">practi</hi>ſchen<lb/> Materie wohl zu pruͤfen haben, was er davon<lb/> erfahren habe, oder nicht.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 15.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Welcher iſt das Ebenbild des unſicht-<lb/> baren GOttes, der Erſtgebohrne vor al-<lb/> len Creaturen.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Das Wort <hi rendition="#fr">GOTT</hi> ſtehet alhier ei-<lb/> gentlich von der Perſon des Vaters, deſſen auch<lb/> mit dem Unterſchiede von dem Sohne kurtz vor-<lb/> her iſt gedacht worden. Die <hi rendition="#fr">Unſichtbarkeit</hi><lb/> GOttes zeiget an die bloß geiſtliche Natur Got-<lb/> tes: bey welcher wir wider die Schwachheit<lb/> unſerer Sinnen, oder unſers ſinnlichen Begrifs,<lb/> zu mercken haben, daß ein Geiſt eben daher, weil<lb/> er kein ſichtbares und coͤrperliches Weſen an ſich<lb/> hat, ſo viel wircklicher und <hi rendition="#aq">real</hi>er iſt; da er lau-<lb/> ter ſelbſtſtaͤndige Kraft iſt: wie wir an dem er-<lb/> ſchaffnen Geiſte unſerer eigenen Sele erkennen.<lb/> Denn daß dieſelbe unſichtbar iſt, das iſt offen-<lb/> bar: daß ſie doch aber ein <hi rendition="#fr">ſelbſtaͤndiges Kraft-<lb/> Weſen</hi> ſey, das voller Wirckung iſt, das em-<lb/> pfinden und erfahren wir in uns, inſonderheit<lb/> dieſes, daß ſie das gedoppelte Haupt-Vermoͤ-<lb/> gen des <hi rendition="#fr">Verſtandes</hi> und des <hi rendition="#fr">Willens</hi> in ſich<lb/> habe. So iſt auch aus ſolcher ihrer geiſtlichen<lb/> Natur offenbar, daß ſie mit dem Leibe unmoͤg-<lb/> lich aufhoͤren kan, ſondern im Tode uͤbrig blei-<lb/> bet: ſintemal ſie nichts coͤrperliches, das aus<lb/> gewiſſen Theilen beſtehet, aus einander geloͤſet<lb/> werden kan, und daher zerſtoͤrlich und verwes-<lb/> lich iſt, an ſich hat, und dannenhero unverwes-<lb/> lich und ewig iſt, und die Kraͤfte ihres Verſtan-<lb/> des und ihres Willens auſſer dem Leibe ſo wol,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C c c c c 2</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [755/0783]
Cap. 1, v. 14. 15. an die Caloſſer.
gefallen ruhet, und der daher mit groſſem
Nachdrucke heißt ὁ ἀγαπητὸς, der Gelieb-
te Matth. 3, 17. 17, 5. Epheſ. 1, 6. ſondern
durch welchen er uns auch ſeine groſſe Men-
ſchen-Liebe in der groͤßten That und Wohl-
that hat zu erkennen gegeben, ja ſie uns zu
ſchmecken und zu empfinden giebet Rom. 5, 5.
Das Reich des Sohnes GOttes iſt nun der
Stand der Gnaden und der Herrlichkeit:
Zuvorderſt der Stand der Gnaden und der
ſeligen Gemeinſchaft mit GOTT und in
GOTT: das Reich des Lichts, darinnen
man des Haupt-Gutes der Gerechtigkeit
CHriſti und der Vergebung der Suͤnden mit
aller Fuͤlle der uͤbrigen Heils-Guͤter genieſſet,
und daher bereits wircklich, ob gleich noch ſehr
unvollkommen, ſelig iſt.
c. Die Art und Weiſe der Bekehrung wird
ausgedrucket mit den beyden Worten: Er
hat errettet, er hat verſetzet: errettet aus
der Gewalt der Finſterniß und des Satans,
verſetzet in das Reich ſeines lieben Sohnes.
Womit denn angezeiget wird die wirckliche
und groſſe Veraͤnderung, welche bey der
Bekehrung in dem Menſchen vorgehet, und
daß dieſelbe nicht ankomme auf des Menſchen
eigene Kraͤfte, noch auf eine bloſſe ſvaſionem
moralem, oder auf eine ſolche Vorſtellung,
da man den Menſchen durch allerley Bewe-
gungs-Gruͤnde zu uͤberzeugen ſuchet, daß er
ſich bekehre. Denn ob gleich ſolche Gruͤnde
dem Menſchen billig vorgehalten werden, ſo
muß es doch dabey nicht bleiben, als wenn
er die Kraͤfte ſchon in ſich habe, ſolcher Uber-
zeugung von der Nothwendigkeit der Bekeh-
rung nachzukommen: ſondern es gehoͤren da-
zu Gnaden-Kraͤfte, welche der Menſch
durch die Wirckung des Heiligen Geiſtes aus
der Fuͤlle JESU CHriſti empfangen muß.
