Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 5, v. 2. 3. an die Galater. [Spaltenumbruch]
V. 2. Siehe, (ein ieder unter euch mercke wohl Anmerckungen. 1. Man siehet hieraus, daß die falschen Lehrer, welche die Galatischen Gemeinen so sehr verwirret haben, von der jüdischen Nation und eben von der Art gewesen, als die waren, welche von Jerusalem nach Antiochiam gekommen, und gesaget: Wo ihr euch nicht beschneiden las- set nach der Weise Mose, so könnet ihr nicht selig werden. Ap. Gesch. 15, 1. Wie auch als die zu Philippen, davon der Apostel Phil. 3, 2. 3. schreibet: Sehet auf die Hunde! sehet auf die bösen Arbeiter! sehet auf die Zer- schneidung (die euch durch die aufgedrungene Beschneidung gleichsam zerschneiden und aller- hand Spaltungen unter euch anrichten.) Denn wir sind die Beschneidung, die wir GOtt im Geist dienen. Und eben diese nennet er v. 18. Feinde des Creutzes CHristi. 2. Ob nun gleich Paulus in diesen Worten allein der Beschneidung gedencket: so ist es doch aus dem gantzen Contexte dieser Epistel klar, daß die falschen Lehrer die Gläubigen wie auf viele von den Levitischen Satzungen, nach c. 4, 9. 10. 11. also auch auf eine solche Haltung des Moral-Gesetzes, die zur Seligkeit nöthig sey, nach c. 2, 16. 3, 10. seqq. geführet, und also das Mitt- ler Amt CHristi damit gantz entkräftet und ver- dunckelt haben. 3. Daß gedachte falsche Lehrer aber CHri- stum nicht gar verleugnet, sondern ihn nur nicht recht erkannt, und daher nebst CHristo die Selig- keit aus der gesetzlichen und eigenen Gerechtigkeit gesuchet haben: siehet man auch daraus, daß Paulus spricht: CHristus sey ihnen bey der Beschneidung kein nütze. Und also müssen sie dabey auch dergestalt auf CHristum, als etwa auf einen grossen Propheten u. Wunder-Mann, gewiesen seyn, daß sie gemeinet, er sey und blei- be ihnen deßwegen doch nütze. Wie denn auch, wo jene CHristum gar verläugnet hätten, sie nur blosse Juden wären gewesen, und bey den gläu- bigen Galatern keinen Eingang würden gefun- den haben. 4. Man siehet aber hieraus, wie nöthig es sey, CHristum, nach der Lehre von seinem Mitt- ler-Amte, gantz und in der Lauterkeit zu er- kennen und zu behalten: und daß man im Papstthum, wegen der so vielen Zusätze und Ver- fälschungen des gedachten Mittler Amts Christi nichts weniger, als CHristum in der Evangeli- schen Lauterkeit habe. V. 3. Jch zeuge abermal (um damit meinen Anmerckungen. 1. Hier sehen wir, daß der Apostel die Be- schneidung, so doch nur ein Hauptstück von dem Ceremonial-Gesetze war, (in so fern nemlich be- reits vor Mosis Zeiten die Patriarchen gleichsam einige Erstlinge von demselben gehabt haben,) mit dem übrigen gantzen Gesetze genau verbin- det: als worauf die Galater auch ausser der Be- schneidung von den falschen Lehrern selbst gewie- sen wurden. 2. Aber an statt dessen, daß diese vorgaben, es könte die Seligkeit dadurch erworben werden: so zeiget Paulus an, daß, wofern sie die Selig- keit nebst CHristo aus dem gesetzlichen Gehorsam suchen wolten, sie schuldig wären, das Gesetz vollkömmlich zu erfüllen; wie alhier die Redens- Art, das gantze Gesetz thun, zu verstehen ist. Siehe auch c. 3, 10. Da nun aber dieses nie- mand thun kan, auch nicht in dieser Unvollkom- menheit aus den um CHristi willen geschenckten Gnaden-Kräften, viel weniger aus seinen eignen Natur-Kräften; so war und ist daher es offen- bar, daß man die Seligkeit nicht durch den Ge- horsam gegen das Gesetz erlange, sondern durch den Glauben an CHristum es als ein Gnaden- Geschenck empfangen müsse, dieses aber wegfal- le, wenn man es nicht als ein Erbe, sondern als eine Belohnung der Wercke suche. 3. Es wird demnach mit den Worten, das gantze Gesetz, das gantze Gesetz halten, nicht allein gesehen auf sensum legis extensivum, oder auf alle Gebote ohne Ausnahme, sondern auch auf intensivum, nach welchem das Gesetz ein solches Halten erfodert, welches ohne alle Unvollkom- menheit und Sünde ist. 4. Welcher gestalt aber auf dem Menschen, so fern er ausser CHristo betrachtet wird, eine solche Schuldigkeit zur vollkommnen Erfüllung liege, hat der Apostel vorher c. 4, 5. mit den Wor- ten: unter dem Gesetz seyn, angezeiget: welche oben erläutert worden. 5. Was die Beschneidung betrifft, hat man dieselbe zu unterschiedlichen Zeiten, auch bey unterschiedlichen Umständen und Absichten theils als gut und nöthig; theils als frey; theils auch als schädlich anzusehen. Gut und nö- thig war sie unter der alten jüdischen Oecono- mie, A a a a
Cap. 5, v. 2. 3. an die Galater. [Spaltenumbruch]
V. 2. Siehe, (ein ieder unter euch mercke wohl Anmerckungen. 1. Man ſiehet hieraus, daß die falſchen Lehrer, welche die Galatiſchen Gemeinen ſo ſehr verwirret haben, von der juͤdiſchen Nation und eben von der Art geweſen, als die waren, welche von Jeruſalem nach Antiochiam gekommen, und geſaget: Wo ihr euch nicht beſchneiden laſ- ſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet ihr nicht ſelig werden. Ap. Geſch. 15, 1. Wie auch als die zu Philippen, davon der Apoſtel Phil. 3, 2. 3. ſchreibet: Sehet auf die Hunde! ſehet auf die boͤſen Arbeiter! ſehet auf die Zer- ſchneidung (die euch durch die aufgedrungene Beſchneidung gleichſam zerſchneiden und aller- hand Spaltungen unter euch anrichten.) Denn wir ſind die Beſchneidung, die wir GOtt im Geiſt dienen. Und eben dieſe nennet er v. 18. Feinde des Creutzes CHriſti. 2. Ob nun gleich Paulus in dieſen Worten allein der Beſchneidung gedencket: ſo iſt es doch aus dem gantzen Contexte dieſer Epiſtel klar, daß die falſchen Lehrer die Glaͤubigen wie auf viele von den Levitiſchen Satzungen, nach c. 4, 9. 10. 11. alſo auch auf eine ſolche Haltung des Moral-Geſetzes, die zur Seligkeit noͤthig ſey, nach c. 2, 16. 3, 10. ſeqq. gefuͤhret, und alſo das Mitt- ler Amt CHriſti damit gantz entkraͤftet und ver- dunckelt haben. 3. Daß gedachte falſche Lehrer aber CHri- ſtum nicht gar verleugnet, ſondern ihn nur nicht recht erkannt, und daher nebſt CHriſto die Selig- keit aus der geſetzlichen und eigenen Gerechtigkeit geſuchet haben: ſiehet man auch daraus, daß Paulus ſpricht: CHriſtus ſey ihnen bey der Beſchneidung kein nuͤtze. Und alſo muͤſſen ſie dabey auch dergeſtalt auf CHriſtum, als etwa auf einen groſſen Propheten u. Wunder-Mann, gewieſen ſeyn, daß ſie gemeinet, er ſey und blei- be ihnen deßwegen doch nuͤtze. Wie denn auch, wo jene CHriſtum gar verlaͤugnet haͤtten, ſie nur bloſſe Juden waͤren geweſen, und bey den glaͤu- bigen Galatern keinen Eingang wuͤrden gefun- den haben. 4. Man ſiehet aber hieraus, wie noͤthig es ſey, CHriſtum, nach der Lehre von ſeinem Mitt- ler-Amte, gantz und in der Lauterkeit zu er- kennen und zu behalten: und daß man im Papſtthum, wegen der ſo vielen Zuſaͤtze und Ver- faͤlſchungen des gedachten Mittler Amts Chriſti nichts weniger, als CHriſtum in der Evangeli- ſchen Lauterkeit habe. V. 3. Jch zeuge abermal (um damit meinen Anmerckungen. 1. Hier ſehen wir, daß der Apoſtel die Be- ſchneidung, ſo doch nur ein Hauptſtuͤck von dem Ceremonial-Geſetze war, (in ſo fern nemlich be- reits vor Moſis Zeiten die Patriarchen gleichſam einige Erſtlinge von demſelben gehabt haben,) mit dem uͤbrigen gantzen Geſetze genau verbin- det: als worauf die Galater auch auſſer der Be- ſchneidung von den falſchen Lehrern ſelbſt gewie- ſen wurden. 2. Aber an ſtatt deſſen, daß dieſe vorgaben, es koͤnte die Seligkeit dadurch erworben werden: ſo zeiget Paulus an, daß, wofern ſie die Selig- keit nebſt CHriſto aus dem geſetzlichen Gehorſam ſuchen wolten, ſie ſchuldig waͤren, das Geſetz vollkoͤmmlich zu erfuͤllen; wie alhier die Redens- Art, das gantze Geſetz thun, zu verſtehen iſt. Siehe auch c. 3, 10. Da nun aber dieſes nie- mand thun kan, auch nicht in dieſer Unvollkom- menheit aus den um CHriſti willen geſchenckten Gnaden-Kraͤften, viel weniger aus ſeinen eignen Natur-Kraͤften; ſo war und iſt daher es offen- bar, daß man die Seligkeit nicht durch den Ge- horſam gegen das Geſetz erlange, ſondern durch den Glauben an CHriſtum es als ein Gnaden- Geſchenck empfangen muͤſſe, dieſes aber wegfal- le, wenn man es nicht als ein Erbe, ſondern als eine Belohnung der Wercke ſuche. 3. Es wird demnach mit den Worten, das gantze Geſetz, das gantze Geſetz halten, nicht allein geſehen auf ſenſum legis extenſivum, oder auf alle Gebote ohne Ausnahme, ſondern auch auf intenſivum, nach welchem das Geſetz ein ſolches Halten erfodert, welches ohne alle Unvollkom- menheit und Suͤnde iſt. 4. Welcher geſtalt aber auf dem Menſchen, ſo fern er auſſer CHriſto betrachtet wird, eine ſolche Schuldigkeit zur vollkommnen Erfuͤllung liege, hat der Apoſtel vorher c. 4, 5. mit den Wor- ten: unter dem Geſetz ſeyn, angezeiget: welche oben erlaͤutert worden. 5. Was die Beſchneidung betrifft, hat man dieſelbe zu unterſchiedlichen Zeiten, auch bey unterſchiedlichen Umſtaͤnden und Abſichten theils als gut und noͤthig; theils als frey; theils auch als ſchaͤdlich anzuſehen. Gut und noͤ- thig war ſie unter der alten juͤdiſchen Oecono- mie, A a a a
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Cap. 5, v. 2. 3. an die Galater.
V. 2.
Siehe, (ein ieder unter euch mercke wohl
darauf, als auf eine hoͤchſt wichtige Sache) ich
Paulus (der ich als ein wahrer Apoſtel mein
Amt zuvor legitimiret habe, den ihr auch fuͤr ei-
nen von CHriſto geſandten Apoſtel erkannt und
angenommen habet: ich Paulus, im Gegenſatz
auf das, was euch die falſchen Apoſtel beyge-
bracht haben) ſage euch (als ein Wort der
Wahrheit hiemit ſchriftlich:) wo ihr euch be-
ſchneiden laſſet (in der Meinung, daß es zur
Seligkeit noͤthig ſey und euch CHriſtus ohne die
Beſchneidung durch ſeine Erloͤſung allein dazu
nicht verhelfen koͤnne) ſo iſt euch CHriſtns
kein nuͤtze) denn ſo viel ihr der Beſchneidung
im Wercke der Seligkeit zuleget, ſo viel ſprechet
und brechet ihr damit CHriſto ab. Wer aber
CHriſtum nicht gantz hat, der hat ihn wie gar
nicht: ſintemal ſo denn damit auch alles uͤbrige,
ſo er noch von dem Mittler-Amte CHriſti beybe-
behaͤlt, entkraͤftet wird.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus, daß die falſchen
Lehrer, welche die Galatiſchen Gemeinen ſo ſehr
verwirret haben, von der juͤdiſchen Nation und
eben von der Art geweſen, als die waren, welche
von Jeruſalem nach Antiochiam gekommen, und
geſaget: Wo ihr euch nicht beſchneiden laſ-
ſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet ihr
nicht ſelig werden. Ap. Geſch. 15, 1. Wie auch
als die zu Philippen, davon der Apoſtel Phil. 3,
2. 3. ſchreibet: Sehet auf die Hunde! ſehet
auf die boͤſen Arbeiter! ſehet auf die Zer-
ſchneidung (die euch durch die aufgedrungene
Beſchneidung gleichſam zerſchneiden und aller-
hand Spaltungen unter euch anrichten.) Denn
wir ſind die Beſchneidung, die wir GOtt
im Geiſt dienen. Und eben dieſe nennet er v.
18. Feinde des Creutzes CHriſti.
2. Ob nun gleich Paulus in dieſen Worten
allein der Beſchneidung gedencket: ſo iſt es
doch aus dem gantzen Contexte dieſer Epiſtel
klar, daß die falſchen Lehrer die Glaͤubigen wie
auf viele von den Levitiſchen Satzungen, nach c.
4, 9. 10. 11. alſo auch auf eine ſolche Haltung des
Moral-Geſetzes, die zur Seligkeit noͤthig ſey, nach
c. 2, 16. 3, 10. ſeqq. gefuͤhret, und alſo das Mitt-
ler Amt CHriſti damit gantz entkraͤftet und ver-
dunckelt haben.
3. Daß gedachte falſche Lehrer aber CHri-
ſtum nicht gar verleugnet, ſondern ihn nur nicht
recht erkannt, und daher nebſt CHriſto die Selig-
keit aus der geſetzlichen und eigenen Gerechtigkeit
geſuchet haben: ſiehet man auch daraus, daß
Paulus ſpricht: CHriſtus ſey ihnen bey der
Beſchneidung kein nuͤtze. Und alſo muͤſſen
ſie dabey auch dergeſtalt auf CHriſtum, als etwa
auf einen groſſen Propheten u. Wunder-Mann,
gewieſen ſeyn, daß ſie gemeinet, er ſey und blei-
be ihnen deßwegen doch nuͤtze. Wie denn auch,
wo jene CHriſtum gar verlaͤugnet haͤtten, ſie nur
bloſſe Juden waͤren geweſen, und bey den glaͤu-
bigen Galatern keinen Eingang wuͤrden gefun-
den haben.
4. Man ſiehet aber hieraus, wie noͤthig es
ſey, CHriſtum, nach der Lehre von ſeinem Mitt-
ler-Amte, gantz und in der Lauterkeit zu er-
kennen und zu behalten: und daß man im
Papſtthum, wegen der ſo vielen Zuſaͤtze und Ver-
faͤlſchungen des gedachten Mittler Amts Chriſti
nichts weniger, als CHriſtum in der Evangeli-
ſchen Lauterkeit habe.
V. 3.
Jch zeuge abermal (um damit meinen
rechten Ernſt und der Sachen Wichtigkeit zu be-
zeugen) einem iedermann, der ſich beſchnei-
den laͤſſet, daß er noch das gantze Geſetz
(ſo, wie es nach ſeinem geiſtlichen Sinne in ſei-
ner Tiefe, Laͤnge und Breite zu verſtehen iſt)
ſchuldig iſt zu thun (vollkommen zu erfuͤl-
len.)
Anmerckungen.
1. Hier ſehen wir, daß der Apoſtel die Be-
ſchneidung, ſo doch nur ein Hauptſtuͤck von dem
Ceremonial-Geſetze war, (in ſo fern nemlich be-
reits vor Moſis Zeiten die Patriarchen gleichſam
einige Erſtlinge von demſelben gehabt haben,)
mit dem uͤbrigen gantzen Geſetze genau verbin-
det: als worauf die Galater auch auſſer der Be-
ſchneidung von den falſchen Lehrern ſelbſt gewie-
ſen wurden.
2. Aber an ſtatt deſſen, daß dieſe vorgaben,
es koͤnte die Seligkeit dadurch erworben werden:
ſo zeiget Paulus an, daß, wofern ſie die Selig-
keit nebſt CHriſto aus dem geſetzlichen Gehorſam
ſuchen wolten, ſie ſchuldig waͤren, das Geſetz
vollkoͤmmlich zu erfuͤllen; wie alhier die Redens-
Art, das gantze Geſetz thun, zu verſtehen iſt.
Siehe auch c. 3, 10. Da nun aber dieſes nie-
mand thun kan, auch nicht in dieſer Unvollkom-
menheit aus den um CHriſti willen geſchenckten
Gnaden-Kraͤften, viel weniger aus ſeinen eignen
Natur-Kraͤften; ſo war und iſt daher es offen-
bar, daß man die Seligkeit nicht durch den Ge-
horſam gegen das Geſetz erlange, ſondern durch
den Glauben an CHriſtum es als ein Gnaden-
Geſchenck empfangen muͤſſe, dieſes aber wegfal-
le, wenn man es nicht als ein Erbe, ſondern
als eine Belohnung der Wercke ſuche.
3. Es wird demnach mit den Worten, das
gantze Geſetz, das gantze Geſetz halten, nicht
allein geſehen auf ſenſum legis extenſivum, oder
auf alle Gebote ohne Ausnahme, ſondern auch auf
intenſivum, nach welchem das Geſetz ein ſolches
Halten erfodert, welches ohne alle Unvollkom-
menheit und Suͤnde iſt.
4. Welcher geſtalt aber auf dem Menſchen,
ſo fern er auſſer CHriſto betrachtet wird, eine
ſolche Schuldigkeit zur vollkommnen Erfuͤllung
liege, hat der Apoſtel vorher c. 4, 5. mit den Wor-
ten: unter dem Geſetz ſeyn, angezeiget: welche
oben erlaͤutert worden.
5. Was die Beſchneidung betrifft, hat
man dieſelbe zu unterſchiedlichen Zeiten, auch bey
unterſchiedlichen Umſtaͤnden und Abſichten theils
als gut und noͤthig; theils als frey; theils
auch als ſchaͤdlich anzuſehen. Gut und noͤ-
thig war ſie unter der alten juͤdiſchen Oecono-
mie,
A a a a
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