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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 4. 5.
[Spaltenumbruch] mie. Frey blieb sie im Anfange der neuen Oecono-
mi
e, in so fern sie dem Evangelio von CHristo
nicht zum Nachtheil geschahe: da sie nicht allein
toleriret sondern auch wol gar befördert wurde:
wie man an dem Exempel Timothei ersiehet. Ap.
Gesch. 16, 3. Schädlich aber wurde sie, wenn
man sie als eine zur Seligkeit nöthige Sache er-
foderte: wie bey den Galatern geschahe.
V. 4.

Jhr (daß ich euch noch nachdrücklicher
vorstelle, was ich davon, daß euch CHristus bey
der Beschneidung kein nütze sey, bereits gesaget
habe) habt CHristum verlohren (katerge-
thete apo tou Khrisou, ihr seyd dergestalt von Chri-
sto zurück gekommen, daß er euch als gantz un-
kräftig worden) die ihr durch das Gesetz ge-
recht werden wollt,
(wie Lutherus das ver-
bum actus
dikaiousthe alhier gar recht vom conatu
erkläret hat) und seyd aus der Gnade (in wel-
che ihr durch den Glauben an CHristum aufge-
nommen worden, in welcher ihr auch anfänglich
bestanden seyd Rom. 5, 2.) gefallen (oder stehet
doch in der Gefahr, noch aus derselben zu verfal-
len.)

Anmerckungen.
1. CHristum gewonnen, alles gewon-
nen
Phil. 3, 7. seqq. CHristum verlohren,
alles verlohren:
als mit welchem uns alles ge-
schencket wird. Rom. 8, 32.
2. So wohl, als sich auch sonst Gesetz und
Evangelium zusammen schicken, und so genau
sie auch mit einander verbunden sind; als die von
einem CHristo, als Gesetzgeber (der auf dem
Berge Sinai aus der Wolcken-Seule, in wel-
cher er vor den Jsraeliten durch die Wüsten her-
zog, das Gesetz Mosis promulgiret hat) und Er-
löser
herrühren: so wenig schicken sie sich doch
zusammen, wenn sie beyde als eine Ursache der
Seligkeit angesehen werden. Denn so viel dem
Gesetze, das ist, dem gesetzlichen Gehorsam des
Menschen zugeleget wird, so viel gehet der Ehre
CHristi im Wercke der Erlösung ab: da nun
aber CHristus nicht ein halber, sondern ein
gantzer Erlöser ist; so verlieret man ihn gar,
wo man ihn nur halb annehmen will.
3. Es ist demnach dieses, daß wir die Se-
ligkeit allein aus Gnaden durch den Glauben an
CHristum erlangen, ein sehr süsses und erfreuli-
ches Evangelium, sonderlich allen angefochtenen
Seelen, die bey grosser Armuth ihres Geistes
und bey dem Gefühle ihrer so grossen natürlichen
Unwürdigkeit in grosser Dürre stehen, und nicht
wissen, ob sie sich die Gnade des Evangelii frey-
müthig zueignen sollen, oder nicht. Da ihnen
aber zum freyen Zutritt zum Gnaden-Thron der
gantze Brief an die Galater sonderlich dienen kan.
4. Der Mensch kan aus der Gnade oder
aus dem Stande der Gnade fallen, theils durch
Annehmung solcher falschen Lehre, welche den
Grund und die Ordnung des Heils umreisset:
theils durch solche Sünden, wodurch man das
gute Gewissen verletzet und verstöret, also,
daß man auch daher am Glauben Schiffbruch
leidet.
1 Tim. 1, 19. Darum, wer da stehet, der
[Spaltenumbruch] sehe zu, daß er nicht aus seiner Vestung der
Gnade entfalle. Rom. 11, 20. 1 Cor. 10, 12.
2 Petr. 3, 17.
5. Ein ieder Leser hat Ursach, seinet wegen
eine aufrichtige Selbst-Prüfung anzustellen,
ob er in der Gnade stehe, oder nicht? und was er
davon für Kennzeichen in und an sich habe. Es
ist gar leicht, daß es einem gehe, wie den Gala-
tern, daß man wol bereits aus der Gnade gefal-
len, da man doch meinet, man stehe darinn:
gleichwie hingegen manche Angefochtene bey ih-
rer Beharrung in der Gnade dennoch ohne
Grund daran zweifeln, und sich ohne alle Ursa-
che desfalls ängstigen.
V. 5.

Wir (die wir in der Gnade stehen, und da-
bey veste bleiben) warten aber im Geist (in der
dem buchstäblichen Wesen des Gesetzes und äus-
serlichen Satzungen entgegen gesetzten neuen
Oeconomie des Evangelii) durch den Glauben
(an CHristum, und also nicht aus dem gesetzli-
chen Gehorsam) der Gerechtigkeit, die man
hoffen muß.

Anmerckungen.
1. Der gantze Vers ist nach dem Griechischen
Texte eigentlich also zu übersetzen: Denn wir
warten im Geist aus dem Glauben auf die
Hoffnung der Gerechtigkeit.
2. Der Connexion nach zeiget der Apostel
mit adhibirter particula, denn, die Ursache an,
warum man bey dem Wege, da man die Selig-
keit aus dem Gesetz suche, aus der Gnade falle:
nemlich weil uns ein anderer Weg dazu ange-
wiesen, das ist, der Weg des Glaubens an
CHristum, auf welchem man dieselbe wie zu er-
erwarten, also auch gewiß zu erlangen habe.
3. Das Wort Geist heißt alhier nach
dem gantzen Context so viel, als die Oeconomie
des Evangelii,
in Ansehung dessen, daß der
Heilige Geist damit zur Verklärung CHristi son-
derlich beschäftiget war, und damit einen dersel-
ben gemässen geistlichen Gottes-Dienst anrich-
tete; im Gegensatze auf den äusserlichen Leviti-
schen Gottes-Dienst, und auf die Beschneidung,
die äusserlich am Fleische geschahe, auch auf sol-
che Wercke, die nur Zwangs-weise nach dem
Moral-Gesetze verrichtet wurden.
4. Jn diesem Verstande schreibet Paulus
c. 3, 3. Jm Geist habet ihr angefangen, wol-
let ihrs denn nun im Fleisch
(in äusserlichen
Satzungen) vollenden? Sonderlich empfähet
dieser Ort seine Erläuterung aus 2 Cor. 3, 6.
seqq. da die Oeconomie des Evangelii heißt das
dem Amte des Buchstabens, oder Gesetzes, ent-
gegen stehende Amt des Geistes; ja v. 17. der
Geist
selbst. Wobey auch die Oerter zu confe-
rir
en Rom. 2, 28. 29. von der Beschneidung,
die am Fleische und die im Geiste geschiehet. Jm.
gleichen Phil. 3, 3. Wir sind die Beschnei-
dung, die wir GOTT im Geiste dienen,
und rühmen uns von CHristo JEsu, und
verlassen uns nicht auf Fleisch.
5. Die Hoffnung ist alhier die gehoffete
Sache:
wie man aus dem Worte warten
siehet;
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 4. 5.
[Spaltenumbruch] mie. Frey blieb ſie im Anfange der neuen Oecono-
mi
e, in ſo fern ſie dem Evangelio von CHriſto
nicht zum Nachtheil geſchahe: da ſie nicht allein
toleriret ſondern auch wol gar befoͤrdert wurde:
wie man an dem Exempel Timothei erſiehet. Ap.
Geſch. 16, 3. Schaͤdlich aber wurde ſie, wenn
man ſie als eine zur Seligkeit noͤthige Sache er-
foderte: wie bey den Galatern geſchahe.
V. 4.

Jhr (daß ich euch noch nachdruͤcklicher
vorſtelle, was ich davon, daß euch CHriſtus bey
der Beſchneidung kein nuͤtze ſey, bereits geſaget
habe) habt CHriſtum verlohren (κατηργή-
ϑητε ἀπὸ τοῦ Χριςοῦ, ihr ſeyd dergeſtalt von Chri-
ſto zuruͤck gekommen, daß er euch als gantz un-
kraͤftig worden) die ihr durch das Geſetz ge-
recht werden wollt,
(wie Lutherus das ver-
bum actus
δικαιοῦσϑε alhier gar recht vom conatu
erklaͤret hat) und ſeyd aus der Gnade (in wel-
che ihr durch den Glauben an CHriſtum aufge-
nommen worden, in welcher ihr auch anfaͤnglich
beſtanden ſeyd Rom. 5, 2.) gefallen (oder ſtehet
doch in der Gefahr, noch aus derſelben zu verfal-
len.)

Anmerckungen.
1. CHriſtum gewonnen, alles gewon-
nen
Phil. 3, 7. ſeqq. CHriſtum verlohren,
alles verlohren:
als mit welchem uns alles ge-
ſchencket wird. Rom. 8, 32.
2. So wohl, als ſich auch ſonſt Geſetz und
Evangelium zuſammen ſchicken, und ſo genau
ſie auch mit einander verbunden ſind; als die von
einem CHriſto, als Geſetzgeber (der auf dem
Berge Sinai aus der Wolcken-Seule, in wel-
cher er vor den Jſraeliten durch die Wuͤſten her-
zog, das Geſetz Moſis promulgiret hat) und Er-
loͤſer
herruͤhren: ſo wenig ſchicken ſie ſich doch
zuſammen, wenn ſie beyde als eine Urſache der
Seligkeit angeſehen werden. Denn ſo viel dem
Geſetze, das iſt, dem geſetzlichen Gehorſam des
Menſchen zugeleget wird, ſo viel gehet der Ehre
CHriſti im Wercke der Erloͤſung ab: da nun
aber CHriſtus nicht ein halber, ſondern ein
gantzer Erloͤſer iſt; ſo verlieret man ihn gar,
wo man ihn nur halb annehmen will.
3. Es iſt demnach dieſes, daß wir die Se-
ligkeit allein aus Gnaden durch den Glauben an
CHriſtum erlangen, ein ſehr ſuͤſſes und erfreuli-
ches Evangelium, ſonderlich allen angefochtenen
Seelen, die bey groſſer Armuth ihres Geiſtes
und bey dem Gefuͤhle ihrer ſo groſſen natuͤrlichen
Unwuͤrdigkeit in groſſer Duͤrre ſtehen, und nicht
wiſſen, ob ſie ſich die Gnade des Evangelii frey-
muͤthig zueignen ſollen, oder nicht. Da ihnen
aber zum freyen Zutritt zum Gnaden-Thron der
gantze Brief an die Galater ſonderlich dienen kan.
4. Der Menſch kan aus der Gnade oder
aus dem Stande der Gnade fallen, theils durch
Annehmung ſolcher falſchen Lehre, welche den
Grund und die Ordnung des Heils umreiſſet:
theils durch ſolche Suͤnden, wodurch man das
gute Gewiſſen verletzet und verſtoͤret, alſo,
daß man auch daher am Glauben Schiffbruch
leidet.
1 Tim. 1, 19. Darum, wer da ſtehet, der
[Spaltenumbruch] ſehe zu, daß er nicht aus ſeiner Veſtung der
Gnade entfalle. Rom. 11, 20. 1 Cor. 10, 12.
2 Petr. 3, 17.
5. Ein ieder Leſer hat Urſach, ſeinet wegen
eine aufrichtige Selbſt-Pruͤfung anzuſtellen,
ob er in der Gnade ſtehe, oder nicht? und was er
davon fuͤr Kennzeichen in und an ſich habe. Es
iſt gar leicht, daß es einem gehe, wie den Gala-
tern, daß man wol bereits aus der Gnade gefal-
len, da man doch meinet, man ſtehe darinn:
gleichwie hingegen manche Angefochtene bey ih-
rer Beharrung in der Gnade dennoch ohne
Grund daran zweifeln, und ſich ohne alle Urſa-
che desfalls aͤngſtigen.
V. 5.

Wir (die wir in der Gnade ſtehen, und da-
bey veſte bleiben) warten aber im Geiſt (in der
dem buchſtaͤblichen Weſen des Geſetzes und aͤuſ-
ſerlichen Satzungen entgegen geſetzten neuen
Oeconomie des Evangelii) durch den Glauben
(an CHriſtum, und alſo nicht aus dem geſetzli-
chen Gehorſam) der Gerechtigkeit, die man
hoffen muß.

Anmerckungen.
1. Der gantze Vers iſt nach dem Griechiſchen
Texte eigentlich alſo zu uͤberſetzen: Denn wir
warten im Geiſt aus dem Glauben auf die
Hoffnung der Gerechtigkeit.
2. Der Connexion nach zeiget der Apoſtel
mit adhibirter particula, denn, die Urſache an,
warum man bey dem Wege, da man die Selig-
keit aus dem Geſetz ſuche, aus der Gnade falle:
nemlich weil uns ein anderer Weg dazu ange-
wieſen, das iſt, der Weg des Glaubens an
CHriſtum, auf welchem man dieſelbe wie zu er-
erwarten, alſo auch gewiß zu erlangen habe.
3. Das Wort Geiſt heißt alhier nach
dem gantzen Context ſo viel, als die Oeconomie
des Evangelii,
in Anſehung deſſen, daß der
Heilige Geiſt damit zur Verklaͤrung CHriſti ſon-
derlich beſchaͤftiget war, und damit einen derſel-
ben gemaͤſſen geiſtlichen Gottes-Dienſt anrich-
tete; im Gegenſatze auf den aͤuſſerlichen Leviti-
ſchen Gottes-Dienſt, und auf die Beſchneidung,
die aͤuſſerlich am Fleiſche geſchahe, auch auf ſol-
che Wercke, die nur Zwangs-weiſe nach dem
Moral-Geſetze verrichtet wurden.
4. Jn dieſem Verſtande ſchreibet Paulus
c. 3, 3. Jm Geiſt habet ihr angefangen, wol-
let ihrs denn nun im Fleiſch
(in aͤuſſerlichen
Satzungen) vollenden? Sonderlich empfaͤhet
dieſer Ort ſeine Erlaͤuterung aus 2 Cor. 3, 6.
ſeqq. da die Oeconomie des Evangelii heißt das
dem Amte des Buchſtabens, oder Geſetzes, ent-
gegen ſtehende Amt des Geiſtes; ja v. 17. der
Geiſt
ſelbſt. Wobey auch die Oerter zu confe-
rir
en Rom. 2, 28. 29. von der Beſchneidung,
die am Fleiſche und die im Geiſte geſchiehet. Jm.
gleichen Phil. 3, 3. Wir ſind die Beſchnei-
dung, die wir GOTT im Geiſte dienen,
und ruͤhmen uns von CHriſto JEſu, und
verlaſſen uns nicht auf Fleiſch.
5. Die Hoffnung iſt alhier die gehoffete
Sache:
wie man aus dem Worte warten
ſiehet;
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[554/0582] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 4. 5. mie. Frey blieb ſie im Anfange der neuen Oecono- mie, in ſo fern ſie dem Evangelio von CHriſto nicht zum Nachtheil geſchahe: da ſie nicht allein toleriret ſondern auch wol gar befoͤrdert wurde: wie man an dem Exempel Timothei erſiehet. Ap. Geſch. 16, 3. Schaͤdlich aber wurde ſie, wenn man ſie als eine zur Seligkeit noͤthige Sache er- foderte: wie bey den Galatern geſchahe. V. 4. Jhr (daß ich euch noch nachdruͤcklicher vorſtelle, was ich davon, daß euch CHriſtus bey der Beſchneidung kein nuͤtze ſey, bereits geſaget habe) habt CHriſtum verlohren (κατηργή- ϑητε ἀπὸ τοῦ Χριςοῦ, ihr ſeyd dergeſtalt von Chri- ſto zuruͤck gekommen, daß er euch als gantz un- kraͤftig worden) die ihr durch das Geſetz ge- recht werden wollt, (wie Lutherus das ver- bum actus δικαιοῦσϑε alhier gar recht vom conatu erklaͤret hat) und ſeyd aus der Gnade (in wel- che ihr durch den Glauben an CHriſtum aufge- nommen worden, in welcher ihr auch anfaͤnglich beſtanden ſeyd Rom. 5, 2.) gefallen (oder ſtehet doch in der Gefahr, noch aus derſelben zu verfal- len.) Anmerckungen. 1. CHriſtum gewonnen, alles gewon- nen Phil. 3, 7. ſeqq. CHriſtum verlohren, alles verlohren: als mit welchem uns alles ge- ſchencket wird. Rom. 8, 32. 2. So wohl, als ſich auch ſonſt Geſetz und Evangelium zuſammen ſchicken, und ſo genau ſie auch mit einander verbunden ſind; als die von einem CHriſto, als Geſetzgeber (der auf dem Berge Sinai aus der Wolcken-Seule, in wel- cher er vor den Jſraeliten durch die Wuͤſten her- zog, das Geſetz Moſis promulgiret hat) und Er- loͤſer herruͤhren: ſo wenig ſchicken ſie ſich doch zuſammen, wenn ſie beyde als eine Urſache der Seligkeit angeſehen werden. Denn ſo viel dem Geſetze, das iſt, dem geſetzlichen Gehorſam des Menſchen zugeleget wird, ſo viel gehet der Ehre CHriſti im Wercke der Erloͤſung ab: da nun aber CHriſtus nicht ein halber, ſondern ein gantzer Erloͤſer iſt; ſo verlieret man ihn gar, wo man ihn nur halb annehmen will. 3. Es iſt demnach dieſes, daß wir die Se- ligkeit allein aus Gnaden durch den Glauben an CHriſtum erlangen, ein ſehr ſuͤſſes und erfreuli- ches Evangelium, ſonderlich allen angefochtenen Seelen, die bey groſſer Armuth ihres Geiſtes und bey dem Gefuͤhle ihrer ſo groſſen natuͤrlichen Unwuͤrdigkeit in groſſer Duͤrre ſtehen, und nicht wiſſen, ob ſie ſich die Gnade des Evangelii frey- muͤthig zueignen ſollen, oder nicht. Da ihnen aber zum freyen Zutritt zum Gnaden-Thron der gantze Brief an die Galater ſonderlich dienen kan. 4. Der Menſch kan aus der Gnade oder aus dem Stande der Gnade fallen, theils durch Annehmung ſolcher falſchen Lehre, welche den Grund und die Ordnung des Heils umreiſſet: theils durch ſolche Suͤnden, wodurch man das gute Gewiſſen verletzet und verſtoͤret, alſo, daß man auch daher am Glauben Schiffbruch leidet. 1 Tim. 1, 19. Darum, wer da ſtehet, der ſehe zu, daß er nicht aus ſeiner Veſtung der Gnade entfalle. Rom. 11, 20. 1 Cor. 10, 12. 2 Petr. 3, 17. 5. Ein ieder Leſer hat Urſach, ſeinet wegen eine aufrichtige Selbſt-Pruͤfung anzuſtellen, ob er in der Gnade ſtehe, oder nicht? und was er davon fuͤr Kennzeichen in und an ſich habe. Es iſt gar leicht, daß es einem gehe, wie den Gala- tern, daß man wol bereits aus der Gnade gefal- len, da man doch meinet, man ſtehe darinn: gleichwie hingegen manche Angefochtene bey ih- rer Beharrung in der Gnade dennoch ohne Grund daran zweifeln, und ſich ohne alle Urſa- che desfalls aͤngſtigen. V. 5. Wir (die wir in der Gnade ſtehen, und da- bey veſte bleiben) warten aber im Geiſt (in der dem buchſtaͤblichen Weſen des Geſetzes und aͤuſ- ſerlichen Satzungen entgegen geſetzten neuen Oeconomie des Evangelii) durch den Glauben (an CHriſtum, und alſo nicht aus dem geſetzli- chen Gehorſam) der Gerechtigkeit, die man hoffen muß. Anmerckungen. 1. Der gantze Vers iſt nach dem Griechiſchen Texte eigentlich alſo zu uͤberſetzen: Denn wir warten im Geiſt aus dem Glauben auf die Hoffnung der Gerechtigkeit. 2. Der Connexion nach zeiget der Apoſtel mit adhibirter particula, denn, die Urſache an, warum man bey dem Wege, da man die Selig- keit aus dem Geſetz ſuche, aus der Gnade falle: nemlich weil uns ein anderer Weg dazu ange- wieſen, das iſt, der Weg des Glaubens an CHriſtum, auf welchem man dieſelbe wie zu er- erwarten, alſo auch gewiß zu erlangen habe. 3. Das Wort Geiſt heißt alhier nach dem gantzen Context ſo viel, als die Oeconomie des Evangelii, in Anſehung deſſen, daß der Heilige Geiſt damit zur Verklaͤrung CHriſti ſon- derlich beſchaͤftiget war, und damit einen derſel- ben gemaͤſſen geiſtlichen Gottes-Dienſt anrich- tete; im Gegenſatze auf den aͤuſſerlichen Leviti- ſchen Gottes-Dienſt, und auf die Beſchneidung, die aͤuſſerlich am Fleiſche geſchahe, auch auf ſol- che Wercke, die nur Zwangs-weiſe nach dem Moral-Geſetze verrichtet wurden. 4. Jn dieſem Verſtande ſchreibet Paulus c. 3, 3. Jm Geiſt habet ihr angefangen, wol- let ihrs denn nun im Fleiſch (in aͤuſſerlichen Satzungen) vollenden? Sonderlich empfaͤhet dieſer Ort ſeine Erlaͤuterung aus 2 Cor. 3, 6. ſeqq. da die Oeconomie des Evangelii heißt das dem Amte des Buchſtabens, oder Geſetzes, ent- gegen ſtehende Amt des Geiſtes; ja v. 17. der Geiſt ſelbſt. Wobey auch die Oerter zu confe- riren Rom. 2, 28. 29. von der Beſchneidung, die am Fleiſche und die im Geiſte geſchiehet. Jm. gleichen Phil. 3, 3. Wir ſind die Beſchnei- dung, die wir GOTT im Geiſte dienen, und ruͤhmen uns von CHriſto JEſu, und verlaſſen uns nicht auf Fleiſch. 5. Die Hoffnung iſt alhier die gehoffete Sache: wie man aus dem Worte warten ſiehet;

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/582>, abgerufen am 24.11.2024.