Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 5, v. 17-21. an die Galater. [Spaltenumbruch]
7. So viel zur Entdeckung und Hinweg- nehmung des ersten Mißverstandes u. Miß- brauchs bey diesem Spruche. Der andere be- stehet darinnen, daß unbekehrte Menschen mei- nen, es sey nicht möglich, daß man es durch die Gnade GOttes dahin bringen könne, daß man so und so der Sünde absterbe und der Gerech- tigkeit lebe. Denn Paulus spreche ja selbst, daß nicht allein den Geist wider das Fleisch, sondern auch das Fleisch wider den Geist also gelüste, daß man nicht thue, was man wolle. Wenn man nun gleich dieses und jenes Böse lassen und dieses und jenes Gute hingegen thun wolle, so könne man es doch nicht dahin bringen. Und gleichwie dieses Paulus alhier nachdrücklich be- zeuge, also bekräftige er es auch Rom. 7, 14. mit seinem eigenen Exempel, da er doch ein Apo- stel gewesen sey. 8. Allein so scheinbar diese Mißdeutung ist, so ungegründet und arg ist sie auch. Sol- ches aber recht einzusehen, so muß man wohl mer- cken, was denn die Gläubigen und Wiederge- bohrnen, davon alhier die Rede ist, nach dem Geiste und nach dem Fleische wollen, oder nicht wollen. Nach dem in ihnen wider das Fleisch gelüstenden Geist wollen sie nicht erst die Herrschaft über die Sünde haben; denn die haben sie schon; sintemal sie sonst keine Gläubi- ge und Wiedergebohrne wären: sondern sie wol- len der noch übrigen Sünde gerne gar loß seyn, also, daß sie dadurch gar nicht mehr gereitzet, ver- unruhiget, und am mehrern Genuß der Gnade gehindert würden. Diß wollen sie: aber diß erhalten sie nicht, weil ihnen darinnen die Erb- Sünde mit ihrer Reitzung zu würcklichen Sün- den, auch im Ausbruche der Schwachheits-Sün- den, entgegen stehet. Hingegen nach dem in ih- nen noch übrigen Fleische, so fern es auf des- selben Begierden ankömmt, wolten sie die Sün- de wol wieder zur Herrschaft kommen lassen; aber das thun sie nicht, da ihnen der Geist entgegen stehet, und die Ober-Hand behält. Dieses ist der wahre und gantz ungezwungene Verstand dieses Orts. Wie der Rom. 7. zu verstehen sey, davon ist daselbst auch ausführlich gehan- delt worden. 9. Jm übrigen ist bey dieser Stelle folgen- des noch wohl zu mercken: a. Daß der Streit des Geistes gegen das Fleisch ein unfehlbares Kennzeichen sey der Wieder- geburt und des Gnaden-Standes. b. Daß daher es ein grosser Mißverstand sey, wenn Ungeübte sich das Christenthum als einen geruhigen und beständigen Sieg ohne Streit vorstellen, und aus dem Gefühle eines stär- ckern Kampfs einen Schluß machen, als wenn sie nicht in dem Stande der Gnade stünden, oder wieder daraus gefallen wä- ren. c. Daß dieser Streit eine gesegnete Frucht sey, von der ersten evangelischen Gnaden-Verheis- sung, da es im Paradiese gleich nach dem Sünden-Fall 1 B. Mos. 3, 15. hiesse: Jch will Feindschaft setzen etc. sintemal CHri- stus durch seinen Geist in allen seinen Gläubi- gen der Schlangen durch solchen siegreichen [Spaltenumbruch] Kampf den Kopf zertreten, und also den Sieg, da er ihm in eigener Person durch die Erlösung den Kopf zertreten hat, durch die gläubige Ap- plication auch in seinem geistlichen Leibe zum Segen und Heil hinaus führet. V. 18. Regieret euch aber der Geist (ei de V. 19. Offenbar sind aber die Wercke des V. 20. Abgötterey, Zauberey, (oder allerhand V. 21. Von welchen ich euch habe zuvor ge- Anmerckungen über diese 3 Verse. 