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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, v. 10-12. an die Römer.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Herrlichkeit, Würde, Ehre und
Ruhe,
oder einen unzerstörlichen Wohlstand,
ausser GOTT suchen, ist eine Thorheit; da es
die Welt mit allen ihren Geschöpfen ausser
GOtt so gar nicht haben kan, daß sie die ver-
blendete Seele vielmehr zum Gegentheil ver-
leitet.

2. Da nun aber der Seele, ihrem unsterb-
lichen Wesen nach, gleichwol die Begierden,
nach Würden, Ehre und Ruhe zu streben, ein-
gepflantzet sind; so siehet man wol, wozu uns
dieselbe dienen sollen; nemlich zu der Bemü-
hung, daß wir sie aus derjenigen Kraft, und
in derjenigen Ordnung, welche uns GOttes
Wort anweiset, in GOtt und göttliche Din-
ge, als ihr rechtes Object, gereiniget einführen
sollen.

V. 11.

Denn es ist kein Ansehen der Person
vor
(bey) GOTT.

Anmerckungen.

1. Diß ist eine Redens-Art, welche von
menschlichen Gerichten hergenommen ist. Denn
in diesen hat man es zu thun mit den Personen
und mit den Sachen, welche sie vor Gericht ha-
ben oder bringen. Nun kan zwar weder die
Person ohne die Sache, noch die Sache ohne
die Person seyn, die sie hat, oder treibet: al-
lein man hat es doch in den Gerichten eigentlich
nicht mit den Personen, sondern mit ihren
Sachen zu thun. Wenn nun der Richter die
Sache, sie mag so gerecht, oder so ungerecht
seyn, als sie immer kan, aus den Augen setzet,
und sich hiezu durch die Beschaffenheit der Per-
son verleiten läßt, in Ansehung dessen, daß er
sie liebet, oder hasset, daß er Schaden, oder
Vortheil von ihr hat, daß sie vornehm, reich,
und geehrt, oder gering, arm und verachtet ist;
und also seinen richterlichen Ausspruch nicht
nach der Sachen, sondern nach der Personen
Bewandniß, thut; so siehet er die Person an
und erweiset sich parteyisch. Welches kein ge-
rechter Richter thut und thun muß: Wie es
denn GOTT noch mehrmal und so viel nach-
drücklicher verboten hat, so vielmehr es bey dem
so grossen Verfall des menschlichen Geschlechts
geschiehet. Siehe Lev. 19, 15. Deut. 1, 17. 16,
17. 18. 2 Chron. 19, 6. 7. Prov. 24, 23. Jm-
gleichen Joh. 6, 24. alwo unser Heyland das
Ansehen der Person vor Gericht, ein richten
nach dem Ansehen
nennet, wenn er spricht:
Richtet nicht nach dem Ansehen, sondern
richtet ein recht Gericht.
Nun aber ist
GOTT der allgemeine Richter dieser Welt
Gen. 18, 25. u. s. w. der so viel weniger auf die
blosse Person, und so viel mehr auf die Sache
selbst siehet, so viel genauer er alle Dinge, die
in sein Gericht laufen, einsiehet, und sie recht
entscheiden und zur Strafe oder zur Belohnung
abthun kan, und so viel weniger er durch den
geringsten unrichtigen Affect daran verhindert
wird. Siehe auch Deut. 10, 17. Job. 34, 17.
[Spaltenumbruch] Act. 10, 34. Gal. 2, 6. Eph. 6, 9. Col. 3, 24.
25. 1 Pet. 1, 17. Da es heißt, daß GOtt oh-
ne Ansehen der Person richtet, nach eines
ieden Wercken
oder nach der Sache selbst.

2. Es kan zwar auch und muß vor weltli-
chem Gerichte oft mit auf die Personen gesehen
werden; allein in sofern es die Sache selbst er-
fodert. Denn wenn zum Exempel ein Knabe
von 12 Jahren und ein Jüngling oder junger
Mann von 24 oder 30 Jahren einerley verbro-
chen haben, da gewinnet das Verbrechen selbst,
aus Betrachtung der Personen, eine unterschie-
schiedene Gestalt.

3. Also gehet es auch vor dem göttlichen
Gerichte in Ansehung des guten und des bösen,
daß nemlich ein solches Ansehen der Person statt
findet, welches zur richtigen Dijudication der
Sache selbst nöthig ist. Also sahe GOtt bey
der Eröffnung seines über Sodom beschlossenen
Gerichts Abrahams Person an. Genes. 18, 29.
Siehe auch Exod. 32, 14. Actor. 17, 24. Und
also ist leichtlich zu erachten, daß auch vor dem
Gerichte GOttes die Abgötterey eines Juden
für ein weit grösseres Verbrechen gehalten wird,
als die eines Heyden: und daß die Gutthätig-
keit, die von einem Beleidigten herrühret, viel
edler ist, als die, welche ein Freund dem an-
dern beweiset. Wie es denn überhaupt vor dem
Gerichte GOttes heißt: Nachdem die Per-
son ist, nachdem ist die Sache;
wenn nem-
lich die Sache von der Person ihre meiste Eigen-
schaft empfähet. Denn ist die Person glaubig
und in CHristo GOTT gefällig, so gefällt ihr
auch das im Glauben gethane Werck wohl: ist
sie aber ungläubig und ausser CHristo, so ist ihr
auch das Werck mißfällig; wenn es auch gleich
dem äusserlichen Ansehen nach von dem Wercke
des Gläubigen nicht unterschieden wäre. Und
also gilt auch hier, was man sonst sagt: Duo
cum faciunt idem, non est idem.

4. Geliebter Leser, weil bey GOtt kein
Ansehen der Person ist, so laß ja alle Entschul-
digungen fahren, die du bey Ermangelung des
rechtschaffenen Christenthums entweder von dei-
nem Alter, oder von deinem Stande, oder von
anderer Beschaffenheit deiner Person hernimst.
Denn du kömmst damit vor dem Gerichte Got-
tes nicht aus!

V. 12.

Welche (nemlich die Heyden) ohne (das
von GOtt geoffenbarete und geschriebene Mo-
ral) Gesetze (so sie weder gehabt, noch auch,
in so fern sie es, aus der Kundschaft von den
Juden, erkennen konten, geachtet, noch an-
genommen haben; ob es ihnen gleich dem We-
sen nach in ihr Hertz geschrieben war, also, wie
zuvor mit mehrern angezeiget ist,) gesündiget
haben
(und in ihrer Sünde mit Unbußfertig-
keit verharret sind) die werden auch ohne
(dasselbe) Gesetz (ob sie es gleich nicht gehabt)
verlohren werden (und also aller Seligkeit,
welche sie in der Gemeinschaft mit GOtt sonst
hätten zu geniessen gehabt, beraubet bleiben,
gleichwie sie in der Zeit des rechten Adels ihrer
Seele, welche sie am Ebenbilde GOttes hat,

aus
Cap. 2, v. 10-12. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Herrlichkeit, Wuͤrde, Ehre und
Ruhe,
oder einen unzerſtoͤrlichen Wohlſtand,
auſſer GOTT ſuchen, iſt eine Thorheit; da es
die Welt mit allen ihren Geſchoͤpfen auſſer
GOtt ſo gar nicht haben kan, daß ſie die ver-
blendete Seele vielmehr zum Gegentheil ver-
leitet.

2. Da nun aber der Seele, ihrem unſterb-
lichen Weſen nach, gleichwol die Begierden,
nach Wuͤrden, Ehre und Ruhe zu ſtreben, ein-
gepflantzet ſind; ſo ſiehet man wol, wozu uns
dieſelbe dienen ſollen; nemlich zu der Bemuͤ-
hung, daß wir ſie aus derjenigen Kraft, und
in derjenigen Ordnung, welche uns GOttes
Wort anweiſet, in GOtt und goͤttliche Din-
ge, als ihr rechtes Object, gereiniget einfuͤhren
ſollen.

V. 11.

Denn es iſt kein Anſehen der Perſon
vor
(bey) GOTT.

Anmerckungen.

1. Diß iſt eine Redens-Art, welche von
menſchlichen Gerichten hergenommen iſt. Denn
in dieſen hat man es zu thun mit den Perſonen
und mit den Sachen, welche ſie vor Gericht ha-
ben oder bringen. Nun kan zwar weder die
Perſon ohne die Sache, noch die Sache ohne
die Perſon ſeyn, die ſie hat, oder treibet: al-
lein man hat es doch in den Gerichten eigentlich
nicht mit den Perſonen, ſondern mit ihren
Sachen zu thun. Wenn nun der Richter die
Sache, ſie mag ſo gerecht, oder ſo ungerecht
ſeyn, als ſie immer kan, aus den Augen ſetzet,
und ſich hiezu durch die Beſchaffenheit der Per-
ſon verleiten laͤßt, in Anſehung deſſen, daß er
ſie liebet, oder haſſet, daß er Schaden, oder
Vortheil von ihr hat, daß ſie vornehm, reich,
und geehrt, oder gering, arm und verachtet iſt;
und alſo ſeinen richterlichen Ausſpruch nicht
nach der Sachen, ſondern nach der Perſonen
Bewandniß, thut; ſo ſiehet er die Perſon an
und erweiſet ſich parteyiſch. Welches kein ge-
rechter Richter thut und thun muß: Wie es
denn GOTT noch mehrmal und ſo viel nach-
druͤcklicher verboten hat, ſo vielmehr es bey dem
ſo groſſen Verfall des menſchlichen Geſchlechts
geſchiehet. Siehe Lev. 19, 15. Deut. 1, 17. 16,
17. 18. 2 Chron. 19, 6. 7. Prov. 24, 23. Jm-
gleichen Joh. 6, 24. alwo unſer Heyland das
Anſehen der Perſon vor Gericht, ein richten
nach dem Anſehen
nennet, wenn er ſpricht:
Richtet nicht nach dem Anſehen, ſondern
richtet ein recht Gericht.
Nun aber iſt
GOTT der allgemeine Richter dieſer Welt
Gen. 18, 25. u. ſ. w. der ſo viel weniger auf die
bloſſe Perſon, und ſo viel mehr auf die Sache
ſelbſt ſiehet, ſo viel genauer er alle Dinge, die
in ſein Gericht laufen, einſiehet, und ſie recht
entſcheiden und zur Strafe oder zur Belohnung
abthun kan, und ſo viel weniger er durch den
geringſten unrichtigen Affect daran verhindert
wird. Siehe auch Deut. 10, 17. Job. 34, 17.
[Spaltenumbruch] Act. 10, 34. Gal. 2, 6. Eph. 6, 9. Col. 3, 24.
25. 1 Pet. 1, 17. Da es heißt, daß GOtt oh-
ne Anſehen der Perſon richtet, nach eines
ieden Wercken
oder nach der Sache ſelbſt.

2. Es kan zwar auch und muß vor weltli-
chem Gerichte oft mit auf die Perſonen geſehen
werden; allein in ſofern es die Sache ſelbſt er-
fodert. Denn wenn zum Exempel ein Knabe
von 12 Jahren und ein Juͤngling oder junger
Mann von 24 oder 30 Jahren einerley verbro-
chen haben, da gewinnet das Verbrechen ſelbſt,
aus Betrachtung der Perſonen, eine unterſchie-
ſchiedene Geſtalt.

3. Alſo gehet es auch vor dem goͤttlichen
Gerichte in Anſehung des guten und des boͤſen,
daß nemlich ein ſolches Anſehen der Perſon ſtatt
findet, welches zur richtigen Dijudication der
Sache ſelbſt noͤthig iſt. Alſo ſahe GOtt bey
der Eroͤffnung ſeines uͤber Sodom beſchloſſenen
Gerichts Abrahams Perſon an. Geneſ. 18, 29.
Siehe auch Exod. 32, 14. Actor. 17, 24. Und
alſo iſt leichtlich zu erachten, daß auch vor dem
Gerichte GOttes die Abgoͤtterey eines Juden
fuͤr ein weit groͤſſeres Verbrechen gehalten wird,
als die eines Heyden: und daß die Gutthaͤtig-
keit, die von einem Beleidigten herruͤhret, viel
edler iſt, als die, welche ein Freund dem an-
dern beweiſet. Wie es denn uͤberhaupt vor dem
Gerichte GOttes heißt: Nachdem die Per-
ſon iſt, nachdem iſt die Sache;
wenn nem-
lich die Sache von der Perſon ihre meiſte Eigen-
ſchaft empfaͤhet. Denn iſt die Perſon glaubig
und in CHriſto GOTT gefaͤllig, ſo gefaͤllt ihr
auch das im Glauben gethane Werck wohl: iſt
ſie aber unglaͤubig und auſſer CHriſto, ſo iſt ihr
auch das Werck mißfaͤllig; wenn es auch gleich
dem aͤuſſerlichen Anſehen nach von dem Wercke
des Glaͤubigen nicht unterſchieden waͤre. Und
alſo gilt auch hier, was man ſonſt ſagt: Duo
cum faciunt idem, non eſt idem.

4. Geliebter Leſer, weil bey GOtt kein
Anſehen der Perſon iſt, ſo laß ja alle Entſchul-
digungen fahren, die du bey Ermangelung des
rechtſchaffenen Chriſtenthums entweder von dei-
nem Alter, oder von deinem Stande, oder von
anderer Beſchaffenheit deiner Perſon hernimſt.
Denn du koͤmmſt damit vor dem Gerichte Got-
tes nicht aus!

V. 12.

Welche (nemlich die Heyden) ohne (das
von GOtt geoffenbarete und geſchriebene Mo-
ral) Geſetze (ſo ſie weder gehabt, noch auch,
in ſo fern ſie es, aus der Kundſchaft von den
Juden, erkennen konten, geachtet, noch an-
genommen haben; ob es ihnen gleich dem We-
ſen nach in ihr Hertz geſchrieben war, alſo, wie
zuvor mit mehrern angezeiget iſt,) geſuͤndiget
haben
(und in ihrer Suͤnde mit Unbußfertig-
keit verharret ſind) die werden auch ohne
(daſſelbe) Geſetz (ob ſie es gleich nicht gehabt)
verlohren werden (und alſo aller Seligkeit,
welche ſie in der Gemeinſchaft mit GOtt ſonſt
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[39/0067] Cap. 2, v. 10-12. an die Roͤmer. Anmerckungen. 1. Herrlichkeit, Wuͤrde, Ehre und Ruhe, oder einen unzerſtoͤrlichen Wohlſtand, auſſer GOTT ſuchen, iſt eine Thorheit; da es die Welt mit allen ihren Geſchoͤpfen auſſer GOtt ſo gar nicht haben kan, daß ſie die ver- blendete Seele vielmehr zum Gegentheil ver- leitet. 2. Da nun aber der Seele, ihrem unſterb- lichen Weſen nach, gleichwol die Begierden, nach Wuͤrden, Ehre und Ruhe zu ſtreben, ein- gepflantzet ſind; ſo ſiehet man wol, wozu uns dieſelbe dienen ſollen; nemlich zu der Bemuͤ- hung, daß wir ſie aus derjenigen Kraft, und in derjenigen Ordnung, welche uns GOttes Wort anweiſet, in GOtt und goͤttliche Din- ge, als ihr rechtes Object, gereiniget einfuͤhren ſollen. V. 11. Denn es iſt kein Anſehen der Perſon vor (bey) GOTT. Anmerckungen. 1. Diß iſt eine Redens-Art, welche von menſchlichen Gerichten hergenommen iſt. Denn in dieſen hat man es zu thun mit den Perſonen und mit den Sachen, welche ſie vor Gericht ha- ben oder bringen. Nun kan zwar weder die Perſon ohne die Sache, noch die Sache ohne die Perſon ſeyn, die ſie hat, oder treibet: al- lein man hat es doch in den Gerichten eigentlich nicht mit den Perſonen, ſondern mit ihren Sachen zu thun. Wenn nun der Richter die Sache, ſie mag ſo gerecht, oder ſo ungerecht ſeyn, als ſie immer kan, aus den Augen ſetzet, und ſich hiezu durch die Beſchaffenheit der Per- ſon verleiten laͤßt, in Anſehung deſſen, daß er ſie liebet, oder haſſet, daß er Schaden, oder Vortheil von ihr hat, daß ſie vornehm, reich, und geehrt, oder gering, arm und verachtet iſt; und alſo ſeinen richterlichen Ausſpruch nicht nach der Sachen, ſondern nach der Perſonen Bewandniß, thut; ſo ſiehet er die Perſon an und erweiſet ſich parteyiſch. Welches kein ge- rechter Richter thut und thun muß: Wie es denn GOTT noch mehrmal und ſo viel nach- druͤcklicher verboten hat, ſo vielmehr es bey dem ſo groſſen Verfall des menſchlichen Geſchlechts geſchiehet. Siehe Lev. 19, 15. Deut. 1, 17. 16, 17. 18. 2 Chron. 19, 6. 7. Prov. 24, 23. Jm- gleichen Joh. 6, 24. alwo unſer Heyland das Anſehen der Perſon vor Gericht, ein richten nach dem Anſehen nennet, wenn er ſpricht: Richtet nicht nach dem Anſehen, ſondern richtet ein recht Gericht. Nun aber iſt GOTT der allgemeine Richter dieſer Welt Gen. 18, 25. u. ſ. w. der ſo viel weniger auf die bloſſe Perſon, und ſo viel mehr auf die Sache ſelbſt ſiehet, ſo viel genauer er alle Dinge, die in ſein Gericht laufen, einſiehet, und ſie recht entſcheiden und zur Strafe oder zur Belohnung abthun kan, und ſo viel weniger er durch den geringſten unrichtigen Affect daran verhindert wird. Siehe auch Deut. 10, 17. Job. 34, 17. Act. 10, 34. Gal. 2, 6. Eph. 6, 9. Col. 3, 24. 25. 1 Pet. 1, 17. Da es heißt, daß GOtt oh- ne Anſehen der Perſon richtet, nach eines ieden Wercken oder nach der Sache ſelbſt. 2. Es kan zwar auch und muß vor weltli- chem Gerichte oft mit auf die Perſonen geſehen werden; allein in ſofern es die Sache ſelbſt er- fodert. Denn wenn zum Exempel ein Knabe von 12 Jahren und ein Juͤngling oder junger Mann von 24 oder 30 Jahren einerley verbro- chen haben, da gewinnet das Verbrechen ſelbſt, aus Betrachtung der Perſonen, eine unterſchie- ſchiedene Geſtalt. 3. Alſo gehet es auch vor dem goͤttlichen Gerichte in Anſehung des guten und des boͤſen, daß nemlich ein ſolches Anſehen der Perſon ſtatt findet, welches zur richtigen Dijudication der Sache ſelbſt noͤthig iſt. Alſo ſahe GOtt bey der Eroͤffnung ſeines uͤber Sodom beſchloſſenen Gerichts Abrahams Perſon an. Geneſ. 18, 29. Siehe auch Exod. 32, 14. Actor. 17, 24. Und alſo iſt leichtlich zu erachten, daß auch vor dem Gerichte GOttes die Abgoͤtterey eines Juden fuͤr ein weit groͤſſeres Verbrechen gehalten wird, als die eines Heyden: und daß die Gutthaͤtig- keit, die von einem Beleidigten herruͤhret, viel edler iſt, als die, welche ein Freund dem an- dern beweiſet. Wie es denn uͤberhaupt vor dem Gerichte GOttes heißt: Nachdem die Per- ſon iſt, nachdem iſt die Sache; wenn nem- lich die Sache von der Perſon ihre meiſte Eigen- ſchaft empfaͤhet. Denn iſt die Perſon glaubig und in CHriſto GOTT gefaͤllig, ſo gefaͤllt ihr auch das im Glauben gethane Werck wohl: iſt ſie aber unglaͤubig und auſſer CHriſto, ſo iſt ihr auch das Werck mißfaͤllig; wenn es auch gleich dem aͤuſſerlichen Anſehen nach von dem Wercke des Glaͤubigen nicht unterſchieden waͤre. Und alſo gilt auch hier, was man ſonſt ſagt: Duo cum faciunt idem, non eſt idem. 4. Geliebter Leſer, weil bey GOtt kein Anſehen der Perſon iſt, ſo laß ja alle Entſchul- digungen fahren, die du bey Ermangelung des rechtſchaffenen Chriſtenthums entweder von dei- nem Alter, oder von deinem Stande, oder von anderer Beſchaffenheit deiner Perſon hernimſt. Denn du koͤmmſt damit vor dem Gerichte Got- tes nicht aus! V. 12. Welche (nemlich die Heyden) ohne (das von GOtt geoffenbarete und geſchriebene Mo- ral) Geſetze (ſo ſie weder gehabt, noch auch, in ſo fern ſie es, aus der Kundſchaft von den Juden, erkennen konten, geachtet, noch an- genommen haben; ob es ihnen gleich dem We- ſen nach in ihr Hertz geſchrieben war, alſo, wie zuvor mit mehrern angezeiget iſt,) geſuͤndiget haben (und in ihrer Suͤnde mit Unbußfertig- keit verharret ſind) die werden auch ohne (daſſelbe) Geſetz (ob ſie es gleich nicht gehabt) verlohren werden (und alſo aller Seligkeit, welche ſie in der Gemeinſchaft mit GOtt ſonſt haͤtten zu genieſſen gehabt, beraubet bleiben, gleichwie ſie in der Zeit des rechten Adels ihrer Seele, welche ſie am Ebenbilde GOttes hat, aus

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/67>, abgerufen am 24.11.2024.