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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 12-14.
[Spaltenumbruch] aus ihrer eignen Schuld verlustig geblieben
sind:) Und welche (nemlich die Juden, und
nunmehro auch die Christen) am Gesetze (der-
gestalt, daß sie es gehabt) gesündiget haben,
die werden durchs Gesetz verurtheilet
werden
(daher gleich Anfangs bey der Einfüh-
rung des Jüdischen Volcks in das gelobte Land,
wie der Segen GOttes gegen die gehorsamen
Deut. 28. also auch der Fluch gegen die Wi-
derspenstigen und Ubertreter vor den Ohren des
gantzen Volcks öffentlich ausgerufen und pro-
mulgi
ret ward, Deut. 27. zum Zeugniß dessen,
was am jüngsten Gerichte auf eine der Maje-
stät GOttes zustehende Art dermaleins gesche-
hen würde. Daher auch unser Heyland Joh.
5, 45. spricht: Jhr solt nicht meynen, daß
ich euch vor dem Vater verklagen werde:
es ist einer, der euch verklaget, der Moses,
auf welchen ihr hoffet.

Anmerckungen.

1. Lieget den Heyden, und nach ihnen den
Jüden eine so schwere Verantwortung auf dem
Halse: was haben wir Christen nicht zu beden-
cken, die wir nebst dem Gesetze auch das Evan-
gelium in solcher Klarheit haben?

2. Es muß gewißlich mit dem Gesetze
der Natur
sehr viel auf sich haben; es muß
auch dasselbe allen Menschen sehr tief ins Hertz
geschrieben, und darinnen von iederman, der
sich nicht selbst durch mehr als Viehische Bruta-
lit
ät gleichsam zum Unmenschen machet, gar
wohl empfunden werden, weil derselben muth-
willige Ubertretung eine so grosse Schuld und
Strafe der Verdammniß über den Menschen
bringet.

V. 13.

Sintemal (die Ursache zu zeigen, warum
niemand dadurch, daß er der besonderen Offen-
barung des Gesetzes und Willens GOttes ge-
würdiget worden, von der Verdammniß be-
freyet bleibe) vor GOtt nicht die das Gesetz
(nur allein) hören (oder auch lesen, betrach-
ten und einen buchstäblichen Begriff davon fas-
sen, ja die darüber in die Länge und Breite dis-
puti
ren und schreiben) gerecht sind (eine wah-
re gesetzliche Gerechtigkeit haben) sondern die
das Gesetz thun
(also halten und erfüllen,
wie es will gehalten und erfüllet seyn, nemlich
vollkommlich und aus ihren eignen Kräften)
werden gerecht seyn (nemlich vor GOtt oder
im göttlichen Gericht, das ist, für gerecht er-
kannt werden.)

Anmerckungen.

1. Paulus sagt nicht, daß iemand das
Gesetz dergestalt halten könne, daß er damit
könne vor GOtt bestehen und selig werden:
sondern er setzet nur der Juden ihrer falschen
Meynung, nach welcher sie sich auf das Ge-
setz
verliessen, diesen an sich selbst wah-
ren Satz entgegen, daß es bey dem Gesetze nicht
auf das haben, hören, lesen, und einiger Mas-
sen verstehen, und äusserlich thun, ankomme,
sondern daß, wenn man die Gerechtigkeit vor
[Spaltenumbruch] GOtt nach dem Gesetze haben wolle, man das-
selbe erfüllen müsse; nemlich nach der Vollkom-
menheit, welche es fordere. Weil nun aber
kein Jude mit Wahrheit sagen konte, daß ih-
me eine solche Haltung des Gesetzes möglich sey;
so folgte von sich selbst daraus, daß sie alle mit
einander, auch die besten unter ihnen, nach
v. 12. am Gesetz gesündiget hätten, und also so
gar nicht nach der gesetzlichen Gerechtigkeit vor
GOtt bestehen könten, daß sie vielmehr durch
das Gesetz verurtheilet würden. Auf welche
Art Paulus bey ihnen den Grund leget, daß
sie die Gerechtigkeit, womit man vor GOtt
bestehet, nicht im Gesetze, sondern im Evan-
gelio suchen, und also von Mose zu Christo
gehen müssen: als davon er hernach im dritten
Capitel ausdrücklich handelt.

2. Paulus hatte v. 12. gesaget: a. daß
die, welche ohne Gesetz, nemlich ohne das
geschriebene,
gesündiget hätten, das ist die
Heyden, auch ohne das Gesetz würden verloh-
ren gehen: b. daß die, welche am Gesetz ge-
sündiget hätten, das ist die Juden, würden
durch das Gesetz verurtheilet werden. Nach-
dem er nun das letztere Stück, nemlich das von
den Juden, v. 13. zu erst erwiesen; so kömmt
er v. 14. 15. zu dem ersten, und zeiget an, wie
es zugehe, daß die Heyden, die das geoffenbar-
te Gesetz nicht gehabt, dennoch ihrer vorher
recensirten grossen Ubertretung wegen würden
verdammet werden: nemlich sie hätten das
göttliche Natur-Gesetze in sich gehabt, aber wi-
der dasselbige gröblich gesündiget. Wie nun
folget.

V. 14.

Denn so die Heyden (die vorher c. 1, 14.
Griechen und Ungriechen genennet worden) die
das Gesetz
(davon in Ansehung der Juden itzo
die Rede ist, nemlich das durch Mosen pro-
mulgi
rte Sitten-Gesetze) nicht haben, und
doch von Natur
(vermöge des der menschli-
chen Natur mit dem Ebenbilde GOttes vor dem
eingepflantzten und zu bürgerlichen Handlun-
gen nach dem Fall noch übrig gelassenen, Lichts
und Rechts der Natur: nach welchem es un-
ter andern heißt: alles was ihr wollt, das euch
die Leute thun sollen, das thut ihnen auch
Matth. 7, 12.) thun des Gesetzes Werck
(erkennen und thun, ob gleich in höchster Un-
vollkommenheit, dasjenige, worauf das ge-
schriebene Gesetze gehet, und also in so fern ver-
nünftige, ehrbare und in ihrer Masse tugendhaf-
te Heyden, und von den lasterhaften, welche
vorher beschrieben worden, unterschieden sind)
dieselben, dieweil sie das Gesetz nicht ha-
ben
(outoi nomon me ekhontes, diese, welche das
Gesetz nicht haben, oder ob sie gleich das Gesetz,
nemlich das geschriebene, nicht haben) sind sie
ihnen selbst ein Gesetz
(das ist, sie haben es
doch in sich, es ist ihnen ins Gewissen geschrie-
ben. Dannenhero werden sie nach desselben
Ausspruch verdammet, wenn sie solcher Gestalt
dagegen sündigen, als zuvor nach der Länge von
den lasterhaften ist erzehl[e]t worden.)

V. 15.

Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 12-14.
[Spaltenumbruch] aus ihrer eignen Schuld verluſtig geblieben
ſind:) Und welche (nemlich die Juden, und
nunmehro auch die Chriſten) am Geſetze (der-
geſtalt, daß ſie es gehabt) geſuͤndiget haben,
die werden durchs Geſetz verurtheilet
werden
(daher gleich Anfangs bey der Einfuͤh-
rung des Juͤdiſchen Volcks in das gelobte Land,
wie der Segen GOttes gegen die gehorſamen
Deut. 28. alſo auch der Fluch gegen die Wi-
derſpenſtigen und Ubertreter vor den Ohren des
gantzen Volcks oͤffentlich ausgerufen und pro-
mulgi
ret ward, Deut. 27. zum Zeugniß deſſen,
was am juͤngſten Gerichte auf eine der Maje-
ſtaͤt GOttes zuſtehende Art dermaleins geſche-
hen wuͤrde. Daher auch unſer Heyland Joh.
5, 45. ſpricht: Jhr ſolt nicht meynen, daß
ich euch vor dem Vater verklagen werde:
es iſt einer, der euch verklaget, der Moſes,
auf welchen ihr hoffet.

Anmerckungen.

1. Lieget den Heyden, und nach ihnen den
Juͤden eine ſo ſchwere Verantwortung auf dem
Halſe: was haben wir Chriſten nicht zu beden-
cken, die wir nebſt dem Geſetze auch das Evan-
gelium in ſolcher Klarheit haben?

2. Es muß gewißlich mit dem Geſetze
der Natur
ſehr viel auf ſich haben; es muß
auch daſſelbe allen Menſchen ſehr tief ins Hertz
geſchrieben, und darinnen von iederman, der
ſich nicht ſelbſt durch mehr als Viehiſche Bruta-
lit
aͤt gleichſam zum Unmenſchen machet, gar
wohl empfunden werden, weil derſelben muth-
willige Ubertretung eine ſo groſſe Schuld und
Strafe der Verdammniß uͤber den Menſchen
bringet.

