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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 4, 26-28.
[Spaltenumbruch] mit der Mensch am allerleichtesten und öftersten
kan übereilet werden; sonderlich wenn man dem
natürlichen Temperamente nach dazu vor an-
dern geneiget ist, und vor der Bekehrung dem-
selben sehr ergeben gewesen, also daß man es so
viel mehr gewohnet worden. Dazu bey man-
chen die öftere Reitzungen bey so mancher Gele-
genheit kommen. Die denn am allerschädlich-
sten sind, wenn sie einem gar unvermuthet, auch
wol ihrer mehrere auf einmal, oder doch zu der
Zeit kommen, da man mit dem Gemüth ohne
das im Druck und Leiden stehet, und sich ge-
schwächet befindet.
2. Es wird auch manchmal von einem
Amts halber ein solcher Ernst und Eifer wi-
der allerhand Unordnung, gottloses Wesen und
Aergernisse erfodert, welcher einem Zorn gar
ähnlich ist. Und auch dabey kan man leichtlich
zuviel thun, wenn man wider die mit einschlei-
chende und unlautere natürliche Hitze nicht in ge-
nugsamer Wachsamkeit mit göttlicher Kraft auf
seiner Hut ist.
3. Durch das Nicht-sündigen verstehet der
Apostel die Enthaltung von einer mehrern Sün-
de, daß nicht die erste Bewegungen zu ihrer Herr-
schaft kommen. Denn es haben schon die aus
der Erb-Sünde aufsteigende erste Regungen ei-
ne wirckliche Sünde in sich, welche so fort de-
müthigst vor GOTT zu erkennen ist.
4. Wer zum Zorne, sonderlich zum Jag-
Zorne, vor andern geneiget ist, dem ist nicht
besser zu rathen, als daß er, ausser dem, daß er
allezeit wohl auf seiner Hut zu stehen hat, täglich
zu gewisser Zeit eine aufrichtige Selbst-Prü-
fung
anstelle, und darinnen theils mit demü-
thiger Abbitte bey GOTT abthue, worinnen
er sich sonderlich von der allerletzten Zeit an schul-
dig erkennet, theils auch sich mit einem vesten
Vorsatze waffne, sich künftig bey dieser und je-
ner Gelegenheit besser vor der Ubernehmung zu
hüten. Und wenn denn auch gleich damit noch
nicht erhalten wird, daß man von aller Verge-
hung gantz frey bleibet, so wird man doch da-
durch von diesem Ubel immer mehr und mehr be-
freyet: zumal wenn der Vorsatz mit hertzlicher
Anrufung GOttes um mehrere Gnaden-Kraft
gemachet, und oft wiederholet wird.
5. Gleichwie sich die zum Zorn gereitzete
vor der Sünde der Einwilligung und Hegung
auch Vermehrung wohl zu hüten haben: so ha-
ben sich andere in acht zu nehmen, daß sie,
wenn sie bey einem, dem doch sonst sein Christen-
thum ein Ernst ist, einigen Ausbruch des Zorns
wahrnehmen, deßwegen nicht zu hart von ihm
urtheilen. Denn sie wissen ja nicht so genau,
in was für Umständen er zu der Ubereilung ge-
bracht worden, und noch weniger, ob er es nicht
GOTT bald darauf mit reuiger Erkäntniß
wehmüthigst abgebeten habe. Da denn, was
einem GOTT vergeben hat, einem von Men-
schen so viel weniger soll zugerechnet werden.
6. Es sind aber die Worte Pauli aus dem
vierten Psalm v. 4-9. genommen. Da es eben
also heißt: Zürnet ihr, so sündiget nicht.
Da von dem Zorn und von der daher entstehen-
den Zungen-Sünde sonderlich in dem Briefe
[Spaltenumbruch] Jacobi gehandelt wird, so hat man denselben von
dieser Materie fleißig nachzulesen, und mit un-
terschiedlichen Stellen des Sirachs zu conferi-
ren. Denn bald im ersten Capitel heißt es v.
19. 20. Ein ieglicher Mensch sey schnell zu
hören, langsam aber zu reden, und lang-
sam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn
thut nicht, was vor GOTT recht ist.
Sie-
he auch v. 26. 3, 3. u. s. f.
7. Die hinzu gesetzten Worte: Lasset die
Sonne nicht untergehen in eurem Zorne,

halten in sich ein Sprichwort, und heissen so viel,
als daß man dem Zorn nicht nachhangen soll,
sondern ihn bald in sich zu dämpfen suchen. Und
also ist damit niemanden verstattet, daß er, wenn
er etwa des Morgens oder des Mittags in Zorn
geräth, denselben wol ohne Sünde bis an den
Abend bey sich könne herrschen lassen. Denn
eine schon bis dahin verstattete Herrschaft wür-
de das arme Hertze hernach wol noch länger ge-
fangen halten. Es findet sich dergleichen Re-
dens-Art auch 5 Buch Mos. 24, 15. da befohlen
wird, man soll dem Arbeiter den Lohn des
Tages geben, daß die Sonne nicht darü-
ber untergehe.
V. 27.

Gebet auch nicht Raum dem Läste-
rer,
(dem Teufel, welcher der Haupt-Lästerer
ist, und die Menschen bey GOtt, auch GOtt
mit Eingebung widriger Gedancken bey den Men-
schen verlästert.)

Anmerckungen.
1. Der Apostel gedencket, nach der Abmah-
nung vom Zorn, des Teufels, als eines Läste-
rers, der vom lästern seinen Namen bey den
Griechen hat, fürnemlich darum, weil der Zorn
unter andern sonderlich daher zu entstehen pfle-
get, wenn man höret, wie man von diesem und
jenem mit Worten beleidiget worden. Giebt
man nun dem Zorne bey sich Raum, daß er das
Gemüth einnehmen und erfüllen kan, so giebt
man dadurch auch zugleich dem Teufel Raum,
als dem bey solcher Beschaffenheit das Hertze of-
fen stehet, daß er es zur Rache aufbringen und
damit verursachen kan, daß ein Mensch, der sich
für beleidigt hielte, sich noch viel mehr versün-
diget, als der, der ihn beleidiget hatte.
2. Wie dem Teufel nicht Raum zu ge-
ben
sey, zeiget Petrus an 1. Ep. c. 5, 8. 9. wenn
er spricht: Seyd nüchtern und wachet - -
Dem widerstehet vest im Glauben.
Und
Jac. 4, 17. Widerstehet dem Teufel, so flie-
het er von euch.
Es ist demnach diß nicht
Raum geben auch von einem tapfern Wider-
stand zu verstehen.
V. 28.

Wer gestohlen hat, (sonderlich in sei-
nem vorigen unbekehrten Zustande,) der steh-
le nicht mehr,
(beweise die Aenderung seines
Gemüths und die von GOTT seines Diebstals
wegen empfangene Vergebung der Sünden da-
mit, daß er solche Sünde hinfort nicht allein
auf eine grobe, sondern auch auf eine subtile

Art
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, 26-28.
[Spaltenumbruch] mit der Menſch am allerleichteſten und oͤfterſten
kan uͤbereilet werden; ſonderlich wenn man dem
natuͤrlichen Temperamente nach dazu vor an-
dern geneiget iſt, und vor der Bekehrung dem-
ſelben ſehr ergeben geweſen, alſo daß man es ſo
viel mehr gewohnet worden. Dazu bey man-
chen die oͤftere Reitzungen bey ſo mancher Gele-
genheit kommen. Die denn am allerſchaͤdlich-
ſten ſind, wenn ſie einem gar unvermuthet, auch
wol ihrer mehrere auf einmal, oder doch zu der
Zeit kommen, da man mit dem Gemuͤth ohne
das im Druck und Leiden ſtehet, und ſich ge-
ſchwaͤchet befindet.
2. Es wird auch manchmal von einem
Amts halber ein ſolcher Ernſt und Eifer wi-
der allerhand Unordnung, gottloſes Weſen und
Aergerniſſe erfodert, welcher einem Zorn gar
aͤhnlich iſt. Und auch dabey kan man leichtlich
zuviel thun, wenn man wider die mit einſchlei-
chende und unlautere natuͤrliche Hitze nicht in ge-
nugſamer Wachſamkeit mit goͤttlicher Kraft auf
ſeiner Hut iſt.
3. Durch das Nicht-ſuͤndigen verſtehet der
Apoſtel die Enthaltung von einer mehrern Suͤn-
de, daß nicht die erſte Bewegungen zu ihrer Herr-
ſchaft kommen. Denn es haben ſchon die aus
der Erb-Suͤnde aufſteigende erſte Regungen ei-
ne wirckliche Suͤnde in ſich, welche ſo fort de-
muͤthigſt vor GOTT zu erkennen iſt.
4. Wer zum Zorne, ſonderlich zum Jag-
Zorne, vor andern geneiget iſt, dem iſt nicht
beſſer zu rathen, als daß er, auſſer dem, daß er
allezeit wohl auf ſeiner Hut zu ſtehen hat, taͤglich
zu gewiſſer Zeit eine aufrichtige Selbſt-Pruͤ-
fung
anſtelle, und darinnen theils mit demuͤ-
thiger Abbitte bey GOTT abthue, worinnen
er ſich ſonderlich von der allerletzten Zeit an ſchul-
dig erkennet, theils auch ſich mit einem veſten
Vorſatze waffne, ſich kuͤnftig bey dieſer und je-
ner Gelegenheit beſſer vor der Ubernehmung zu
huͤten. Und wenn denn auch gleich damit noch
nicht erhalten wird, daß man von aller Verge-
hung gantz frey bleibet, ſo wird man doch da-
durch von dieſem Ubel immer mehr und mehr be-
freyet: zumal wenn der Vorſatz mit hertzlicher
Anrufung GOttes um mehrere Gnaden-Kraft
gemachet, und oft wiederholet wird.
5. Gleichwie ſich die zum Zorn gereitzete
vor der Suͤnde der Einwilligung und Hegung
auch Vermehrung wohl zu huͤten haben: ſo ha-
ben ſich andere in acht zu nehmen, daß ſie,
wenn ſie bey einem, dem doch ſonſt ſein Chriſten-
thum ein Ernſt iſt, einigen Ausbruch des Zorns
wahrnehmen, deßwegen nicht zu hart von ihm
urtheilen. Denn ſie wiſſen ja nicht ſo genau,
in was fuͤr Umſtaͤnden er zu der Ubereilung ge-
bracht worden, und noch weniger, ob er es nicht
GOTT bald darauf mit reuiger Erkaͤntniß
wehmuͤthigſt abgebeten habe. Da denn, was
einem GOTT vergeben hat, einem von Men-
ſchen ſo viel weniger ſoll zugerechnet werden.
6. Es ſind aber die Worte Pauli aus dem
vierten Pſalm v. 4-9. genommen. Da es eben
alſo heißt: Zuͤrnet ihr, ſo ſuͤndiget nicht.
Da von dem Zorn und von der daher entſtehen-
den Zungen-Suͤnde ſonderlich in dem Briefe
[Spaltenumbruch] Jacobi gehandelt wird, ſo hat man denſelben von
dieſer Materie fleißig nachzuleſen, und mit un-
terſchiedlichen Stellen des Sirachs zu conferi-
ren. Denn bald im erſten Capitel heißt es v.
19. 20. Ein ieglicher Menſch ſey ſchnell zu
hoͤren, langſam aber zu reden, und lang-
ſam zum Zorn. Denn des Menſchen Zorn
thut nicht, was vor GOTT recht iſt.
Sie-
he auch v. 26. 3, 3. u. ſ. f.
7. Die hinzu geſetzten Worte: Laſſet die
Sonne nicht untergehen in eurem Zorne,

halten in ſich ein Sprichwort, und heiſſen ſo viel,
als daß man dem Zorn nicht nachhangen ſoll,
ſondern ihn bald in ſich zu daͤmpfen ſuchen. Und
alſo iſt damit niemanden verſtattet, daß er, wenn
er etwa des Morgens oder des Mittags in Zorn
geraͤth, denſelben wol ohne Suͤnde bis an den
Abend bey ſich koͤnne herrſchen laſſen. Denn
eine ſchon bis dahin verſtattete Herrſchaft wuͤr-
de das arme Hertze hernach wol noch laͤnger ge-
fangen halten. Es findet ſich dergleichen Re-
dens-Art auch 5 Buch Moſ. 24, 15. da befohlen
wird, man ſoll dem Arbeiter den Lohn des
Tages geben, daß die Sonne nicht daruͤ-
ber untergehe.
V. 27.

Gebet auch nicht Raum dem Laͤſte-
rer,
(dem Teufel, welcher der Haupt-Laͤſterer
iſt, und die Menſchen bey GOtt, auch GOtt
mit Eingebung widriger Gedancken bey den Men-
ſchen verlaͤſtert.)

Anmerckungen.
1. Der Apoſtel gedencket, nach der Abmah-
nung vom Zorn, des Teufels, als eines Laͤſte-
rers, der vom laͤſtern ſeinen Namen bey den
Griechen hat, fuͤrnemlich darum, weil der Zorn
unter andern ſonderlich daher zu entſtehen pfle-
get, wenn man hoͤret, wie man von dieſem und
jenem mit Worten beleidiget worden. Giebt
man nun dem Zorne bey ſich Raum, daß er das
Gemuͤth einnehmen und erfuͤllen kan, ſo giebt
man dadurch auch zugleich dem Teufel Raum,
als dem bey ſolcher Beſchaffenheit das Hertze of-
fen ſtehet, daß er es zur Rache aufbringen und
damit verurſachen kan, daß ein Menſch, der ſich
fuͤr beleidigt hielte, ſich noch viel mehr verſuͤn-
diget, als der, der ihn beleidiget hatte.
2. Wie dem Teufel nicht Raum zu ge-
ben
ſey, zeiget Petrus an 1. Ep. c. 5, 8. 9. wenn
er ſpricht: Seyd nuͤchtern und wachet - -
Dem widerſtehet veſt im Glauben.
Und
Jac. 4, 17. Widerſtehet dem Teufel, ſo flie-
het er von euch.
Es iſt demnach diß nicht
Raum geben auch von einem tapfern Wider-
ſtand zu verſtehen.
V. 28.

Wer geſtohlen hat, (ſonderlich in ſei-
nem vorigen unbekehrten Zuſtande,) der ſteh-
le nicht mehr,
(beweiſe die Aenderung ſeines
Gemuͤths und die von GOTT ſeines Diebſtals
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[646/0674] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 4, 26-28. mit der Menſch am allerleichteſten und oͤfterſten kan uͤbereilet werden; ſonderlich wenn man dem natuͤrlichen Temperamente nach dazu vor an- dern geneiget iſt, und vor der Bekehrung dem- ſelben ſehr ergeben geweſen, alſo daß man es ſo viel mehr gewohnet worden. Dazu bey man- chen die oͤftere Reitzungen bey ſo mancher Gele- genheit kommen. Die denn am allerſchaͤdlich- ſten ſind, wenn ſie einem gar unvermuthet, auch wol ihrer mehrere auf einmal, oder doch zu der Zeit kommen, da man mit dem Gemuͤth ohne das im Druck und Leiden ſtehet, und ſich ge- ſchwaͤchet befindet. 2. Es wird auch manchmal von einem Amts halber ein ſolcher Ernſt und Eifer wi- der allerhand Unordnung, gottloſes Weſen und Aergerniſſe erfodert, welcher einem Zorn gar aͤhnlich iſt. Und auch dabey kan man leichtlich zuviel thun, wenn man wider die mit einſchlei- chende und unlautere natuͤrliche Hitze nicht in ge- nugſamer Wachſamkeit mit goͤttlicher Kraft auf ſeiner Hut iſt. 3. Durch das Nicht-ſuͤndigen verſtehet der Apoſtel die Enthaltung von einer mehrern Suͤn- de, daß nicht die erſte Bewegungen zu ihrer Herr- ſchaft kommen. Denn es haben ſchon die aus der Erb-Suͤnde aufſteigende erſte Regungen ei- ne wirckliche Suͤnde in ſich, welche ſo fort de- muͤthigſt vor GOTT zu erkennen iſt. 4. Wer zum Zorne, ſonderlich zum Jag- Zorne, vor andern geneiget iſt, dem iſt nicht beſſer zu rathen, als daß er, auſſer dem, daß er allezeit wohl auf ſeiner Hut zu ſtehen hat, taͤglich zu gewiſſer Zeit eine aufrichtige Selbſt-Pruͤ- fung anſtelle, und darinnen theils mit demuͤ- thiger Abbitte bey GOTT abthue, worinnen er ſich ſonderlich von der allerletzten Zeit an ſchul- dig erkennet, theils auch ſich mit einem veſten Vorſatze waffne, ſich kuͤnftig bey dieſer und je- ner Gelegenheit beſſer vor der Ubernehmung zu huͤten. Und wenn denn auch gleich damit noch nicht erhalten wird, daß man von aller Verge- hung gantz frey bleibet, ſo wird man doch da- durch von dieſem Ubel immer mehr und mehr be- freyet: zumal wenn der Vorſatz mit hertzlicher Anrufung GOttes um mehrere Gnaden-Kraft gemachet, und oft wiederholet wird. 5. Gleichwie ſich die zum Zorn gereitzete vor der Suͤnde der Einwilligung und Hegung auch Vermehrung wohl zu huͤten haben: ſo ha- ben ſich andere in acht zu nehmen, daß ſie, wenn ſie bey einem, dem doch ſonſt ſein Chriſten- thum ein Ernſt iſt, einigen Ausbruch des Zorns wahrnehmen, deßwegen nicht zu hart von ihm urtheilen. Denn ſie wiſſen ja nicht ſo genau, in was fuͤr Umſtaͤnden er zu der Ubereilung ge- bracht worden, und noch weniger, ob er es nicht GOTT bald darauf mit reuiger Erkaͤntniß wehmuͤthigſt abgebeten habe. Da denn, was einem GOTT vergeben hat, einem von Men- ſchen ſo viel weniger ſoll zugerechnet werden. 6. Es ſind aber die Worte Pauli aus dem vierten Pſalm v. 4-9. genommen. Da es eben alſo heißt: Zuͤrnet ihr, ſo ſuͤndiget nicht. Da von dem Zorn und von der daher entſtehen- den Zungen-Suͤnde ſonderlich in dem Briefe Jacobi gehandelt wird, ſo hat man denſelben von dieſer Materie fleißig nachzuleſen, und mit un- terſchiedlichen Stellen des Sirachs zu conferi- ren. Denn bald im erſten Capitel heißt es v. 19. 20. Ein ieglicher Menſch ſey ſchnell zu hoͤren, langſam aber zu reden, und lang- ſam zum Zorn. Denn des Menſchen Zorn thut nicht, was vor GOTT recht iſt. Sie- he auch v. 26. 3, 3. u. ſ. f. 7. Die hinzu geſetzten Worte: Laſſet die Sonne nicht untergehen in eurem Zorne, halten in ſich ein Sprichwort, und heiſſen ſo viel, als daß man dem Zorn nicht nachhangen ſoll, ſondern ihn bald in ſich zu daͤmpfen ſuchen. Und alſo iſt damit niemanden verſtattet, daß er, wenn er etwa des Morgens oder des Mittags in Zorn geraͤth, denſelben wol ohne Suͤnde bis an den Abend bey ſich koͤnne herrſchen laſſen. Denn eine ſchon bis dahin verſtattete Herrſchaft wuͤr- de das arme Hertze hernach wol noch laͤnger ge- fangen halten. Es findet ſich dergleichen Re- dens-Art auch 5 Buch Moſ. 24, 15. da befohlen wird, man ſoll dem Arbeiter den Lohn des Tages geben, daß die Sonne nicht daruͤ- ber untergehe. V. 27. Gebet auch nicht Raum dem Laͤſte- rer, (dem Teufel, welcher der Haupt-Laͤſterer iſt, und die Menſchen bey GOtt, auch GOtt mit Eingebung widriger Gedancken bey den Men- ſchen verlaͤſtert.) Anmerckungen. 1. Der Apoſtel gedencket, nach der Abmah- nung vom Zorn, des Teufels, als eines Laͤſte- rers, der vom laͤſtern ſeinen Namen bey den Griechen hat, fuͤrnemlich darum, weil der Zorn unter andern ſonderlich daher zu entſtehen pfle- get, wenn man hoͤret, wie man von dieſem und jenem mit Worten beleidiget worden. Giebt man nun dem Zorne bey ſich Raum, daß er das Gemuͤth einnehmen und erfuͤllen kan, ſo giebt man dadurch auch zugleich dem Teufel Raum, als dem bey ſolcher Beſchaffenheit das Hertze of- fen ſtehet, daß er es zur Rache aufbringen und damit verurſachen kan, daß ein Menſch, der ſich fuͤr beleidigt hielte, ſich noch viel mehr verſuͤn- diget, als der, der ihn beleidiget hatte. 2. Wie dem Teufel nicht Raum zu ge- ben ſey, zeiget Petrus an 1. Ep. c. 5, 8. 9. wenn er ſpricht: Seyd nuͤchtern und wachet - - Dem widerſtehet veſt im Glauben. Und Jac. 4, 17. Widerſtehet dem Teufel, ſo flie- het er von euch. Es iſt demnach diß nicht Raum geben auch von einem tapfern Wider- ſtand zu verſtehen. V. 28. Wer geſtohlen hat, (ſonderlich in ſei- nem vorigen unbekehrten Zuſtande,) der ſteh- le nicht mehr, (beweiſe die Aenderung ſeines Gemuͤths und die von GOTT ſeines Diebſtals wegen empfangene Vergebung der Suͤnden da- mit, daß er ſolche Suͤnde hinfort nicht allein auf eine grobe, ſondern auch auf eine ſubtile Art

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/674>, abgerufen am 18.07.2024.