Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 8. Das achte Capitel/ Darinnen gehandelt wird/ wie man im Genuß des Götzen- Opfers mit der Christlichen Freyheit in Ansehung der Schwachen zu verfahren habe. Einleitung Jn diese Materie zum Götzen-Opfer. 1. [Spaltenumbruch]DJe Opfer hat GOTT gleich nach dem Fall des Menschen selbst ein- gesetzet, und ihn damit auf den Messiam, den Heiland aller Welt, gewiesen, und zwar also, daß er mit den Opfern, als mit einem sichtbaren Zei- chen des Gnaden-Bundes, die ihnen von dem Messia gegebene Verheissungen bestätigte, und zum beständigen Andencken vorstellete und erläu- terte. Wie er nemlich zur Wiederbringung des menschlichen Geschlechts solte und würde ein Opfer für dasselbe werden. 2. Daß GOTT die Opfer selbst eingesetzet, siehet man sonderlich daraus: a. weil sie von solcher Beschaffenheit sind, daß sie zum Gottes- Dienste niemand hat erfinden können. Denn wenn man sie ohne die Vorbildung auf die Erlö- sung des Messiae betrachtet, haben sie nicht die geringste Aehnlichkeit von einigem Dienste GOt- tes, daß die menschliche Vernunft für sich dar- auf hätte fallen können. Von CHristo aber wußte sie nichts. Daraus denn folget, daß die Opfer und die Verheissung von CHristo, ei- nerley, nemlich bloß göttlichen, Ursprung ha- ben. b. Weil Abel durch den Glauben sein Opfer gebracht: Hebr. 11, 4. der Glaube aber gründet sich auf einen Befehl und Verheissung: sonst wäre es kein Glaube, sondern ein Aberglau- de. c. Weil GOtt das Opfer Abels, auch an- derer Patriarchen gnädig angesehen, und damit bezeuget hat, daß er einen solchen Gottes-Dienst selbst verordnet habe: sintemal er sich keinen selbst- erwählten Gottes-Dienst gefallen lässet. 3. Da nun das Opfer-Wesen bey den Pa- triarchen das Haupt-Stück ihres äusserlichen Gottes-Dienstes war, und insonderheit Noa mit seiner Familie nach der Sünd-Fluth sich dar- innen fleißig finden ließ, von seinen Kindern aber das gantze menschliche Geschlecht auf dem gantzen Erdboden ausgebreitet ist, so ist daher auch das Opfer-Werck ein allgemeines Haupt- Stück der göttlichen Verehrung bey allen Völ- ckern worden. Von welcher Schale sie doch aber den Kern größten Theils nach und nach fahren gelassen, also, daß es zur Abgötterey worden. 4. Weil der durch die Opfer vorgebildete Heiland der Welt den Menschen in dieser Ord- nung solte zum Heil dienen, daß sie seiner in gläubiger Zueignung und Gemeinschaft solten theilhaftig werden und geniessen; so hatte [Spaltenumbruch] GOTT zur Vorbildung dessen verordnet, daß die Opfernde selbst von gewissen Gattungen der Opfer das Opfer-Fleisch solten geniessen. 5. Da aber die Heiden an statt des wahren GOttes auf Götzen waren gefallen, und sie das ihrige von denen ihnen gebrachten Opfern auch genossen, so hiessen denn Idolothyta, Götzen- Opfer auch diejenige Opfer-Stücke, welche sie zu ihrem eignen Genuß von den Opfern wieder zurück bekamen. 6. Diese Opfer-Stücke wurden nun ver- zehret theils in den Götzen-Tempeln, theils auch zu Hause. Jn den Götzen-Tempeln geschahe die Verzehrung den vermeinten Abgöttern der- gestalt zu Ehren, daß auch wol allerhand abgöt- tische und aberglaubische Ceremonien dabey vor- gingen. Jn den Häusern aber wurde das O- pfer-Fleisch zu gemeinen Gast-Mahlen genom- men; dazu man denn gute Freunde einzula- den pflegte. 7. Manche verkauften ihre Opfer-Theile an die Fleisch-Händler; welches auch wol die Götzen-Pfaffen sonderlich scheinen gethan zu haben. 8. Da nun zu Corinthen sich viele Heiden zu CHristo bekehret hatten, so erkannten sie gar wohl, daß die vermeinten Götter, welchen ge- opfert wurde, non-entia, oder nichts waren, und nur in der blossen Einbildung aberglaubi- scher Leute bestunden, und daß sie also kein Fleisch, als Opfer-Theile, konten heiligen oder verunrei- gen. Folglich machten sie sich kein Gewissen darüber, dergleichen zu essen, sonderlich wenn sie von ihren Verwandten, die noch Heiden, ihnen aber doch günstig waren, zur Mahlzeit eingela- den wurden. Einige aber gingen mit dem Ge- brauch ihrer Freyheit so weit, daß es eine rechte Frechheit wurde; sintemal sie gar mit in die Götzen-Tempel gingen, und daselbst mit den Götzen-Dienern vom Opfer-Fleische assen; wodurch denn ausser dem Anstoß der Schwachen, auch die Heiden selbst in ihrem Aberglauben be- stärcket werden konten. 9. Hingegen waren die gedachte Schwa- chen theils von den Heiden, theils von den Ju- den bekehrte, solche Seelen, welche sich an die Stärckern stiessen, und sich daran sehr ärgerten, wenn sie sahen, daß man ohne Bedencken vom Opfer-Fleische aß; noch mehr aber, wenn eini- ge gar mit in die Götzen-Tempel gingen. Wel- ches
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 8. Das achte Capitel/ Darinnen gehandelt wird/ wie man im Genuß des Goͤtzen- Opfers mit der Chriſtlichen Freyheit in Anſehung der Schwachen zu verfahren habe. Einleitung Jn dieſe Materie zum Goͤtzen-Opfer. 1. [Spaltenumbruch]DJe Opfer hat GOTT gleich nach dem Fall des Menſchen ſelbſt ein- geſetzet, und ihn damit auf den Meſſiam, den Heiland aller Welt, gewieſen, und zwar alſo, daß er mit den Opfern, als mit einem ſichtbaren Zei- chen des Gnaden-Bundes, die ihnen von dem Meſſia gegebene Verheiſſungen beſtaͤtigte, und zum beſtaͤndigen Andencken vorſtellete und erlaͤu- terte. Wie er nemlich zur Wiederbringung des menſchlichen Geſchlechts ſolte und wuͤrde ein Opfer fuͤr daſſelbe werden. 2. Daß GOTT die Opfer ſelbſt eingeſetzet, ſiehet man ſonderlich daraus: a. weil ſie von ſolcher Beſchaffenheit ſind, daß ſie zum Gottes- Dienſte niemand hat erfinden koͤnnen. Denn wenn man ſie ohne die Vorbildung auf die Erloͤ- ſung des Meſſiæ betrachtet, haben ſie nicht die geringſte Aehnlichkeit von einigem Dienſte GOt- tes, daß die menſchliche Vernunft fuͤr ſich dar- auf haͤtte fallen koͤnnen. Von CHriſto aber wußte ſie nichts. Daraus denn folget, daß die Opfer und die Verheiſſung von CHriſto, ei- nerley, nemlich bloß goͤttlichen, Urſprung ha- ben. b. Weil Abel durch den Glauben ſein Opfer gebracht: Hebr. 11, 4. der Glaube aber gruͤndet ſich auf einen Befehl und Verheiſſung: ſonſt waͤre es kein Glaube, ſondern ein Aberglau- de. c. Weil GOtt das Opfer Abels, auch an- derer Patriarchen gnaͤdig angeſehen, und damit bezeuget hat, daß er einen ſolchen Gottes-Dienſt ſelbſt verordnet habe: ſintemal er ſich keinen ſelbſt- erwaͤhlten Gottes-Dienſt gefallen laͤſſet. 3. Da nun das Opfer-Weſen bey den Pa- triarchen das Haupt-Stuͤck ihres aͤuſſerlichen Gottes-Dienſtes war, und inſonderheit Noa mit ſeiner Familie nach der Suͤnd-Fluth ſich dar- innen fleißig finden ließ, von ſeinen Kindern aber das gantze menſchliche Geſchlecht auf dem gantzen Erdboden ausgebreitet iſt, ſo iſt daher auch das Opfer-Werck ein allgemeines Haupt- Stuͤck der goͤttlichen Verehrung bey allen Voͤl- ckern worden. Von welcher Schale ſie doch aber den Kern groͤßten Theils nach und nach fahren gelaſſen, alſo, daß es zur Abgoͤtterey worden. 4. Weil der durch die Opfer vorgebildete Heiland der Welt den Menſchen in dieſer Ord- nung ſolte zum Heil dienen, daß ſie ſeiner in glaͤubiger Zueignung und Gemeinſchaft ſolten theilhaftig werden und genieſſen; ſo hatte [Spaltenumbruch] GOTT zur Vorbildung deſſen verordnet, daß die Opfernde ſelbſt von gewiſſen Gattungen der Opfer das Opfer-Fleiſch ſolten genieſſen. 5. Da aber die Heiden an ſtatt des wahren GOttes auf Goͤtzen waren gefallen, und ſie das ihrige von denen ihnen gebrachten Opfern auch genoſſen, ſo hieſſen denn Idolothyta, Goͤtzen- Opfer auch diejenige Opfer-Stuͤcke, welche ſie zu ihrem eignen Genuß von den Opfern wieder zuruͤck bekamen. 6. Dieſe Opfer-Stuͤcke wurden nun ver- zehret theils in den Goͤtzen-Tempeln, theils auch zu Hauſe. Jn den Goͤtzen-Tempeln geſchahe die Verzehrung den vermeinten Abgoͤttern der- geſtalt zu Ehren, daß auch wol allerhand abgoͤt- tiſche und aberglaubiſche Ceremonien dabey vor- gingen. Jn den Haͤuſern aber wurde das O- pfer-Fleiſch zu gemeinen Gaſt-Mahlen genom- men; dazu man denn gute Freunde einzula- den pflegte. 7. Manche verkauften ihre Opfer-Theile an die Fleiſch-Haͤndler; welches auch wol die Goͤtzen-Pfaffen ſonderlich ſcheinen gethan zu haben. 8. Da nun zu Corinthen ſich viele Heiden zu CHriſto bekehret hatten, ſo erkannten ſie gar wohl, daß die vermeinten Goͤtter, welchen ge- opfert wurde, non-entia, oder nichts waren, und nur in der bloſſen Einbildung aberglaubi- ſcher Leute beſtunden, und daß ſie alſo kein Fleiſch, als Opfer-Theile, konten heiligen oder verunrei- gen. Folglich machten ſie ſich kein Gewiſſen daruͤber, dergleichen zu eſſen, ſonderlich wenn ſie von ihren Verwandten, die noch Heiden, ihnen aber doch guͤnſtig waren, zur Mahlzeit eingela- den wurden. Einige aber gingen mit dem Ge- brauch ihrer Freyheit ſo weit, daß es eine rechte Frechheit wurde; ſintemal ſie gar mit in die Goͤtzen-Tempel gingen, und daſelbſt mit den Goͤtzen-Dienern vom Opfer-Fleiſche aſſen; wodurch denn auſſer dem Anſtoß der Schwachen, auch die Heiden ſelbſt in ihrem Aberglauben be- ſtaͤrcket werden konten. 9. Hingegen waren die gedachte Schwa- chen theils von den Heiden, theils von den Ju- den bekehrte, ſolche Seelen, welche ſich an die Staͤrckern ſtieſſen, und ſich daran ſehr aͤrgerten, wenn ſie ſahen, daß man ohne Bedencken vom Opfer-Fleiſche aß; noch mehr aber, wenn eini- ge gar mit in die Goͤtzen-Tempel gingen. Wel- ches
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Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 8.
Das achte Capitel/
Darinnen gehandelt wird/ wie man im Genuß des Goͤtzen-
Opfers mit der Chriſtlichen Freyheit in Anſehung der Schwachen
zu verfahren habe.
Einleitung
Jn dieſe Materie zum Goͤtzen-Opfer.
1.
DJe Opfer hat GOTT gleich nach
dem Fall des Menſchen ſelbſt ein-
geſetzet, und ihn damit auf den
Meſſiam, den Heiland aller Welt,
gewieſen, und zwar alſo, daß er
mit den Opfern, als mit einem ſichtbaren Zei-
chen des Gnaden-Bundes, die ihnen von dem
Meſſia gegebene Verheiſſungen beſtaͤtigte, und
zum beſtaͤndigen Andencken vorſtellete und erlaͤu-
terte. Wie er nemlich zur Wiederbringung des
menſchlichen Geſchlechts ſolte und wuͤrde ein
Opfer fuͤr daſſelbe werden.
2. Daß GOTT die Opfer ſelbſt eingeſetzet,
ſiehet man ſonderlich daraus: a. weil ſie von
ſolcher Beſchaffenheit ſind, daß ſie zum Gottes-
Dienſte niemand hat erfinden koͤnnen. Denn
wenn man ſie ohne die Vorbildung auf die Erloͤ-
ſung des Meſſiæ betrachtet, haben ſie nicht die
geringſte Aehnlichkeit von einigem Dienſte GOt-
tes, daß die menſchliche Vernunft fuͤr ſich dar-
auf haͤtte fallen koͤnnen. Von CHriſto aber
wußte ſie nichts. Daraus denn folget, daß
die Opfer und die Verheiſſung von CHriſto, ei-
nerley, nemlich bloß goͤttlichen, Urſprung ha-
ben. b. Weil Abel durch den Glauben ſein
Opfer gebracht: Hebr. 11, 4. der Glaube aber
gruͤndet ſich auf einen Befehl und Verheiſſung:
ſonſt waͤre es kein Glaube, ſondern ein Aberglau-
de. c. Weil GOtt das Opfer Abels, auch an-
derer Patriarchen gnaͤdig angeſehen, und damit
bezeuget hat, daß er einen ſolchen Gottes-Dienſt
ſelbſt verordnet habe: ſintemal er ſich keinen ſelbſt-
erwaͤhlten Gottes-Dienſt gefallen laͤſſet.
3. Da nun das Opfer-Weſen bey den Pa-
triarchen das Haupt-Stuͤck ihres aͤuſſerlichen
Gottes-Dienſtes war, und inſonderheit Noa
mit ſeiner Familie nach der Suͤnd-Fluth ſich dar-
innen fleißig finden ließ, von ſeinen Kindern
aber das gantze menſchliche Geſchlecht auf dem
gantzen Erdboden ausgebreitet iſt, ſo iſt daher
auch das Opfer-Werck ein allgemeines Haupt-
Stuͤck der goͤttlichen Verehrung bey allen Voͤl-
ckern worden. Von welcher Schale ſie doch aber
den Kern groͤßten Theils nach und nach fahren
gelaſſen, alſo, daß es zur Abgoͤtterey worden.
4. Weil der durch die Opfer vorgebildete
Heiland der Welt den Menſchen in dieſer Ord-
nung ſolte zum Heil dienen, daß ſie ſeiner in
glaͤubiger Zueignung und Gemeinſchaft ſolten
theilhaftig werden und genieſſen; ſo hatte
GOTT zur Vorbildung deſſen verordnet, daß
die Opfernde ſelbſt von gewiſſen Gattungen der
Opfer das Opfer-Fleiſch ſolten genieſſen.
5. Da aber die Heiden an ſtatt des wahren
GOttes auf Goͤtzen waren gefallen, und ſie das
ihrige von denen ihnen gebrachten Opfern auch
genoſſen, ſo hieſſen denn Idolothyta, Goͤtzen-
Opfer auch diejenige Opfer-Stuͤcke, welche ſie
zu ihrem eignen Genuß von den Opfern wieder
zuruͤck bekamen.
6. Dieſe Opfer-Stuͤcke wurden nun ver-
zehret theils in den Goͤtzen-Tempeln, theils auch
zu Hauſe. Jn den Goͤtzen-Tempeln geſchahe
die Verzehrung den vermeinten Abgoͤttern der-
geſtalt zu Ehren, daß auch wol allerhand abgoͤt-
tiſche und aberglaubiſche Ceremonien dabey vor-
gingen. Jn den Haͤuſern aber wurde das O-
pfer-Fleiſch zu gemeinen Gaſt-Mahlen genom-
men; dazu man denn gute Freunde einzula-
den pflegte.
7. Manche verkauften ihre Opfer-Theile
an die Fleiſch-Haͤndler; welches auch wol die
Goͤtzen-Pfaffen ſonderlich ſcheinen gethan zu
haben.
8. Da nun zu Corinthen ſich viele Heiden
zu CHriſto bekehret hatten, ſo erkannten ſie gar
wohl, daß die vermeinten Goͤtter, welchen ge-
opfert wurde, non-entia, oder nichts waren,
und nur in der bloſſen Einbildung aberglaubi-
ſcher Leute beſtunden, und daß ſie alſo kein Fleiſch,
als Opfer-Theile, konten heiligen oder verunrei-
gen. Folglich machten ſie ſich kein Gewiſſen
daruͤber, dergleichen zu eſſen, ſonderlich wenn ſie
von ihren Verwandten, die noch Heiden, ihnen
aber doch guͤnſtig waren, zur Mahlzeit eingela-
den wurden. Einige aber gingen mit dem Ge-
brauch ihrer Freyheit ſo weit, daß es eine rechte
Frechheit wurde; ſintemal ſie gar mit in die
Goͤtzen-Tempel gingen, und daſelbſt mit den
Goͤtzen-Dienern vom Opfer-Fleiſche aſſen;
wodurch denn auſſer dem Anſtoß der Schwachen,
auch die Heiden ſelbſt in ihrem Aberglauben be-
ſtaͤrcket werden konten.
9. Hingegen waren die gedachte Schwa-
chen theils von den Heiden, theils von den Ju-
den bekehrte, ſolche Seelen, welche ſich an die
Staͤrckern ſtieſſen, und ſich daran ſehr aͤrgerten,
wenn ſie ſahen, daß man ohne Bedencken vom
Opfer-Fleiſche aß; noch mehr aber, wenn eini-
ge gar mit in die Goͤtzen-Tempel gingen. Wel-
ches
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