1. Es ist alhier überhaupt zweyerley zu mer- cken: a. wie der Apostel viele Laster nach einander namhaft machet: b. was er für einen Aus- spruch davon thut. 2. Bey der Benennung finden wir an der Zahl siebenzehn, nebst hinzu gethaner Anzei- gung von noch mehrern deßgleichen. Sie ge- hen fast alle wider das fünfte und sechste Ge- bot: nemlich wider das fünfte Gebot eilfe, als: Feindschaft, Hadder, Neid, Zorn, Zanck, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Fressen: davon die beyden letztern auch B b b b 3
Cap. 5, v. 17-21. an die Galater. [Spaltenumbruch]
7. So viel zur Entdeckung und Hinweg- nehmung des erſten Mißverſtandes u. Miß- brauchs bey dieſem Spruche. Der andere be- ſtehet darinnen, daß unbekehrte Menſchen mei- nen, es ſey nicht moͤglich, daß man es durch die Gnade GOttes dahin bringen koͤnne, daß man ſo und ſo der Suͤnde abſterbe und der Gerech- tigkeit lebe. Denn Paulus ſpreche ja ſelbſt, daß nicht allein den Geiſt wider das Fleiſch, ſondern auch das Fleiſch wider den Geiſt alſo geluͤſte, daß man nicht thue, was man wolle. Wenn man nun gleich dieſes und jenes Boͤſe laſſen und dieſes und jenes Gute hingegen thun wolle, ſo koͤnne man es doch nicht dahin bringen. Und gleichwie dieſes Paulus alhier nachdruͤcklich be- zeuge, alſo bekraͤftige er es auch Rom. 7, 14. mit ſeinem eigenen Exempel, da er doch ein Apo- ſtel geweſen ſey. 8. Allein ſo ſcheinbar dieſe Mißdeutung iſt, ſo ungegruͤndet und arg iſt ſie auch. Sol- ches aber recht einzuſehen, ſo muß man wohl mer- cken, was denn die Glaͤubigen und Wiederge- bohrnen, davon alhier die Rede iſt, nach dem Geiſte und nach dem Fleiſche wollen, oder nicht wollen. Nach dem in ihnen wider das Fleiſch geluͤſtenden Geiſt wollen ſie nicht erſt die Herrſchaft uͤber die Suͤnde haben; denn die haben ſie ſchon; ſintemal ſie ſonſt keine Glaͤubi- ge und Wiedergebohrne waͤren: ſondern ſie wol- len der noch uͤbrigen Suͤnde gerne gar loß ſeyn, alſo, daß ſie dadurch gar nicht mehr gereitzet, ver- unruhiget, und am mehrern Genuß der Gnade gehindert wuͤrden. Diß wollen ſie: aber diß erhalten ſie nicht, weil ihnen darinnen die Erb- Suͤnde mit ihrer Reitzung zu wuͤrcklichen Suͤn- den, auch im Ausbruche der Schwachheits-Suͤn- den, entgegen ſtehet. Hingegen nach dem in ih- nen noch uͤbrigen Fleiſche, ſo fern es auf deſ- ſelben Begierden ankoͤmmt, wolten ſie die Suͤn- de wol wieder zur Herrſchaft kommen laſſen; aber das thun ſie nicht, da ihnen der Geiſt entgegen ſtehet, und die Ober-Hand behaͤlt. Dieſes iſt der wahre und gantz ungezwungene Verſtand dieſes Orts. Wie der Rom. 7. zu verſtehen ſey, davon iſt daſelbſt auch ausfuͤhrlich gehan- delt worden. 9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſer Stelle folgen- des noch wohl zu mercken: a. Daß der Streit des Geiſtes gegen das Fleiſch ein unfehlbares Kennzeichen ſey der Wieder- geburt und des Gnaden-Standes. b. Daß daher es ein groſſer Mißverſtand ſey, wenn Ungeuͤbte ſich das Chriſtenthum als einen geruhigen und beſtaͤndigen Sieg ohne Streit vorſtellen, und aus dem Gefuͤhle eines ſtaͤr- ckern Kampfs einen Schluß machen, als wenn ſie nicht in dem Stande der Gnade ſtuͤnden, oder wieder daraus gefallen waͤ- ren. c. Daß dieſer Streit eine geſegnete Frucht ſey, von der erſten evangeliſchen Gnaden-Verheiſ- ſung, da es im Paradieſe gleich nach dem Suͤnden-Fall 1 B. Moſ. 3, 15. hieſſe: Jch will Feindſchaft ſetzen ꝛc. ſintemal CHri- ſtus durch ſeinen Geiſt in allen ſeinen Glaͤubi- gen der Schlangen durch ſolchen ſiegreichen [Spaltenumbruch] Kampf den Kopf zertreten, und alſo den Sieg, da er ihm in eigener Perſon durch die Erloͤſung den Kopf zertreten hat, durch die glaͤubige Ap- plication auch in ſeinem geiſtlichen Leibe zum Segen und Heil hinaus fuͤhret. V. 18. Regieret euch aber der Geiſt (εἰ δὲ V. 19. Offenbar ſind aber die Wercke des V. 20. Abgoͤtterey, Zauberey, (oder allerhand V. 21. Von welchen ich euch habe zuvor ge- Anmerckungen uͤber dieſe 3 Verſe. 1. Es iſt alhier uͤberhaupt zweyerley zu mer- cken: a. wie der Apoſtel viele Laſter nach einander namhaft machet: b. was er fuͤr einen Aus- ſpruch davon thut. 2. Bey der Benennung finden wir an der Zahl ſiebenzehn, nebſt hinzu gethaner Anzei- gung von noch mehrern deßgleichen. Sie ge- hen faſt alle wider das fuͤnfte und ſechſte Ge- bot: nemlich wider das fuͤnfte Gebot eilfe, als: Feindſchaft, Hadder, Neid, Zorn, Zanck, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Freſſen: davon die beyden letztern auch B b b b 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0593" n="565"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Cap. 5, v. 17-21. an die Galater.</hi> </fw><lb/> <cb/> <list> <item>7. So viel zur Entdeckung und Hinweg-<lb/> nehmung des <hi rendition="#fr">erſten Mißverſtandes</hi> u. Miß-<lb/> brauchs bey dieſem Spruche. Der <hi rendition="#fr">andere</hi> be-<lb/> ſtehet darinnen, daß unbekehrte Menſchen mei-<lb/> nen, es ſey nicht moͤglich, daß man es durch die<lb/> Gnade GOttes dahin bringen koͤnne, daß man<lb/> ſo und ſo der Suͤnde abſterbe und der Gerech-<lb/> tigkeit lebe. Denn Paulus ſpreche ja ſelbſt, daß<lb/> nicht allein den Geiſt wider das Fleiſch, ſondern<lb/> auch das Fleiſch wider den Geiſt alſo geluͤſte,<lb/><hi rendition="#fr">daß man nicht thue, was man wolle.</hi> Wenn<lb/> man nun gleich dieſes und jenes Boͤſe laſſen und<lb/> dieſes und jenes Gute hingegen thun wolle, ſo<lb/> koͤnne man es doch nicht dahin bringen. Und<lb/> gleichwie dieſes Paulus alhier nachdruͤcklich be-<lb/> zeuge, alſo bekraͤftige er es auch Rom. 7, 14.<lb/> mit ſeinem eigenen Exempel, da er doch ein Apo-<lb/> ſtel geweſen ſey.</item><lb/> <item>8. Allein ſo ſcheinbar dieſe Mißdeutung<lb/> iſt, ſo ungegruͤndet und arg iſt ſie auch. Sol-<lb/> ches aber recht einzuſehen, ſo muß man wohl mer-<lb/> cken, was denn die <hi rendition="#fr">Glaͤubigen</hi> und Wiederge-<lb/> bohrnen, davon alhier die Rede iſt, nach dem<lb/> Geiſte und nach dem Fleiſche <hi rendition="#fr">wollen,</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">nicht wollen.