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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, 12-14.
[Spaltenumbruch] es eigentlich von Paulo und Timotheo verstehet,
nemlich also, daß, nach dem er einen Wunsch für
den Wachsthum der Colosser, bezeuget hat, er,
mit Einschliessung derselben, nun kömmt auf die
ihnen zusammen in Christo erzeigete Gnade, und
also damit die Haupt-Materie des Briefes, nem-
lich die Lehre von Christo, anhebet.
2. Die Tüchtigmachung bestehet darin-
nen, theils, daß uns GOtt seiner Gnade und
Gemeinschaft würdiget, theils, daß er uns, um
zu dieser zu gelangen, durch die Gnade recht
geistlich geschickt machet. Denn was Paulus
von seinem Apostel-Amte saget, das gilt auch
insgemein vom Christenthum, nemlich: Nicht
daß wir tüchtig sind von uns selber etwas
zu dencken, als von uns selber, sondern daß
wir tüchtig sind, das ist von GOtt.
2 Cor.
3, 5. Und eben dieses bezeuget der Apostel da-
mit, wenn er Hebr. 12, 2. Christum nennet den
Anfänger und Vollender des Glaubens:
Und wenn er Phil. 1, 13. spricht: GOtt ist es,
der in euch wircket, beyde das Wollen und
das Thun, nach seinem Wohlgefallen.

Welches er c. 1, 6. so ausgedrucket hat: Jch
bin desselben in guter Zuversicht, daß der
in euch angefangen hat das gute Werck,
der wirds auch vollführen bis auf den Tag
JEsu Christi.
3. Mit dem Worte Erbtheil siehet der
Apostel zurück auf das Vorbild im Alten Testa-
mente, da GOtt dem jüdischen Volcke das Land
Canaan zum Eigenthum gab, und unter die
Stände und Familien durchs Loos vertheilen
ließ. Da nun dieses ein Vorbild war von dem
himmlischen Eigenthum und Vaterlande, so
sind daher, wie auch aus dem Grunde der
Kindschaft bey GOtt, so viele Redens-Arten
von dem Erbe und von der Erbschaft im
neuen Testamente genommen. Es hebet sich
aber die Erbschaft schon an in dem Reiche der
Gnaden, da die Glaubigen schon dem Vor-
schmacke nach zum Besitze aller geistlichen Heils-
Güter gelangen.
4. Was mit dem Beysatze des Worts
der Heiligen, Erbtheil der Heiligen gesaget
seyn soll, erläutert uns Petrus Ep. 1. c. 2, 9. Da
er im Gegenbilde auf den Ort 2 B. Mos. 19, 6.
(ihr sollt mir ein priesterliches Königreich
und ein heiliges Volck seyn)
von dem geistli-
chen Jsrael spricht: Jhr seyd das auserwehl-
te Geschlecht, das königliche Priester-
thum, das heilige Volck, das Volck des
Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die
Tugenden des, der euch berufen hat von der
Finsterniß zu seinem wunderbaren Lichte.

So hat auch der Apostel der Heiligen, welchen
dieses Erbtheil zukömmt, schon zweymal gedacht,
nemlich v. 3 und 4.
5. Es mache sich demnach niemand die
Rechnung auf das künftige Erbe des ewigen Le-
bens, wo er sich nicht durch die Gnade GOttes
wircklich heiligen läßt. Jn dieser Welt kom-
men gemeiniglich die Unwürdige mit den Wür-
digen zum Erbe: aber da zum ewigen Erbe die
Ordnung der Kindschaft aus GOtt und bey
GOtt erfodert wird, GOttes Kinder aber aus
[Spaltenumbruch] GOtt gebohren seyn müssen, so findet sich bey der
Regel kein eintziges Exempel, das sich davon
ausnehmen liesse: wie denn bekannt ist, daß der
mit Christo gecreutzigte eine Ubelthäter erst noch
zuletzt am Creutze ein Heiliger werden muste, ehe
er mit Christo konte ins Paradis gehen. Wie
gefährlich es aber sey, die Bekehrung bis auf die
letzte Stunde aufzuschieben, ist leichtlich zu er-
achten.
6. Fället iemanden eine Erbschaft von
zeitlichen Gütern zu; so hat er sich zu prüfen,
worauf er mehr Hoffnung gesetzet habe, und wor-
über er sich mehr Freude mache, über das zeitli-
che, oder über das ewige. Wiederfähret einem
dergleichen nicht, so bleibet man so vielmehr oh-
ne Versuchung. Denn manchem muß sein zeit-
liches Erbtheil zu einem Verlust des ewigen ge-
reichen.
7. Das Wort Licht setzet zwar die Er-
leuchtung
bey den Erben GOttes und Mit-
Erben Christi Rom. 8, 17. zum Grunde: aber es
wird damit doch eigentlich auf das ewige Leben
gesehen, welches alhier von demjenigen Theile
der Herrlichkeit, welches im Lichte und im An-
schauen GOttes bestehen wird, seine Benen-
nung hat.
8. Es ist aber wohl zu mercken, wie genau
alhier die Erleuchtung mit der Heiligung
verbunden werde, da es heist: die Heiligen im
Lichte.
Denn keine andere kommen zum wah-
ren Lichte, oder zur wahren Erkäntniß GOttes,
als welche sich in der Heils-Ordnung heiligen
lassen. Es wäre demnach ein grosser Jrrthum,
wenn man den unbekehrten ihrer bloß buch[st]ab-
lichen Wissenschaft wegen eine wahre Erleuch-
tung zuschreiben wolte. Denn da würde es ja
heissen: die Unheiligen im Lichte! Gewiß,
so wenig, als sie zum vollen Glantze des Lichts
kommen, eben so wenig kommen sie auch zu des-
sen wahren Anfange, ohne die Heiligung.
9. Jm übrigen ist alhier der Parallel-Ort
aus Ap. Gesch. 26, 18. wohl zu mercken, darin-
nen das ietzige und künftige Erbe mit der Heili-
gung,
und diese mit der Erleuchtung aufs ge-
naueste verknüpfet wird, wenn es heißt: - auf-
zuthun ihre Augen, daß sie sich bekehren
von der Finsterniß zum Lichte, und von der
Gewalt des Satans zu GOtt, zu empfa-
hen Vergebung der Sünde, und das Er-
be samt denen, die geheiliget werden durch
den Glauben an mich.
V. 13. 14.

Welcher uns errettet hat von der
Obrigkeit
(von der Gewalt) der (uns gefan-
gen haltenden) Finsterniß (und des Satans)
und hat uns versetzet in das Reich seines
lieben Sohnes: an welchem wir haben die
Erlösung durch sein Blut, nemlich die
Vergebung der Sünden.

Anmerckungen.
1. Es fasset der Apostel in diesen Worten
die Haupt-Lehre des Evangelii von dem Mitt-
ler-Amte Christi
mit gar nachdrücklichen
Wor-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, 12-14.
[Spaltenumbruch] es eigentlich von Paulo und Timotheo verſtehet,
nemlich alſo, daß, nach dem er einen Wunſch fuͤr
den Wachsthum der Coloſſer, bezeuget hat, er,
mit Einſchlieſſung derſelben, nun koͤmmt auf die
ihnen zuſammen in Chriſto erzeigete Gnade, und
alſo damit die Haupt-Materie des Briefes, nem-
lich die Lehre von Chriſto, anhebet.
2. Die Tuͤchtigmachung beſtehet darin-
nen, theils, daß uns GOtt ſeiner Gnade und
Gemeinſchaft wuͤrdiget, theils, daß er uns, um
zu dieſer zu gelangen, durch die Gnade recht
geiſtlich geſchickt machet. Denn was Paulus
von ſeinem Apoſtel-Amte ſaget, das gilt auch
insgemein vom Chriſtenthum, nemlich: Nicht
daß wir tuͤchtig ſind von uns ſelber etwas
zu dencken, als von uns ſelber, ſondern daß
wir tuͤchtig ſind, das iſt von GOtt.
2 Cor.
3, 5. Und eben dieſes bezeuget der Apoſtel da-
mit, wenn er Hebr. 12, 2. Chriſtum nennet den
Anfaͤnger und Vollender des Glaubens:
Und wenn er Phil. 1, 13. ſpricht: GOtt iſt es,
der in euch wircket, beyde das Wollen und
das Thun, nach ſeinem Wohlgefallen.

Welches er c. 1, 6. ſo ausgedrucket hat: Jch
bin deſſelben in guter Zuverſicht, daß der
in euch angefangen hat das gute Werck,
der wirds auch vollfuͤhren bis auf den Tag
JEſu Chriſti.
3. Mit dem Worte Erbtheil ſiehet der
Apoſtel zuruͤck auf das Vorbild im Alten Teſta-
mente, da GOtt dem juͤdiſchen Volcke das Land
Canaan zum Eigenthum gab, und unter die
Staͤnde und Familien durchs Loos vertheilen
ließ. Da nun dieſes ein Vorbild war von dem
himmliſchen Eigenthum und Vaterlande, ſo
ſind daher, wie auch aus dem Grunde der
Kindſchaft bey GOtt, ſo viele Redens-Arten
von dem Erbe und von der Erbſchaft im
neuen Teſtamente genommen. Es hebet ſich
aber die Erbſchaft ſchon an in dem Reiche der
Gnaden, da die Glaubigen ſchon dem Vor-
ſchmacke nach zum Beſitze aller geiſtlichen Heils-
Guͤter gelangen.
4. Was mit dem Beyſatze des Worts
der Heiligen, Erbtheil der Heiligen geſaget
ſeyn ſoll, erlaͤutert uns Petrus Ep. 1. c. 2, 9. Da
er im Gegenbilde auf den Ort 2 B. Moſ. 19, 6.
(ihr ſollt mir ein prieſterliches Koͤnigreich
und ein heiliges Volck ſeyn)
von dem geiſtli-
chen Jſrael ſpricht: Jhr ſeyd das auserwehl-
te Geſchlecht, das koͤnigliche Prieſter-
thum, das heilige Volck, das Volck des
Eigenthums, daß ihr verkuͤndigen ſollt die
Tugenden des, der euch berufen hat von der
Finſterniß zu ſeinem wunderbaren Lichte.

So hat auch der Apoſtel der Heiligen, welchen
dieſes Erbtheil zukoͤmmt, ſchon zweymal gedacht,
nemlich v. 3 und 4.
5. Es mache ſich demnach niemand die
Rechnung auf das kuͤnftige Erbe des ewigen Le-
bens, wo er ſich nicht durch die Gnade GOttes
wircklich heiligen laͤßt. Jn dieſer Welt kom-
men gemeiniglich die Unwuͤrdige mit den Wuͤr-
digen zum Erbe: aber da zum ewigen Erbe die
Ordnung der Kindſchaft aus GOtt und bey
GOtt erfodert wird, GOttes Kinder aber aus
[Spaltenumbruch] GOtt gebohren ſeyn muͤſſen, ſo findet ſich bey der
Regel kein eintziges Exempel, das ſich davon
ausnehmen lieſſe: wie denn bekannt iſt, daß der
mit Chriſto gecreutzigte eine Ubelthaͤter erſt noch
zuletzt am Creutze ein Heiliger werden muſte, ehe
er mit Chriſto konte ins Paradis gehen. Wie
gefaͤhrlich es aber ſey, die Bekehrung bis auf die
letzte Stunde aufzuſchieben, iſt leichtlich zu er-
achten.
6. Faͤllet iemanden eine Erbſchaft von
zeitlichen Guͤtern zu; ſo hat er ſich zu pruͤfen,
worauf er mehr Hoffnung geſetzet habe, und wor-
uͤber er ſich mehr Freude mache, uͤber das zeitli-
che, oder uͤber das ewige. Wiederfaͤhret einem
dergleichen nicht, ſo bleibet man ſo vielmehr oh-
ne Verſuchung. Denn manchem muß ſein zeit-
liches Erbtheil zu einem Verluſt des ewigen ge-
reichen.
7. Das Wort Licht ſetzet zwar die Er-
leuchtung
bey den Erben GOttes und Mit-
Erben Chriſti Rom. 8, 17. zum Grunde: aber es
wird damit doch eigentlich auf das ewige Leben
geſehen, welches alhier von demjenigen Theile
der Herrlichkeit, welches im Lichte und im An-
ſchauen GOttes beſtehen wird, ſeine Benen-
nung hat.
8. Es iſt aber wohl zu mercken, wie genau
alhier die Erleuchtung mit der Heiligung
verbunden werde, da es heiſt: die Heiligen im
Lichte.
Denn keine andere kommen zum wah-
ren Lichte, oder zur wahren Erkaͤntniß GOttes,
als welche ſich in der Heils-Ordnung heiligen
laſſen. Es waͤre demnach ein groſſer Jrrthum,
wenn man den unbekehrten ihrer bloß buch[ſt]ab-
lichen Wiſſenſchaft wegen eine wahre Erleuch-
tung zuſchreiben wolte. Denn da wuͤrde es ja
heiſſen: die Unheiligen im Lichte! Gewiß,
ſo wenig, als ſie zum vollen Glantze des Lichts
kommen, eben ſo wenig kommen ſie auch zu deſ-
ſen wahren Anfange, ohne die Heiligung.
9. Jm uͤbrigen iſt alhier der Parallel-Ort
aus Ap. Geſch. 26, 18. wohl zu mercken, darin-
nen das ietzige und kuͤnftige Erbe mit der Heili-
gung,
und dieſe mit der Erleuchtung aufs ge-
naueſte verknuͤpfet wird, wenn es heißt: - auf-
zuthun ihre Augen, daß ſie ſich bekehren
von der Finſterniß zum Lichte, und von der
Gewalt des Satans zu GOtt, zu empfa-
hen Vergebung der Suͤnde, und das Er-
be ſamt denen, die geheiliget werden durch
den Glauben an mich.
V. 13. 14.

Welcher uns errettet hat von der
Obrigkeit
(von der Gewalt) der (uns gefan-
gen haltenden) Finſterniß (und des Satans)
und hat uns verſetzet in das Reich ſeines
lieben Sohnes: an welchem wir haben die
Erloͤſung durch ſein Blut, nemlich die
Vergebung der Suͤnden.

Anmerckungen.
1. Es faſſet der Apoſtel in dieſen Worten
die Haupt-Lehre des Evangelii von dem Mitt-
ler-Amte Chriſti
mit gar nachdruͤcklichen
Wor-
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[752/0780] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, 12-14. es eigentlich von Paulo und Timotheo verſtehet, nemlich alſo, daß, nach dem er einen Wunſch fuͤr den Wachsthum der Coloſſer, bezeuget hat, er, mit Einſchlieſſung derſelben, nun koͤmmt auf die ihnen zuſammen in Chriſto erzeigete Gnade, und alſo damit die Haupt-Materie des Briefes, nem- lich die Lehre von Chriſto, anhebet. 2. Die Tuͤchtigmachung beſtehet darin- nen, theils, daß uns GOtt ſeiner Gnade und Gemeinſchaft wuͤrdiget, theils, daß er uns, um zu dieſer zu gelangen, durch die Gnade recht geiſtlich geſchickt machet. Denn was Paulus von ſeinem Apoſtel-Amte ſaget, das gilt auch insgemein vom Chriſtenthum, nemlich: Nicht daß wir tuͤchtig ſind von uns ſelber etwas zu dencken, als von uns ſelber, ſondern daß wir tuͤchtig ſind, das iſt von GOtt. 2 Cor. 3, 5. Und eben dieſes bezeuget der Apoſtel da- mit, wenn er Hebr. 12, 2. Chriſtum nennet den Anfaͤnger und Vollender des Glaubens: Und wenn er Phil. 1, 13. ſpricht: GOtt iſt es, der in euch wircket, beyde das Wollen und das Thun, nach ſeinem Wohlgefallen. Welches er c. 1, 6. ſo ausgedrucket hat: Jch bin deſſelben in guter Zuverſicht, daß der in euch angefangen hat das gute Werck, der wirds auch vollfuͤhren bis auf den Tag JEſu Chriſti. 3. Mit dem Worte Erbtheil ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf das Vorbild im Alten Teſta- mente, da GOtt dem juͤdiſchen Volcke das Land Canaan zum Eigenthum gab, und unter die Staͤnde und Familien durchs Loos vertheilen ließ. Da nun dieſes ein Vorbild war von dem himmliſchen Eigenthum und Vaterlande, ſo ſind daher, wie auch aus dem Grunde der Kindſchaft bey GOtt, ſo viele Redens-Arten von dem Erbe und von der Erbſchaft im neuen Teſtamente genommen. Es hebet ſich aber die Erbſchaft ſchon an in dem Reiche der Gnaden, da die Glaubigen ſchon dem Vor- ſchmacke nach zum Beſitze aller geiſtlichen Heils- Guͤter gelangen. 4. Was mit dem Beyſatze des Worts der Heiligen, Erbtheil der Heiligen geſaget ſeyn ſoll, erlaͤutert uns Petrus Ep. 1. c. 2, 9. Da er im Gegenbilde auf den Ort 2 B. Moſ. 19, 6. (ihr ſollt mir ein prieſterliches Koͤnigreich und ein heiliges Volck ſeyn) von dem geiſtli- chen Jſrael ſpricht: Jhr ſeyd das auserwehl- te Geſchlecht, das koͤnigliche Prieſter- thum, das heilige Volck, das Volck des Eigenthums, daß ihr verkuͤndigen ſollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finſterniß zu ſeinem wunderbaren Lichte. So hat auch der Apoſtel der Heiligen, welchen dieſes Erbtheil zukoͤmmt, ſchon zweymal gedacht, nemlich v. 3 und 4. 5. Es mache ſich demnach niemand die Rechnung auf das kuͤnftige Erbe des ewigen Le- bens, wo er ſich nicht durch die Gnade GOttes wircklich heiligen laͤßt. Jn dieſer Welt kom- men gemeiniglich die Unwuͤrdige mit den Wuͤr- digen zum Erbe: aber da zum ewigen Erbe die Ordnung der Kindſchaft aus GOtt und bey GOtt erfodert wird, GOttes Kinder aber aus GOtt gebohren ſeyn muͤſſen, ſo findet ſich bey der Regel kein eintziges Exempel, das ſich davon ausnehmen lieſſe: wie denn bekannt iſt, daß der mit Chriſto gecreutzigte eine Ubelthaͤter erſt noch zuletzt am Creutze ein Heiliger werden muſte, ehe er mit Chriſto konte ins Paradis gehen. Wie gefaͤhrlich es aber ſey, die Bekehrung bis auf die letzte Stunde aufzuſchieben, iſt leichtlich zu er- achten. 6. Faͤllet iemanden eine Erbſchaft von zeitlichen Guͤtern zu; ſo hat er ſich zu pruͤfen, worauf er mehr Hoffnung geſetzet habe, und wor- uͤber er ſich mehr Freude mache, uͤber das zeitli- che, oder uͤber das ewige. Wiederfaͤhret einem dergleichen nicht, ſo bleibet man ſo vielmehr oh- ne Verſuchung. Denn manchem muß ſein zeit- liches Erbtheil zu einem Verluſt des ewigen ge- reichen. 7. Das Wort Licht ſetzet zwar die Er- leuchtung bey den Erben GOttes und Mit- Erben Chriſti Rom. 8, 17. zum Grunde: aber es wird damit doch eigentlich auf das ewige Leben geſehen, welches alhier von demjenigen Theile der Herrlichkeit, welches im Lichte und im An- ſchauen GOttes beſtehen wird, ſeine Benen- nung hat. 8. Es iſt aber wohl zu mercken, wie genau alhier die Erleuchtung mit der Heiligung verbunden werde, da es heiſt: die Heiligen im Lichte. Denn keine andere kommen zum wah- ren Lichte, oder zur wahren Erkaͤntniß GOttes, als welche ſich in der Heils-Ordnung heiligen laſſen. Es waͤre demnach ein groſſer Jrrthum, wenn man den unbekehrten ihrer bloß buchſtab- lichen Wiſſenſchaft wegen eine wahre Erleuch- tung zuſchreiben wolte. Denn da wuͤrde es ja heiſſen: die Unheiligen im Lichte! Gewiß, ſo wenig, als ſie zum vollen Glantze des Lichts kommen, eben ſo wenig kommen ſie auch zu deſ- ſen wahren Anfange, ohne die Heiligung. 9. Jm uͤbrigen iſt alhier der Parallel-Ort aus Ap. Geſch. 26, 18. wohl zu mercken, darin- nen das ietzige und kuͤnftige Erbe mit der Heili- gung, und dieſe mit der Erleuchtung aufs ge- naueſte verknuͤpfet wird, wenn es heißt: - auf- zuthun ihre Augen, daß ſie ſich bekehren von der Finſterniß zum Lichte, und von der Gewalt des Satans zu GOtt, zu empfa- hen Vergebung der Suͤnde, und das Er- be ſamt denen, die geheiliget werden durch den Glauben an mich. V. 13. 14. Welcher uns errettet hat von der Obrigkeit (von der Gewalt) der (uns gefan- gen haltenden) Finſterniß (und des Satans) und hat uns verſetzet in das Reich ſeines lieben Sohnes: an welchem wir haben die Erloͤſung durch ſein Blut, nemlich die Vergebung der Suͤnden. Anmerckungen. 1. Es faſſet der Apoſtel in dieſen Worten die Haupt-Lehre des Evangelii von dem Mitt- ler-Amte Chriſti mit gar nachdruͤcklichen Wor-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/780>, abgerufen am 24.11.2024.