Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 12, v. 14-20. [Spaltenumbruch]
6. Zu einem Geiste geträncket wer- den, ist, durch den Genuß des H. Abendmahls auch immer mehr des Heiligen Geistes theilhaf- tig werden, ja auf den Heiligen Geist so wohl, als auf den Vater und Sohn getaufet werden, nach der Matth. 28, 19. vorgeschriebenen Tauf- Formul; daß man, wie man an den Vater und Sohn glaubet, also auch an den Heiligen Geist, als Urheber und Geber unserer Seligkeit glau- ben, und sich von ihm regieren lassen soll. Die Wiederhohlung des Wörtleins en, zu einem Geist, geschiehet in Ansehung der den Corin- thiern anbefohlnen Einigkeit ihres Geistes, oder Sinnes untereinander: dazu sie dieses, daß alle mit dem H. Abendmahl auf einen und eben denselben H. Geist gewiesen werden, unter andern mit verbinden solte. V. 14 - - 20. Denn auch der Leib ist nicht ein Anmerckungen. 1. Da der Apostel nicht ohne Ursache vom menschlichen Leibe und dessen Gliedern so viele Worte machet, so haben wir zuvorderst eines und das andere bey dem Leibe selbst zu beobachten, und hernach auch zu sehen, was der Apostel mit solcher seiner Vorstellung in der Application auf die Kirche GOttes überhaupt, und auf eine jede Gemeine insonderheit, habe sagen wollen. 2. Wie am gantzen Wercke der Schöpf- fung, also insonderheit an der ersten Hervorbrin- gung und der ihr gemässen noch ietzo beständigen Bildung des menschlichen Leibes hat GOTT sonderlich diese drey Eigenschaften seines un- sichtbaren Wesens offenbaret: Die Güte, die Allmacht und die Weisheit, und dabey in al- len seine unendliche Freyheit. 3. Die Güte GOttes leuchtet hervor aus der Fürtreflichkeit des Leibes und aller seiner Glieder, in Ansehung ihres Nutzens, wozu sie dienen. Denn könte auch wol das Haupt, und [Spaltenumbruch] daran das Ohr zum Hören, das Auge zum Se- hen, die Nase zum Riechen, auch zum Odem- holen, der Mund und darinnen die Zunge zum Reden und übrigen Gebrauche, besser seyn, als es alles ist? Siehe, o Mensch deine Arme, dei- ne Hände, deine Beine und Füsse an; betrachte auch die übrige Theile des Leibes; und siehe, ob du etwas finden könnest, das an sich nicht gut, ja so gut wäre, daß es nicht zu verbessern ist. Zwar ist durch den Sünden- Fall wie zuvorderst die Seele, also auch, wegen der so genauen Vereinigung zwischen Leib und Seele, der Leib in manchen Stücken in einen schlechtern Zustand gerathen: aber nichts desto- weniger stehet er da in einer solchen natürlichen Vortreflichkeit, die man nicht genugsam bewun- dern kan. So möchte auch wol mancher Klüg- ling dis und das an dem menschlichen Leibe zu tadeln finden: allein, wenn man es beym Lichte besiehet, wird sich darinnen ein recht grober Un- verstand offenbaren. Denn wolte jemand ge- dencken und sagen: wenn dis und das nur nicht so und so, sondern anders wäre; so wird sich fin- den, daß, wo auch nur ein einziges Glied einen andern Ort hätte, oder innerlich und äusserlich anders beschaffen wäre, als es ist, so denn auch die gantze Structur des gantzen Leibes von ande- rer Symmetria und Beschaffenheit seyn müste, und alsdenn nicht so gut seyn, noch dazu ge- schickt seyn würde, wozu es ietzo tüchtig ist. 4. Nicht weniger hat GOTT an der Schöpfung und Bildung des menschlichen Lei- bes seine Allmacht geoffenbaret. Denn einen Erden-Kloß auf einmal also zu bilden, daß er die Form des Leibes bekommen, und mit so vielen Gliedern dargestellet worden, und zwar, daß das, was vorher nichts, als Erde war, zu Fleisch und Knochen, auch zu mancherley Feuchtigkeit worden, das ist ein Werck der göttlichen All- macht. Und dieses thut sich auch nicht weniger darinn hervor, daß GOtt die Ordnung der Na- tur also eingerichtet hat, daß noch bis auf den heutigen Tag bey Fortpflantzung des menschli- chen Geschlechts alles also zu stande kömmt. 5. Wie herrlich sich dabey die Weisheit GOttes geoffenbaret habe, und noch hervor thue, siehet man sonderlich daraus, daß GOtt den menschlichen Leib mit allen seinen Gliedern zu einem vielfachen Zwecke gerichtet hat; als welchen wir daraus erkennen, wenn wir wahr- nehmen, wozu der Leib mit seinen Gliedern von Rechts wegen dienet. Damit nun diese, Ab- sichten erhalten werden möchten, hat GOtt dem gantzen Leibe in Ansehung aller innerlichen und äusserlichen Gliedmassen, nach der allerbesten Symmetria, eine solche Structur und Proportion gegeben, als nicht besser zu wünschen, und wie es dem gedachten vielfachen Zweck gemäß ist: wie denn, wo dieses und jenes am menschlichen Leibe anders wäre, als es ist, der Leib zu dieser und jener Verrichtung ungeschickt seyn würde, und der intendirte Zweck nicht erhalten werden könte. Man gehe nun alle Gliedmassen und ih- re Theile, wie äusserlich, also auch, durch Be- huf der Anatomie, innerlich durch, und betrach- te alles wohl; so wird man mit heiliger Ver- wun-
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 12, v. 14-20. [Spaltenumbruch]
6. Zu einem Geiſte getraͤncket wer- den, iſt, durch den Genuß des H. Abendmahls auch immer mehr des Heiligen Geiſtes theilhaf- tig werden, ja auf den Heiligen Geiſt ſo wohl, als auf den Vater und Sohn getaufet werden, nach der Matth. 28, 19. vorgeſchriebenen Tauf- Formul; daß man, wie man an den Vater und Sohn glaubet, alſo auch an den Heiligen Geiſt, als Urheber und Geber unſerer Seligkeit glau- ben, und ſich von ihm regieren laſſen ſoll. Die Wiederhohlung des Woͤrtleins ἕν, zu einem Geiſt, geſchiehet in Anſehung der den Corin- thiern anbefohlnen Einigkeit ihres Geiſtes, oder Sinnes untereinander: dazu ſie dieſes, daß alle mit dem H. Abendmahl auf einen und eben denſelben H. Geiſt gewieſen werden, unter andern mit verbinden ſolte. V. 14 ‒ ‒ 20. Denn auch der Leib iſt nicht ein Anmerckungen. 1. Da der Apoſtel nicht ohne Urſache vom menſchlichen Leibe und deſſen Gliedern ſo viele Worte machet, ſo haben wir zuvorderſt eines und das andere bey dem Leibe ſelbſt zu beobachten, und hernach auch zu ſehen, was der Apoſtel mit ſolcher ſeiner Vorſtellung in der Application auf die Kirche GOttes uͤberhaupt, und auf eine jede Gemeine inſonderheit, habe ſagen wollen. 2. Wie am gantzen Wercke der Schoͤpf- fung, alſo inſonderheit an der erſten Hervorbrin- gung und der ihr gemaͤſſen noch ietzo beſtaͤndigen Bildung des menſchlichen Leibes hat GOTT ſonderlich dieſe drey Eigenſchaften ſeines un- ſichtbaren Weſens offenbaret: Die Guͤte, die Allmacht und die Weisheit, und dabey in al- len ſeine unendliche Freyheit. 3. Die Guͤte GOttes leuchtet hervor aus der Fuͤrtreflichkeit des Leibes und aller ſeiner Glieder, in Anſehung ihres Nutzens, wozu ſie dienen. Denn koͤnte auch wol das Haupt, und [Spaltenumbruch] daran das Ohr zum Hoͤren, das Auge zum Se- hen, die Naſe zum Riechen, auch zum Odem- holen, der Mund und darinnen die Zunge zum Reden und uͤbrigen Gebrauche, beſſer ſeyn, als es alles iſt? Siehe, o Menſch deine Arme, dei- ne Haͤnde, deine Beine und Fuͤſſe an; betrachte auch die uͤbrige Theile des Leibes; und ſiehe, ob du etwas finden koͤnneſt, das an ſich nicht gut, ja ſo gut waͤre, daß es nicht zu verbeſſern iſt. Zwar iſt durch den Suͤnden- Fall wie zuvorderſt die Seele, alſo auch, wegen der ſo genauen Vereinigung zwiſchen Leib und Seele, der Leib in manchen Stuͤcken in einen ſchlechtern Zuſtand gerathen: aber nichts deſto- weniger ſtehet er da in einer ſolchen natuͤrlichen Vortreflichkeit, die man nicht genugſam bewun- dern kan. So moͤchte auch wol mancher Kluͤg- ling dis und das an dem menſchlichen Leibe zu tadeln finden: allein, wenn man es beym Lichte beſiehet, wird ſich darinnen ein recht grober Un- verſtand offenbaren. Denn wolte jemand ge- dencken und ſagen: wenn dis und das nur nicht ſo und ſo, ſondern anders waͤre; ſo wird ſich fin- den, daß, wo auch nur ein einziges Glied einen andern Ort haͤtte, oder innerlich und aͤuſſerlich anders beſchaffen waͤre, als es iſt, ſo denn auch die gantze Structur des gantzen Leibes von ande- rer Symmetria und Beſchaffenheit ſeyn muͤſte, und alsdenn nicht ſo gut ſeyn, noch dazu ge- ſchickt ſeyn wuͤrde, wozu es ietzo tuͤchtig iſt. 4. Nicht weniger hat GOTT an der Schoͤpfung und Bildung des menſchlichen Lei- bes ſeine Allmacht geoffenbaret. Denn einen Erden-Kloß auf einmal alſo zu bilden, daß er die Form des Leibes bekommen, und mit ſo vielen Gliedern dargeſtellet worden, und zwar, daß das, was vorher nichts, als Erde war, zu Fleiſch und Knochen, auch zu mancherley Feuchtigkeit worden, das iſt ein Werck der goͤttlichen All- macht. Und dieſes thut ſich auch nicht weniger darinn hervor, daß GOtt die Ordnung der Na- tur alſo eingerichtet hat, daß noch bis auf den heutigen Tag bey Fortpflantzung des menſchli- chen Geſchlechts alles alſo zu ſtande koͤmmt. 5. Wie herrlich ſich dabey die Weisheit GOttes geoffenbaret habe, und noch hervor thue, ſiehet man ſonderlich daraus, daß GOtt den menſchlichen Leib mit allen ſeinen Gliedern zu einem vielfachen Zwecke gerichtet hat; als welchen wir daraus erkennen, wenn wir wahr- nehmen, wozu der Leib mit ſeinen Gliedern von Rechts wegen dienet. Damit nun dieſe, Ab- ſichten erhalten werden moͤchten, hat GOtt dem gantzen Leibe in Anſehung aller innerlichen und aͤuſſerlichen Gliedmaſſen, nach der allerbeſten Symmetria, eine ſolche Structur und Proportion gegeben, als nicht beſſer zu wuͤnſchen, und wie es dem gedachten vielfachen Zweck gemaͤß iſt: wie denn, wo dieſes und jenes am menſchlichen Leibe anders waͤre, als es iſt, der Leib zu dieſer und jener Verrichtung ungeſchickt ſeyn wuͤrde, und der intendirte Zweck nicht erhalten werden koͤnte. Man gehe nun alle Gliedmaſſen und ih- re Theile, wie aͤuſſerlich, alſo auch, durch Be- huf der Anatomie, innerlich durch, und betrach- te alles wohl; ſo wird man mit heiliger Ver- wun-
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Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 12, v. 14-20.
6. Zu einem Geiſte getraͤncket wer-
den, iſt, durch den Genuß des H. Abendmahls
auch immer mehr des Heiligen Geiſtes theilhaf-
tig werden, ja auf den Heiligen Geiſt ſo wohl,
als auf den Vater und Sohn getaufet werden,
nach der Matth. 28, 19. vorgeſchriebenen Tauf-
Formul; daß man, wie man an den Vater und
Sohn glaubet, alſo auch an den Heiligen Geiſt,
als Urheber und Geber unſerer Seligkeit glau-
ben, und ſich von ihm regieren laſſen ſoll. Die
Wiederhohlung des Woͤrtleins ἕν, zu einem
Geiſt, geſchiehet in Anſehung der den Corin-
thiern anbefohlnen Einigkeit ihres Geiſtes,
oder Sinnes untereinander: dazu ſie dieſes,
daß alle mit dem H. Abendmahl auf einen und
eben denſelben H. Geiſt gewieſen werden, unter
andern mit verbinden ſolte.
V. 14 ‒ ‒ 20.
Denn auch der Leib iſt nicht ein
Glied, ſondern viele. v. 15. So aber der
Fuß ſpraͤche (menſchlicher Weiſe davon alſo zu
reden, um unter dieſem Bilde vorzuſtellen, wie
die geiſtlichen Glieder ihre Gaben anſehen, und
wie ſie gegen einander geſinnet ſeyn ſollen) ich
bin keine Hand, darum bin ich des Leibes
Glied nicht; ſolte er um deswillen nicht
des Leibes Glied ſeyn? v. 16. Und ſo das
Ohr ſpraͤche: Jch bin kein Auge, darum
bin ich nicht des Leibes Glied; ſolte es
um deswillen nicht des Leibes Glied ſeyn?
v. 17. Wenn der gantze Leib Auge waͤre;
wo bliebe das Gehoͤr? Solte er gantz das
Gehoͤr ſeyn, wo bliebe der Geruch?
v. 18. Nun aber hat GOtt die Glieder ge-
ſetzet, ein jegliches ſonderlich am Leibe,
(wie an ſeinem beſondern Orte am Leibe, alſo
auch zu einem beſondern Gebrauche, dazu ſich
der Ort ſchicket) wie er gewolt, (welcher
freyer Wille doch aber die hoͤchſte Weisheit zum
Grunde hat.) v. 19. So aber alle Glieder
ein Glied (oder Glieder von einerley Art waͤren)
wo bliebe der Leib) der aus vielen Gliedern
beſtehen ſoll?) v. 20. Nun aber ſind der
Glieder viele, aber der Leib iſt einer.
Anmerckungen.
1. Da der Apoſtel nicht ohne Urſache vom
menſchlichen Leibe und deſſen Gliedern ſo viele
Worte machet, ſo haben wir zuvorderſt eines
und das andere bey dem Leibe ſelbſt zu beobachten,
und hernach auch zu ſehen, was der Apoſtel mit
ſolcher ſeiner Vorſtellung in der Application
auf die Kirche GOttes uͤberhaupt, und auf eine
jede Gemeine inſonderheit, habe ſagen wollen.
2. Wie am gantzen Wercke der Schoͤpf-
fung, alſo inſonderheit an der erſten Hervorbrin-
gung und der ihr gemaͤſſen noch ietzo beſtaͤndigen
Bildung des menſchlichen Leibes hat GOTT
ſonderlich dieſe drey Eigenſchaften ſeines un-
ſichtbaren Weſens offenbaret: Die Guͤte, die
Allmacht und die Weisheit, und dabey in al-
len ſeine unendliche Freyheit.
3. Die Guͤte GOttes leuchtet hervor aus
der Fuͤrtreflichkeit des Leibes und aller ſeiner
Glieder, in Anſehung ihres Nutzens, wozu ſie
dienen. Denn koͤnte auch wol das Haupt, und
daran das Ohr zum Hoͤren, das Auge zum Se-
hen, die Naſe zum Riechen, auch zum Odem-
holen, der Mund und darinnen die Zunge zum
Reden und uͤbrigen Gebrauche, beſſer ſeyn, als
es alles iſt? Siehe, o Menſch deine Arme, dei-
ne Haͤnde, deine Beine und Fuͤſſe an; betrachte
auch die uͤbrige Theile des Leibes; und ſiehe, ob
du etwas finden koͤnneſt, das an ſich nicht
gut, ja ſo gut waͤre, daß es nicht zu
verbeſſern iſt. Zwar iſt durch den Suͤnden-
Fall wie zuvorderſt die Seele, alſo auch, wegen
der ſo genauen Vereinigung zwiſchen Leib und
Seele, der Leib in manchen Stuͤcken in einen
ſchlechtern Zuſtand gerathen: aber nichts deſto-
weniger ſtehet er da in einer ſolchen natuͤrlichen
Vortreflichkeit, die man nicht genugſam bewun-
dern kan. So moͤchte auch wol mancher Kluͤg-
ling dis und das an dem menſchlichen Leibe zu
tadeln finden: allein, wenn man es beym Lichte
beſiehet, wird ſich darinnen ein recht grober Un-
verſtand offenbaren. Denn wolte jemand ge-
dencken und ſagen: wenn dis und das nur nicht
ſo und ſo, ſondern anders waͤre; ſo wird ſich fin-
den, daß, wo auch nur ein einziges Glied einen
andern Ort haͤtte, oder innerlich und aͤuſſerlich
anders beſchaffen waͤre, als es iſt, ſo denn auch
die gantze Structur des gantzen Leibes von ande-
rer Symmetria und Beſchaffenheit ſeyn muͤſte,
und alsdenn nicht ſo gut ſeyn, noch dazu ge-
ſchickt ſeyn wuͤrde, wozu es ietzo tuͤchtig iſt.
4. Nicht weniger hat GOTT an der
Schoͤpfung und Bildung des menſchlichen Lei-
bes ſeine Allmacht geoffenbaret. Denn einen
Erden-Kloß auf einmal alſo zu bilden, daß er die
Form des Leibes bekommen, und mit ſo vielen
Gliedern dargeſtellet worden, und zwar, daß
das, was vorher nichts, als Erde war, zu Fleiſch
und Knochen, auch zu mancherley Feuchtigkeit
worden, das iſt ein Werck der goͤttlichen All-
macht. Und dieſes thut ſich auch nicht weniger
darinn hervor, daß GOtt die Ordnung der Na-
tur alſo eingerichtet hat, daß noch bis auf den
heutigen Tag bey Fortpflantzung des menſchli-
chen Geſchlechts alles alſo zu ſtande koͤmmt.
5. Wie herrlich ſich dabey die Weisheit
GOttes geoffenbaret habe, und noch hervor
thue, ſiehet man ſonderlich daraus, daß GOtt
den menſchlichen Leib mit allen ſeinen Gliedern
zu einem vielfachen Zwecke gerichtet hat; als
welchen wir daraus erkennen, wenn wir wahr-
nehmen, wozu der Leib mit ſeinen Gliedern von
Rechts wegen dienet. Damit nun dieſe, Ab-
ſichten erhalten werden moͤchten, hat GOtt dem
gantzen Leibe in Anſehung aller innerlichen und
aͤuſſerlichen Gliedmaſſen, nach der allerbeſten
Symmetria, eine ſolche Structur und Proportion
gegeben, als nicht beſſer zu wuͤnſchen, und wie
es dem gedachten vielfachen Zweck gemaͤß iſt:
wie denn, wo dieſes und jenes am menſchlichen
Leibe anders waͤre, als es iſt, der Leib zu dieſer
und jener Verrichtung ungeſchickt ſeyn wuͤrde,
und der intendirte Zweck nicht erhalten werden
koͤnte. Man gehe nun alle Gliedmaſſen und ih-
re Theile, wie aͤuſſerlich, alſo auch, durch Be-
huf der Anatomie, innerlich durch, und betrach-
te alles wohl; ſo wird man mit heiliger Ver-
wun-
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