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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 5, v. 29. an die Galater.
[Spaltenumbruch] der Geist des Menschen beflecket und in eine
Abgötterey seiner selbst eingeführet, und daher
die Bekehrung sehr schwer gemachet wird. Da-
zu richtet dasselbe im menschlichen Leben und in
der Kirche GOttes viele Mißhelligkeit und Un-
ruhe an: nach dem Ausspruche Salomonis
Sprichw. 13, 10. Unter den Stoltzen ist im-
mer Hader.
Welches auch Paulus anzeiget,
wenn er die Frucht des Ehrgeitzes in der Ent-
rüstung
und im Hasse, oder im Neide se-
tzet.
9. Ein besonderer Character des Ehrgei-
tzes ist die eitele Titel-Sucht, da man nach
diesem und jenem Amte strebet, nicht aus Be-
gierde, dem gemeinen Wesen zu dienen, sondern
nur ein Ansehen vor vielen andern zu haben;
und wenn man dazu nicht gelangen kan, den-
noch nach desselben leeren Titel suchet, und ihn
durch diesen und jenen Weg, ja wol gar durch
Geschencke auf eine kostbare Weise an sich brin-
get, auch wol bey seinem Namen mit Titeln
pranget, und zwar auch solcher Aemter, davon
man ohne wirckliche Bedienung und Verdien-
ste nur den blossen Namen träget. Welches
mit dem Sinne CHristi in seinen wahren Glie-
dern so gar nicht bestehen kan, daß auch der na-
türliche Verstand selbst in seinem gesunden Ge-
brauch es für einen Fehler erkennet.
10. Da der Ehrgeitz das allerscheinbareste
und gemeineste Laster ist, und er die verderbete
Natur in einen besondern Trieb zu solchen Han-
delungen, daraus man vor Menschen Ruhm
und Ehre erwartet, zu setzen pfleget: so ist er das
gemeineste principium der Beschliessungen und
Verrichtungen. Wodurch sie denn alle durch
und durch verderbet und GOTT mißfällig ge-
machet werden. Wo nun dieses principium
bey der Jugend eingeschärfet, und sie dadurch
zum Fleisse und zur Tugend angetrieben wird,
so wird es zu einem solchen Gifte, das da allen
Samen der Tauf-Gnade bey ihr nach und nach
ersticket; zumal bey solchen Gemüthern, die oh-
ne das zur ambition vor andern geneiget sind.
Der Wille GOttes und der Eltern, auch Prae-
ceptorum,
mit der Vorstellung der theils na-
türlichen, theils auch Christlichen Pflicht, und
[Spaltenumbruch] der künftigen wahren Wohlfahrt, auch der Zeit
und Gelegenheit, die man zum Fleisse hat,
nicht weniger der an sich der Liebe und des Fleis-
ses würdigen Beschaffenheit dieser und jener
Sprache und Wissenschaft, können der Ju-
gend Antriebes genug geben zum Fleisse und zum
Tugend-Wandel, daß man dazu des so gar
schädlichen principii der ambition gar nicht ge-
brauchet.
11. Damit den Ehrgeitzigen ein und die
andere Ausflucht benommen werde, so ist wohl
zu mercken, daß ein anders sey Ehre haben,
ein anders Ehre suchen. Ein anders dasje-
nige thun, woraus Ehre erfolget: ein an-
ders die Ehre und den Ruhm zum Zwecke,
oder doch zum Antriebe seines Thuns machen.
Denn es kan einer Ehre haben, der sie auch
nicht gesuchet hat, sondern der nur gehandelt
hat nach dem Triebe seines Gewissens, um nach
demselben dem erkanten Willen GOttes durch
seine schuldige Pflichten ein Genügen zu thun.
Da denn die daher entstehende Ehre ist wie ein
Schatten, der von sich selbst von einem Cör-
per fällt.
12. Wie sehr groß der Unterscheid sey un-
ter Ehre suchen, und Ehre durch ein löbliches
Verhalten erlangen und haben, ist sonderlich
daraus zu erkennen, daß man bey dem letztern
die Ehre nicht zum Zwecke hat, und daher we-
der die Handlung deßwegen, daß man davon
keinen Ruhm, sondern wol eher Verdruß und
Schmach zu gewarten hat, unterlässet; noch
auch sich darüber betrübet, wenn man siehet,
daß daraus, so nöthig und nützlich sie auch ist,
bey den verkehrten Menschen keine Ehre erfol-
get, sondern wol eher das Gegentheil. Ent-
stehet sie aber daher, so siehet man sie an mit
der Verleugnung seiner selbst, machet sie nicht
zu seinem Eigenthum, sondern führet sie auf
GOTT, und gebrauchet sie zum Mittel, da-
durch zur Ehre GOttes und des Nechsten Be-
stes etwas gutes zu befördern. Das ist der
Sinn CHristi: dazu hat er uns berufen, wenn
er saget: Lernet von mir: denn ich bin sanft-
müthig, und von Hertzen demüthig.
Das
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Cap. 5, v. 29. an die Galater.
[Spaltenumbruch] der Geiſt des Menſchen beflecket und in eine
Abgoͤtterey ſeiner ſelbſt eingefuͤhret, und daher
die Bekehrung ſehr ſchwer gemachet wird. Da-
zu richtet daſſelbe im menſchlichen Leben und in
der Kirche GOttes viele Mißhelligkeit und Un-
ruhe an: nach dem Ausſpruche Salomonis
Sprichw. 13, 10. Unter den Stoltzen iſt im-
mer Hader.
Welches auch Paulus anzeiget,
wenn er die Frucht des Ehrgeitzes in der Ent-
ruͤſtung
und im Haſſe, oder im Neide ſe-
tzet.
9. Ein beſonderer Character des Ehrgei-
tzes iſt die eitele Titel-Sucht, da man nach
dieſem und jenem Amte ſtrebet, nicht aus Be-
gierde, dem gemeinen Weſen zu dienen, ſondern
nur ein Anſehen vor vielen andern zu haben;
und wenn man dazu nicht gelangen kan, den-
noch nach deſſelben leeren Titel ſuchet, und ihn
durch dieſen und jenen Weg, ja wol gar durch
Geſchencke auf eine koſtbare Weiſe an ſich brin-
get, auch wol bey ſeinem Namen mit Titeln
pranget, und zwar auch ſolcher Aemter, davon
man ohne wirckliche Bedienung und Verdien-
ſte nur den bloſſen Namen traͤget. Welches
mit dem Sinne CHriſti in ſeinen wahren Glie-
dern ſo gar nicht beſtehen kan, daß auch der na-
tuͤrliche Verſtand ſelbſt in ſeinem geſunden Ge-
brauch es fuͤr einen Fehler erkennet.
10. Da der Ehrgeitz das allerſcheinbareſte
und gemeineſte Laſter iſt, und er die verderbete
Natur in einen beſondern Trieb zu ſolchen Han-
delungen, daraus man vor Menſchen Ruhm
und Ehre erwartet, zu ſetzen pfleget: ſo iſt er das
gemeineſte principium der Beſchlieſſungen und
Verrichtungen. Wodurch ſie denn alle durch
und durch verderbet und GOTT mißfaͤllig ge-
machet werden. Wo nun dieſes principium
bey der Jugend eingeſchaͤrfet, und ſie dadurch
zum Fleiſſe und zur Tugend angetrieben wird,
ſo wird es zu einem ſolchen Gifte, das da allen
Samen der Tauf-Gnade bey ihr nach und nach
erſticket; zumal bey ſolchen Gemuͤthern, die oh-
ne das zur ambition vor andern geneiget ſind.
Der Wille GOttes und der Eltern, auch Præ-
ceptorum,
mit der Vorſtellung der theils na-
tuͤrlichen, theils auch Chriſtlichen Pflicht, und
[Spaltenumbruch] der kuͤnftigen wahren Wohlfahrt, auch der Zeit
und Gelegenheit, die man zum Fleiſſe hat,
nicht weniger der an ſich der Liebe und des Fleiſ-
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Sprache und Wiſſenſchaft, koͤnnen der Ju-
gend Antriebes genug geben zum Fleiſſe und zum
Tugend-Wandel, daß man dazu des ſo gar
ſchaͤdlichen principii der ambition gar nicht ge-
brauchet.
11. Damit den Ehrgeitzigen ein und die
andere Ausflucht benommen werde, ſo iſt wohl
zu mercken, daß ein anders ſey Ehre haben,
ein anders Ehre ſuchen. Ein anders dasje-
nige thun, woraus Ehre erfolget: ein an-
ders die Ehre und den Ruhm zum Zwecke,
oder doch zum Antriebe ſeines Thuns machen.
Denn es kan einer Ehre haben, der ſie auch
nicht geſuchet hat, ſondern der nur gehandelt
hat nach dem Triebe ſeines Gewiſſens, um nach
demſelben dem erkanten Willen GOttes durch
ſeine ſchuldige Pflichten ein Genuͤgen zu thun.
Da denn die daher entſtehende Ehre iſt wie ein
Schatten, der von ſich ſelbſt von einem Coͤr-
per faͤllt.
12. Wie ſehr groß der Unterſcheid ſey un-
ter Ehre ſuchen, und Ehre durch ein loͤbliches
Verhalten erlangen und haben, iſt ſonderlich
daraus zu erkennen, daß man bey dem letztern
die Ehre nicht zum Zwecke hat, und daher we-
der die Handlung deßwegen, daß man davon
keinen Ruhm, ſondern wol eher Verdruß und
Schmach zu gewarten hat, unterlaͤſſet; noch
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bey den verkehrten Menſchen keine Ehre erfol-
get, ſondern wol eher das Gegentheil. Ent-
ſtehet ſie aber daher, ſo ſiehet man ſie an mit
der Verleugnung ſeiner ſelbſt, machet ſie nicht
zu ſeinem Eigenthum, ſondern fuͤhret ſie auf
GOTT, und gebrauchet ſie zum Mittel, da-
durch zur Ehre GOttes und des Nechſten Be-
ſtes etwas gutes zu befoͤrdern. Das iſt der
Sinn CHriſti: dazu hat er uns berufen, wenn
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[571/0599] Cap. 5, v. 29. an die Galater. der Geiſt des Menſchen beflecket und in eine Abgoͤtterey ſeiner ſelbſt eingefuͤhret, und daher die Bekehrung ſehr ſchwer gemachet wird. Da- zu richtet daſſelbe im menſchlichen Leben und in der Kirche GOttes viele Mißhelligkeit und Un- ruhe an: nach dem Ausſpruche Salomonis Sprichw. 13, 10. Unter den Stoltzen iſt im- mer Hader. Welches auch Paulus anzeiget, wenn er die Frucht des Ehrgeitzes in der Ent- ruͤſtung und im Haſſe, oder im Neide ſe- tzet. 9. Ein beſonderer Character des Ehrgei- tzes iſt die eitele Titel-Sucht, da man nach dieſem und jenem Amte ſtrebet, nicht aus Be- gierde, dem gemeinen Weſen zu dienen, ſondern nur ein Anſehen vor vielen andern zu haben; und wenn man dazu nicht gelangen kan, den- noch nach deſſelben leeren Titel ſuchet, und ihn durch dieſen und jenen Weg, ja wol gar durch Geſchencke auf eine koſtbare Weiſe an ſich brin- get, auch wol bey ſeinem Namen mit Titeln pranget, und zwar auch ſolcher Aemter, davon man ohne wirckliche Bedienung und Verdien- ſte nur den bloſſen Namen traͤget. Welches mit dem Sinne CHriſti in ſeinen wahren Glie- dern ſo gar nicht beſtehen kan, daß auch der na- tuͤrliche Verſtand ſelbſt in ſeinem geſunden Ge- brauch es fuͤr einen Fehler erkennet. 10. Da der Ehrgeitz das allerſcheinbareſte und gemeineſte Laſter iſt, und er die verderbete Natur in einen beſondern Trieb zu ſolchen Han- delungen, daraus man vor Menſchen Ruhm und Ehre erwartet, zu ſetzen pfleget: ſo iſt er das gemeineſte principium der Beſchlieſſungen und Verrichtungen. Wodurch ſie denn alle durch und durch verderbet und GOTT mißfaͤllig ge- machet werden. Wo nun dieſes principium bey der Jugend eingeſchaͤrfet, und ſie dadurch zum Fleiſſe und zur Tugend angetrieben wird, ſo wird es zu einem ſolchen Gifte, das da allen Samen der Tauf-Gnade bey ihr nach und nach erſticket; zumal bey ſolchen Gemuͤthern, die oh- ne das zur ambition vor andern geneiget ſind. Der Wille GOttes und der Eltern, auch Præ- ceptorum, mit der Vorſtellung der theils na- tuͤrlichen, theils auch Chriſtlichen Pflicht, und der kuͤnftigen wahren Wohlfahrt, auch der Zeit und Gelegenheit, die man zum Fleiſſe hat, nicht weniger der an ſich der Liebe und des Fleiſ- ſes wuͤrdigen Beſchaffenheit dieſer und jener Sprache und Wiſſenſchaft, koͤnnen der Ju- gend Antriebes genug geben zum Fleiſſe und zum Tugend-Wandel, daß man dazu des ſo gar ſchaͤdlichen principii der ambition gar nicht ge- brauchet. 11. Damit den Ehrgeitzigen ein und die andere Ausflucht benommen werde, ſo iſt wohl zu mercken, daß ein anders ſey Ehre haben, ein anders Ehre ſuchen. Ein anders dasje- nige thun, woraus Ehre erfolget: ein an- ders die Ehre und den Ruhm zum Zwecke, oder doch zum Antriebe ſeines Thuns machen. Denn es kan einer Ehre haben, der ſie auch nicht geſuchet hat, ſondern der nur gehandelt hat nach dem Triebe ſeines Gewiſſens, um nach demſelben dem erkanten Willen GOttes durch ſeine ſchuldige Pflichten ein Genuͤgen zu thun. Da denn die daher entſtehende Ehre iſt wie ein Schatten, der von ſich ſelbſt von einem Coͤr- per faͤllt. 12. Wie ſehr groß der Unterſcheid ſey un- ter Ehre ſuchen, und Ehre durch ein loͤbliches Verhalten erlangen und haben, iſt ſonderlich daraus zu erkennen, daß man bey dem letztern die Ehre nicht zum Zwecke hat, und daher we- der die Handlung deßwegen, daß man davon keinen Ruhm, ſondern wol eher Verdruß und Schmach zu gewarten hat, unterlaͤſſet; noch auch ſich daruͤber betruͤbet, wenn man ſiehet, daß daraus, ſo noͤthig und nuͤtzlich ſie auch iſt, bey den verkehrten Menſchen keine Ehre erfol- get, ſondern wol eher das Gegentheil. Ent- ſtehet ſie aber daher, ſo ſiehet man ſie an mit der Verleugnung ſeiner ſelbſt, machet ſie nicht zu ſeinem Eigenthum, ſondern fuͤhret ſie auf GOTT, und gebrauchet ſie zum Mittel, da- durch zur Ehre GOttes und des Nechſten Be- ſtes etwas gutes zu befoͤrdern. Das iſt der Sinn CHriſti: dazu hat er uns berufen, wenn er ſaget: Lernet von mir: denn ich bin ſanft- muͤthig, und von Hertzen demuͤthig. Das C c cc 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/599>, abgerufen am 24.11.2024.