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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 25. 26.
[Spaltenumbruch] im Geiste leben, heisset das geistliche Leben,
und dabey die Fülle der göttlichen Gnade, also
in sich haben und behalten, daß man darinnen,
als in seinem Elemente, seine rechte Nahrung,
seine vergnügliche Ruhe und Erquickung finde.
Der Wandel aber nach dem Geiste ist nicht
allein äusserlich, sondern zuvorderst und meh-
rentheils innerlich, und bestehet in einer solchen
Beschäftigung der Seelen, in welcher sie Glau-
be, Liebe und Hoffnung gegen GOTT ausü-
bet, sich in einer beständigen Aufopferung ge-
gen GOTT befindet, auch allen Christlichen
Tugenden, die gegen uns selbst und den Nech-
sten erwiesen werden müssen, innerlich ergeben
ist. Wo sich nun ein solcher innerlicher Wan-
del vor GOTT findet, da zeiget er sich denn
auch gar willig und reichlich durch die Früchte
im gantzen äusserlichen Leben.
4. Es kömmt demnach bey einem Men-
schen, der CHristum angehöret, darauf an,
daß, wenn ihn auch andere dafür halten sol-
len, sich Zeichen des geistlichen Lebens bey ihm
finden müssen. Und ob gleich ein Heuchler vie-
les ins Auge geben kan; so wird der Ungrund
davon doch bald offenbar.
5. Es ist nicht genug, sagen, man habe
GOTT im Hertzen:
als welches so manche
sichere und unbekehrte Menschen mit grossem
Selbst-Betruge vorgeben; und dabey es wol
gar für Heucheley halten, wenn sie an andern
einen ernstlichen Wandel sehen. Paulus will
nach der Beschaffenheit der Sache selbst beydes
bey einander haben, das Leben und den Wan-
del im Geist.
V. 26.

Lasset uns nicht eiteler Ehre geitzig
seyn,
(und also den Wandel im Geist zuvor-
derst mit Dämpfung des Ehr-Geitzes, als des
verborgensten und gemeinesten Lasters, bewei-
sen,) uns unter einander zu entrüsten,
(heraus zu fodern, oder zur Mißhelligkeit und
zum Gezäncke Anlaß zu geben, wie Ehrgeitzige
zu thun pflegen,) und zu hassen, (oder um
des guten willen, so man andern nicht gönnet,
zu beneiden.)

Anmerckungen.
1. Ausser dem Unglauben ist keine Sünde
gemeiner, schwerer, verborgener, scheinbarer
und schädlicher, als der Ehrgeitz. Dannen-
hero zuvorderst wohl zu mercken ist, worinnen
er bestehe, oder nicht bestehe.
2. Der Ehrgeitz bestehet nicht darinnen,
daß man GOttes Gnade und Gabe an sich er-
kennet, und ihn dafür dancket, dieselbe auch
wol vor andern bey gegebner genugsamer Ge-
legenheit rühmet. Denn diß kan auch mit ei-
nem einfältigen und demüthigen Hertzen gesche-
hen: wie wir an Paulo sehen. 1 Cor. 15, 9. 10.
Er bestehet auch nicht darinnen, daß man bey
Verunglimpfungen seine Unschuld rettet, wenn
es die Noth erfodert, oder auch auf die zum
Wohlstande und gemeinen Besten, auch wol zu
besonderer Erbauung gereichende Auctorität sei-
[Spaltenumbruch] ner Person und seines Amts in gehöriger Mas-
se hält: als welches der Obrigkeit, auch Eltern,
Lehrern und Haus-Herren, auch Haus-Frauen
oblieget.
3. Hingegen bestehet der Ehrgeitz darin-
nen, wenn der Mensch durch unordentliche
Selbst-Liebe ein solches Wohlgefallen an sich
selbst, an seinen Gaben, und an allem dem,
was ihn angehöret, hat, daß er es als sein Ei-
genthum mit Erhebung seiner selbst ansiehet, sich
dessen gerne rühmet und damit prahlet, oder,
wo ihm auch die klügere Vernunft solches nicht
zuläßt, doch gerne hat, daß er von andern ge-
lobet und gerühmet wird, auch sein Tichten und
Trachten dahin richtet, daß er nur geliebet
und gelobet, auch andern vorgezogen werden
möge.