</hi> Nach dem in ihnen wider das<lb/> Fleiſch geluͤſtenden Geiſt wollen ſie nicht erſt die<lb/><hi rendition="#fr">Herrſchaft</hi> uͤber die Suͤnde haben; denn die<lb/> haben ſie ſchon; ſintemal ſie ſonſt keine Glaͤubi-<lb/> ge und Wiedergebohrne waͤren: ſondern ſie wol-<lb/> len der noch uͤbrigen Suͤnde gerne <hi rendition="#fr">gar loß ſeyn,</hi><lb/> alſo, daß ſie dadurch gar nicht mehr gereitzet, ver-<lb/> unruhiget, und am mehrern Genuß der Gnade<lb/> gehindert wuͤrden. Diß wollen ſie: aber diß<lb/> erhalten ſie nicht, weil ihnen darinnen die Erb-<lb/> Suͤnde mit ihrer Reitzung zu wuͤrcklichen Suͤn-<lb/> den, auch im Ausbruche der Schwachheits-Suͤn-<lb/> den, entgegen ſtehet. Hingegen nach dem in ih-<lb/> nen noch uͤbrigen Fleiſche, ſo fern es auf deſ-<lb/> ſelben Begierden ankoͤmmt, wolten ſie die Suͤn-<lb/> de wol wieder zur Herrſchaft kommen laſſen; aber<lb/> das thun ſie nicht, da ihnen der Geiſt entgegen<lb/> ſtehet, und die Ober-Hand behaͤlt. Dieſes iſt<lb/> der wahre und gantz ungezwungene Verſtand<lb/> dieſes Orts. Wie der Rom. 7. zu verſtehen<lb/> ſey, davon iſt daſelbſt auch ausfuͤhrlich gehan-<lb/> delt worden.</item><lb/> <item>9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſer Stelle folgen-<lb/> des noch wohl zu mercken:<lb/><list><item><hi rendition="#aq">a.</hi> Daß der <hi rendition="#fr">Streit</hi> des Geiſtes gegen das Fleiſch<lb/> ein unfehlbares Kennzeichen ſey der Wieder-<lb/> geburt und des Gnaden-Standes.</item><lb/><item><hi rendition="#aq">b.</hi> Daß daher es ein groſſer Mißverſtand ſey,<lb/> wenn Ungeuͤbte ſich das Chriſtenthum als einen<lb/> geruhigen und beſtaͤndigen Sieg ohne Streit<lb/> vorſtellen, und aus dem Gefuͤhle eines ſtaͤr-<lb/> ckern Kampfs einen Schluß machen, als<lb/> wenn ſie nicht in dem Stande der Gnade<lb/> ſtuͤnden, oder wieder daraus gefallen waͤ-<lb/> ren.</item><lb/><item><hi rendition="#aq">c.</hi> Daß dieſer Streit eine geſegnete Frucht ſey,<lb/> von der erſten evangeliſchen Gnaden-Verheiſ-<lb/> ſung, da es im Paradieſe gleich nach dem<lb/> Suͤnden-Fall 1 B. Moſ. 3, 15. hieſſe: <hi rendition="#fr">Jch<lb/> will Feindſchaft ſetzen</hi> ꝛc. ſintemal CHri-<lb/> ſtus durch ſeinen Geiſt in allen ſeinen Glaͤubi-<lb/> gen der Schlangen durch ſolchen ſiegreichen<lb/><cb/> Kampf den Kopf zertreten, und alſo den Sieg,<lb/> da er ihm in eigener Perſon durch die Erloͤſung<lb/> den Kopf zertreten hat, durch die glaͤubige <hi rendition="#aq">Ap-<lb/> plication</hi> auch in ſeinem geiſtlichen Leibe zum<lb/> Segen und Heil hinaus fuͤhret.</item></list></item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 18.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Regieret euch aber der Geiſt</hi> (εἰ δὲ<lb/> πνεύματι ἄγεσϑε, ſo ihr euch aber von dem Gei-<lb/> ſte, dem <hi rendition="#aq">principio</hi> der Gnade, bey welchem auch<lb/> ſelbſt der Heilige Geiſt beſchaͤftiget iſt, treiben<lb/> laſſet Rom. 8, 14. alſo, daß er wider das Fleiſch<lb/> die Ober-Hand behaͤlt) <hi rendition="#fr">ſo ſeyd ihr nicht unter<lb/> dem Geſetze</hi> (deſſelben Fluche, Joche und Zwan-<lb/> ge, ſondern unter dem Evangelio, und folglich<lb/> thut ihr, was ihr thut, mit einem willigen Her-<lb/> tzen, aus Evangeliſchen Gnaden-Kraͤften. Sie-<lb/> he auch Rom. 6, 14. 