Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, 15. 16. an die Epheser. [Spaltenumbruch]
ger werden und beharren möget) beuge ich(in tiefster Ehrerbietung mit hertzinniger Anru- fung) meine Knie gegen den Vater unsers HErrn JEsu Christi (der um Christi willen auch unser Vater ist) v. 15. der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heis- set im Himmel und auf Erden (Gr. von wel- chem alle Familien oder Geschlechter im Himmel und auf Erden ihre Benennung haben.) Anmerckungen. 1. Das Kniebeugen im Gebet, oder mit gebogenen Knien beten, ist eine gar gewöhn- liche und recht wohl geziemende Geberde der de- müthigen, ehrerbietigen und gläubigen Anbeter GOttes. Unser Heiland hat uns in dem Stan- de der Erniedrigung mit seinem hohenpriesterli- chen Gebet selbst ein Exempel davon gegeben Luc. 22, 41. dergleichen Stephanus Ap. Gesch. 7, 60. auch Petrus c. 9, 40. und Paulus bey seinem Abschiede von den Aeltesten der Ephesini- schen Gemeine c. 20, 36. und von der Gemeine zu Tyrus c. 21, 50. Es ist auch kein Zweifel, daß nicht an vielen andern Orten, da des Gebets nur insgemein gedacht wird, dasselbe meisten- theils auf diese Art verrichtet worden: inson- derheit von Paulo für die von ihm gepflantzten Gemeinen; sintemal er sie seiner Vorbitte fast in allen Briefen versiehert. 2. Es kömmt zwar im Gebete auf die äus- serliche Geberde eigentlich nicht an: wir haben davon auch kein Gesetze: und also stehet und blei- bet es in der Christlichen Freyheit, mit dieser oder jener Stellung des Leibes zu beten: es sey kniend oder sitzend, oder liegend, oder gehend: zumal, da sich bey manchen, sonderlich bey Kran- cken, das Knien nicht thun läßt; von andern aber im gehen und stehen, auch wol im sitzen, das Gebet, gar füglich geschehen kan. Es schicket sich doch aber keine Art der Geberden zu einem sonderlich brünstigen und ernstlichen Ge- bet besser, als das Knien, darinnen der Leib mit der Seele zur Demüthigung vor GOtt sich ver- einiget. 3. Ob nun Paulus, da er diesen Brief ge- schrieben, oder, seiner Gewohnheit nach, ieman- den in die Feder dictiret hat, auch wircklich kni- end diese Wünsches-Worte ausgesprochen, läßt sich nicht gewiß sagen. Denn gleichwie es eines theiles wohl seyn kan, so bringen es doch andern theils die Worte nicht eigentlich mit sich; son- dern es haben dieselbe Nachdrucks genug, ja noch mehr, wenn wir sagen, Paulus zeige da- mit an, wie und was er für die Ephesier zu be- ten pflege, und also wie bisher gebetet habe, also noch ferner beten werde. 4. Paulus nennet alhier GOtt den Va- ter unsers HErrn JEsu Christi, dieweil er durch Christum auch unser Vater ist. Denn da Chri- stus durch die Erlösung unser und wir sein wor- den sind, der Vater aber Christi, und Christus, als der Sohn, des Vaters ist, so kan es nicht fehlen, daß, wer Christum hat, in ihm auch den Vater habe. Und gleichwie Christus vom Vater hat die ewige Geburt, ewiges Licht vom ewigen Lichte: so haben wir in Christo von ihm [Spaltenumbruch] die Gnade der Wiedergeburt und das Recht der Kindschaft, und folglich den Zugang zum Va- ter, wie der Apostel kurtz vorher v. 12. bezeuget hat. 5. Das Wort patria, welches v. 15. ste- het, heisset eigentlich ein Geschlechte, eine Fa- milie, wie das Hebräische Wort [fremdsprachliches Material - fehlt]. Denn also wird es nicht allein in der Griechischen Version, sondern auch im N. Testamente gebrau- chet: als Luc. 2, 4. da es heißt, daß Joseph aus dem Hause und Geschlecht (patrias) Davids gewesen. Siehe auch Ap. Gesch. 