4. Dieses Laster ist das allergemeineste.
Denn ob man gleich nicht sagen kan, daß man
von etlichen Sünden gantz frey sey, da sie der
Wurtzel nach alle in der Erb-Sünde liegen: so
pfleget sich doch eines vor dem andern mehr bey
diesen und jenen Menschen zu äussern, nachdem
die Erziehung, die Gewohnheit, auch Gele-
genheit nebst dem leiblichen Temperament mehr,
oder weniger Gelegenheit dazu giebet. Aber
der Ehrgeitz nebst der verderbten Eigenliebe
ist allgemein: wie er denn auch nebst dem Un-
glauben eben diejenige Haupt-Sünde gewesen
ist, wodurch unsere ersten Eltern zu Falle ge-
bracht sind, und das Ebenbild GOttes verloh-
ren haben. Daher sie der menschlichen Natur,
als ein rechtes Seelen-Gift, am tiefsten einge-
pflantzet worden.
5. Und hieraus ist auch die Schwere die-
ser Sünde zugleich zu erkennen. Denn durch
dieselbe raubet der Mensch nicht allein andern
Menschen, was ihnen zugehöret, da er sich ih-
nen vorziehet, sondern er entziehet auch GOtt,
was GOTTes ist; als unter dessen gewaltige
Hand er sich nicht demüthiget, sondern er er-
hebet sich in der That über ihn, indem er, nach
Art der ehrgeitzigen und eigenliebigen Leute,
seinen Sinn und Willen über den Willen Got-
tes hinweg setzet, und also einen Götzen aus sich
selbst machet.
6. So groß und schwer aber dieses Laster
gleich ist, so verborgen ist es doch, sonderlich
wenn dem Ehrgeitzigen ein solches Maß des na-
türlichen Verstandes beywohnet, daß er sich
durch äusserliche Geberden, auch Worte und
Handlungen nicht eben bloß giebet und prosti-
tuir
et. Denn da bleibet der Gift allein im Her-
tzen, oder äussert sich doch nur auf eine nicht so
gar merckliche Art.
7. Und folglich ist das Laster des Ehrgei-
tzes auch sehr scheinbar, oder nimmt den fal-
schen Schein der Tugenden an. Denn die
Begierde nach eiteler Ehre pfleget den Menschen
von allen solchen Dingen abzuziehen, dadurch
er in einige Verachtung vor Menschen kommen
kan. Und solcher gestalt gleichet ein Ehrgeitzi-
ger schön von aussen; wie man an den Phari-
säern sahe.
8. Die grosse Schädlichkeit dieses La-
sters bestehet darinnen, daß dadurch sonderlich
der
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 25. 26.
[Spaltenumbruch] im Geiſte leben, heiſſet das geiſtliche Leben,
und dabey die Fuͤlle der goͤttlichen Gnade, alſo
in ſich haben und behalten, daß man darinnen,
als in ſeinem Elemente, ſeine rechte Nahrung,
ſeine vergnuͤgliche Ruhe und Erquickung finde.
Der Wandel aber nach dem Geiſte iſt nicht
allein aͤuſſerlich, ſondern zuvorderſt und meh-
rentheils innerlich, und beſtehet in einer ſolchen
Beſchaͤftigung der Seelen, in welcher ſie Glau-
be, Liebe und Hoffnung gegen GOTT ausuͤ-
bet, ſich in einer beſtaͤndigen Aufopferung ge-
gen GOTT befindet, auch allen Chriſtlichen
Tugenden, die gegen uns ſelbſt und den Nech-
ſten erwieſen werden muͤſſen, innerlich ergeben
iſt. Wo ſich nun ein ſolcher innerlicher Wan-
del vor GOTT findet, da zeiget er ſich denn
auch gar willig und reichlich durch die Fruͤchte
im gantzen aͤuſſerlichen Leben.
4. Es koͤmmt demnach bey einem Men-
ſchen, der CHriſtum angehoͤret, darauf an,
daß, wenn ihn auch andere dafuͤr halten ſol-
len, ſich Zeichen des geiſtlichen Lebens bey ihm
finden muͤſſen. Und ob gleich ein Heuchler vie-
les ins Auge geben kan; ſo wird der Ungrund
davon doch bald offenbar.
5. Es iſt nicht genug, ſagen, man habe
GOTT im Hertzen:
als welches ſo manche
ſichere und unbekehrte Menſchen mit groſſem
Selbſt-Betruge vorgeben; und dabey es wol
gar fuͤr Heucheley halten, wenn ſie an andern
einen ernſtlichen Wandel ſehen. Paulus will
nach der Beſchaffenheit der Sache ſelbſt beydes
bey einander haben, das Leben und den Wan-
del im Geiſt.
V. 26.

Laſſet uns nicht eiteler Ehre geitzig
ſeyn,
(und alſo den Wandel im Geiſt zuvor-
derſt mit Daͤmpfung des Ehr-Geitzes, als des
verborgenſten und gemeineſten Laſters, bewei-
ſen,) uns unter einander zu entruͤſten,
(heraus zu fodern, oder zur Mißhelligkeit und
zum Gezaͤncke Anlaß zu geben, wie Ehrgeitzige
zu thun pflegen,) und zu haſſen, (oder um
des guten willen, ſo man andern nicht goͤnnet,
zu beneiden.)

Anmerckungen.
1. Auſſer dem Unglauben iſt keine Suͤnde
gemeiner, ſchwerer, verborgener, ſcheinbarer
und ſchaͤdlicher, als der Ehrgeitz. Dannen-
hero zuvorderſt wohl zu mercken iſt, worinnen
er beſtehe, oder nicht beſtehe.
2. Der Ehrgeitz beſtehet nicht darinnen,
daß man GOttes Gnade und Gabe an ſich er-
kennet, und ihn dafuͤr dancket, dieſelbe auch
wol vor andern bey gegebner genugſamer Ge-
legenheit ruͤhmet. Denn diß kan auch mit ei-
nem einfaͤltigen und demuͤthigen Hertzen geſche-
hen: wie wir an Paulo ſehen. 1 Cor. 15, 9. 10.
Er beſtehet auch nicht darinnen, daß man bey
Verunglimpfungen ſeine Unſchuld rettet, wenn
es die Noth erfodert, oder auch auf die zum
Wohlſtande und gemeinen Beſten, auch wol zu
beſonderer Erbauung gereichende Auctoritaͤt ſei-
[Spaltenumbruch] ner Perſon und ſeines Amts in gehoͤriger Maſ-
ſe haͤlt: als welches der Obrigkeit, auch Eltern,
Lehrern und Haus-Herren, auch Haus-Frauen
oblieget.
3. Hingegen beſtehet der Ehrgeitz darin-
nen, wenn der Menſch durch unordentliche
Selbſt-Liebe ein ſolches Wohlgefallen an ſich
ſelbſt, an ſeinen Gaben, und an allem dem,
was ihn angehoͤret, hat, daß er es als ſein Ei-
genthum mit Erhebung ſeiner ſelbſt anſiehet, ſich
deſſen gerne ruͤhmet und damit prahlet, oder,
wo ihm auch die kluͤgere Vernunft ſolches nicht
zulaͤßt, doch gerne hat, daß er von andern ge-
lobet und geruͤhmet wird, auch ſein Tichten und
Trachten dahin richtet, daß er nur geliebet
und gelobet, auch andern vorgezogen werden
moͤge.
4. Dieſes Laſter iſt das allergemeineſte.
Denn ob man gleich nicht ſagen kan, daß man
von etlichen Suͤnden gantz frey ſey, da ſie der
Wurtzel nach alle in der Erb-Suͤnde liegen: ſo
pfleget ſich doch eines vor dem andern mehr bey
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die Erziehung, die Gewohnheit, auch Gele-
genheit nebſt dem leiblichen Temperament mehr,
oder weniger Gelegenheit dazu giebet. Aber
der Ehrgeitz nebſt der verderbten Eigenliebe
iſt allgemein: wie er denn auch nebſt dem Un-
glauben eben diejenige Haupt-Suͤnde geweſen
iſt, wodurch unſere erſten Eltern zu Falle ge-
bracht ſind, und das Ebenbild GOttes verloh-
ren haben. Daher ſie der menſchlichen Natur,
als ein rechtes Seelen-Gift, am tiefſten einge-
pflantzet worden.
5. Und hieraus iſt auch die Schwere die-
ſer Suͤnde zugleich zu erkennen. Denn durch
dieſelbe raubet der Menſch nicht allein andern
Menſchen, was ihnen zugehoͤret, da er ſich ih-
nen vorziehet, ſondern er entziehet auch GOtt,
was GOTTes iſt; als unter deſſen gewaltige
Hand er ſich nicht demuͤthiget, ſondern er er-
hebet ſich in der That uͤber ihn, indem er, nach
Art der ehrgeitzigen und eigenliebigen Leute,
ſeinen Sinn und Willen uͤber den Willen Got-
tes hinweg ſetzet, und alſo einen Goͤtzen aus ſich
ſelbſt machet.
6. So groß und ſchwer aber dieſes Laſter
gleich iſt, ſo verborgen iſt es doch, ſonderlich
wenn dem Ehrgeitzigen ein ſolches Maß des na-
tuͤrlichen Verſtandes beywohnet, daß er ſich
durch aͤuſſerliche Geberden, auch Worte und
Handlungen nicht eben bloß giebet und proſti-
tuir
et. Denn da bleibet der Gift allein im Her-
tzen, oder aͤuſſert ſich doch nur auf eine nicht ſo
gar merckliche Art.
7. Und folglich iſt das Laſter des Ehrgei-
tzes auch ſehr ſcheinbar, oder nimmt den fal-
ſchen Schein der Tugenden an. Denn die
Begierde nach eiteler Ehre pfleget den Menſchen
von allen ſolchen Dingen abzuziehen, dadurch
er in einige Verachtung vor Menſchen kommen
kan. Und ſolcher geſtalt gleichet ein Ehrgeitzi-
ger ſchoͤn von auſſen; wie man an den Phari-
ſaͤern ſahe.
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[570/0598] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 25. 26. im Geiſte leben, heiſſet das geiſtliche Leben, und dabey die Fuͤlle der goͤttlichen Gnade, alſo in ſich haben und behalten, daß man darinnen, als in ſeinem Elemente, ſeine rechte Nahrung, ſeine vergnuͤgliche Ruhe und Erquickung finde. Der Wandel aber nach dem Geiſte iſt nicht allein aͤuſſerlich, ſondern zuvorderſt und meh- rentheils innerlich, und beſtehet in einer ſolchen Beſchaͤftigung der Seelen, in welcher ſie Glau- be, Liebe und Hoffnung gegen GOTT ausuͤ- bet, ſich in einer beſtaͤndigen Aufopferung ge- gen GOTT befindet, auch allen Chriſtlichen Tugenden, die gegen uns ſelbſt und den Nech- ſten erwieſen werden muͤſſen, innerlich ergeben iſt. Wo ſich nun ein ſolcher innerlicher Wan- del vor GOTT findet, da zeiget er ſich denn auch gar willig und reichlich durch die Fruͤchte im gantzen aͤuſſerlichen Leben. 4. Es koͤmmt demnach bey einem Men- ſchen, der CHriſtum angehoͤret, darauf an, daß, wenn ihn auch andere dafuͤr halten ſol- len, ſich Zeichen des geiſtlichen Lebens bey ihm finden muͤſſen. Und ob gleich ein Heuchler vie- les ins Auge geben kan; ſo wird der Ungrund davon doch bald offenbar. 5. Es iſt nicht genug, ſagen, man habe GOTT im Hertzen: als welches ſo manche ſichere und unbekehrte Menſchen mit groſſem Selbſt-Betruge vorgeben; und dabey es wol gar fuͤr Heucheley halten, wenn ſie an andern einen ernſtlichen Wandel ſehen. Paulus will nach der Beſchaffenheit der Sache ſelbſt beydes bey einander haben, das Leben und den Wan- del im Geiſt. V. 26. Laſſet uns nicht eiteler Ehre geitzig ſeyn, (und alſo den Wandel im Geiſt zuvor- derſt mit Daͤmpfung des Ehr-Geitzes, als des verborgenſten und gemeineſten Laſters, bewei- ſen,) uns unter einander zu entruͤſten, (heraus zu fodern, oder zur Mißhelligkeit und zum Gezaͤncke Anlaß zu geben, wie Ehrgeitzige zu thun pflegen,) und zu haſſen, (oder um des guten willen, ſo man andern nicht goͤnnet, zu beneiden.) Anmerckungen. 1. Auſſer dem Unglauben iſt keine Suͤnde gemeiner, ſchwerer, verborgener, ſcheinbarer und ſchaͤdlicher, als der Ehrgeitz. Dannen- hero zuvorderſt wohl zu mercken iſt, worinnen er beſtehe, oder nicht beſtehe. 2. Der Ehrgeitz beſtehet nicht darinnen, daß man GOttes Gnade und Gabe an ſich er- kennet, und ihn dafuͤr dancket, dieſelbe auch wol vor andern bey gegebner genugſamer Ge- legenheit ruͤhmet. Denn diß kan auch mit ei- nem einfaͤltigen und demuͤthigen Hertzen geſche- hen: wie wir an Paulo ſehen. 1 Cor. 15, 9. 10. Er beſtehet auch nicht darinnen, daß man bey Verunglimpfungen ſeine Unſchuld rettet, wenn es die Noth erfodert, oder auch auf die zum Wohlſtande und gemeinen Beſten, auch wol zu beſonderer Erbauung gereichende Auctoritaͤt ſei- ner Perſon und ſeines Amts in gehoͤriger Maſ- ſe haͤlt: als welches der Obrigkeit, auch Eltern, Lehrern und Haus-Herren, auch Haus-Frauen oblieget. 3. Hingegen beſtehet der Ehrgeitz darin- nen, wenn der Menſch durch unordentliche Selbſt-Liebe ein ſolches Wohlgefallen an ſich ſelbſt, an ſeinen Gaben, und an allem dem, was ihn angehoͤret, hat, daß er es als ſein Ei- genthum mit Erhebung ſeiner ſelbſt anſiehet, ſich deſſen gerne ruͤhmet und damit prahlet, oder, wo ihm auch die kluͤgere Vernunft ſolches nicht zulaͤßt, doch gerne hat, daß er von andern ge- lobet und geruͤhmet wird, auch ſein Tichten und Trachten dahin richtet, daß er nur geliebet und gelobet, auch andern vorgezogen werden moͤge. 4. Dieſes Laſter iſt das allergemeineſte. Denn ob man gleich nicht ſagen kan, daß man von etlichen Suͤnden gantz frey ſey, da ſie der Wurtzel nach alle in der Erb-Suͤnde liegen: ſo pfleget ſich doch eines vor dem andern mehr bey dieſen und jenen Menſchen zu aͤuſſern, nachdem die Erziehung, die Gewohnheit, auch Gele- genheit nebſt dem leiblichen Temperament mehr, oder weniger Gelegenheit dazu giebet. Aber der Ehrgeitz nebſt der verderbten Eigenliebe iſt allgemein: wie er denn auch nebſt dem Un- glauben eben diejenige Haupt-Suͤnde geweſen iſt, wodurch unſere erſten Eltern zu Falle ge- bracht ſind, und das Ebenbild GOttes verloh- ren haben. Daher ſie der menſchlichen Natur, als ein rechtes Seelen-Gift, am tiefſten einge- pflantzet worden. 5. Und hieraus iſt auch die Schwere die- ſer Suͤnde zugleich zu erkennen. Denn durch dieſelbe raubet der Menſch nicht allein andern Menſchen, was ihnen zugehoͤret, da er ſich ih- nen vorziehet, ſondern er entziehet auch GOtt, was GOTTes iſt; als unter deſſen gewaltige Hand er ſich nicht demuͤthiget, ſondern er er- hebet ſich in der That uͤber ihn, indem er, nach Art der ehrgeitzigen und eigenliebigen Leute, ſeinen Sinn und Willen uͤber den Willen Got- tes hinweg ſetzet, und alſo einen Goͤtzen aus ſich ſelbſt machet. 6. So groß und ſchwer aber dieſes Laſter gleich iſt, ſo verborgen iſt es doch, ſonderlich wenn dem Ehrgeitzigen ein ſolches Maß des na- tuͤrlichen Verſtandes beywohnet, daß er ſich durch aͤuſſerliche Geberden, auch Worte und Handlungen nicht eben bloß giebet und proſti- tuiret. Denn da bleibet der Gift allein im Her- tzen, oder aͤuſſert ſich doch nur auf eine nicht ſo gar merckliche Art. 7. Und folglich iſt das Laſter des Ehrgei- tzes auch ſehr ſcheinbar, oder nimmt den fal- ſchen Schein der Tugenden an. Denn die Begierde nach eiteler Ehre pfleget den Menſchen von allen ſolchen Dingen abzuziehen, dadurch er in einige Verachtung vor Menſchen kommen kan. Und ſolcher geſtalt gleichet ein Ehrgeitzi- ger ſchoͤn von auſſen; wie man an den Phari- ſaͤern ſahe. 8. Die groſſe Schaͤdlichkeit dieſes La- ſters beſtehet darinnen, daß dadurch ſonderlich der

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/598>, abgerufen am 24.11.2024.