V. 13.

Sintemal (die Urſache zu zeigen, warum
niemand dadurch, daß er der beſonderen Offen-
barung des Geſetzes und Willens GOttes ge-
wuͤrdiget worden, von der Verdammniß be-
freyet bleibe) vor GOtt nicht die das Geſetz
(nur allein) hoͤren (oder auch leſen, betrach-
ten und einen buchſtaͤblichen Begriff davon faſ-
ſen, ja die daruͤber in die Laͤnge und Breite dis-
puti
ren und ſchreiben) gerecht ſind (eine wah-
re geſetzliche Gerechtigkeit haben) ſondern die
das Geſetz thun
(alſo halten und erfuͤllen,
wie es will gehalten und erfuͤllet ſeyn, nemlich
vollkommlich und aus ihren eignen Kraͤften)
werden gerecht ſeyn (nemlich vor GOtt oder
im goͤttlichen Gericht, das iſt, fuͤr gerecht er-
kannt werden.)

Anmerckungen.

1. Paulus ſagt nicht, daß iemand das
Geſetz dergeſtalt halten koͤnne, daß er damit
koͤnne vor GOtt beſtehen und ſelig werden:
ſondern er ſetzet nur der Juden ihrer falſchen
Meynung, nach welcher ſie ſich auf das Ge-
ſetz
verlieſſen, dieſen an ſich ſelbſt wah-
ren Satz entgegen, daß es bey dem Geſetze nicht
auf das haben, hören, leſen, und einiger Maſ-
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ſondern daß, wenn man die Gerechtigkeit vor
[Spaltenumbruch] GOtt nach dem Geſetze haben wolle, man daſ-
ſelbe erfuͤllen muͤſſe; nemlich nach der Vollkom-
menheit, welche es fordere. Weil nun aber
kein Jude mit Wahrheit ſagen konte, daß ih-
me eine ſolche Haltung des Geſetzes moͤglich ſey;
ſo folgte von ſich ſelbſt daraus, daß ſie alle mit
einander, auch die beſten unter ihnen, nach
v. 12. am Geſetz geſuͤndiget haͤtten, und alſo ſo
gar nicht nach der geſetzlichen Gerechtigkeit vor
GOtt beſtehen koͤnten, daß ſie vielmehr durch
das Geſetz verurtheilet wuͤrden. Auf welche
Art Paulus bey ihnen den Grund leget, daß
ſie die Gerechtigkeit, womit man vor GOtt
beſtehet, nicht im Geſetze, ſondern im Evan-
gelio ſuchen, und alſo von Moſe zu Chriſto
gehen muͤſſen: als davon er hernach im dritten
Capitel ausdruͤcklich handelt.

2. Paulus hatte v. 12. geſaget: a. daß
die, welche ohne Geſetz, nemlich ohne das
geſchriebene,
geſuͤndiget haͤtten, das iſt die
Heyden, auch ohne das Geſetz wuͤrden verloh-
ren gehen: b. daß die, welche am Geſetz ge-
ſuͤndiget haͤtten, das iſt die Juden, wuͤrden
durch das Geſetz verurtheilet werden. Nach-
dem er nun das letztere Stuͤck, nemlich das von
den Juden, v. 13. zu erſt erwieſen; ſo koͤmmt
er v. 14. 15. zu dem erſten, und zeiget an, wie
es zugehe, daß die Heyden, die das geoffenbar-
te Geſetz nicht gehabt, dennoch ihrer vorher
recenſirten groſſen Ubertretung wegen wuͤrden
verdammet werden: nemlich ſie haͤtten das
goͤttliche Natur-Geſetze in ſich gehabt, aber wi-
der daſſelbige groͤblich geſuͤndiget. Wie nun
folget.