Und die empfaͤnget er am Glauben, wenn
er ſich in der Bekehrung dazu bringen
laͤſſet. Denn der Glaube iſt in ihm ein geiſt-
liches Leben und ein geiſtliches Licht,
daß er vermoͤge des Glaubens goͤttliche Din-
ge heilſamlich erkennen kan, und auch Kraͤf-
te hat, das geiſtliche Leben in einem GOtt
gefaͤlligen Wandel nach allen Pflichten zu er-
weiſen. Es iſt demnach die Bekehrung eine
ſolche Verſetzung, da man, als ein wilder
und unfruchtbarer Baum, aus einem unter
lauter Unſegen liegenden Grunde und Boden
hinweg genommen, und in ein geſegnetes
fruchtbares Land, in CHriſtum ſelbſt, als in
den fruchtbaren Weinſtock, und in den guten
Oel-Baum, verſetzet und eingepfropfet wird
Joh. 15, 1 u. f. Rom. 11, 17.
6. Wir finden demnach in dieſem Orte
die Gnade GOttes in ihren beyden Haupt-
Eigenſchaften und Wirckungen, nemlich in
der medicinali und forenſi. Jn der medicinali
zur Bekehrung, innerlichen Geneſung und See-
len Geſundheit: in der forenſi zur Erloͤſung und
Vergebung der Suͤnde. Welche beyde Haupt-
Wohlthaten allemal unzertrennlich muͤſſen bey
einander ſeyn. Denn ohne die Erloͤſung und
Rechtfertigung findet kein evangeliſcher und ver-
traulicher Wandel ſtatt; und ohne die wahre
Bekehrung und Heiligung wird die troſtreiche
Lehre von der Erloͤſung und Vergebung der
Suͤnden nur aufs ſchnoͤdeſte gemißbrauchet. Und
wie koͤnte auch immermehr eines ohne das an-
dere ſeyn, da die menſchliche Natur ein gedop-
peltes malum, oder groſſes Ubel in und an ſich
hat, malum culpæ, das zur Strafe fuͤhrende
Schuld-Ubel, und malum damni, das Ubel
am innern Seelen-Schaden, ja am geiſtli-
chen Tode. Denn gratia medicinalis dem
Schuld-Ubel, und medicinalis dem innern See-
len-Schaden abhilft.
7. Dieſe gedoppelte aus der Gnade flieſſen-
de Haupt-Wohlthat ſetzet der Apoſtel alhier al-
ſo zuſammen, daß er zu erſt der gratiæ medici-
nalis gedencket: als welche auch in der Zueig-
nung des Heils den Anfang machet: denn es
kan der Menſch zu der Vergebung der Suͤnden
nicht anders gelangen, als durch den Glauben.
Den Glauben aber uͤberkoͤmmt er, als ein geiſt-
liches Leben und Licht, und mit ihm die geiſt-
liche Geſundsheits-Kraft, von der gratia medi-
cinali, als welche ihn zur Bekehrung bringet,
und in dieſer den Glauben anzuͤndet. Jm uͤbri-
gen wird der Leſer den ſchoͤnen Parallel-Ort
Ap. Geſ. 26, 18. nach allen Haupt-Stuͤcken die-
ſes bisher erlaͤuterten Orts wol von ſich ſelbſt
conferiren; ſich aber auch bey dieſer practiſchen
Materie wohl zu pruͤfen haben, was er davon
erfahren habe, oder nicht.
V. 15.
Welcher iſt das Ebenbild des unſicht-
baren GOttes, der Erſtgebohrne vor al-
len Creaturen.
Anmerckungen.
1. Das Wort GOTT ſtehet alhier ei-
gentlich von der Perſon des Vaters, deſſen auch
mit dem Unterſchiede von dem Sohne kurtz vor-
her iſt gedacht worden. Die Unſichtbarkeit
GOttes zeiget an die bloß geiſtliche Natur Got-
tes: bey welcher wir wider die Schwachheit
unſerer Sinnen, oder unſers ſinnlichen Begrifs,
zu mercken haben, daß ein Geiſt eben daher, weil
er kein ſichtbares und coͤrperliches Weſen an ſich
hat, ſo viel wircklicher und realer iſt; da er lau-
ter ſelbſtſtaͤndige Kraft iſt: wie wir an dem er-
ſchaffnen Geiſte unſerer eigenen Sele erkennen.
Denn daß dieſelbe unſichtbar iſt, das iſt offen-
bar: daß ſie doch aber ein ſelbſtaͤndiges Kraft-
Weſen ſey, das voller Wirckung iſt, das em-
pfinden und erfahren wir in uns, inſonderheit
dieſes, daß ſie das gedoppelte Haupt-Vermoͤ-
gen des Verſtandes und des Willens in ſich
habe. So iſt auch aus ſolcher ihrer geiſtlichen
Natur offenbar, daß ſie mit dem Leibe unmoͤg-
lich aufhoͤren kan, ſondern im Tode uͤbrig blei-
bet: ſintemal ſie nichts coͤrperliches, das aus
gewiſſen Theilen beſtehet, aus einander geloͤſet
werden kan, und daher zerſtoͤrlich und verwes-
lich iſt, an ſich hat, und dannenhero unverwes-
lich und ewig iſt, und die Kraͤfte ihres Verſtan-
des und ihres Willens auſſer dem Leibe ſo wol,
als
C c c c c 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |