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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 8. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] ches denn auch kein Zeichen der geistlichen Stär-
cke, sondern der fleischlichen Frechheit, und Miß-
brauch der geistlichen Freyheit war.
10. Hierauf gehet nun Pauli Abhandlung
in diesem achten, theils auch im zehenten Capi-
tel. Denn da stellet er erstlich vor, worauf die
Stärckern, welche die eigentliche Beschaffenheit
der Götzen-Opfer einsahen, sich bezogen, nemlich
daß der Götze nichts sey, und wie sie desfalls das
Opfer-Fleisch wie anderes Fleisch gegessen; ja
einige gar in die Götzen-Häuser gegangen; aber
mit einem Mißbrauch ihrer Stärcke u. ihrer Frey-
heit, da sich denn Schwächere daran sehr geär-
gert haben. Dieses ist der Jnnhalt des achten
Capitels.
11. Nachdem der Apostel im neunten Ca-
pitel mit seinem Exempel gezeiget hatte, wie die
Liebe, zum Zweck der Gewinnung und Erbau-
ung, die Meisterin der Freyheit sey; so kömmt
er im zehenten Capitel, nach einigen andern
Warnungen, wieder auf die Materie vom Ge-
nuß des Götzen-Opfers.
12. Hier verbietet nun der Apostel denjeni-
gen Genuß, zu welchem man gar mit in die Gö-
tzen-Häuser ging, und sich dadurch des Götzen-
Wesens mit theilhaftig machte. Daher er v.
14-21. anzeiget, wie solches keines weges mit
der Gemeinschaft CHristi, sonderlich der, wel-
che man vermittels des gesegneten Brodts
und des gesegneten Kelchs
im heiligen Abend-
mahl habe, bestehen könne.
13. Hernach giebt er die Instruction, nach
welcher sich einer zu halten habe bey dem Opfer-
Fleische, so auf dem Fleisch-Marckte verkaufet,
oder auch zu Hause in einigen Gast-Mahlen ver-
zehret wurde: nemlich also, daß zwar dabey die
Christliche Freyheit statt finde, sich aber in An-
sehung der Schwachen von der Liebe müsse re-
gulir
en lassen.
14. So viel zum Voraus zur nöthigen Ein-
leitung in diese Materie: als ohne welche sie nicht
wol, gewiß nicht so leichte, kan recht verstanden
werden.
V. 1.

Vom dem Götzen-Opfer aber wissen
wir,
(wir haben die Erkäntniß davon, daß ein
Götze nichts sey, und in der blossen Einbildung
abgöttischer Leute bestehe, v. 4. c. 10, v. 19. und
daß also, was nichts ist, auch keine Kraft habe,
einige Speise zu verunreinigen, und folglich,
daß man eine Speise, welche für ein Theil eines
Götzen-Opfers gehalten wird, wol ohne An-
stoß des Gewissens geniessen könne) denn wir
(Stärckern) haben alle das Wissen (wie es
um das Götzen-Opfer und dessen Genuß solcher-
gestalt stehet, oder nicht stehet: das wissen wir
zwar: aber viele wissen es nicht recht, wie sie es
wissen sollen; sintemal bey ihnen) das Wissen
aufblähet,
(ein solches Wissen ist, welches oh-
ne die Liebe ist gegen den schwachen Neben-Chri-
sten, der solche Erkäntniß von den Götzen und
vom Götzen-Opfer nicht hat, und sich daher an
dem Genuß des Götzen-Opfers sehr ärgert, zum
Theil auch wol gar wider das Gewissen mit dazu
[Spaltenumbruch] verleitet wird. Ein solches Wissen ohne Liebe
gegen die Schwachen, blähet auf; sintemal man
dadurch mit Hindansetzung derselben nur auf sich
siehet, und sich selbst in seiner Erkäntniß wohlge-
fällt und gleichsam darein spiegelt, in der Mei-
nung, wie weit man gekommen sey; da man doch
dabey die ersten lectiones vom thätigen Christen-
thum, welche auf die Liebe gehen, zurück setzet,
den Schwachen ärgert und verachtet, Rom. 14,
1. seqq.) aber die Liebe (die zwar auch keines
weges blind, sondern mit einer, aber nicht auf-
blähenden, Erkäntniß verknüpfet ist, ja dadurch
immer mehr entzündet, vermehret und unter-
halten wird) bessert (siehet auch auf das, was
des Nächsten ist, und suchet ihn, an statt des An-
stosses, zu erbauen. Siehe Rom. 14. 15, 1. 2.

Anmerckung.

Das buchstäbliche Wissen eines unwieder-
gebohrnen Menschen blähet auf: darum ist es
nicht rechter Art; wie es denn auch ihn selbst am
aller wenigsten bessert. Daß es aber aufblähet,
ist daher offenbar, weil die Eigen-Liebe ohne das
noch in ihm herrschet. Daher denn auch solches
Wissen, wenn man sich damit was einbildet, und
gedencket, wie hoch man von dem Heiligen Geiste
erleuchtet sey, den Menschen noch stoltzer, oder
zum Pharisäer machet; zumal wo er dabey in
äusserlicher Ehrbarkeit lebet.

V. 2.

So aber sich iemand lässet düncken,
(sich einbildet, mit Erhebung seiner selbst, und, in
Hindansetzung der Liebe, mit Geringachtung sei-
nes schwachen Nächsten) er wisse etwas, (ha-
be eine herrliche Erkäntniß von der Christlichen
Lehre, insonderheit von der Evangelischen Ge-
wissens-Freyheit,) der weiß noch nichts, wie
er wissen
(auch seine Wissenschaft in Demuth
und mit Liebe zur Erbauung seines Nächsten ge-
brauchen) soll. Siehe auch 1 Tim. 6, 4.

Anmerckungen.
1. Etwas wissen, oder in göttlichen Dingen
erkennen, ist gut; aber es sich düncken lassen, das
ist, solche Erkäntniß nicht in Demuth, und in der
Lauterkeit haben, noch auch zum rechten Gebrauch
anwenden, ist vor GOtt nichts, so viel auch der
Mensch selbst daraus machet.
2. Jn der Erkäntniß göttlicher Dinge
kömmt es nicht so wol auf die Sache an, womit
der menschliche Verstand es zu thun hat, als auf
die Art und Weise, wie man etwas erkennet.
Jene können geistlich seyn, und diese doch wol
fleischlich, oder bloß natürlich, und also unrichtig
und unlauter.
3. Und daß diese so gar unterschiedene
Dinge mit einander confundiret werden, damit
betriegen sich so manche Menschen. Denn sie
gedencken, weil sie mit dem göttlichen Worte
umgehen, und in ihrer Erkäntniß göttliche Ge-
heimnisse und andere Wahrheiten vor sich haben,
so wäre ihre Erkäntniß auch daher geistlich und
übernatürlich. Da sie doch mit geistlichen Din-
gen nur auf eine fleischliche und bloß natürliche
Art, nach ihren bloß natürlichen Kräften um-
gehen,
Cap. 8. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] ches denn auch kein Zeichen der geiſtlichen Staͤr-
cke, ſondern der fleiſchlichen Frechheit, und Miß-
brauch der geiſtlichen Freyheit war.
10. Hierauf gehet nun Pauli Abhandlung
in dieſem achten, theils auch im zehenten Capi-
tel. Denn da ſtellet er erſtlich vor, worauf die
Staͤrckern, welche die eigentliche Beſchaffenheit
der Goͤtzen-Opfer einſahen, ſich bezogen, nemlich
daß der Goͤtze nichts ſey, und wie ſie desfalls das
Opfer-Fleiſch wie anderes Fleiſch gegeſſen; ja
einige gar in die Goͤtzen-Haͤuſer gegangen; aber
mit einem Mißbrauch ihrer Staͤrcke u. ihrer Frey-
heit, da ſich denn Schwaͤchere daran ſehr geaͤr-
gert haben. Dieſes iſt der Jnnhalt des achten
Capitels.
11. Nachdem der Apoſtel im neunten Ca-
pitel mit ſeinem Exempel gezeiget hatte, wie die
Liebe, zum Zweck der Gewinnung und Erbau-
ung, die Meiſterin der Freyheit ſey; ſo koͤm̃t
er im zehenten Capitel, nach einigen andern
Warnungen, wieder auf die Materie vom Ge-
nuß des Goͤtzen-Opfers.
12. Hier verbietet nun der Apoſtel denjeni-
gen Genuß, zu welchem man gar mit in die Goͤ-
tzen-Haͤuſer ging, und ſich dadurch des Goͤtzen-
Weſens mit theilhaftig machte. Daher er v.
14-21. anzeiget, wie ſolches keines weges mit
der Gemeinſchaft CHriſti, ſonderlich der, wel-
che man vermittels des geſegneten Brodts
und des geſegneten Kelchs
im heiligen Abend-
mahl habe, beſtehen koͤnne.
13. Hernach giebt er die Inſtruction, nach
welcher ſich einer zu halten habe bey dem Opfer-
Fleiſche, ſo auf dem Fleiſch-Marckte verkaufet,
oder auch zu Hauſe in einigen Gaſt-Mahlen ver-
zehret wurde: nemlich alſo, daß zwar dabey die
Chriſtliche Freyheit ſtatt finde, ſich aber in An-
ſehung der Schwachen von der Liebe muͤſſe re-
gulir
en laſſen.
14. So viel zum Voraus zur noͤthigen Ein-
leitung in dieſe Materie: als ohne welche ſie nicht
wol, gewiß nicht ſo leichte, kan recht verſtanden
werden.
V. 1.

Vom dem Goͤtzen-Opfer aber wiſſen
wir,
(wir haben die Erkaͤntniß davon, daß ein
Goͤtze nichts ſey, und in der bloſſen Einbildung
abgoͤttiſcher Leute beſtehe, v. 4. c. 10, v. 19. und
daß alſo, was nichts iſt, auch keine Kraft habe,
einige Speiſe zu verunreinigen, und folglich,
daß man eine Speiſe, welche fuͤr ein Theil eines
Goͤtzen-Opfers gehalten wird, wol ohne An-
ſtoß des Gewiſſens genieſſen koͤnne) denn wir
(Staͤrckern) haben alle das Wiſſen (wie es
um das Goͤtzen-Opfer und deſſen Genuß ſolcher-
geſtalt ſtehet, oder nicht ſtehet: das wiſſen wir
zwar: aber viele wiſſen es nicht recht, wie ſie es
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aufblaͤhet,
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ne die Liebe iſt gegen den ſchwachen Neben-Chri-
ſten, der ſolche Erkaͤntniß von den Goͤtzen und
vom Goͤtzen-Opfer nicht hat, und ſich daher an
dem Genuß des Goͤtzen-Opfers ſehr aͤrgert, zum
Theil auch wol gar wider das Gewiſſen mit dazu
[Spaltenumbruch] verleitet wird. Ein ſolches Wiſſen ohne Liebe
gegen die Schwachen, blaͤhet auf; ſintemal man
dadurch mit Hindanſetzung derſelben nur auf ſich
ſiehet, und ſich ſelbſt in ſeiner Erkaͤntniß wohlge-
faͤllt und gleichſam darein ſpiegelt, in der Mei-
nung, wie weit man gekommen ſey; da man doch
dabey die erſten lectiones vom thaͤtigen Chriſten-
thum, welche auf die Liebe gehen, zuruͤck ſetzet,
den Schwachen aͤrgert und verachtet, Rom. 14,
1. ſeqq.) aber die Liebe (die zwar auch keines
weges blind, ſondern mit einer, aber nicht auf-
blaͤhenden, Erkaͤntniß verknuͤpfet iſt, ja dadurch
immer mehr entzuͤndet, vermehret und unter-
halten wird) beſſert (ſiehet auch auf das, was
des Naͤchſten iſt, und ſuchet ihn, an ſtatt des An-
ſtoſſes, zu erbauen. Siehe Rom. 14. 15, 1. 2.

Anmerckung.

Das buchſtaͤbliche Wiſſen eines unwieder-
gebohrnen Menſchen blaͤhet auf: darum iſt es
nicht rechter Art; wie es denn auch ihn ſelbſt am
aller wenigſten beſſert. Daß es aber aufblaͤhet,
iſt daher offenbar, weil die Eigen-Liebe ohne das
noch in ihm herrſchet. Daher denn auch ſolches
Wiſſen, wenn man ſich damit was einbildet, und
gedencket, wie hoch man von dem Heiligen Geiſte
erleuchtet ſey, den Menſchen noch ſtoltzer, oder
zum Phariſaͤer machet; zumal wo er dabey in
aͤuſſerlicher Ehrbarkeit lebet.

V. 2.

So aber ſich iemand laͤſſet duͤncken,
(ſich einbildet, mit Erhebung ſeiner ſelbſt, und, in
Hindanſetzung der Liebe, mit Geringachtung ſei-
nes ſchwachen Naͤchſten) er wiſſe etwas, (ha-
be eine herrliche Erkaͤntniß von der Chriſtlichen
Lehre, inſonderheit von der Evangeliſchen Ge-
wiſſens-Freyheit,) der weiß noch nichts, wie
er wiſſen
(auch ſeine Wiſſenſchaft in Demuth
und mit Liebe zur Erbauung ſeines Naͤchſten ge-
brauchen) ſoll. Siehe auch 1 Tim. 6, 4.

Anmerckungen.
1. Etwas wiſſen, oder in goͤttlichen Dingen
erkennen, iſt gut; aber es ſich duͤncken laſſen, das
iſt, ſolche Erkaͤntniß nicht in Demuth, und in der
Lauterkeit haben, noch auch zum rechten Gebrauch
anwenden, iſt vor GOtt nichts, ſo viel auch der
Menſch ſelbſt daraus machet.
2. Jn der Erkaͤntniß goͤttlicher Dinge
koͤmmt es nicht ſo wol auf die Sache an, womit
der menſchliche Verſtand es zu thun hat, als auf
die Art und Weiſe, wie man etwas erkennet.
Jene koͤnnen geiſtlich ſeyn, und dieſe doch wol
fleiſchlich, oder bloß natuͤrlich, und alſo unrichtig
und unlauter.
3. Und daß dieſe ſo gar unterſchiedene
Dinge mit einander confundiret werden, damit
betriegen ſich ſo manche Menſchen. Denn ſie
gedencken, weil ſie mit dem goͤttlichen Worte
umgehen, und in ihrer Erkaͤntniß goͤttliche Ge-
heimniſſe und andere Wahrheiten vor ſich haben,
ſo waͤre ihre Erkaͤntniß auch daher geiſtlich und
uͤbernatuͤrlich. Da ſie doch mit geiſtlichen Din-
gen nur auf eine fleiſchliche und bloß natuͤrliche
Art, nach ihren bloß natuͤrlichen Kraͤften um-
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[255/0283] Cap. 8. an die Corinthier. ches denn auch kein Zeichen der geiſtlichen Staͤr- cke, ſondern der fleiſchlichen Frechheit, und Miß- brauch der geiſtlichen Freyheit war. 10. Hierauf gehet nun Pauli Abhandlung in dieſem achten, theils auch im zehenten Capi- tel. Denn da ſtellet er erſtlich vor, worauf die Staͤrckern, welche die eigentliche Beſchaffenheit der Goͤtzen-Opfer einſahen, ſich bezogen, nemlich daß der Goͤtze nichts ſey, und wie ſie desfalls das Opfer-Fleiſch wie anderes Fleiſch gegeſſen; ja einige gar in die Goͤtzen-Haͤuſer gegangen; aber mit einem Mißbrauch ihrer Staͤrcke u. ihrer Frey- heit, da ſich denn Schwaͤchere daran ſehr geaͤr- gert haben. Dieſes iſt der Jnnhalt des achten Capitels. 11. Nachdem der Apoſtel im neunten Ca- pitel mit ſeinem Exempel gezeiget hatte, wie die Liebe, zum Zweck der Gewinnung und Erbau- ung, die Meiſterin der Freyheit ſey; ſo koͤm̃t er im zehenten Capitel, nach einigen andern Warnungen, wieder auf die Materie vom Ge- nuß des Goͤtzen-Opfers. 12. Hier verbietet nun der Apoſtel denjeni- gen Genuß, zu welchem man gar mit in die Goͤ- tzen-Haͤuſer ging, und ſich dadurch des Goͤtzen- Weſens mit theilhaftig machte. Daher er v. 14-21. anzeiget, wie ſolches keines weges mit der Gemeinſchaft CHriſti, ſonderlich der, wel- che man vermittels des geſegneten Brodts und des geſegneten Kelchs im heiligen Abend- mahl habe, beſtehen koͤnne. 13. Hernach giebt er die Inſtruction, nach welcher ſich einer zu halten habe bey dem Opfer- Fleiſche, ſo auf dem Fleiſch-Marckte verkaufet, oder auch zu Hauſe in einigen Gaſt-Mahlen ver- zehret wurde: nemlich alſo, daß zwar dabey die Chriſtliche Freyheit ſtatt finde, ſich aber in An- ſehung der Schwachen von der Liebe muͤſſe re- guliren laſſen. 14. So viel zum Voraus zur noͤthigen Ein- leitung in dieſe Materie: als ohne welche ſie nicht wol, gewiß nicht ſo leichte, kan recht verſtanden werden. V. 1. Vom dem Goͤtzen-Opfer aber wiſſen wir, (wir haben die Erkaͤntniß davon, daß ein Goͤtze nichts ſey, und in der bloſſen Einbildung abgoͤttiſcher Leute beſtehe, v. 4. c. 10, v. 19. und daß alſo, was nichts iſt, auch keine Kraft habe, einige Speiſe zu verunreinigen, und folglich, daß man eine Speiſe, welche fuͤr ein Theil eines Goͤtzen-Opfers gehalten wird, wol ohne An- ſtoß des Gewiſſens genieſſen koͤnne) denn wir (Staͤrckern) haben alle das Wiſſen (wie es um das Goͤtzen-Opfer und deſſen Genuß ſolcher- geſtalt ſtehet, oder nicht ſtehet: das wiſſen wir zwar: aber viele wiſſen es nicht recht, wie ſie es wiſſen ſollen; ſintemal bey ihnen) das Wiſſen aufblaͤhet, (ein ſolches Wiſſen iſt, welches oh- ne die Liebe iſt gegen den ſchwachen Neben-Chri- ſten, der ſolche Erkaͤntniß von den Goͤtzen und vom Goͤtzen-Opfer nicht hat, und ſich daher an dem Genuß des Goͤtzen-Opfers ſehr aͤrgert, zum Theil auch wol gar wider das Gewiſſen mit dazu verleitet wird. Ein ſolches Wiſſen ohne Liebe gegen die Schwachen, blaͤhet auf; ſintemal man dadurch mit Hindanſetzung derſelben nur auf ſich ſiehet, und ſich ſelbſt in ſeiner Erkaͤntniß wohlge- faͤllt und gleichſam darein ſpiegelt, in der Mei- nung, wie weit man gekommen ſey; da man doch dabey die erſten lectiones vom thaͤtigen Chriſten- thum, welche auf die Liebe gehen, zuruͤck ſetzet, den Schwachen aͤrgert und verachtet, Rom. 14, 1. ſeqq.) aber die Liebe (die zwar auch keines weges blind, ſondern mit einer, aber nicht auf- blaͤhenden, Erkaͤntniß verknuͤpfet iſt, ja dadurch immer mehr entzuͤndet, vermehret und unter- halten wird) beſſert (ſiehet auch auf das, was des Naͤchſten iſt, und ſuchet ihn, an ſtatt des An- ſtoſſes, zu erbauen. Siehe Rom. 14. 15, 1. 2. Anmerckung. Das buchſtaͤbliche Wiſſen eines unwieder- gebohrnen Menſchen blaͤhet auf: darum iſt es nicht rechter Art; wie es denn auch ihn ſelbſt am aller wenigſten beſſert. Daß es aber aufblaͤhet, iſt daher offenbar, weil die Eigen-Liebe ohne das noch in ihm herrſchet. Daher denn auch ſolches Wiſſen, wenn man ſich damit was einbildet, und gedencket, wie hoch man von dem Heiligen Geiſte erleuchtet ſey, den Menſchen noch ſtoltzer, oder zum Phariſaͤer machet; zumal wo er dabey in aͤuſſerlicher Ehrbarkeit lebet. V. 2. So aber ſich iemand laͤſſet duͤncken, (ſich einbildet, mit Erhebung ſeiner ſelbſt, und, in Hindanſetzung der Liebe, mit Geringachtung ſei- nes ſchwachen Naͤchſten) er wiſſe etwas, (ha- be eine herrliche Erkaͤntniß von der Chriſtlichen Lehre, inſonderheit von der Evangeliſchen Ge- wiſſens-Freyheit,) der weiß noch nichts, wie er wiſſen (auch ſeine Wiſſenſchaft in Demuth und mit Liebe zur Erbauung ſeines Naͤchſten ge- brauchen) ſoll. Siehe auch 1 Tim. 6, 4. Anmerckungen. 1. Etwas wiſſen, oder in goͤttlichen Dingen erkennen, iſt gut; aber es ſich duͤncken laſſen, das iſt, ſolche Erkaͤntniß nicht in Demuth, und in der Lauterkeit haben, noch auch zum rechten Gebrauch anwenden, iſt vor GOtt nichts, ſo viel auch der Menſch ſelbſt daraus machet. 2. Jn der Erkaͤntniß goͤttlicher Dinge koͤmmt es nicht ſo wol auf die Sache an, womit der menſchliche Verſtand es zu thun hat, als auf die Art und Weiſe, wie man etwas erkennet. Jene koͤnnen geiſtlich ſeyn, und dieſe doch wol fleiſchlich, oder bloß natuͤrlich, und alſo unrichtig und unlauter. 3. Und daß dieſe ſo gar unterſchiedene Dinge mit einander confundiret werden, damit betriegen ſich ſo manche Menſchen. Denn ſie gedencken, weil ſie mit dem goͤttlichen Worte umgehen, und in ihrer Erkaͤntniß goͤttliche Ge- heimniſſe und andere Wahrheiten vor ſich haben, ſo waͤre ihre Erkaͤntniß auch daher geiſtlich und uͤbernatuͤrlich. Da ſie doch mit geiſtlichen Din- gen nur auf eine fleiſchliche und bloß natuͤrliche Art, nach ihren bloß natuͤrlichen Kraͤften um- gehen,

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/283>, abgerufen am 27.11.2024.