V. 14.

Denn ſo die Heyden (die vorher c. 1, 14.
Griechen und Ungriechen genennet worden) die
das Geſetz
(davon in Anſehung der Juden itzo
die Rede iſt, nemlich das durch Moſen pro-
mulgi
rte Sitten-Geſetze) nicht haben, und
doch von Natur
(vermoͤge des der menſchli-
chen Natur mit dem Ebenbilde GOttes vor dem
eingepflantzten und zu buͤrgerlichen Handlun-
gen nach dem Fall noch uͤbrig gelaſſenen, Lichts
und Rechts der Natur: nach welchem es un-
ter andern heißt: alles was ihr wollt, das euch
die Leute thun ſollen, das thut ihnen auch
Matth. 7, 12.) thun des Geſetzes Werck
(erkennen und thun, ob gleich in hoͤchſter Un-
vollkommenheit, dasjenige, worauf das ge-
ſchriebene Geſetze gehet, und alſo in ſo fern ver-
nuͤnftige, ehrbare und in ihrer Maſſe tugendhaf-
te Heyden, und von den laſterhaften, welche
vorher beſchrieben worden, unterſchieden ſind)
dieſelben, dieweil ſie das Geſetz nicht ha-
ben
(οὗτοι νόμον μὴ ἔχοντες, dieſe, welche das
Geſetz nicht haben, oder ob ſie gleich das Geſetz,
nemlich das geſchriebene, nicht haben) ſind ſie
ihnen ſelbſt ein Geſetz
(das iſt, ſie haben es
doch in ſich, es iſt ihnen ins Gewiſſen geſchrie-
ben. Dannenhero werden ſie nach deſſelben
Ausſpruch verdammet, wenn ſie ſolcher Geſtalt
dagegen ſuͤndigen, als zuvor nach der Laͤnge von
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V. 15.
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[40/0068] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 12-14. aus ihrer eignen Schuld verluſtig geblieben ſind:) Und welche (nemlich die Juden, und nunmehro auch die Chriſten) am Geſetze (der- geſtalt, daß ſie es gehabt) geſuͤndiget haben, die werden durchs Geſetz verurtheilet werden (daher gleich Anfangs bey der Einfuͤh- rung des Juͤdiſchen Volcks in das gelobte Land, wie der Segen GOttes gegen die gehorſamen Deut. 28. alſo auch der Fluch gegen die Wi- derſpenſtigen und Ubertreter vor den Ohren des gantzen Volcks oͤffentlich ausgerufen und pro- mulgiret ward, Deut. 27. zum Zeugniß deſſen, was am juͤngſten Gerichte auf eine der Maje- ſtaͤt GOttes zuſtehende Art dermaleins geſche- hen wuͤrde. Daher auch unſer Heyland Joh. 5, 45. ſpricht: Jhr ſolt nicht meynen, daß ich euch vor dem Vater verklagen werde: es iſt einer, der euch verklaget, der Moſes, auf welchen ihr hoffet. Anmerckungen. 1. Lieget den Heyden, und nach ihnen den Juͤden eine ſo ſchwere Verantwortung auf dem Halſe: was haben wir Chriſten nicht zu beden- cken, die wir nebſt dem Geſetze auch das Evan- gelium in ſolcher Klarheit haben? 2. Es muß gewißlich mit dem Geſetze der Natur ſehr viel auf ſich haben; es muß auch daſſelbe allen Menſchen ſehr tief ins Hertz geſchrieben, und darinnen von iederman, der ſich nicht ſelbſt durch mehr als Viehiſche Bruta- litaͤt gleichſam zum Unmenſchen machet, gar wohl empfunden werden, weil derſelben muth- willige Ubertretung eine ſo groſſe Schuld und Strafe der Verdammniß uͤber den Menſchen bringet. V. 13. Sintemal (die Urſache zu zeigen, warum niemand dadurch, daß er der beſonderen Offen- barung des Geſetzes und Willens GOttes ge- wuͤrdiget worden, von der Verdammniß be- freyet bleibe) vor GOtt nicht die das Geſetz (nur allein) hoͤren (oder auch leſen, betrach- ten und einen buchſtaͤblichen Begriff davon faſ- ſen, ja die daruͤber in die Laͤnge und Breite dis- putiren und ſchreiben) gerecht ſind (eine wah- re geſetzliche Gerechtigkeit haben) ſondern die das Geſetz thun (alſo halten und erfuͤllen, wie es will gehalten und erfuͤllet ſeyn, nemlich vollkommlich und aus ihren eignen Kraͤften) werden gerecht ſeyn (nemlich vor GOtt oder im goͤttlichen Gericht, das iſt, fuͤr gerecht er- kannt werden.) Anmerckungen. 1. Paulus ſagt nicht, daß iemand das Geſetz dergeſtalt halten koͤnne, daß er damit koͤnne vor GOtt beſtehen und ſelig werden: ſondern er ſetzet nur der Juden ihrer falſchen Meynung, nach welcher ſie ſich auf das Ge- ſetz verlieſſen, dieſen an ſich ſelbſt wah- ren Satz entgegen, daß es bey dem Geſetze nicht auf das haben, hören, leſen, und einiger Maſ- ſen verſtehen, und aͤuſſerlich thun, ankomme, ſondern daß, wenn man die Gerechtigkeit vor GOtt nach dem Geſetze haben wolle, man daſ- ſelbe erfuͤllen muͤſſe; nemlich nach der Vollkom- menheit, welche es fordere. Weil nun aber kein Jude mit Wahrheit ſagen konte, daß ih- me eine ſolche Haltung des Geſetzes moͤglich ſey; ſo folgte von ſich ſelbſt daraus, daß ſie alle mit einander, auch die beſten unter ihnen, nach v. 12. am Geſetz geſuͤndiget haͤtten, und alſo ſo gar nicht nach der geſetzlichen Gerechtigkeit vor GOtt beſtehen koͤnten, daß ſie vielmehr durch das Geſetz verurtheilet wuͤrden. Auf welche Art Paulus bey ihnen den Grund leget, daß ſie die Gerechtigkeit, womit man vor GOtt beſtehet, nicht im Geſetze, ſondern im Evan- gelio ſuchen, und alſo von Moſe zu Chriſto gehen muͤſſen: als davon er hernach im dritten Capitel ausdruͤcklich handelt. 2. Paulus hatte v. 12. geſaget: a. daß die, welche ohne Geſetz, nemlich ohne das geſchriebene, geſuͤndiget haͤtten, das iſt die Heyden, auch ohne das Geſetz wuͤrden verloh- ren gehen: b. daß die, welche am Geſetz ge- ſuͤndiget haͤtten, das iſt die Juden, wuͤrden durch das Geſetz verurtheilet werden. Nach- dem er nun das letztere Stuͤck, nemlich das von den Juden, v. 13. zu erſt erwieſen; ſo koͤmmt er v. 14. 15. zu dem erſten, und zeiget an, wie es zugehe, daß die Heyden, die das geoffenbar- te Geſetz nicht gehabt, dennoch ihrer vorher recenſirten groſſen Ubertretung wegen wuͤrden verdammet werden: nemlich ſie haͤtten das goͤttliche Natur-Geſetze in ſich gehabt, aber wi- der daſſelbige groͤblich geſuͤndiget. Wie nun folget. V. 14. Denn ſo die Heyden (die vorher c. 1, 14. Griechen und Ungriechen genennet worden) die das Geſetz (davon in Anſehung der Juden itzo die Rede iſt, nemlich das durch Moſen pro- mulgirte Sitten-Geſetze) nicht haben, und doch von Natur (vermoͤge des der menſchli- chen Natur mit dem Ebenbilde GOttes vor dem eingepflantzten und zu buͤrgerlichen Handlun- gen nach dem Fall noch uͤbrig gelaſſenen, Lichts und Rechts der Natur: nach welchem es un- ter andern heißt: alles was ihr wollt, das euch die Leute thun ſollen, das thut ihnen auch Matth. 7, 12.) thun des Geſetzes Werck (erkennen und thun, ob gleich in hoͤchſter Un- vollkommenheit, dasjenige, worauf das ge- ſchriebene Geſetze gehet, und alſo in ſo fern ver- nuͤnftige, ehrbare und in ihrer Maſſe tugendhaf- te Heyden, und von den laſterhaften, welche vorher beſchrieben worden, unterſchieden ſind) dieſelben, dieweil ſie das Geſetz nicht ha- ben (οὗτοι νόμον μὴ ἔχοντες, dieſe, welche das Geſetz nicht haben, oder ob ſie gleich das Geſetz, nemlich das geſchriebene, nicht haben) ſind ſie ihnen ſelbſt ein Geſetz (das iſt, ſie haben es doch in ſich, es iſt ihnen ins Gewiſſen geſchrie- ben. Dannenhero werden ſie nach deſſelben Ausſpruch verdammet, wenn ſie ſolcher Geſtalt dagegen ſuͤndigen, als zuvor nach der Laͤnge von den laſterhaften iſt erzehlet worden.) V. 15.

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/68>, abgerufen am 23.11.2024.