Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 4, v. 5-7. [Spaltenumbruch]
kan das nahe seyn auch gar wohl von der All-gegenwart, auch gnädigen Hülfe und Regirung GOttes verstehen. Denn der HERR spricht selbst Jer. 23, 23: Bin ich nicht ein GOtt, der nahe ist, spricht der HErr, und nicht ein GOtt, der ferne ist? Meinest du, daß sich iemand so heimlich verbergen könne, daß ich ihn nicht sehe, spricht der HErr. Bin ich nicht der Himmel und Erden er- füllet, spricht der HErr. Siehe Ps. 145, 18. Der HERR ist nahe allen, die ihn an- rufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen. V. 6. Sorget nichts; sondern in allen Din- Anmerckungen. 1. Die drey Stücke, daß der HErr nahe ist, und man nicht sorgen, sondern dafür beten solle, schicken sich sehr wohl zusammen. Denn weil der HErr nahe ist; so ist er insonderheit nahe mit seiner Vorsorge; daher man von der eignen Sorge billig ablässet, und dagegen alle seine Wege im Gebet GOtt befiehlet. 2. Die alhier gantz verbotene Sorge, da man alle seine Dinge unter seine eigene aufs künftige gerichtete Vorsorge ziehet u. damit alle Schwie- rigkeit und Gefahr heben, oder verhindern will, ohne dabey gelassentlich auf GOtt und seine wun- derbare Providentz zu sehen. Denn künftige Dinge pflegen immer anders zu laufen, als man gedacht hat, zum wenigsten in einigen Umstän- den. Und da kan oft der geringste Umstand einer Sache ein gantz anders Ansehen und einen gantz andern Ausschlag geben. Da man denn siehet, daß man mit seiner Sorge nichts ausgerichtet, und sich noch dazu an GOtt versündiget hat. Daß aber sonst ein ieder Mensch in einer rechten und wohlgeordneten Sorgfalt für sich selbst und alle das Seinige, sonderlich in geistlichen Sa- chen stehen solle, zeiget der Apostel im gantzen Briefe an, insonderheit mit den Worten: Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern c. 2, 12. Wider die Bauch-Sor- ge sehe man Ps. 55, 23. Matth. 6, 20. 31. 1 Tim. 6, 8. 17. 1 Pet. 5, 7. 3. Jn den übrigen Worten ist das Wort aitemata das Haupt-Wort, womit alles An- liegen der Menschen bezeichnet wird, und gehet es also auf die Materie des Gebets überhaupt. Und ob denn GOTT gleich alles, was dem Menschen anlieget, vorher weiß: so will er doch, daß es ihmder Mensch soll vortragen; nicht so wol um seinet, GOttes, willen, als um der Men- schen selbst willen; sintemal er sich durch solche Eröffnung des Hertzens der Erhörung und der Hülfe fähig machet. Und darum saget Paulus, man solle die Bitten vor GOTT lassen kund werden. 4. Diese Kundmachung soll geschehen en panti, in allem, dieses verstehet man alhier am füglichsten von der Zeit, kairo, daß man nem- lich allezeit, sonderlich, wenn uns die Hülfe vor andern nöthig ist, beten solle. Kan denn nun gleich das actual-Gebet, da man förmlich betet, nicht zu [Spaltenumbruch] zu aller Zeit geschehen, so ist doch das habitual- Gebet, das Gebet des Hertzens, welches in einer Erhebung des Hertzens und in einer beständigen Aufopferung GOttes bestehet, gar wohl möglich, ja nöthig. Welcher gestalt Paulus seines un- abläßigen Gebets in seinen Briefen gedencket, ist bekant, und haben wir es auch in diesem Briefe oben bey dem Eingange gesehen. Ehh. 6, 18. ist zu dem Worte en panti das Wort kairo dazu gesetzet. 