3, 25. 6. Es muß demnach dieser Vers also über- setzet werden: Von welchem das gantze Ge- schlecht im Himmel und auf Erden seine Benennung hat. 7. Seine Benennung aber heißt nach der Hebräischen Mund-Art so viel, als wirck- lich seyn, und dabey den Ehren-Namen der Christen und Kinder GOttes führen. 8. Es ist demnach der Verstand dieser Worte dieser, daß von dem Vater herkomme al- les gesegnete Geschlecht der Auserwehlten im Himmel und auf Erden, in der schon triumphi- renden und noch streitenden Kirche; in welcher alle Geschlecht auf Erden also nach und nach des schon dem Abraham verheissenen Segens theil- haftig würden. 1 B. Mos. 12, 3. u. s. w. Die Wörtlein ex ou gehen eigentlich äuf den Vater, wie sonderlich aus dem nachfolgenden Contexte erhellet; als darinnen die Person, von welcher alhier die Rede ist, von Christo unterschieden wird. 9. Jm übrigen hat man alhier die Pflicht eines getreuen Lehrers und rechtschafnen Zuhö- rers wohl zu mercken: des Lehrers, daß er für die Zuhörer hertzlich zu GOtt bete, und da- mit er erhörlich beten könne, in dem Stande der Gnaden stehe: des Zuhörers, daß er sich zum Gnaden-Stande also bringen und sich darinnen also bevestigen lasse, wie die Ephesier gethan. Denn auf diese Art hat man einen Segen vom Gebet des Lehrers. Wir wollen nun sehen, wo- hin Pauli Gebet gerichtet gewesen sey. V. 16. Daß er euch Kraft gebe (daß er, wie Anmerckungen. 1. Ein anders ist der inwendige Mensch, ein anders der neue Mensch. Der inwendi- ge wird dem äusserlichen, das ist, dem Leibe entgegen gesetzet, und ist die Seele des Men- schen; daß also nach der Redens-Art der heili- gen Schrift der eine Mensch gleichsam ein ge- doppelter Mensch ist, gleichwie er würcklich eine gedoppelte, aus Leib und Seel bestehende und von GOtt recht wunderbarer Weise zusam- men gefügete Substantz ist. Darum heißt es 2 Cor. K k k k 3
Cap. 3, 15. 16. an die Epheſer. [Spaltenumbruch]
ger werden und beharren moͤget) beuge ich(in tiefſter Ehrerbietung mit hertzinniger Anru- fung) meine Knie gegen den Vater unſers HErrn JEſu Chriſti (der um Chriſti willen auch unſer Vater iſt) v. 15. der der rechte Vater iſt uͤber alles, was da Kinder heiſ- ſet im Himmel und auf Erden (Gr. von wel- chem alle Familien oder Geſchlechter im Himmel und auf Erden ihre Benennung haben.) Anmerckungen. 1. Das Kniebeugen im Gebet, oder mit gebogenen Knien beten, iſt eine gar gewoͤhn- liche und recht wohl geziemende Geberde der de- muͤthigen, ehrerbietigen und glaͤubigen Anbeter GOttes. Unſer Heiland hat uns in dem Stan- de der Erniedrigung mit ſeinem hohenprieſterli- chen Gebet ſelbſt ein Exempel davon gegeben Luc. 22, 41. dergleichen Stephanus Ap. Geſch. 7, 60. auch Petrus c. 9, 40. und Paulus bey ſeinem Abſchiede von den Aelteſten der Epheſini- ſchen Gemeine c. 20, 36. und von der Gemeine zu Tyrus c. 21, 50. Es iſt auch kein Zweifel, daß nicht an vielen andern Orten, da des Gebets nur insgemein gedacht wird, daſſelbe meiſten- theils auf dieſe Art verrichtet worden: inſon- derheit von Paulo fuͤr die von ihm gepflantzten Gemeinen; ſintemal er ſie ſeiner Vorbitte faſt in allen Briefen verſiehert. 2. Es koͤmmt zwar im Gebete auf die aͤuſ- ſerliche Geberde eigentlich nicht an: wir haben davon auch kein Geſetze: und alſo ſtehet und blei- bet es in der Chriſtlichen Freyheit, mit dieſer oder jener Stellung des Leibes zu beten: es ſey kniend oder ſitzend, oder liegend, oder gehend: zumal, da ſich bey manchen, ſonderlich bey Kran- cken, das Knien nicht thun laͤßt; von andern aber im gehen und ſtehen, auch wol im ſitzen, das Gebet, gar fuͤglich geſchehen kan. Es ſchicket ſich doch aber keine Art der Geberden zu einem ſonderlich bruͤnſtigen und ernſtlichen Ge- bet beſſer, als das Knien, darinnen der Leib mit der Seele zur Demuͤthigung vor GOtt ſich ver- einiget. 3. Ob nun Paulus, da er dieſen Brief ge- ſchrieben, oder, ſeiner Gewohnheit nach, ieman- den in die Feder dictiret hat, auch wircklich kni- end dieſe Wuͤnſches-Worte ausgeſprochen, laͤßt ſich nicht gewiß ſagen. Denn gleichwie es eines theiles wohl ſeyn kan, ſo bringen es doch andern theils die Worte nicht eigentlich mit ſich; ſon- dern es haben dieſelbe Nachdrucks genug, ja noch mehr, wenn wir ſagen, Paulus zeige da- mit an, wie und was er fuͤr die Epheſier zu be- ten pflege, und alſo wie bisher gebetet habe, alſo noch ferner beten werde. 4. Paulus nennet alhier GOtt den Va- ter unſers HErrn JEſu Chriſti, dieweil er durch Chriſtum auch unſer Vater iſt. Denn da Chri- ſtus durch die Erloͤſung unſer und wir ſein wor- den ſind, der Vater aber Chriſti, und Chriſtus, als der Sohn, des Vaters iſt, ſo kan es nicht fehlen, daß, wer Chriſtum hat, in ihm auch den Vater habe. Und gleichwie Chriſtus vom Vater hat die ewige Geburt, ewiges Licht vom ewigen Lichte: ſo haben wir in Chriſto von ihm [Spaltenumbruch] die Gnade der Wiedergeburt und das Recht der Kindſchaft, und folglich den Zugang zum Va- ter, wie der Apoſtel kurtz vorher v. 12. bezeuget hat. 5. Das Wort πατριὰ, welches v. 15. ſte- het, heiſſet eigentlich ein Geſchlechte, eine Fa- milie, wie das Hebraͤiſche Wort [fremdsprachliches Material – fehlt]. Denn alſo wird es nicht allein in der Griechiſchen Verſion, ſondern auch im N. Teſtamente gebrau- chet: als Luc. 2, 4. da es heißt, daß Joſeph aus dem Hauſe und Geſchlecht (πατριᾶς) Davids geweſen. Siehe auch Ap. Geſch. 3, 25. 6. Es muß demnach dieſer Vers alſo uͤber- ſetzet werden: Von welchem das gantze Ge- ſchlecht im Himmel und auf Erden ſeine Benennung hat. 7. Seine Benennung aber heißt nach der Hebraͤiſchen Mund-Art ſo viel, als wirck- lich ſeyn, und dabey den Ehren-Namen der Chriſten und Kinder GOttes fuͤhren. 8. Es iſt demnach der Verſtand dieſer Worte dieſer, daß von dem Vater herkomme al- les geſegnete Geſchlecht der Auserwehlten im Himmel und auf Erden, in der ſchon triumphi- renden und noch ſtreitenden Kirche; in welcher alle Geſchlecht auf Erden alſo nach und nach des ſchon dem Abraham verheiſſenen Segens theil- haftig wuͤrden. 1 B. Moſ. 12, 3. u. ſ. w. Die Woͤrtlein ἐξ οῦ gehen eigentlich aͤuf den Vater, wie ſonderlich aus dem nachfolgenden Contexte erhellet; als darinnen die Perſon, von welcher alhier die Rede iſt, von Chriſto unterſchieden wird. 9. Jm uͤbrigen hat man alhier die Pflicht eines getreuen Lehrers und rechtſchafnen Zuhoͤ- rers wohl zu mercken: des Lehrers, daß er fuͤr die Zuhoͤrer hertzlich zu GOtt bete, und da- mit er erhoͤrlich beten koͤnne, in dem Stande der Gnaden ſtehe: des Zuhoͤrers, daß er ſich zum Gnaden-Stande alſo bringen und ſich darinnen alſo beveſtigen laſſe, wie die Epheſier gethan. Denn auf dieſe Art hat man einen Segen vom Gebet des Lehrers. Wir wollen nun ſehen, wo- hin Pauli Gebet gerichtet geweſen ſey. V. 16. Daß er euch Kraft gebe (daß er, wie Anmerckungen. 1. Ein anders iſt der inwendige Menſch, ein anders der neue Menſch. Der inwendi- ge wird dem aͤuſſerlichen, das iſt, dem Leibe entgegen geſetzet, und iſt die Seele des Men- ſchen; daß alſo nach der Redens-Art der heili- gen Schrift der eine Menſch gleichſam ein ge- doppelter Menſch iſt, gleichwie er wuͤrcklich eine gedoppelte, aus Leib und Seel beſtehende und von GOtt recht wunderbarer Weiſe zuſam- men gefuͤgete Subſtantz iſt. Darum heißt es 2 Cor. K k k k 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0657" n="629"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3, 15. 16. an die Epheſer.</hi></fw><lb/><cb/> ger werden und beharren moͤget) <hi rendition="#fr">beuge ich</hi><lb/> (in tiefſter Ehrerbietung mit hertzinniger Anru-<lb/> fung) <hi rendition="#fr">meine Knie gegen den Vater unſers<lb/> HErrn JEſu Chriſti</hi> (der um Chriſti willen<lb/> auch unſer Vater iſt) v. 15. <hi rendition="#fr">der der rechte<lb/> Vater iſt uͤber alles, was da Kinder heiſ-<lb/> ſet im Himmel und auf Erden</hi> (Gr. von wel-<lb/> chem alle Familien oder Geſchlechter im Himmel<lb/> und auf Erden ihre Benennung haben.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Das <hi rendition="#fr">Kniebeugen</hi> im Gebet, oder<lb/> mit gebogenen Knien beten, iſt eine gar gewoͤhn-<lb/> liche und recht wohl geziemende Geberde der de-<lb/> muͤthigen, ehrerbietigen und glaͤubigen Anbeter<lb/> GOttes. Unſer Heiland hat uns in dem Stan-<lb/> de der Erniedrigung mit ſeinem hohenprieſterli-<lb/> chen Gebet ſelbſt ein Exempel davon gegeben<lb/> Luc. 22, 41. dergleichen Stephanus Ap. Geſch.<lb/> 7, 60. auch Petrus c. 9, 40. und Paulus bey<lb/> ſeinem Abſchiede von den Aelteſten der Epheſini-<lb/> ſchen Gemeine c. 20, 36. und von der Gemeine<lb/> zu Tyrus c. 21, 50. Es iſt auch kein Zweifel,<lb/> daß nicht an vielen andern Orten, da des Gebets<lb/> nur insgemein gedacht wird, daſſelbe meiſten-<lb/> theils auf dieſe Art verrichtet worden: inſon-<lb/> derheit von Paulo fuͤr die von ihm gepflantzten<lb/> Gemeinen; ſintemal er ſie ſeiner Vorbitte faſt<lb/> in allen Briefen verſiehert.</item><lb/> <item>2. Es koͤmmt zwar im Gebete auf die aͤuſ-<lb/> ſerliche Geberde eigentlich nicht an: wir haben<lb/> davon auch kein Geſetze: und alſo ſtehet und blei-<lb/> bet es in der Chriſtlichen Freyheit, mit dieſer<lb/> oder jener Stellung des Leibes zu beten: es ſey<lb/> kniend oder ſitzend, oder liegend, oder gehend:<lb/> zumal, da ſich bey manchen, ſonderlich bey Kran-<lb/> cken, das Knien nicht thun laͤßt; von andern<lb/> aber im gehen und ſtehen, auch wol im ſitzen,<lb/> das Gebet, gar fuͤglich geſchehen kan. Es<lb/> ſchicket ſich doch aber keine Art der Geberden zu<lb/> einem ſonderlich bruͤnſtigen und ernſtlichen Ge-<lb/> bet beſſer, als das Knien, darinnen der Leib mit<lb/> der Seele zur Demuͤthigung vor GOtt ſich ver-<lb/> einiget.</item><lb/> <item>3. Ob nun Paulus, da er dieſen Brief ge-<lb/> ſchrieben, oder, ſeiner Gewohnheit nach, ieman-<lb/> den in die Feder <hi rendition="#aq">dictir</hi>et hat, auch wircklich kni-<lb/> end dieſe Wuͤnſches-Worte ausgeſprochen, laͤßt<lb/> ſich nicht gewiß ſagen. Denn gleichwie es eines<lb/> theiles wohl ſeyn kan, ſo bringen es doch andern<lb/> theils die Worte nicht eigentlich mit ſich; ſon-<lb/> dern es haben dieſelbe Nachdrucks genug, ja<lb/> noch mehr, wenn wir ſagen, Paulus zeige da-<lb/> mit an, wie und was er fuͤr die Epheſier zu be-<lb/> ten pflege, und alſo wie bisher gebetet habe, alſo<lb/> noch ferner beten werde.</item><lb/> <item>4. Paulus nennet alhier <hi rendition="#fr">GOtt</hi> den <hi rendition="#fr">Va-<lb/> ter</hi> unſers HErrn JEſu Chriſti, dieweil er durch<lb/> Chriſtum auch unſer Vater iſt. Denn da Chri-<lb/> ſtus durch die Erloͤſung <hi rendition="#fr">unſer</hi> und wir <hi rendition="#fr">ſein</hi> wor-<lb/> den ſind, der Vater aber Chriſti, und Chriſtus,<lb/> als der Sohn, des Vaters iſt, ſo kan es nicht<lb/> fehlen, daß, wer Chriſtum hat, in ihm auch den<lb/> Vater habe. Und gleichwie Chriſtus vom<lb/> Vater hat die ewige Geburt, ewiges Licht vom<lb/> ewigen Lichte: ſo haben wir in Chriſto von ihm<lb/><cb/> die Gnade der Wiedergeburt und das Recht der<lb/> Kindſchaft, und folglich den Zugang zum Va-<lb/> ter, wie der Apoſtel kurtz vorher v. 12. bezeuget<lb/> hat.</item><lb/> <item>5. Das Wort πατριὰ, welches v. 15. ſte-<lb/> het, heiſſet eigentlich ein <hi rendition="#fr">Geſchlechte,</hi> eine <hi rendition="#fr">Fa-<lb/> milie,</hi> wie das Hebraͤiſche Wort <foreign xml:lang="heb"><gap reason="fm" unit="words"/></foreign>.<lb/> Denn alſo wird es nicht allein in der Griechiſchen<lb/><hi rendition="#aq">Verſion,</hi> ſondern auch im N. Teſtamente gebrau-<lb/> chet: als Luc. 2, 4. da es heißt, daß Joſeph aus<lb/><hi rendition="#fr">dem Hauſe</hi> und Geſchlecht (πατριᾶς) <hi rendition="#fr">Davids<lb/> geweſen.</hi> Siehe auch Ap. Geſch. 3, 25.</item><lb/> <item>6. Es muß demnach dieſer Vers alſo uͤber-<lb/> ſetzet werden: <hi rendition="#fr">Von welchem das gantze Ge-<lb/> ſchlecht im Himmel und auf Erden ſeine<lb/> Benennung hat.</hi></item><lb/> <item>7. Seine <hi rendition="#fr">Benennung</hi> aber <hi rendition="#fr">heißt</hi> nach<lb/> der Hebraͤiſchen Mund-Art ſo viel, als <hi rendition="#fr">wirck-<lb/> lich ſeyn,</hi> und dabey den <hi rendition="#fr">Ehren-Namen</hi> der<lb/> Chriſten und Kinder GOttes fuͤhren.</item><lb/> <item>8. Es iſt demnach der Verſtand dieſer<lb/> Worte dieſer, daß von dem Vater herkomme al-<lb/> les geſegnete Geſchlecht der Auserwehlten im<lb/> Himmel und auf Erden, in der ſchon triumphi-<lb/> renden und noch ſtreitenden Kirche; in welcher<lb/> alle Geſchlecht auf Erden alſo nach und nach des<lb/> ſchon dem Abraham verheiſſenen Segens theil-<lb/> haftig wuͤrden. 1 B. Moſ. 12, 3. u. ſ. w. Die<lb/> Woͤrtlein ἐξ οῦ gehen eigentlich aͤuf den Vater,<lb/> wie ſonderlich aus dem nachfolgenden <hi rendition="#aq">Context</hi>e<lb/> erhellet; als darinnen die Perſon, von welcher<lb/> alhier die Rede iſt, von Chriſto unterſchieden<lb/> wird.</item><lb/> <item>9. Jm uͤbrigen hat man alhier die Pflicht<lb/> eines getreuen Lehrers und rechtſchafnen Zuhoͤ-<lb/> rers wohl zu mercken: <hi rendition="#fr">des Lehrers,</hi> daß er<lb/> fuͤr die Zuhoͤrer hertzlich zu GOtt bete, und da-<lb/> mit er erhoͤrlich beten koͤnne, in dem Stande der<lb/> Gnaden ſtehe: <hi rendition="#fr">des Zuhoͤrers,</hi> daß er ſich zum<lb/> Gnaden-Stande alſo bringen und ſich darinnen<lb/> alſo beveſtigen laſſe, wie die Epheſier gethan.<lb/> Denn auf dieſe Art hat man einen Segen vom<lb/> Gebet des Lehrers. Wir wollen nun ſehen, wo-<lb/> hin Pauli Gebet gerichtet geweſen ſey.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 16.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Daß er euch Kraft gebe</hi> (daß er, wie<lb/> er ſchon angefangen, fortfahre, euch immer voͤl-<lb/> liger zu machen) <hi rendition="#fr">nach dem Reichthum ſei-<lb/> ner Herrlichkeit</hi> (ſeiner ſo ſehr herrlichen Gna-<lb/> de und aller uͤbrigen unendlichen Vollkommen-<lb/> heiten) <hi rendition="#fr">ſtarck zu werden durch ſeinen Geiſt,<lb/> an dem inwendigen Menſchen</hi> (an allen<lb/> Kraͤften der Seelen.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Ein anders iſt der <hi rendition="#fr">inwendige Menſch,</hi><lb/> ein anders der <hi rendition="#fr">neue Menſch.</hi> Der <hi rendition="#fr">inwendi-<lb/> ge</hi> wird dem <hi rendition="#fr">aͤuſſerlichen,</hi> das iſt, dem <hi rendition="#fr">Leibe</hi><lb/> entgegen geſetzet, und iſt die Seele des Men-<lb/> ſchen; daß alſo nach der Redens-Art der heili-<lb/> gen Schrift der eine Menſch gleichſam ein <hi rendition="#fr">ge-<lb/> doppelter Menſch</hi> iſt, gleichwie er wuͤrcklich<lb/> eine gedoppelte, aus Leib und Seel beſtehende<lb/> und von GOtt recht wunderbarer Weiſe zuſam-<lb/> men gefuͤgete <hi rendition="#aq">Subſtan</hi>tz iſt. Darum heißt es<lb/> <fw place="bottom" type="sig">K k k k 3</fw><fw place="bottom" type="catch">2 Cor.</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [629/0657]
Cap. 3, 15. 16. an die Epheſer.
ger werden und beharren moͤget) beuge ich
(in tiefſter Ehrerbietung mit hertzinniger Anru-
fung) meine Knie gegen den Vater unſers
HErrn JEſu Chriſti (der um Chriſti willen
auch unſer Vater iſt) v. 15. der der rechte
Vater iſt uͤber alles, was da Kinder heiſ-
ſet im Himmel und auf Erden (Gr. von wel-
chem alle Familien oder Geſchlechter im Himmel
und auf Erden ihre Benennung haben.)
Anmerckungen.
1. Das Kniebeugen im Gebet, oder
mit gebogenen Knien beten, iſt eine gar gewoͤhn-
liche und recht wohl geziemende Geberde der de-
muͤthigen, ehrerbietigen und glaͤubigen Anbeter
GOttes. Unſer Heiland hat uns in dem Stan-
de der Erniedrigung mit ſeinem hohenprieſterli-
chen Gebet ſelbſt ein Exempel davon gegeben
Luc. 22, 41. dergleichen Stephanus Ap. Geſch.
7, 60. auch Petrus c. 9, 40. und Paulus bey
ſeinem Abſchiede von den Aelteſten der Epheſini-
ſchen Gemeine c. 20, 36. und von der Gemeine
zu Tyrus c. 21, 50. Es iſt auch kein Zweifel,
daß nicht an vielen andern Orten, da des Gebets
nur insgemein gedacht wird, daſſelbe meiſten-
theils auf dieſe Art verrichtet worden: inſon-
derheit von Paulo fuͤr die von ihm gepflantzten
Gemeinen; ſintemal er ſie ſeiner Vorbitte faſt
in allen Briefen verſiehert.
2. Es koͤmmt zwar im Gebete auf die aͤuſ-
ſerliche Geberde eigentlich nicht an: wir haben
davon auch kein Geſetze: und alſo ſtehet und blei-
bet es in der Chriſtlichen Freyheit, mit dieſer
oder jener Stellung des Leibes zu beten: es ſey
kniend oder ſitzend, oder liegend, oder gehend:
zumal, da ſich bey manchen, ſonderlich bey Kran-
cken, das Knien nicht thun laͤßt; von andern
aber im gehen und ſtehen, auch wol im ſitzen,
das Gebet, gar fuͤglich geſchehen kan. Es
ſchicket ſich doch aber keine Art der Geberden zu
einem ſonderlich bruͤnſtigen und ernſtlichen Ge-
bet beſſer, als das Knien, darinnen der Leib mit
der Seele zur Demuͤthigung vor GOtt ſich ver-
einiget.
3. Ob nun Paulus, da er dieſen Brief ge-
ſchrieben, oder, ſeiner Gewohnheit nach, ieman-
den in die Feder dictiret hat, auch wircklich kni-
end dieſe Wuͤnſches-Worte ausgeſprochen, laͤßt
ſich nicht gewiß ſagen. Denn gleichwie es eines
theiles wohl ſeyn kan, ſo bringen es doch andern
theils die Worte nicht eigentlich mit ſich; ſon-
dern es haben dieſelbe Nachdrucks genug, ja
noch mehr, wenn wir ſagen, Paulus zeige da-
mit an, wie und was er fuͤr die Epheſier zu be-
ten pflege, und alſo wie bisher gebetet habe, alſo
noch ferner beten werde.
4. Paulus nennet alhier GOtt den Va-
ter unſers HErrn JEſu Chriſti, dieweil er durch
Chriſtum auch unſer Vater iſt. Denn da Chri-
ſtus durch die Erloͤſung unſer und wir ſein wor-
den ſind, der Vater aber Chriſti, und Chriſtus,
als der Sohn, des Vaters iſt, ſo kan es nicht
fehlen, daß, wer Chriſtum hat, in ihm auch den
Vater habe. Und gleichwie Chriſtus vom
Vater hat die ewige Geburt, ewiges Licht vom
ewigen Lichte: ſo haben wir in Chriſto von ihm
die Gnade der Wiedergeburt und das Recht der
Kindſchaft, und folglich den Zugang zum Va-
ter, wie der Apoſtel kurtz vorher v. 12. bezeuget
hat.
5. Das Wort πατριὰ, welches v. 15. ſte-
het, heiſſet eigentlich ein Geſchlechte, eine Fa-
milie, wie das Hebraͤiſche Wort _ .
Denn alſo wird es nicht allein in der Griechiſchen
Verſion, ſondern auch im N. Teſtamente gebrau-
chet: als Luc. 2, 4. da es heißt, daß Joſeph aus
dem Hauſe und Geſchlecht (πατριᾶς) Davids
geweſen. Siehe auch Ap. Geſch. 3, 25.
6. Es muß demnach dieſer Vers alſo uͤber-
ſetzet werden: Von welchem das gantze Ge-
ſchlecht im Himmel und auf Erden ſeine
Benennung hat.
7. Seine Benennung aber heißt nach
der Hebraͤiſchen Mund-Art ſo viel, als wirck-
lich ſeyn, und dabey den Ehren-Namen der
Chriſten und Kinder GOttes fuͤhren.
8. Es iſt demnach der Verſtand dieſer
Worte dieſer, daß von dem Vater herkomme al-
les geſegnete Geſchlecht der Auserwehlten im
Himmel und auf Erden, in der ſchon triumphi-
renden und noch ſtreitenden Kirche; in welcher
alle Geſchlecht auf Erden alſo nach und nach des
ſchon dem Abraham verheiſſenen Segens theil-
haftig wuͤrden. 1 B. Moſ. 12, 3. u. ſ. w. Die
Woͤrtlein ἐξ οῦ gehen eigentlich aͤuf den Vater,
wie ſonderlich aus dem nachfolgenden Contexte
erhellet; als darinnen die Perſon, von welcher
alhier die Rede iſt, von Chriſto unterſchieden
wird.
9. Jm uͤbrigen hat man alhier die Pflicht
eines getreuen Lehrers und rechtſchafnen Zuhoͤ-
rers wohl zu mercken: des Lehrers, daß er
fuͤr die Zuhoͤrer hertzlich zu GOtt bete, und da-
mit er erhoͤrlich beten koͤnne, in dem Stande der
Gnaden ſtehe: des Zuhoͤrers, daß er ſich zum
Gnaden-Stande alſo bringen und ſich darinnen
alſo beveſtigen laſſe, wie die Epheſier gethan.
Denn auf dieſe Art hat man einen Segen vom
Gebet des Lehrers. Wir wollen nun ſehen, wo-
hin Pauli Gebet gerichtet geweſen ſey.
V. 16.
Daß er euch Kraft gebe (daß er, wie
er ſchon angefangen, fortfahre, euch immer voͤl-
liger zu machen) nach dem Reichthum ſei-
ner Herrlichkeit (ſeiner ſo ſehr herrlichen Gna-
de und aller uͤbrigen unendlichen Vollkommen-
heiten) ſtarck zu werden durch ſeinen Geiſt,
an dem inwendigen Menſchen (an allen
Kraͤften der Seelen.)
Anmerckungen.
1. Ein anders iſt der inwendige Menſch,
ein anders der neue Menſch. Der inwendi-
ge wird dem aͤuſſerlichen, das iſt, dem Leibe
entgegen geſetzet, und iſt die Seele des Men-
ſchen; daß alſo nach der Redens-Art der heili-
gen Schrift der eine Menſch gleichſam ein ge-
doppelter Menſch iſt, gleichwie er wuͤrcklich
eine gedoppelte, aus Leib und Seel beſtehende
und von GOtt recht wunderbarer Weiſe zuſam-
men gefuͤgete Subſtantz iſt. Darum heißt es
2 Cor.
K k k k 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |