Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 22-24. [Spaltenumbruch]
da es von diesen hiesse: die solches thun, diewerden das Reich GOttes nicht ererben: so heißt es von den Früchten des Geistes: wider solche ist das Gesetz nicht, nemlich sie zu ver- dammen. Denn ob gleich solche Früchte noch sehr unvollkommen sind, und das vollkommene Gesetz daran noch etwas verdammliches findet: so spricht es doch den Fluch wider sie nicht aus, weil die Kinder GOttes mit ihren Früchten un- ter dem Segen des Evangelii, und in CHisto er- funden stehen, also, daß ihnen seine Verdienste zur Gerechtigkeit zugerechnet werden. 3. Jnsonderheit stehet die Liebe nebst der Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit und Sanftmuth den zuvor benannten und wider das fünfte Gebot streitenden Lastern entgegen, wie die Keuschheit denen wider das sechste Ge- bot laufenden; welche vorher gleichfalls mit meh- rern Worten bezeichnet sind. 4. Daß bey den Pflichten auch der beyden Gnaden-Gaben, der Freude und des Frie- dens gedacht wird, ist eine Anzeige, daß die- selbe sich nirgends finden, als in einer solchen Seele, welche in der rechten Heils-Ordnung ste- het, und darinnen ihren so willigen als schuldi- gen Gehorsam gegen GOTT und seinem heili- gen Gesetze beweiset. Wie könte auch ein mit Haß und Bitterkeit gegen den Nächsten erfülle- tes, auch dabey mit herrschender Geilheit verun- ruhigtes Hertz den wahren Frieden in und mit GOTT haben, und der reinen Freude des Hei- ligen Geistes geniessen? 5. Es hat aber Paulus bey diesen Gnaden- Gaben ohne Zweifel auch auf diejenigen Pflichten gesehen, welche aus ihnen entspringen und zum Theil den zuvor benannten Lastern entgegen ste- hen: nemlich mit dem Worte Freude auf einen solchen Affect der Liebe, nach welchem man ei- nem an statt der Beneidung, oder der Mißgunst, sein Gutes gern gönnet, und es mit in seine Freu- de, die man in GOTT hat, und zu GOTT richtet, einführet, und es also ansiehet, als wäre es einem selbst wiederfahren: mit dem Worte Friede aber hat er darauf gesehen, daß, gleichwie ein Kind GOttes in GOTT und mit GOTT Friede hat, also, daß es mit muthwilli- gen Sünden nicht wider GOTT streitet, es also auch mit dem Nächsten an statt des Zancks und Sreits Friede hält, und gerne Friede machet, und demselben nachjaget. Rom. 12, 18. 1 Pet. 3, 11. Hebr. 12, 14. 6. Da das Wort Glaube alhier zwischen andern Tugenden gesetzet ist, heisset es so viel als Treue, Aufrichtigkeit, Wahrheit: wie denn auch bey den Hebräern das Wort [fremdsprachliches Material - fehlt] vom Glauben und zugleich von der Wahrhaftig- keit gebrauchet wird. Jn diesem Verstande ste- het es auch Tit. 2, 10. da es von den Dienstboten heißt, daß sie pisin pasan agathen, alle gute Treue beweisen sollen. Siehe auch 1 Tim. 2, 7. da didaskalos en pisei so viel ist, als pisos, ein getreuer Lehrer. 7. Es ist bey diesem Vers auch wohl zu mer- cken, daß das, was der Apostel vorher von den Lastern sagte, auch von den Tugenden gilt, nem- [Spaltenumbruch] lich und dergleichen: sintemal ausser den be- nannten noch viele andere sind, wie es der Nach- druck der zehen Gebote nebst der Auslegung, wel- che die gantze heilige Schrift davon giebet, uns anweiset. 8. Man hat sich im übrigen wohl zu prüfen, ob man ein solcher guter Baum sey, der die benannten und auch die übrigen Früchte des Geistes bringe, oder nicht? Können sie denn gleich nicht in der Vollkommenheit da seyn, so muß sich doch ihre Lauterkeit und darin ein rechter Ernst erweisen. Fehlet es an einer Tugend und Christen-Pflicht, also, daß sie gantz und gar man- gelt; so sind auch die übrigen nicht rechter Art: gleichwie, wo nur ein Laster herrschet, die an- dern auch auf gewisse Art ihren Platz behal- ten. 9. Eines aber ist in der Selbst-Prüfung wohl zu mercken, nemlich, daß man ja die na- türlichen Schein-Tugenden, darinnen die Na- tur der Gnade nachäffet, nicht für ächt ansehe. Darum es zur Unterscheidung des ächten und un- ächten darauf ankömmt, daß man wahrhaftig zu GOTT bekehret sey, und davon eine rechte Erfahrung habe. Jst das nicht, so ist der Mensch, wo nicht einem gantz unfruchtbaren, doch einem solchen Baume gleich, der nur wild Obst, so nicht zu gebrauchen ist, träget. Da es endlich heißt: Haue ihn ab! V. 24. Welche aber CHristum (also) angehö- Anmerckungen. 1. Es gehören zwar alle Menschen CHri- stum an, oder sind CHristi, in so fern sie nicht allein von CHristo, als wahren GOTT, mit dem Vater und dem Heiligen Geiste, erschaf- fen sind, und erhalten werden, sondern auch erlöset worden, nach Röm. 5, 18. 2 Joh. 2, 1. 2. Hier aber, wie aus den Worten, sein Fleisch creutzigen samt den Lüsten und Be- gierden, zu ersehen ist, wird von einem solchen Angehören CHristi geredet, da man wahrhaf- tig zu ihm bekehret, an ihn glaubig und durch seine geschenckte Gerechtigkeit gerecht worden, und also in sein Gnaden-Reich versetzet ist Col. 1, 13.
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 22-24. [Spaltenumbruch]
da es von dieſen hieſſe: die ſolches thun, diewerden das Reich GOttes nicht ererben: ſo heißt es von den Fruͤchten des Geiſtes: wider ſolche iſt das Geſetz nicht, nemlich ſie zu ver- dammen. Denn ob gleich ſolche Fruͤchte noch ſehr unvollkommen ſind, und das vollkommene Geſetz daran noch etwas verdammliches findet: ſo ſpricht es doch den Fluch wider ſie nicht aus, weil die Kinder GOttes mit ihren Fruͤchten un- ter dem Segen des Evangelii, und in CHiſto er- funden ſtehen, alſo, daß ihnen ſeine Verdienſte zur Gerechtigkeit zugerechnet werden. 3. Jnſonderheit ſtehet die Liebe nebſt der Geduld, Freundlichkeit, Guͤtigkeit und Sanftmuth den zuvor benannten und wider das fuͤnfte Gebot ſtreitenden Laſtern entgegen, wie die Keuſchheit denen wider das ſechſte Ge- bot laufenden; welche vorher gleichfalls mit meh- rern Worten bezeichnet ſind. 4. Daß bey den Pflichten auch der beyden Gnaden-Gaben, der Freude und des Frie- dens gedacht wird, iſt eine Anzeige, daß die- ſelbe ſich nirgends finden, als in einer ſolchen Seele, welche in der rechten Heils-Ordnung ſte- het, und darinnen ihren ſo willigen als ſchuldi- gen Gehorſam gegen GOTT und ſeinem heili- gen Geſetze beweiſet. Wie koͤnte auch ein mit Haß und Bitterkeit gegen den Naͤchſten erfuͤlle- tes, auch dabey mit herrſchender Geilheit verun- ruhigtes Hertz den wahren Frieden in und mit GOTT haben, und der reinen Freude des Hei- ligen Geiſtes genieſſen? 5. Es hat aber Paulus bey dieſen Gnaden- Gaben ohne Zweifel auch auf diejenigen Pflichten geſehen, welche aus ihnen entſpringen und zum Theil den zuvor benannten Laſtern entgegen ſte- hen: nemlich mit dem Worte Freude auf einen ſolchen Affect der Liebe, nach welchem man ei- nem an ſtatt der Beneidung, oder der Mißgunſt, ſein Gutes gern goͤnnet, und es mit in ſeine Freu- de, die man in GOTT hat, und zu GOTT richtet, einfuͤhret, und es alſo anſiehet, als waͤre es einem ſelbſt wiederfahren: mit dem Worte Friede aber hat er darauf geſehen, daß, gleichwie ein Kind GOttes in GOTT und mit GOTT Friede hat, alſo, daß es mit muthwilli- gen Suͤnden nicht wider GOTT ſtreitet, es alſo auch mit dem Naͤchſten an ſtatt des Zancks und Sreits Friede haͤlt, und gerne Friede machet, und demſelben nachjaget. Rom. 12, 18. 1 Pet. 3, 11. Hebr. 12, 14. 6. Da das Wort Glaube alhier zwiſchen andern Tugenden geſetzet iſt, heiſſet es ſo viel als Treue, Aufrichtigkeit, Wahrheit: wie denn auch bey den Hebraͤern das Wort [fremdsprachliches Material – fehlt] vom Glauben und zugleich von der Wahrhaftig- keit gebrauchet wird. Jn dieſem Verſtande ſte- het es auch Tit. 2, 10. da es von den Dienſtboten heißt, daß ſie πίςιν πᾶσαν ἀγαϑὴν, alle gute Treue beweiſen ſollen. Siehe auch 1 Tim. 2, 7. da διδάσκαλος ἐν πίςει ſo viel iſt, als πιςὸς, ein getreuer Lehrer. 7. Es iſt bey dieſem Vers auch wohl zu mer- cken, daß das, was der Apoſtel vorher von den Laſtern ſagte, auch von den Tugenden gilt, nem- [Spaltenumbruch] lich und dergleichen: ſintemal auſſer den be- nannten noch viele andere ſind, wie es der Nach- druck der zehen Gebote nebſt der Auslegung, wel- che die gantze heilige Schrift davon giebet, uns anweiſet. 8. Man hat ſich im uͤbrigen wohl zu pruͤfen, ob man ein ſolcher guter Baum ſey, der die benannten und auch die uͤbrigen Fruͤchte des Geiſtes bringe, oder nicht? Koͤnnen ſie denn gleich nicht in der Vollkommenheit da ſeyn, ſo muß ſich doch ihre Lauterkeit und darin ein rechter Ernſt erweiſen. Fehlet es an einer Tugend und Chriſten-Pflicht, alſo, daß ſie gantz und gar man- gelt; ſo ſind auch die uͤbrigen nicht rechter Art: gleichwie, wo nur ein Laſter herrſchet, die an- dern auch auf gewiſſe Art ihren Platz behal- ten. 9. Eines aber iſt in der Selbſt-Pruͤfung wohl zu mercken, nemlich, daß man ja die na- tuͤrlichen Schein-Tugenden, darinnen die Na- tur der Gnade nachaͤffet, nicht fuͤr aͤcht anſehe. Darum es zur Unterſcheidung des aͤchten und un- aͤchten darauf ankoͤmmt, daß man wahrhaftig zu GOTT bekehret ſey, und davon eine rechte Erfahrung habe. Jſt das nicht, ſo iſt der Menſch, wo nicht einem gantz unfruchtbaren, doch einem ſolchen Baume gleich, der nur wild Obſt, ſo nicht zu gebrauchen iſt, traͤget. Da es endlich heißt: Haue ihn ab! V. 24. Welche aber CHriſtum (alſo) angehoͤ- Anmerckungen. 1. Es gehoͤren zwar alle Menſchen CHri- ſtum an, oder ſind CHriſti, in ſo fern ſie nicht allein von CHriſto, als wahren GOTT, mit dem Vater und dem Heiligen Geiſte, erſchaf- fen ſind, und erhalten werden, ſondern auch erloͤſet worden, nach Roͤm. 5, 18. 2 Joh. 2, 1. 2. Hier aber, wie aus den Worten, ſein Fleiſch creutzigen ſamt den Luͤſten und Be- gierden, zu erſehen iſt, wird von einem ſolchen Angehoͤren CHriſti geredet, da man wahrhaf- tig zu ihm bekehret, an ihn glaubig und durch ſeine geſchenckte Gerechtigkeit gerecht worden, und alſo in ſein Gnaden-Reich verſetzet iſt Col. 1, 13.
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 22-24.
da es von dieſen hieſſe: die ſolches thun, die
werden das Reich GOttes nicht ererben:
ſo heißt es von den Fruͤchten des Geiſtes: wider
ſolche iſt das Geſetz nicht, nemlich ſie zu ver-
dammen. Denn ob gleich ſolche Fruͤchte noch
ſehr unvollkommen ſind, und das vollkommene
Geſetz daran noch etwas verdammliches findet:
ſo ſpricht es doch den Fluch wider ſie nicht aus,
weil die Kinder GOttes mit ihren Fruͤchten un-
ter dem Segen des Evangelii, und in CHiſto er-
funden ſtehen, alſo, daß ihnen ſeine Verdienſte
zur Gerechtigkeit zugerechnet werden.
3. Jnſonderheit ſtehet die Liebe nebſt der
Geduld, Freundlichkeit, Guͤtigkeit und
Sanftmuth den zuvor benannten und wider
das fuͤnfte Gebot ſtreitenden Laſtern entgegen,
wie die Keuſchheit denen wider das ſechſte Ge-
bot laufenden; welche vorher gleichfalls mit meh-
rern Worten bezeichnet ſind.
4. Daß bey den Pflichten auch der beyden
Gnaden-Gaben, der Freude und des Frie-
dens gedacht wird, iſt eine Anzeige, daß die-
ſelbe ſich nirgends finden, als in einer ſolchen
Seele, welche in der rechten Heils-Ordnung ſte-
het, und darinnen ihren ſo willigen als ſchuldi-
gen Gehorſam gegen GOTT und ſeinem heili-
gen Geſetze beweiſet. Wie koͤnte auch ein mit
Haß und Bitterkeit gegen den Naͤchſten erfuͤlle-
tes, auch dabey mit herrſchender Geilheit verun-
ruhigtes Hertz den wahren Frieden in und mit
GOTT haben, und der reinen Freude des Hei-
ligen Geiſtes genieſſen?
5. Es hat aber Paulus bey dieſen Gnaden-
Gaben ohne Zweifel auch auf diejenigen Pflichten
geſehen, welche aus ihnen entſpringen und zum
Theil den zuvor benannten Laſtern entgegen ſte-
hen: nemlich mit dem Worte Freude auf einen
ſolchen Affect der Liebe, nach welchem man ei-
nem an ſtatt der Beneidung, oder der Mißgunſt,
ſein Gutes gern goͤnnet, und es mit in ſeine Freu-
de, die man in GOTT hat, und zu GOTT
richtet, einfuͤhret, und es alſo anſiehet, als
waͤre es einem ſelbſt wiederfahren: mit dem
Worte Friede aber hat er darauf geſehen, daß,
gleichwie ein Kind GOttes in GOTT und mit
GOTT Friede hat, alſo, daß es mit muthwilli-
gen Suͤnden nicht wider GOTT ſtreitet, es alſo
auch mit dem Naͤchſten an ſtatt des Zancks und
Sreits Friede haͤlt, und gerne Friede machet,
und demſelben nachjaget. Rom. 12, 18. 1 Pet. 3,
11. Hebr. 12, 14.
6. Da das Wort Glaube alhier zwiſchen
andern Tugenden geſetzet iſt, heiſſet es ſo viel
als Treue, Aufrichtigkeit, Wahrheit: wie
denn auch bey den Hebraͤern das Wort _
vom Glauben und zugleich von der Wahrhaftig-
keit gebrauchet wird. Jn dieſem Verſtande ſte-
het es auch Tit. 2, 10. da es von den Dienſtboten
heißt, daß ſie πίςιν πᾶσαν ἀγαϑὴν, alle gute
Treue beweiſen ſollen. Siehe auch 1 Tim.
2, 7. da διδάσκαλος ἐν πίςει ſo viel iſt, als
πιςὸς, ein getreuer Lehrer.
7. Es iſt bey dieſem Vers auch wohl zu mer-
cken, daß das, was der Apoſtel vorher von den
Laſtern ſagte, auch von den Tugenden gilt, nem-
lich und dergleichen: ſintemal auſſer den be-
nannten noch viele andere ſind, wie es der Nach-
druck der zehen Gebote nebſt der Auslegung, wel-
che die gantze heilige Schrift davon giebet, uns
anweiſet.
8. Man hat ſich im uͤbrigen wohl zu pruͤfen,
ob man ein ſolcher guter Baum ſey, der die
benannten und auch die uͤbrigen Fruͤchte des
Geiſtes bringe, oder nicht? Koͤnnen ſie denn
gleich nicht in der Vollkommenheit da ſeyn, ſo
muß ſich doch ihre Lauterkeit und darin ein rechter
Ernſt erweiſen. Fehlet es an einer Tugend und
Chriſten-Pflicht, alſo, daß ſie gantz und gar man-
gelt; ſo ſind auch die uͤbrigen nicht rechter Art:
gleichwie, wo nur ein Laſter herrſchet, die an-
dern auch auf gewiſſe Art ihren Platz behal-
ten.
9. Eines aber iſt in der Selbſt-Pruͤfung
wohl zu mercken, nemlich, daß man ja die na-
tuͤrlichen Schein-Tugenden, darinnen die Na-
tur der Gnade nachaͤffet, nicht fuͤr aͤcht anſehe.
Darum es zur Unterſcheidung des aͤchten und un-
aͤchten darauf ankoͤmmt, daß man wahrhaftig
zu GOTT bekehret ſey, und davon eine rechte
Erfahrung habe. Jſt das nicht, ſo iſt der Menſch,
wo nicht einem gantz unfruchtbaren, doch einem
ſolchen Baume gleich, der nur wild Obſt, ſo nicht
zu gebrauchen iſt, traͤget. Da es endlich heißt:
Haue ihn ab!
V. 24.
Welche aber CHriſtum (alſo) angehoͤ-
ren, (daß ſie nicht allein der Schoͤpfung und leib-
lichen Erhaltung nach, wie von dem Vater und
Heiligen Geiſte, alſo auch von ihm dependiren,
ja nicht allein von ihm erloͤſet, ſondern auch durch
den Heiligen Geiſt zu ihm bekehret ſind, ihn im
wahren Glauben ergriffen, und ihn zur Rechtfer-
tigung angezogen haben c. 3, 27. alſo in CHriſto
ſind, daß CHriſtus in ihnen lebet, und demnach
rechte lebendige Glieder ſind an ſeinem geiſtli-
chen Leibe) die creutzigen ihr Fleiſch ſamt
den Luͤſten und Begierden (ſie greifen die in
ihnen noch uͤbrige Erb-Suͤnde bey der Wurtzel
an, alſo, daß, ob ſie gleich dieſelbe nicht gar
ausreuten koͤnnen, ſie doch auch deroſelben in-
nern Ausbruch hemmen, daß ſie nicht innerlich
wieder zur Herrſchaft komme, und das Reich
GOttes in der Seele zerſtoͤre.)
Anmerckungen.
1. Es gehoͤren zwar alle Menſchen CHri-
ſtum an, oder ſind CHriſti, in ſo fern ſie nicht
allein von CHriſto, als wahren GOTT, mit
dem Vater und dem Heiligen Geiſte, erſchaf-
fen ſind, und erhalten werden, ſondern auch
erloͤſet worden, nach Roͤm. 5, 18. 2 Joh. 2, 1.
2. Hier aber, wie aus den Worten, ſein
Fleiſch creutzigen ſamt den Luͤſten und Be-
gierden, zu erſehen iſt, wird von einem ſolchen
Angehoͤren CHriſti geredet, da man wahrhaf-
tig zu ihm bekehret, an ihn glaubig und durch
ſeine geſchenckte Gerechtigkeit gerecht worden,
und alſo in ſein Gnaden-Reich verſetzet iſt Col.
1, 13.
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