5. Der Apostel hat hier drey Gattungen vom Gebet: proseukhen, deesin, eukharistian, da die erste ist das Gebet um den Segen und das Gute, die andere die Abbitte, da man su- chet immer mehr von der Sünde und von allem Ubel befreyet zu werden; und die dritte die Dancksagung für das bereits empfangene Gu- te. Es kan nicht fehlen, daß ein Mensch, der sich selbst recht kennet, nicht zu allen drey Gattungen allezeit genug Materie haben solte. Paulus se- tzet 2 Tim. 2, 1. die Fürbitte für andere noch dazu: worinnen er auch selbst allen Gemeinen son- derlich mit seinem Exempel vorgegangen ist; wie wir aus seinen Briefen sehen. V. 7. Und der Friede GOttes, welcher hö- Anmerckungen. 1. Zuvörderst ist bey der Verbindung die- ses Verses mit dem vorhergehenden zu mercken, daß der Apostel zu der Vermahnung zum Ver- trauen auf GOTT und zum Gebet diese Ver- heissung oder Versicherung setzet, daß man da- bey und daher das Friedens GOttes in seiner Seele zur Bewahrung geniessen würde. Und zu solchem Verstande schicket sich die particula kai nach dem Hebraismo gar wohl, daß sie nemlich heißt: so, oder alsdenn. Und dahin gehet das im futuro gesetzte verbum phrouresei, wird be- wahren. Es lieget doch aber in dieser Versi- cherung auch ein Wunsch nach der Ubersetzung Lutheri: wie denn Paulus auch wol sonst seinen Wunsch mit dem futuro ausdruckt z. E. Rom. 16, 20. Der GOtt des Friedens suntripsei wird zertreten, zertrete den Satan unter eure Füsse in kurtzem. 2. Zuvörderst ist alhier zu mercken, was denn eigentlich der Friede GOttes sey? Die- ses zu erkennen, müssen wir erst auf das Gegen- theil sehen. Dieses ist derjenige Stand unserer durch die Sünde verderbten Natur, nach wel- chem wir vermöge der unwandelbaren richterli- chen Gerechtigkeit GOttes wie unter der Sün- den Schuld und Herrschaft, also auch unter dem Fluche des Gesetzes, unter dem Zorne GOttes und unter der Gewalt des Teufels liegen: in welchem Stande also nichts ist als Unfriede, Un- ruhe, Unheil und Unseligkeit: hingegen bestehet der Friede GOttes, auf Seiten GOttes selbst, in einer solchen Befriedigung, da GOtt, in An- sehung dessen, daß seiner richterlichen Gerechtig- keit durch die Erlösung und Versöhnung CHristi ein
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, v. 5-7. [Spaltenumbruch]
kan das nahe ſeyn auch gar wohl von der All-gegenwart, auch gnaͤdigen Huͤlfe und Regirung GOttes verſtehen. Denn der HERR ſpricht ſelbſt Jer. 23, 23: Bin ich nicht ein GOtt, der nahe iſt, ſpricht der HErr, und nicht ein GOtt, der ferne iſt? Meineſt du, daß ſich iemand ſo heimlich verbergen koͤnne, daß ich ihn nicht ſehe, ſpricht der HErr. Bin ich nicht der Himmel und Erden er- fuͤllet, ſpricht der HErr. Siehe Pſ. 145, 18. Der HERR iſt nahe allen, die ihn an- rufen, allen, die ihn mit Ernſt anrufen. V. 6. Sorget nichts; ſondern in allen Din- Anmerckungen. 1. Die drey Stuͤcke, daß der HErr nahe iſt, und man nicht ſorgen, ſondern dafuͤr beten ſolle, ſchicken ſich ſehr wohl zuſammen. Denn weil der HErr nahe iſt; ſo iſt er inſonderheit nahe mit ſeiner Vorſorge; daher man von der eignen Sorge billig ablaͤſſet, und dagegen alle ſeine Wege im Gebet GOtt befiehlet. 2. Die alhier gantz verbotene Sorge, da man alle ſeine Dinge unter ſeine eigene aufs kuͤnftige gerichtete Vorſorge ziehet u. damit alle Schwie- rigkeit und Gefahr heben, oder verhindern will, ohne dabey gelaſſentlich auf GOtt und ſeine wun- derbare Providentz zu ſehen. Denn kuͤnftige Dinge pflegen immer anders zu laufen, als man gedacht hat, zum wenigſten in einigen Umſtaͤn- den. Und da kan oft der geringſte Umſtand einer Sache ein gantz anders Anſehen und einen gantz andern Ausſchlag geben. Da man denn ſiehet, daß man mit ſeiner Sorge nichts ausgerichtet, und ſich noch dazu an GOtt verſuͤndiget hat. Daß aber ſonſt ein ieder Menſch in einer rechten und wohlgeordneten Sorgfalt fuͤr ſich ſelbſt und alle das Seinige, ſonderlich in geiſtlichen Sa- chen ſtehen ſolle, zeiget der Apoſtel im gantzen Briefe an, inſonderheit mit den Worten: Schaffet, daß ihr ſelig werdet mit Furcht und Zittern c. 2, 12. Wider die Bauch-Sor- ge ſehe man Pſ. 55, 23. Matth. 6, 20. 31. 1 Tim. 6, 8. 17. 1 Pet. 5, 7. 3. Jn den uͤbrigen Worten iſt das Wort αἰτήματα das Haupt-Wort, womit alles An- liegen der Menſchen bezeichnet wird, und gehet es alſo auf die Materie des Gebets uͤberhaupt. Und ob denn GOTT gleich alles, was dem Menſchen anlieget, vorher weiß: ſo will er doch, daß es ihmder Menſch ſoll vortragen; nicht ſo wol um ſeinet, GOttes, willen, als um der Men- ſchen ſelbſt willen; ſintemal er ſich durch ſolche Eroͤffnung des Hertzens der Erhoͤrung und der Huͤlfe faͤhig machet. Und darum ſaget Paulus, man ſolle die Bitten vor GOTT laſſen kund werden. 4. Dieſe Kundmachung ſoll geſchehen ἐν παντὶ, in allem, dieſes verſtehet man alhier am fuͤglichſten von der Zeit, καιρῷ, daß man nem- lich allezeit, ſonderlich, wenn uns die Huͤlfe vor andern noͤthig iſt, beten ſolle. Kan denn nun gleich das actual-Gebet, da man foͤrmlich betet, nicht zu [Spaltenumbruch] zu aller Zeit geſchehen, ſo iſt doch das habitual- Gebet, das Gebet des Hertzens, welches in einer Erhebung des Hertzens und in einer beſtaͤndigen Aufopferung GOttes beſtehet, gar wohl moͤglich, ja noͤthig. Welcher geſtalt Paulus ſeines un- ablaͤßigen Gebets in ſeinen Briefen gedencket, iſt bekant, und haben wir es auch in dieſem Briefe oben bey dem Eingange geſehen. Ehh. 6, 18. iſt zu dem Worte ἐν παντὶ das Wort καιρῷ dazu geſetzet. 5. Der Apoſtel hat hier drey Gattungen vom Gebet: προσευχὴν, δέησιν, ἐυχαριστίαν, da die erſte iſt das Gebet um den Segen und das Gute, die andere die Abbitte, da man ſu- chet immer mehr von der Suͤnde und von allem Ubel befreyet zu werden; und die dritte die Danckſagung fuͤr das bereits empfangene Gu- te. Es kan nicht fehlen, daß ein Menſch, der ſich ſelbſt recht kennet, nicht zu allen drey Gattungen allezeit genug Materie haben ſolte. Paulus ſe- tzet 2 Tim. 2, 1. die Fuͤrbitte fuͤr andere noch dazu: worinnen er auch ſelbſt allen Gemeinen ſon- derlich mit ſeinem Exempel vorgegangen iſt; wie wir aus ſeinen Briefen ſehen. V. 7. Und der Friede GOttes, welcher hoͤ- Anmerckungen. 1. Zuvoͤrderſt iſt bey der Verbindung die- ſes Verſes mit dem vorhergehenden zu mercken, daß der Apoſtel zu der Vermahnung zum Ver- trauen auf GOTT und zum Gebet dieſe Ver- heiſſung oder Verſicherung ſetzet, daß man da- bey und daher das Friedens GOttes in ſeiner Seele zur Bewahrung genieſſen wuͤrde. Und zu ſolchem Verſtande ſchicket ſich die particula καὶ nach dem Hebraiſmo gar wohl, daß ſie nemlich heißt: ſo, oder alsdenn. Und dahin gehet das im futuro geſetzte verbum φρουρήσει, wird be- wahren. Es lieget doch aber in dieſer Verſi- cherung auch ein Wunſch nach der Uberſetzung Lutheri: wie denn Paulus auch wol ſonſt ſeinen Wunſch mit dem futuro ausdruckt z. E. Rom. 16, 20. Der GOtt des Friedens συντρίψει wird zertreten, zertrete den Satan unter eure Fuͤſſe in kurtzem. 2. Zuvoͤrderſt iſt alhier zu mercken, was denn eigentlich der Friede GOttes ſey? Die- ſes zu erkennen, muͤſſen wir erſt auf das Gegen- theil ſehen. Dieſes iſt derjenige Stand unſerer durch die Suͤnde verderbten Natur, nach wel- chem wir vermoͤge der unwandelbaren richterli- chen Gerechtigkeit GOttes wie unter der Suͤn- den Schuld und Herrſchaft, alſo auch unter dem Fluche des Geſetzes, unter dem Zorne GOttes und unter der Gewalt des Teufels liegen: in welchem Stande alſo nichts iſt als Unfriede, Un- ruhe, Unheil und Unſeligkeit: hingegen beſtehet der Friede GOttes, auf Seiten GOttes ſelbſt, in einer ſolchen Befriedigung, da GOtt, in An- ſehung deſſen, daß ſeiner richterlichen Gerechtig- keit durch die Erloͤſung und Verſoͤhnung CHriſti ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0762" n="734"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erklaͤrung des Briefs Pauli <hi rendition="#et">Cap. 4, v. 5-7.</hi></hi></fw><lb/><cb/> kan das <hi rendition="#fr">nahe ſeyn</hi> auch gar wohl von der <hi rendition="#fr">All-<lb/> gegenwart,</hi> auch gnaͤdigen Huͤlfe und Regirung<lb/> GOttes verſtehen. Denn der HERR ſpricht<lb/> ſelbſt Jer. 23, 23: <hi rendition="#fr">Bin ich nicht ein GOtt,<lb/> der nahe iſt, ſpricht der HErr, und nicht<lb/> ein GOtt, der ferne iſt? Meineſt du, daß<lb/> ſich iemand ſo heimlich verbergen koͤnne,<lb/> daß ich ihn nicht ſehe, ſpricht der HErr.<lb/> Bin ich nicht der Himmel und Erden er-<lb/> fuͤllet, ſpricht der HErr.</hi> Siehe Pſ. 145,<lb/> 18. <hi rendition="#fr">Der HERR iſt nahe allen, die ihn an-<lb/> rufen, allen, die ihn mit Ernſt anrufen.</hi></item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 6.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Sorget nichts; ſondern in allen Din-<lb/> gen laſſet eure Bitten im Gebet mit Danck-<lb/> ſagung vor GOTT kund werden.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Die drey Stuͤcke, daß der HErr <hi rendition="#fr">nahe</hi><lb/> iſt, und man <hi rendition="#fr">nicht ſorgen,</hi> ſondern dafuͤr <hi rendition="#fr">beten</hi><lb/> ſolle, ſchicken ſich ſehr wohl zuſammen. Denn<lb/> weil der HErr nahe iſt; ſo iſt er inſonderheit nahe<lb/> mit ſeiner Vorſorge; daher man von der eignen<lb/> Sorge billig ablaͤſſet, und dagegen alle ſeine<lb/> Wege im Gebet GOtt befiehlet.</item><lb/> <item>2. Die alhier gantz verbotene Sorge, da man<lb/> alle ſeine Dinge unter ſeine eigene aufs kuͤnftige<lb/> gerichtete Vorſorge ziehet u. damit alle Schwie-<lb/> rigkeit und Gefahr heben, oder verhindern will,<lb/> ohne dabey gelaſſentlich auf GOtt und ſeine wun-<lb/> derbare <hi rendition="#aq">Providen</hi>tz zu ſehen. Denn kuͤnftige<lb/> Dinge pflegen immer anders zu laufen, als man<lb/> gedacht hat, zum wenigſten in einigen Umſtaͤn-<lb/> den. Und da kan oft der geringſte Umſtand einer<lb/> Sache ein gantz anders Anſehen und einen gantz<lb/> andern Ausſchlag geben. Da man denn ſiehet,<lb/> daß man mit ſeiner Sorge nichts ausgerichtet,<lb/> und ſich noch dazu an GOtt verſuͤndiget hat.<lb/> Daß aber ſonſt ein ieder Menſch in einer rechten<lb/> und wohlgeordneten Sorgfalt fuͤr ſich ſelbſt und<lb/> alle das Seinige, ſonderlich in geiſtlichen Sa-<lb/> chen ſtehen ſolle, zeiget der Apoſtel im gantzen<lb/> Briefe an, inſonderheit mit den Worten:<lb/><hi rendition="#fr">Schaffet, daß ihr ſelig werdet mit Furcht<lb/> und Zittern</hi> c. 2, 12. Wider die Bauch-Sor-<lb/> ge ſehe man Pſ. 55, 23. Matth. 6, 20. 31. 1 Tim.<lb/> 6, 8. 17. 1 Pet. 5, 7.</item><lb/> <item>3. Jn den uͤbrigen Worten iſt das Wort<lb/> αἰτήματα das Haupt-Wort, womit alles An-<lb/> liegen der Menſchen bezeichnet wird, und gehet<lb/> es alſo auf die Materie des Gebets uͤberhaupt.<lb/> Und ob denn GOTT gleich alles, was dem<lb/> Menſchen anlieget, vorher weiß: ſo will er doch,<lb/> daß es ihmder Menſch ſoll vortragen; nicht ſo<lb/> wol um ſeinet, GOttes, willen, als um der Men-<lb/> ſchen ſelbſt willen; ſintemal er ſich durch ſolche<lb/> Eroͤffnung des Hertzens der Erhoͤrung und der<lb/> Huͤlfe faͤhig machet. Und darum ſaget Paulus,<lb/> man ſolle die Bitten <hi rendition="#fr">vor GOTT laſſen kund<lb/> werden.</hi></item><lb/> <item>4. Dieſe Kundmachung ſoll geſchehen ἐν<lb/> παντὶ, <hi rendition="#fr">in allem,</hi> dieſes verſtehet man alhier<lb/> am fuͤglichſten von der Zeit, καιρῷ, daß man nem-<lb/> lich allezeit, ſonderlich, wenn uns die Huͤlfe vor<lb/> andern noͤthig iſt, beten ſolle. Kan denn nun gleich<lb/> das <hi rendition="#aq">actual-</hi>Gebet, da man foͤrmlich betet, nicht zu<lb/><cb/> zu aller Zeit geſchehen, ſo iſt doch das <hi rendition="#aq">habitual-</hi><lb/> Gebet, das Gebet des Hertzens, welches in einer<lb/> Erhebung des Hertzens und in einer beſtaͤndigen<lb/> Aufopferung GOttes beſtehet, gar wohl moͤglich,<lb/> ja noͤthig. Welcher geſtalt Paulus ſeines un-<lb/> ablaͤßigen Gebets in ſeinen Briefen gedencket, iſt<lb/> bekant, und haben wir es auch in dieſem Briefe<lb/> oben bey dem Eingange geſehen. Ehh. 6, 18. iſt<lb/> zu dem Worte ἐν παντὶ das Wort καιρῷ dazu<lb/> geſetzet.</item><lb/> <item>5. Der Apoſtel hat hier drey Gattungen<lb/> vom Gebet: προσευχὴν, δέησιν, ἐυχαριστίαν,<lb/> da die erſte iſt das <hi rendition="#fr">Gebet</hi> um den Segen und<lb/> das Gute, die andere die <hi rendition="#fr">Abbitte,</hi> da man ſu-<lb/> chet immer mehr von der Suͤnde und von allem<lb/> Ubel befreyet zu werden; und die dritte die<lb/><hi rendition="#fr">Danckſagung</hi> fuͤr das bereits empfangene Gu-<lb/> te. Es kan nicht fehlen, daß ein Menſch, der ſich<lb/> ſelbſt recht kennet, nicht zu allen drey Gattungen<lb/> allezeit genug Materie haben ſolte. Paulus ſe-<lb/> tzet 2 Tim. 2, 1. die <hi rendition="#fr">Fuͤrbitte</hi> fuͤr andere noch<lb/> dazu: worinnen er auch ſelbſt allen Gemeinen ſon-<lb/> derlich mit ſeinem Exempel vorgegangen iſt; wie<lb/> wir aus ſeinen Briefen ſehen.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 7.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Und der Friede GOttes, welcher hoͤ-<lb/> her iſt, denn alle Vernunft, bewahre eu-<lb/> re Hertzen und Sinne in CHriſto JEſu.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Zuvoͤrderſt iſt bey der <hi rendition="#fr">Verbindung</hi> die-<lb/> ſes Verſes mit dem vorhergehenden zu mercken,<lb/> daß der Apoſtel zu der Vermahnung zum Ver-<lb/> trauen auf GOTT und zum Gebet dieſe Ver-<lb/> heiſſung oder Verſicherung ſetzet, daß man da-<lb/> bey und daher das Friedens GOttes in ſeiner<lb/> Seele zur Bewahrung genieſſen wuͤrde. Und<lb/> zu ſolchem Verſtande ſchicket ſich die <hi rendition="#aq">particula</hi> καὶ<lb/> nach dem <hi rendition="#aq">Hebraiſmo</hi> gar wohl, daß ſie nemlich<lb/> heißt: <hi rendition="#fr">ſo,</hi> oder <hi rendition="#fr">alsdenn.</hi> Und dahin gehet das<lb/> im <hi rendition="#aq">futuro</hi> geſetzte <hi rendition="#aq">verbum</hi> φρουρήσει, <hi rendition="#fr">wird be-<lb/> wahren.</hi> Es lieget doch aber in dieſer Verſi-<lb/> cherung auch ein Wunſch nach der Uberſetzung<lb/><hi rendition="#aq">Lutheri:</hi> wie denn Paulus auch wol ſonſt ſeinen<lb/> Wunſch mit dem <hi rendition="#aq">futuro</hi> ausdruckt z. E. Rom.<lb/> 16, 20. <hi rendition="#fr">Der GOtt des Friedens</hi> συντρίψει<lb/><hi rendition="#fr">wird zertreten, zertrete den Satan unter<lb/> eure Fuͤſſe in kurtzem.</hi></item><lb/> <item>2. Zuvoͤrderſt iſt alhier zu mercken, was<lb/> denn eigentlich <hi rendition="#fr">der Friede GOttes</hi> ſey? Die-<lb/> ſes zu erkennen, muͤſſen wir erſt auf das Gegen-<lb/> theil ſehen. Dieſes iſt derjenige Stand unſerer<lb/> durch die Suͤnde verderbten Natur, nach wel-<lb/> chem wir vermoͤge der unwandelbaren richterli-<lb/> chen Gerechtigkeit GOttes wie unter der Suͤn-<lb/> den Schuld und Herrſchaft, alſo auch unter dem<lb/> Fluche des Geſetzes, unter dem Zorne GOttes<lb/> und unter der Gewalt des Teufels liegen: in<lb/> welchem Stande alſo nichts iſt als Unfriede, Un-<lb/> ruhe, Unheil und Unſeligkeit: hingegen beſtehet<lb/> der Friede GOttes, auf Seiten GOttes ſelbſt,<lb/> in einer ſolchen Befriedigung, da GOtt, in An-<lb/> ſehung deſſen, daß ſeiner richterlichen Gerechtig-<lb/> keit durch die Erloͤſung und Verſoͤhnung CHriſti<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [734/0762]
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, v. 5-7.
kan das nahe ſeyn auch gar wohl von der All-
gegenwart, auch gnaͤdigen Huͤlfe und Regirung
GOttes verſtehen. Denn der HERR ſpricht
ſelbſt Jer. 23, 23: Bin ich nicht ein GOtt,
der nahe iſt, ſpricht der HErr, und nicht
ein GOtt, der ferne iſt? Meineſt du, daß
ſich iemand ſo heimlich verbergen koͤnne,
daß ich ihn nicht ſehe, ſpricht der HErr.
Bin ich nicht der Himmel und Erden er-
fuͤllet, ſpricht der HErr. Siehe Pſ. 145,
18. Der HERR iſt nahe allen, die ihn an-
rufen, allen, die ihn mit Ernſt anrufen.
V. 6.
Sorget nichts; ſondern in allen Din-
gen laſſet eure Bitten im Gebet mit Danck-
ſagung vor GOTT kund werden.
Anmerckungen.
1. Die drey Stuͤcke, daß der HErr nahe
iſt, und man nicht ſorgen, ſondern dafuͤr beten
ſolle, ſchicken ſich ſehr wohl zuſammen. Denn
weil der HErr nahe iſt; ſo iſt er inſonderheit nahe
mit ſeiner Vorſorge; daher man von der eignen
Sorge billig ablaͤſſet, und dagegen alle ſeine
Wege im Gebet GOtt befiehlet.
2. Die alhier gantz verbotene Sorge, da man
alle ſeine Dinge unter ſeine eigene aufs kuͤnftige
gerichtete Vorſorge ziehet u. damit alle Schwie-
rigkeit und Gefahr heben, oder verhindern will,
ohne dabey gelaſſentlich auf GOtt und ſeine wun-
derbare Providentz zu ſehen. Denn kuͤnftige
Dinge pflegen immer anders zu laufen, als man
gedacht hat, zum wenigſten in einigen Umſtaͤn-
den. Und da kan oft der geringſte Umſtand einer
Sache ein gantz anders Anſehen und einen gantz
andern Ausſchlag geben. Da man denn ſiehet,
daß man mit ſeiner Sorge nichts ausgerichtet,
und ſich noch dazu an GOtt verſuͤndiget hat.
Daß aber ſonſt ein ieder Menſch in einer rechten
und wohlgeordneten Sorgfalt fuͤr ſich ſelbſt und
alle das Seinige, ſonderlich in geiſtlichen Sa-
chen ſtehen ſolle, zeiget der Apoſtel im gantzen
Briefe an, inſonderheit mit den Worten:
Schaffet, daß ihr ſelig werdet mit Furcht
und Zittern c. 2, 12. Wider die Bauch-Sor-
ge ſehe man Pſ. 55, 23. Matth. 6, 20. 31. 1 Tim.
6, 8. 17. 1 Pet. 5, 7.
3. Jn den uͤbrigen Worten iſt das Wort
αἰτήματα das Haupt-Wort, womit alles An-
liegen der Menſchen bezeichnet wird, und gehet
es alſo auf die Materie des Gebets uͤberhaupt.
Und ob denn GOTT gleich alles, was dem
Menſchen anlieget, vorher weiß: ſo will er doch,
daß es ihmder Menſch ſoll vortragen; nicht ſo
wol um ſeinet, GOttes, willen, als um der Men-
ſchen ſelbſt willen; ſintemal er ſich durch ſolche
Eroͤffnung des Hertzens der Erhoͤrung und der
Huͤlfe faͤhig machet. Und darum ſaget Paulus,
man ſolle die Bitten vor GOTT laſſen kund
werden.
4. Dieſe Kundmachung ſoll geſchehen ἐν
παντὶ, in allem, dieſes verſtehet man alhier
am fuͤglichſten von der Zeit, καιρῷ, daß man nem-
lich allezeit, ſonderlich, wenn uns die Huͤlfe vor
andern noͤthig iſt, beten ſolle. Kan denn nun gleich
das actual-Gebet, da man foͤrmlich betet, nicht zu
zu aller Zeit geſchehen, ſo iſt doch das habitual-
Gebet, das Gebet des Hertzens, welches in einer
Erhebung des Hertzens und in einer beſtaͤndigen
Aufopferung GOttes beſtehet, gar wohl moͤglich,
ja noͤthig. Welcher geſtalt Paulus ſeines un-
ablaͤßigen Gebets in ſeinen Briefen gedencket, iſt
bekant, und haben wir es auch in dieſem Briefe
oben bey dem Eingange geſehen. Ehh. 6, 18. iſt
zu dem Worte ἐν παντὶ das Wort καιρῷ dazu
geſetzet.
5. Der Apoſtel hat hier drey Gattungen
vom Gebet: προσευχὴν, δέησιν, ἐυχαριστίαν,
da die erſte iſt das Gebet um den Segen und
das Gute, die andere die Abbitte, da man ſu-
chet immer mehr von der Suͤnde und von allem
Ubel befreyet zu werden; und die dritte die
Danckſagung fuͤr das bereits empfangene Gu-
te. Es kan nicht fehlen, daß ein Menſch, der ſich
ſelbſt recht kennet, nicht zu allen drey Gattungen
allezeit genug Materie haben ſolte. Paulus ſe-
tzet 2 Tim. 2, 1. die Fuͤrbitte fuͤr andere noch
dazu: worinnen er auch ſelbſt allen Gemeinen ſon-
derlich mit ſeinem Exempel vorgegangen iſt; wie
wir aus ſeinen Briefen ſehen.
V. 7.
Und der Friede GOttes, welcher hoͤ-
her iſt, denn alle Vernunft, bewahre eu-
re Hertzen und Sinne in CHriſto JEſu.
Anmerckungen.
1. Zuvoͤrderſt iſt bey der Verbindung die-
ſes Verſes mit dem vorhergehenden zu mercken,
daß der Apoſtel zu der Vermahnung zum Ver-
trauen auf GOTT und zum Gebet dieſe Ver-
heiſſung oder Verſicherung ſetzet, daß man da-
bey und daher das Friedens GOttes in ſeiner
Seele zur Bewahrung genieſſen wuͤrde. Und
zu ſolchem Verſtande ſchicket ſich die particula καὶ
nach dem Hebraiſmo gar wohl, daß ſie nemlich
heißt: ſo, oder alsdenn. Und dahin gehet das
im futuro geſetzte verbum φρουρήσει, wird be-
wahren. Es lieget doch aber in dieſer Verſi-
cherung auch ein Wunſch nach der Uberſetzung
Lutheri: wie denn Paulus auch wol ſonſt ſeinen
Wunſch mit dem futuro ausdruckt z. E. Rom.
16, 20. Der GOtt des Friedens συντρίψει
wird zertreten, zertrete den Satan unter
eure Fuͤſſe in kurtzem.
2. Zuvoͤrderſt iſt alhier zu mercken, was
denn eigentlich der Friede GOttes ſey? Die-
ſes zu erkennen, muͤſſen wir erſt auf das Gegen-
theil ſehen. Dieſes iſt derjenige Stand unſerer
durch die Suͤnde verderbten Natur, nach wel-
chem wir vermoͤge der unwandelbaren richterli-
chen Gerechtigkeit GOttes wie unter der Suͤn-
den Schuld und Herrſchaft, alſo auch unter dem
Fluche des Geſetzes, unter dem Zorne GOttes
und unter der Gewalt des Teufels liegen: in
welchem Stande alſo nichts iſt als Unfriede, Un-
ruhe, Unheil und Unſeligkeit: hingegen beſtehet
der Friede GOttes, auf Seiten GOttes ſelbſt,
in einer ſolchen Befriedigung, da GOtt, in An-
ſehung deſſen, daß ſeiner richterlichen Gerechtig-
keit durch die Erloͤſung und Verſoͤhnung CHriſti
ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |