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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 4, v. 19. 20 an die Galater.
[Spaltenumbruch] ehrbaren Leben, sondern zur rechten Wie-
dergeburt aus GOTT bringen lassen, davon
denn von sich selbst ein recht gottseliger Wandel
entstehet.
16. Es ist aus diesem Ort offenbar, daß man
aus dem Stande der Gnade durch falsche Lehre,
oder durch böses Leben gäntzlich kan verfallen;
aber auch durch die Wiedergeburt dazu wieder
erneuret werden. Denn ob wol in manchen
Galatern der lebendige Same des Evangelii
noch also übrig gewesen, daß sie auch ein geistli-
ches Leben in sich gehabt; so wird es doch wol bey
einigen zum gäntzlichen Rück fall gekommen seyn,
sonst der Apostel nicht also an sie würde geschrie-
ben haben.
17. Es ist doch aber ein grosser Unterscheid
unter dem Abfall der Galater, und dem, davon
der Apostel in dem Briefe an die Hebräer c. 6, 6.
10, 26. 29. redet. Denn bey den Galatern kam
es nicht bis zur gäntzlichen Verläugnung CHri-
sti, also, daß sie bey der Schmähung des Na-
mens CHristi vom Christenthum wieder zum Ju-
denthum sich gewendet hätten, wie bey den He-
bräern theils geschehen seyn mochte, und theils
zu besorgen stunde: sondern sie liessen sich nur in
so weit von CHristo abführen, daß sie nicht so
wol durch den Glauben an ihn als durch die
Wercke des Gesetzes die Seligkeit zu erlangen
suchten.
18. Gleichwie man an manchen Menschen,
insonderheit an ihrer äusserlichen Tracht, Geber-
den, Worten und Wercken eine solche Welt-
Form findet, daß man die Eitelkeit, Frechheit und
Thorheit der Welt an ihnen gleichsam recht per-
sönlich siehet, und darüber innerlich betrübet
wird: so tritt hingegen die neue Geburt aus
GOTT bey den Gläubigen, die zur rechten
Kraft kommen, in allem dem, was an ihnen ist,
ausser den noch übrigen und leicht zu übersehen-
den Schwachheiten, dergestalt hervor, daß man
eine rechte Gestalt CHristi in der Sanftmuth,
Demuth, Einfalt, und allem übrigen rechtschaf-
nen Wesen also an ihnen siehet, und zur innigen
Freude davon so fort überzeuget wird. Und das
heißt denn also gezeuget seyn durchs Wort
der Wahrheit
Jac. 1, 18. 1 Petr. 1, 23. daß
man ein vollkommener Mann werde, der
da sey in der Masse des vollkommnen Al-
ters CHristi.
Eph. 4, 14. Man conferire auch
hiebey, was Paulus Col. 1, 28. 29. von seiner
wiedergebährenden Arbeit und deroselben Zweck
und Frucht schreibet: Wir verkündigen und
vermahnen alle Menschen, und lehren al-
le Menschen mit aller Weisheit, auf daß
wir darstellen einen ieglichen Menschen
vollkommen in CHristo JESU. Daran
ich auch arbeite und ringe, nach der Wir-
ckung deß, der in mir kräftiglich wircket.
19. Das Wort GOttes ist nicht ein todter
und kraftloser Buchstabe, sondern ein gar kräfti-
ges Mittel der Wiedergeburt; und zwar nicht
allein das gepredigte, sondern auch das geschrie-
bene:
wie denn Paulus eben dasjenige durch
diesen seinen Brief bey den Galatern wieder zu
erhalten suchet, was er bereits vor dem durch den
mündlichen Vortrag ausgerichtet hatte. Und ob
[Spaltenumbruch] er sich denn dabey gleich des Gesetzes zur Bestra-
fung mit bedienet; so läßt er es doch eigentlich
darinn auf die Kraft des Evangelii von CHristo
ankommen. Damit man aber durch den Rück-
fall sich nicht in Gefahr setze, und solcher Wieder-
kehr, vor welcher mancher Abtrünniger von dem
zeitlichen Tode übereilet wird, benöthiget sey; so
hat man sich vor Sicherheit zu hüten, und sich zu
bewahren, daß einen der Arge nicht antaste und
um die theure Beylage des Glaubens und guten
Gewissens bringe. 1 Tim. 1, 19. 1 Joh. 5, 18.
20. So wenig CHristus seiner Person nach
aufs neue gebohren werden kan in und ausser den
Gläubigen: so ist doch gleichwol im richtigen
Verstande die Christliche und evangelische Kirche
gleichsam die geistliche Mutter, in und aus wel-
cher CHristus in seinen Gliedern geistlich geboh-
ren wird. Wie denn auch daher Offenb. 12,
1. seqq. die jüdische Kirche in den letzten Zeiten des
neuen Testaments unter dem Bilde eines gebäh-
renden Weibes, die auch einen Sohn gebohren,
der alle Heiden mit der eisernen Ruthe weiden
solte, vorgestellet wird.
V. 20.

Jch wolte aber, (damit ich meinen Zweck
bey euch so viel gewisser und besser erhalten möch-
te,) daß ich ietzt bey euch wäre, und meine
Stimme wandeln
(oder also mit euch, und mit
einem ieden insonderheit reden) könte, (wie es
sein Zustand erfodert: welches sich in einem Brie-
fe nicht so wohl thun lässet.) Denn ich bin irre
an euch
(weiß nicht, was ich an euch habe, und
wie ich euren Zustand eigentlich ansehen, und
mich im schreiben weislich genug darnach richten
soll.)

Anmerckungen.
1. Mit der Wandelung, oder Verän-
derung
der Stimme hat es eine sonderliche Be-
schaffenheit, so wol was die Stimme selbst, also
auch die Sache, die geredet wird, betrifft. Die
Stimme selbst läßt sich so verändern, daß sie
bald stärcker, bald schwächer; bald geschwinder,
bald langsamer; bald höher, bald tiefer; bald
schärfer, bald gelinder; bald freymüthiger, bald
blöder auch abgebrochner und betrübter lautet;
nachdem der Affect, oder die Bewegung des Ge-
müths ist, die solche Veränderung verursachet,
und allemal der Grund und die Regirerin der
Stimme seyn muß. Und mit der Simme ist
denn auch gemeiniglich die Veränderung der
Geberden des Leibes, sonderlich der Hände ver-
knüpfet. Die doch aber nichts unanständiges an
sich haben müssen. Und ausser der Stimme fin-
det sich auch eine vielfache Veränderung in der
Sache selbst. Denn da ist ein anders lehren;
ein anders erinnern und ermahnen; ein an-
ders warnen, dräuen, bestrafen; ein anders
aufrichten, ermuntern, und trösten; ein an-
ders etwas kürtzlich, und etwas ausführlich
vortragen; ein anders diesen und jenen Zwei-
fel
und Einwurf benehmen u. s. w. Dieses
alles läßt sich mündlich viel besser thun als schrift-
lich. Gleichwie ein Medicus, der den Krancken
täglich besuchet, und da er zum öftern um ihn ist,
der
Cap. 4, v. 19. 20 an die Galater.
[Spaltenumbruch] ehrbaren Leben, ſondern zur rechten Wie-
dergeburt aus GOTT bringen laſſen, davon
denn von ſich ſelbſt ein recht gottſeliger Wandel
entſtehet.
16. Es iſt aus dieſem Ort offenbar, daß man
aus dem Stande der Gnade durch falſche Lehre,
oder durch boͤſes Leben gaͤntzlich kan verfallen;
aber auch durch die Wiedergeburt dazu wieder
erneuret werden. Denn ob wol in manchen
Galatern der lebendige Same des Evangelii
noch alſo uͤbrig geweſen, daß ſie auch ein geiſtli-
ches Leben in ſich gehabt; ſo wird es doch wol bey
einigen zum gaͤntzlichen Ruͤck fall gekommen ſeyn,
ſonſt der Apoſtel nicht alſo an ſie wuͤrde geſchrie-
ben haben.
17. Es iſt doch aber ein groſſer Unterſcheid
unter dem Abfall der Galater, und dem, davon
der Apoſtel in dem Briefe an die Hebraͤer c. 6, 6.
10, 26. 29. redet. Denn bey den Galatern kam
es nicht bis zur gaͤntzlichen Verlaͤugnung CHri-
ſti, alſo, daß ſie bey der Schmaͤhung des Na-
mens CHriſti vom Chriſtenthum wieder zum Ju-
denthum ſich gewendet haͤtten, wie bey den He-
braͤern theils geſchehen ſeyn mochte, und theils
zu beſorgen ſtunde: ſondern ſie lieſſen ſich nur in
ſo weit von CHriſto abfuͤhren, daß ſie nicht ſo
wol durch den Glauben an ihn als durch die
Wercke des Geſetzes die Seligkeit zu erlangen
ſuchten.
18. Gleichwie man an manchen Menſchen,
inſonderheit an ihrer aͤuſſerlichen Tracht, Geber-
den, Worten und Wercken eine ſolche Welt-
Form findet, daß man die Eitelkeit, Frechheit und
Thorheit der Welt an ihnen gleichſam recht per-
ſoͤnlich ſiehet, und daruͤber innerlich betruͤbet
wird: ſo tritt hingegen die neue Geburt aus
GOTT bey den Glaͤubigen, die zur rechten
Kraft kommen, in allem dem, was an ihnen iſt,
auſſer den noch uͤbrigen und leicht zu uͤberſehen-
den Schwachheiten, dergeſtalt hervor, daß man
eine rechte Geſtalt CHriſti in der Sanftmuth,
Demuth, Einfalt, und allem uͤbrigen rechtſchaf-
nen Weſen alſo an ihnen ſiehet, und zur innigen
Freude davon ſo fort uͤberzeuget wird. Und das
heißt denn alſo gezeuget ſeyn durchs Wort
der Wahrheit
Jac. 1, 18. 1 Petr. 1, 23. daß
man ein vollkommener Mann werde, der
da ſey in der Maſſe des vollkommnen Al-
ters CHriſti.
Eph. 4, 14. Man conferire auch
hiebey, was Paulus Col. 1, 28. 29. von ſeiner
wiedergebaͤhrenden Arbeit und deroſelben Zweck
und Frucht ſchreibet: Wir verkuͤndigen und
vermahnen alle Menſchen, und lehren al-
le Menſchen mit aller Weisheit, auf daß
wir darſtellen einen ieglichen Menſchen
vollkommen in CHriſto JESU. Daran
ich auch arbeite und ringe, nach der Wir-
ckung deß, der in mir kraͤftiglich wircket.
19. Das Wort GOttes iſt nicht ein todter
und kraftloſer Buchſtabe, ſondern ein gar kraͤfti-
ges Mittel der Wiedergeburt; und zwar nicht
allein das gepredigte, ſondern auch das geſchrie-
bene:
wie denn Paulus eben dasjenige durch
dieſen ſeinen Brief bey den Galatern wieder zu
erhalten ſuchet, was er bereits vor dem durch den
muͤndlichen Vortrag ausgerichtet hatte. Und ob
[Spaltenumbruch] er ſich denn dabey gleich des Geſetzes zur Beſtra-
fung mit bedienet; ſo laͤßt er es doch eigentlich
darinn auf die Kraft des Evangelii von CHriſto
ankommen. Damit man aber durch den Ruͤck-
fall ſich nicht in Gefahr ſetze, und ſolcher Wieder-
kehr, vor welcher mancher Abtruͤnniger von dem
zeitlichen Tode uͤbereilet wird, benoͤthiget ſey; ſo
hat man ſich vor Sicherheit zu huͤten, und ſich zu
bewahren, daß einen der Arge nicht antaſte und
um die theure Beylage des Glaubens und guten
Gewiſſens bringe. 1 Tim. 1, 19. 1 Joh. 5, 18.
20. So wenig CHriſtus ſeiner Perſon nach
aufs neue gebohren werden kan in und auſſer den
Glaͤubigen: ſo iſt doch gleichwol im richtigen
Verſtande die Chriſtliche und evangeliſche Kirche
gleichſam die geiſtliche Mutter, in und aus wel-
cher CHriſtus in ſeinen Gliedern geiſtlich geboh-
ren wird. Wie denn auch daher Offenb. 12,
1. ſeqq. die juͤdiſche Kirche in den letzten Zeiten des
neuen Teſtaments unter dem Bilde eines gebaͤh-
renden Weibes, die auch einen Sohn gebohren,
der alle Heiden mit der eiſernen Ruthe weiden
ſolte, vorgeſtellet wird.
V. 20.

Jch wolte aber, (damit ich meinen Zweck
bey euch ſo viel gewiſſer und beſſer erhalten moͤch-
te,) daß ich ietzt bey euch waͤre, und meine
Stimme wandeln
(oder alſo mit euch, und mit
einem ieden inſonderheit reden) koͤnte, (wie es
ſein Zuſtand erfodert: welches ſich in einem Brie-
fe nicht ſo wohl thun laͤſſet.) Denn ich bin irre
an euch
(weiß nicht, was ich an euch habe, und
wie ich euren Zuſtand eigentlich anſehen, und
mich im ſchreiben weislich genug darnach richten
ſoll.)

Anmerckungen.
1. Mit der Wandelung, oder Veraͤn-
derung
der Stimme hat es eine ſonderliche Be-
ſchaffenheit, ſo wol was die Stimme ſelbſt, alſo
auch die Sache, die geredet wird, betrifft. Die
Stimme ſelbſt laͤßt ſich ſo veraͤndern, daß ſie
bald ſtaͤrcker, bald ſchwaͤcher; bald geſchwinder,
bald langſamer; bald hoͤher, bald tiefer; bald
ſchaͤrfer, bald gelinder; bald freymuͤthiger, bald
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muͤths iſt, die ſolche Veraͤnderung verurſachet,
und allemal der Grund und die Regirerin der
Stimme ſeyn muß. Und mit der Simme iſt
denn auch gemeiniglich die Veraͤnderung der
Geberden des Leibes, ſonderlich der Haͤnde ver-
knuͤpfet. Die doch aber nichts unanſtaͤndiges an
ſich haben muͤſſen. Und auſſer der Stimme fin-
det ſich auch eine vielfache Veraͤnderung in der
Sache ſelbſt. Denn da iſt ein anders lehren;
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ders warnen, draͤuen, beſtrafen; ein anders
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ders etwas kuͤrtzlich, und etwas ausfuͤhrlich
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fel
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alles laͤßt ſich muͤndlich viel beſſer thun als ſchrift-
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[43[543]/0571] Cap. 4, v. 19. 20 an die Galater. ehrbaren Leben, ſondern zur rechten Wie- dergeburt aus GOTT bringen laſſen, davon denn von ſich ſelbſt ein recht gottſeliger Wandel entſtehet. 16. Es iſt aus dieſem Ort offenbar, daß man aus dem Stande der Gnade durch falſche Lehre, oder durch boͤſes Leben gaͤntzlich kan verfallen; aber auch durch die Wiedergeburt dazu wieder erneuret werden. Denn ob wol in manchen Galatern der lebendige Same des Evangelii noch alſo uͤbrig geweſen, daß ſie auch ein geiſtli- ches Leben in ſich gehabt; ſo wird es doch wol bey einigen zum gaͤntzlichen Ruͤck fall gekommen ſeyn, ſonſt der Apoſtel nicht alſo an ſie wuͤrde geſchrie- ben haben. 17. Es iſt doch aber ein groſſer Unterſcheid unter dem Abfall der Galater, und dem, davon der Apoſtel in dem Briefe an die Hebraͤer c. 6, 6. 10, 26. 29. redet. Denn bey den Galatern kam es nicht bis zur gaͤntzlichen Verlaͤugnung CHri- ſti, alſo, daß ſie bey der Schmaͤhung des Na- mens CHriſti vom Chriſtenthum wieder zum Ju- denthum ſich gewendet haͤtten, wie bey den He- braͤern theils geſchehen ſeyn mochte, und theils zu beſorgen ſtunde: ſondern ſie lieſſen ſich nur in ſo weit von CHriſto abfuͤhren, daß ſie nicht ſo wol durch den Glauben an ihn als durch die Wercke des Geſetzes die Seligkeit zu erlangen ſuchten. 18. Gleichwie man an manchen Menſchen, inſonderheit an ihrer aͤuſſerlichen Tracht, Geber- den, Worten und Wercken eine ſolche Welt- Form findet, daß man die Eitelkeit, Frechheit und Thorheit der Welt an ihnen gleichſam recht per- ſoͤnlich ſiehet, und daruͤber innerlich betruͤbet wird: ſo tritt hingegen die neue Geburt aus GOTT bey den Glaͤubigen, die zur rechten Kraft kommen, in allem dem, was an ihnen iſt, auſſer den noch uͤbrigen und leicht zu uͤberſehen- den Schwachheiten, dergeſtalt hervor, daß man eine rechte Geſtalt CHriſti in der Sanftmuth, Demuth, Einfalt, und allem uͤbrigen rechtſchaf- nen Weſen alſo an ihnen ſiehet, und zur innigen Freude davon ſo fort uͤberzeuget wird. Und das heißt denn alſo gezeuget ſeyn durchs Wort der Wahrheit Jac. 1, 18. 1 Petr. 1, 23. daß man ein vollkommener Mann werde, der da ſey in der Maſſe des vollkommnen Al- ters CHriſti. Eph. 4, 14. Man conferire auch hiebey, was Paulus Col. 1, 28. 29. von ſeiner wiedergebaͤhrenden Arbeit und deroſelben Zweck und Frucht ſchreibet: Wir verkuͤndigen und vermahnen alle Menſchen, und lehren al- le Menſchen mit aller Weisheit, auf daß wir darſtellen einen ieglichen Menſchen vollkommen in CHriſto JESU. Daran ich auch arbeite und ringe, nach der Wir- ckung deß, der in mir kraͤftiglich wircket. 19. Das Wort GOttes iſt nicht ein todter und kraftloſer Buchſtabe, ſondern ein gar kraͤfti- ges Mittel der Wiedergeburt; und zwar nicht allein das gepredigte, ſondern auch das geſchrie- bene: wie denn Paulus eben dasjenige durch dieſen ſeinen Brief bey den Galatern wieder zu erhalten ſuchet, was er bereits vor dem durch den muͤndlichen Vortrag ausgerichtet hatte. Und ob er ſich denn dabey gleich des Geſetzes zur Beſtra- fung mit bedienet; ſo laͤßt er es doch eigentlich darinn auf die Kraft des Evangelii von CHriſto ankommen. Damit man aber durch den Ruͤck- fall ſich nicht in Gefahr ſetze, und ſolcher Wieder- kehr, vor welcher mancher Abtruͤnniger von dem zeitlichen Tode uͤbereilet wird, benoͤthiget ſey; ſo hat man ſich vor Sicherheit zu huͤten, und ſich zu bewahren, daß einen der Arge nicht antaſte und um die theure Beylage des Glaubens und guten Gewiſſens bringe. 1 Tim. 1, 19. 1 Joh. 5, 18. 20. So wenig CHriſtus ſeiner Perſon nach aufs neue gebohren werden kan in und auſſer den Glaͤubigen: ſo iſt doch gleichwol im richtigen Verſtande die Chriſtliche und evangeliſche Kirche gleichſam die geiſtliche Mutter, in und aus wel- cher CHriſtus in ſeinen Gliedern geiſtlich geboh- ren wird. Wie denn auch daher Offenb. 12, 1. ſeqq. die juͤdiſche Kirche in den letzten Zeiten des neuen Teſtaments unter dem Bilde eines gebaͤh- renden Weibes, die auch einen Sohn gebohren, der alle Heiden mit der eiſernen Ruthe weiden ſolte, vorgeſtellet wird. V. 20. Jch wolte aber, (damit ich meinen Zweck bey euch ſo viel gewiſſer und beſſer erhalten moͤch- te,) daß ich ietzt bey euch waͤre, und meine Stimme wandeln (oder alſo mit euch, und mit einem ieden inſonderheit reden) koͤnte, (wie es ſein Zuſtand erfodert: welches ſich in einem Brie- fe nicht ſo wohl thun laͤſſet.) Denn ich bin irre an euch (weiß nicht, was ich an euch habe, und wie ich euren Zuſtand eigentlich anſehen, und mich im ſchreiben weislich genug darnach richten ſoll.) Anmerckungen. 1. Mit der Wandelung, oder Veraͤn- derung der Stimme hat es eine ſonderliche Be- ſchaffenheit, ſo wol was die Stimme ſelbſt, alſo auch die Sache, die geredet wird, betrifft. Die Stimme ſelbſt laͤßt ſich ſo veraͤndern, daß ſie bald ſtaͤrcker, bald ſchwaͤcher; bald geſchwinder, bald langſamer; bald hoͤher, bald tiefer; bald ſchaͤrfer, bald gelinder; bald freymuͤthiger, bald bloͤder auch abgebrochner und betruͤbter lautet; nachdem der Affect, oder die Bewegung des Ge- muͤths iſt, die ſolche Veraͤnderung verurſachet, und allemal der Grund und die Regirerin der Stimme ſeyn muß. Und mit der Simme iſt denn auch gemeiniglich die Veraͤnderung der Geberden des Leibes, ſonderlich der Haͤnde ver- knuͤpfet. Die doch aber nichts unanſtaͤndiges an ſich haben muͤſſen. Und auſſer der Stimme fin- det ſich auch eine vielfache Veraͤnderung in der Sache ſelbſt. Denn da iſt ein anders lehren; ein anders erinnern und ermahnen; ein an- ders warnen, draͤuen, beſtrafen; ein anders aufrichten, ermuntern, und troͤſten; ein an- ders etwas kuͤrtzlich, und etwas ausfuͤhrlich vortragen; ein anders dieſen und jenen Zwei- fel und Einwurf benehmen u. ſ. w. Dieſes alles laͤßt ſich muͤndlich viel beſſer thun als ſchrift- lich. Gleichwie ein Medicus, der den Krancken taͤglich beſuchet, und da er zum oͤftern um ihn iſt, der

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 43[543]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/571>, abgerufen am 24.11.2024.