15. 8, 1. 2. und 1 Timoth.<lb/> 1, 9.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 19.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Offenbar ſind aber die Wercke des<lb/> Fleiſches</hi> (der herrſchenden Erb-Suͤnde) <hi rendition="#fr">als<lb/> da ſind Ehebruch, Hurerey</hi> (unter ledigen<lb/> Perſonen) <hi rendition="#fr">Unreinigkeit, Unzucht,</hi> (welche auch<lb/> wol, auſſer der wuͤrcklichen Hurerey mit einer<lb/> Perſon des andern Geſchlechts, iemand mit ſei-<lb/> nem eigenen Leibe in ſchaͤndlicher Brunſt auf<lb/> mancherley Art treibet.)</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 20.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Abgoͤtterey, Zauberey,</hi> (oder allerhand<lb/> Vergiftung,) <hi rendition="#fr">Feindſchaft, Hadder, Neid,<lb/> Zorn, Zauck, Zwietracht, Rotten, Haß,<lb/> Mord, Saufen, Freſſen, und derglei-<lb/> chen.</hi></p> </div><lb/> <div n="3"> <head>V. 21.</head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Von welchen ich euch habe zuvor ge-<lb/> ſaget,</hi> (als ich gegenwaͤrtig bey euch war,) <hi rendition="#fr">und<lb/> ſage noch zuvor,</hi> (zur Warnung vor derglei-<lb/> chen Laſtern,) <hi rendition="#fr">daß die ſolches thun,</hi> (alſo, daß<lb/> ſie davon nicht allein verſuchet werden, ſondern<lb/> ſich dazu auch hinreiſſen laſſen, und ſie alſo aus-<lb/> uͤben, daß ſie ſich nicht rechtſchaffen zu GOTT<lb/> bekehren, auch wol vom Tode, ehe ſie ſichs ver-<lb/> ſehen, uͤbereilet werden,) <hi rendition="#fr">werden das Reich<lb/> GOttes nicht ererben</hi> (da ſie keine Kinder und<lb/> Freunde GOttes ſind, welchen das Erbtheil in<lb/> CHriſto zu Theil wird, ſondern ſich als Feinde<lb/> GOttes beweiſen.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen</hi><lb/> <hi rendition="#fr">uͤber dieſe 3 Verſe.</hi> </head><lb/> <list> <item>1. Es iſt alhier uͤberhaupt zweyerley zu mer-<lb/> cken: <hi rendition="#aq">a.</hi> wie der Apoſtel viele Laſter nach einander<lb/><hi rendition="#fr">namhaft</hi> machet: <hi rendition="#aq">b.</hi> was er fuͤr einen <hi rendition="#fr">Aus-<lb/> ſpruch</hi> davon thut.</item><lb/> <item>2. Bey der <hi rendition="#fr">Benennung</hi> finden wir an der<lb/> Zahl <hi rendition="#fr">ſiebenzehn,</hi> nebſt hinzu gethaner Anzei-<lb/> gung von noch mehrern deßgleichen. Sie ge-<lb/> hen faſt alle wider das <hi rendition="#fr">fuͤnfte</hi> und <hi rendition="#fr">ſechſte</hi> Ge-<lb/> bot: nemlich wider das <hi rendition="#fr">fuͤnfte</hi> Gebot <hi rendition="#fr">eilfe,</hi><lb/> als: <hi rendition="#fr">Feindſchaft, Hadder, Neid, Zorn,<lb/> Zanck, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord,<lb/> Saufen, Freſſen:</hi> davon die beyden letztern<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B b b b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [565/0593]
Cap. 5, v. 17-21. an die Galater.
7. So viel zur Entdeckung und Hinweg-
nehmung des erſten Mißverſtandes u. Miß-
brauchs bey dieſem Spruche. Der andere be-
ſtehet darinnen, daß unbekehrte Menſchen mei-
nen, es ſey nicht moͤglich, daß man es durch die
Gnade GOttes dahin bringen koͤnne, daß man
ſo und ſo der Suͤnde abſterbe und der Gerech-
tigkeit lebe. Denn Paulus ſpreche ja ſelbſt, daß
nicht allein den Geiſt wider das Fleiſch, ſondern
auch das Fleiſch wider den Geiſt alſo geluͤſte,
daß man nicht thue, was man wolle. Wenn
man nun gleich dieſes und jenes Boͤſe laſſen und
dieſes und jenes Gute hingegen thun wolle, ſo
koͤnne man es doch nicht dahin bringen. Und
gleichwie dieſes Paulus alhier nachdruͤcklich be-
zeuge, alſo bekraͤftige er es auch Rom. 7, 14.
mit ſeinem eigenen Exempel, da er doch ein Apo-
ſtel geweſen ſey.
8. Allein ſo ſcheinbar dieſe Mißdeutung
iſt, ſo ungegruͤndet und arg iſt ſie auch. Sol-
ches aber recht einzuſehen, ſo muß man wohl mer-
cken, was denn die Glaͤubigen und Wiederge-
bohrnen, davon alhier die Rede iſt, nach dem
Geiſte und nach dem Fleiſche wollen, oder
nicht wollen. Nach dem in ihnen wider das
Fleiſch geluͤſtenden Geiſt wollen ſie nicht erſt die
Herrſchaft uͤber die Suͤnde haben; denn die
haben ſie ſchon; ſintemal ſie ſonſt keine Glaͤubi-
ge und Wiedergebohrne waͤren: ſondern ſie wol-
len der noch uͤbrigen Suͤnde gerne gar loß ſeyn,
alſo, daß ſie dadurch gar nicht mehr gereitzet, ver-
unruhiget, und am mehrern Genuß der Gnade
gehindert wuͤrden. Diß wollen ſie: aber diß
erhalten ſie nicht, weil ihnen darinnen die Erb-
Suͤnde mit ihrer Reitzung zu wuͤrcklichen Suͤn-
den, auch im Ausbruche der Schwachheits-Suͤn-
den, entgegen ſtehet. Hingegen nach dem in ih-
nen noch uͤbrigen Fleiſche, ſo fern es auf deſ-
ſelben Begierden ankoͤmmt, wolten ſie die Suͤn-
de wol wieder zur Herrſchaft kommen laſſen; aber
das thun ſie nicht, da ihnen der Geiſt entgegen
ſtehet, und die Ober-Hand behaͤlt. Dieſes iſt
der wahre und gantz ungezwungene Verſtand
dieſes Orts. Wie der Rom. 7. zu verſtehen
ſey, davon iſt daſelbſt auch ausfuͤhrlich gehan-
delt worden.
9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſer Stelle folgen-
des noch wohl zu mercken:
a. Daß der Streit des Geiſtes gegen das Fleiſch
ein unfehlbares Kennzeichen ſey der Wieder-
geburt und des Gnaden-Standes.
b. Daß daher es ein groſſer Mißverſtand ſey,
wenn Ungeuͤbte ſich das Chriſtenthum als einen
geruhigen und beſtaͤndigen Sieg ohne Streit
vorſtellen, und aus dem Gefuͤhle eines ſtaͤr-
ckern Kampfs einen Schluß machen, als
wenn ſie nicht in dem Stande der Gnade
ſtuͤnden, oder wieder daraus gefallen waͤ-
ren.
c. Daß dieſer Streit eine geſegnete Frucht ſey,
von der erſten evangeliſchen Gnaden-Verheiſ-
ſung, da es im Paradieſe gleich nach dem
Suͤnden-Fall 1 B. Moſ. 3, 15. hieſſe: Jch
will Feindſchaft ſetzen ꝛc. ſintemal CHri-
ſtus durch ſeinen Geiſt in allen ſeinen Glaͤubi-
gen der Schlangen durch ſolchen ſiegreichen
Kampf den Kopf zertreten, und alſo den Sieg,
da er ihm in eigener Perſon durch die Erloͤſung
den Kopf zertreten hat, durch die glaͤubige Ap-
plication auch in ſeinem geiſtlichen Leibe zum
Segen und Heil hinaus fuͤhret.
V. 18.
Regieret euch aber der Geiſt (εἰ δὲ
πνεύματι ἄγεσϑε, ſo ihr euch aber von dem Gei-
ſte, dem principio der Gnade, bey welchem auch
ſelbſt der Heilige Geiſt beſchaͤftiget iſt, treiben
laſſet Rom. 8, 14. alſo, daß er wider das Fleiſch
die Ober-Hand behaͤlt) ſo ſeyd ihr nicht unter
dem Geſetze (deſſelben Fluche, Joche und Zwan-
ge, ſondern unter dem Evangelio, und folglich
thut ihr, was ihr thut, mit einem willigen Her-
tzen, aus Evangeliſchen Gnaden-Kraͤften. Sie-
he auch Rom. 6, 14. 15. 8, 1. 2. und 1 Timoth.
1, 9.
V. 19.
Offenbar ſind aber die Wercke des
Fleiſches (der herrſchenden Erb-Suͤnde) als
da ſind Ehebruch, Hurerey (unter ledigen
Perſonen) Unreinigkeit, Unzucht, (welche auch
wol, auſſer der wuͤrcklichen Hurerey mit einer
Perſon des andern Geſchlechts, iemand mit ſei-
nem eigenen Leibe in ſchaͤndlicher Brunſt auf
mancherley Art treibet.)
V. 20.
Abgoͤtterey, Zauberey, (oder allerhand
Vergiftung,) Feindſchaft, Hadder, Neid,
Zorn, Zauck, Zwietracht, Rotten, Haß,
Mord, Saufen, Freſſen, und derglei-
chen.
V. 21.
Von welchen ich euch habe zuvor ge-
ſaget, (als ich gegenwaͤrtig bey euch war,) und
ſage noch zuvor, (zur Warnung vor derglei-
chen Laſtern,) daß die ſolches thun, (alſo, daß
ſie davon nicht allein verſuchet werden, ſondern
ſich dazu auch hinreiſſen laſſen, und ſie alſo aus-
uͤben, daß ſie ſich nicht rechtſchaffen zu GOTT
bekehren, auch wol vom Tode, ehe ſie ſichs ver-
ſehen, uͤbereilet werden,) werden das Reich
GOttes nicht ererben (da ſie keine Kinder und
Freunde GOttes ſind, welchen das Erbtheil in
CHriſto zu Theil wird, ſondern ſich als Feinde
GOttes beweiſen.)
Anmerckungen
uͤber dieſe 3 Verſe.
1. Es iſt alhier uͤberhaupt zweyerley zu mer-
cken: a. wie der Apoſtel viele Laſter nach einander
namhaft machet: b. was er fuͤr einen Aus-
ſpruch davon thut.
2. Bey der Benennung finden wir an der
Zahl ſiebenzehn, nebſt hinzu gethaner Anzei-
gung von noch mehrern deßgleichen. Sie ge-
hen faſt alle wider das fuͤnfte und ſechſte Ge-
bot: nemlich wider das fuͤnfte Gebot eilfe,
als: Feindſchaft, Hadder, Neid, Zorn,
Zanck, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord,
Saufen, Freſſen: davon die beyden letztern
auch
B b b b 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |