[Spaltenumbruch]
men stehen: gleichwie es überhaupt von den Gläubigen Rom. 14, 17. 18. heißt: Wer dar- innen (in Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem Heiligen Geist) Christo dienet, der ist GOTT gefällig und den Menschen (also auch dem Ehegatten) werth. Da es hingegen von der unordentlichen Menschen-Ge- fälligkeit Gal. 1, 15. heißt: Wenn ich den Menschen gefällig wäre, so wäre ich Chri- sti Knecht nicht. Denn in diesem Verstan- de ist nach Jacobi Ausspruch c. 4, 4. der Welt Freundschaft GOttes Feindschaft.
V. 35.
Solches aber sage ich zu eurem Nutz, (um eurer Schwachheit willen, damit ihr nicht zur Zeit mehrer Leiden, um der Beschwe- rungen willen, welchen ihr im Ehestande unter- worfen seyd, möchtet müde werden, auch wol gar in die Versuchungen des Abfalls gerathen:) nicht daß ich euch einen Strick an den Hals werfe, (euer Gewissen zu binden, als müstet ihr im ledigen Stande verbleiben: siehe dergleichen Redens-Art Act. 15, 10. 18.) son- dern dazu, daß es fein ist, und ihr stets und unverhindert dem HERRN dienen könnet.
Anmerckungen.
1. Es läßt sich alhier auf gewisse Art ap- pliciren, was unser Heiland Luc. 10, 41. 42. von der Martha und Maria saget: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist noth. Maria hat das gute Theil erwehlet: das soll nicht von ihr ge- nommen werden. Jedoch aber, wie zuvor gezeiget ist, läßt sich das eintzige Nothwendige auch gar wohl im Ehestande besorgen, ob es gleich mit mehrer Beschwerlichkeit geschiehet.
2. Der Coelibatus Clericorum, auch der Mönche und Nonnen im Pabstthum, ist bey den allermeisten nichts anders, als eine ge- fährliche Bestrickung der Gewissen.
V. 36.
So aber iemand (der Eltern, oder auch, so sie leben, alle beyde,) sich lässet düncken, es wolle sich nicht schicken mit seiner Jungfrauen, weil sie eben wohl mannbar ist, (uperakmos, schon über ihre Jahre der Mannbarkeit ist,) und es will nicht anders seyn, (es will sich weder für ih- re an ihr gemerckte Natur, noch für seine Fa- milie, noch auch in Ansehung der zu ihrer Ver- heyrathung gegebenen Gelegenheit, wohl schi- cken, daß er sie über die Zeit bey sich behalte:) so thue er, was er will, er sündiget nicht, er lasse sie freyen, (deßgleichen auch den Sohn wenn er in dem Stande ist, daß er einer Fami- lie vorstehen und sie ernehren kan.)
Anmerckungen.
1. Man siehet hieraus, wie Kinder bey ihrer Verheyrathung ausser dem, daß sie ihre Entschliessung in der Furcht des HErrn nach [Spaltenumbruch]
seinem Willen wohl zu prüfen haben, es sollen auf den Rath und auf die Einwilligung ihrer El- tern ankommen lassen.
2. Eltern aber haben sich auch wohl zu bescheiden, daß sie ihr Recht nicht zu weit ex- tendiren, noch die Berathung ihrer Kinder in Unlauterkeit führen, oder ihnen einen Strick an den Hals werfen; sintemal der Eltern Wil- le der Kinder Freyheit nicht ausschliesset.
V. 37.
Wenn einer aber ihm vest vornimmt, weil er ungezwungen ist, und seinen freyen Willen hat, und beschleußt solches in sei- nem Hertzen, seine Jungfrau (unverheyra- thete Tochter, von der er erfähret, und auch sonst an ihr wahrnimmt, daß sie zum ehelichen Leben kein, oder doch gar wenig Belieben trä- get, und also die Gabe der Enthaltung hat, es auch die Umstände seiner Familie zulassen,) al- so bleiben zu lassen, der thut wohl, (er schonet ihrer in vielen Stücken, und läßt ihr die Gelegenheit, desto ungehinderter GOTT zu dienen.
Anmerckung.
Die Redens-Art exousian ekhein peri tou~ idiou thelematos, Macht über seinen eig- nen Willen haben und ungezwungen seyn, zeiget mit den beyden übrigen dabey stehenden Ausdrücken, nemlich ihm vest vorsetzen, und in seinem Hertzen beschliessen, gar klärlich an, daß GOttes Rathschluß nicht der Grund sey aller menschlichen Handlungen, als wenn alles, was und wie es der Mensch thut oder läßt, von GOTT also verordnet, und daher nothwendig wäre; sondern daß GOTT den Menschen, nachdem er ihn mit einem freyen Willen erschaffen hat, den freyen Willen las- se, und ob er gleich dabey auf mancherley Art concurriret, sonderlich mit der Darbietung, auch Darreichung der nöthigen Kräfte, er den- noch den Menschen keines weges zwinge. Da- her er denn auch, weil er aus eigner Schuld, mit Mißbrauch seines freyen Willens, die Sünde hat herrschen lassen, mit Recht ver- dammet wird; gleichwie hingegen das Gute, so er gethan, so viel edler ist, so viel freywilliger es geschehen.
V. 38.
Endlich, welcher (seine Tochter) ver- heyrathet, der thut wohl. Welcher aber (dieselbe) nicht verheyrathet (bey denen Um- ständen, da die Tochter ausser der Ehe gar wohl und füglich leben kan) der thut besser (nach v. 1. 8. 26. 35. nicht so wol an sich selbst, als um der zuvor gedachten gegenwärtigen und noch be- vorstehenden Noth willen, damit sie mit weniger Verhinderung GOtt desto leichter und beständi- ger dienen könne. Welches denn auch von den Personen männliches Geschlechts und von den Wittwen gilt, nach v. 1. u. 8.)
V. 39.
H h 3
Cap. 7, v. 34-38. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch]
men ſtehen: gleichwie es uͤberhaupt von den Glaͤubigen Rom. 14, 17. 18. heißt: Wer dar- innen (in Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem Heiligen Geiſt) Chriſto dienet, der iſt GOTT gefaͤllig und den Menſchen (alſo auch dem Ehegatten) werth. Da es hingegen von der unordentlichen Menſchen-Ge- faͤlligkeit Gal. 1, 15. heißt: Wenn ich den Menſchen gefaͤllig waͤre, ſo waͤre ich Chri- ſti Knecht nicht. Denn in dieſem Verſtan- de iſt nach Jacobi Ausſpruch c. 4, 4. der Welt Freundſchaft GOttes Feindſchaft.
V. 35.
Solches aber ſage ich zu eurem Nutz, (um eurer Schwachheit willen, damit ihr nicht zur Zeit mehrer Leiden, um der Beſchwe- rungen willen, welchen ihr im Eheſtande unter- worfen ſeyd, moͤchtet muͤde werden, auch wol gar in die Verſuchungen des Abfalls gerathen:) nicht daß ich euch einen Strick an den Hals werfe, (euer Gewiſſen zu binden, als muͤſtet ihr im ledigen Stande verbleiben: ſiehe dergleichen Redens-Art Act. 15, 10. 18.) ſon- dern dazu, daß es fein iſt, und ihr ſtets und unverhindert dem HERRN dienen koͤnnet.
Anmerckungen.
1. Es laͤßt ſich alhier auf gewiſſe Art ap- pliciren, was unſer Heiland Luc. 10, 41. 42. von der Martha und Maria ſaget: Martha, Martha, du haſt viel Sorge und Muͤhe. Eins aber iſt noth. Maria hat das gute Theil erwehlet: das ſoll nicht von ihr ge- nommen werden. Jedoch aber, wie zuvor gezeiget iſt, laͤßt ſich das eintzige Nothwendige auch gar wohl im Eheſtande beſorgen, ob es gleich mit mehrer Beſchwerlichkeit geſchiehet.
2. Der Cœlibatus Clericorum, auch der Moͤnche und Nonnen im Pabſtthum, iſt bey den allermeiſten nichts anders, als eine ge- faͤhrliche Beſtrickung der Gewiſſen.
V. 36.
So aber iemand (der Eltern, oder auch, ſo ſie leben, alle beyde,) ſich laͤſſet duͤncken, es wolle ſich nicht ſchicken mit ſeiner Jungfrauen, weil ſie eben wohl mannbar iſt, (ὑπέρακμος, ſchon uͤber ihre Jahre der Mannbarkeit iſt,) und es will nicht anders ſeyn, (es will ſich weder fuͤr ih- re an ihr gemerckte Natur, noch fuͤr ſeine Fa- milie, noch auch in Anſehung der zu ihrer Ver- heyrathung gegebenen Gelegenheit, wohl ſchi- cken, daß er ſie uͤber die Zeit bey ſich behalte:) ſo thue er, was er will, er ſuͤndiget nicht, er laſſe ſie freyen, (deßgleichen auch den Sohn wenn er in dem Stande iſt, daß er einer Fami- lie vorſtehen und ſie ernehren kan.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus, wie Kinder bey ihrer Verheyrathung auſſer dem, daß ſie ihre Entſchlieſſung in der Furcht des HErrn nach [Spaltenumbruch]
ſeinem Willen wohl zu pruͤfen haben, es ſollen auf den Rath und auf die Einwilligung ihrer El- tern ankommen laſſen.
2. Eltern aber haben ſich auch wohl zu beſcheiden, daß ſie ihr Recht nicht zu weit ex- tendiren, noch die Berathung ihrer Kinder in Unlauterkeit fuͤhren, oder ihnen einen Strick an den Hals werfen; ſintemal der Eltern Wil- le der Kinder Freyheit nicht ausſchlieſſet.
V. 37.
Wenn einer aber ihm veſt vornimmt, weil er ungezwungen iſt, und ſeinen freyen Willen hat, und beſchleußt ſolches in ſei- nem Hertzen, ſeine Jungfrau (unverheyra- thete Tochter, von der er erfaͤhret, und auch ſonſt an ihr wahrnimmt, daß ſie zum ehelichen Leben kein, oder doch gar wenig Belieben traͤ- get, und alſo die Gabe der Enthaltung hat, es auch die Umſtaͤnde ſeiner Familie zulaſſen,) al- ſo bleiben zu laſſen, der thut wohl, (er ſchonet ihrer in vielen Stuͤcken, und laͤßt ihr die Gelegenheit, deſto ungehinderter GOTT zu dienen.
Anmerckung.
Die Redens-Art ἐξουσίαν ἔχειν περὶ του῀ ἰδίου ϑελήματος, Macht uͤber ſeinen eig- nen Willen haben und ungezwungen ſeyn, zeiget mit den beyden uͤbrigen dabey ſtehenden Ausdruͤcken, nemlich ihm veſt vorſetzen, und in ſeinem Hertzen beſchlieſſen, gar klaͤrlich an, daß GOttes Rathſchluß nicht der Grund ſey aller menſchlichen Handlungen, als wenn alles, was und wie es der Menſch thut oder laͤßt, von GOTT alſo verordnet, und daher nothwendig waͤre; ſondern daß GOTT den Menſchen, nachdem er ihn mit einem freyen Willen erſchaffen hat, den freyen Willen laſ- ſe, und ob er gleich dabey auf mancherley Art concurriret, ſonderlich mit der Darbietung, auch Darreichung der noͤthigen Kraͤfte, er den- noch den Menſchen keines weges zwinge. Da- her er denn auch, weil er aus eigner Schuld, mit Mißbrauch ſeines freyen Willens, die Suͤnde hat herrſchen laſſen, mit Recht ver- dammet wird; gleichwie hingegen das Gute, ſo er gethan, ſo viel edler iſt, ſo viel freywilliger es geſchehen.
V. 38.
Endlich, welcher (ſeine Tochter) ver- heyrathet, der thut wohl. Welcher aber (dieſelbe) nicht verheyrathet (bey denen Um- ſtaͤnden, da die Tochter auſſer der Ehe gar wohl und fuͤglich leben kan) der thut beſſer (nach v. 1. 8. 26. 35. nicht ſo wol an ſich ſelbſt, als um der zuvor gedachten gegenwaͤrtigen und noch be- vorſtehenden Noth willen, damit ſie mit weniger Verhinderung GOtt deſto leichter und beſtaͤndi- ger dienen koͤnne. Welches denn auch von den Perſonen maͤnnliches Geſchlechts und von den Wittwen gilt, nach v. 1. u. 8.)
V. 39.
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Cap. 7, v. 34-38. an die Corinthier.
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Glaͤubigen Rom. 14, 17. 18. heißt: Wer dar-
innen (in Gerechtigkeit, Friede und Freude
in dem Heiligen Geiſt) Chriſto dienet, der
iſt GOTT gefaͤllig und den Menſchen
(alſo auch dem Ehegatten) werth. Da es
hingegen von der unordentlichen Menſchen-Ge-
faͤlligkeit Gal. 1, 15. heißt: Wenn ich den
Menſchen gefaͤllig waͤre, ſo waͤre ich Chri-
ſti Knecht nicht. Denn in dieſem Verſtan-
de iſt nach Jacobi Ausſpruch c. 4, 4. der Welt
Freundſchaft GOttes Feindſchaft.
V. 35.
Solches aber ſage ich zu eurem Nutz,
(um eurer Schwachheit willen, damit ihr
nicht zur Zeit mehrer Leiden, um der Beſchwe-
rungen willen, welchen ihr im Eheſtande unter-
worfen ſeyd, moͤchtet muͤde werden, auch wol
gar in die Verſuchungen des Abfalls gerathen:)
nicht daß ich euch einen Strick an den
Hals werfe, (euer Gewiſſen zu binden, als
muͤſtet ihr im ledigen Stande verbleiben: ſiehe
dergleichen Redens-Art Act. 15, 10. 18.) ſon-
dern dazu, daß es fein iſt, und ihr ſtets
und unverhindert dem HERRN dienen
koͤnnet.
Anmerckungen.
1. Es laͤßt ſich alhier auf gewiſſe Art ap-
pliciren, was unſer Heiland Luc. 10, 41. 42.
von der Martha und Maria ſaget: Martha,
Martha, du haſt viel Sorge und Muͤhe.
Eins aber iſt noth. Maria hat das gute
Theil erwehlet: das ſoll nicht von ihr ge-
nommen werden. Jedoch aber, wie zuvor
gezeiget iſt, laͤßt ſich das eintzige Nothwendige
auch gar wohl im Eheſtande beſorgen, ob es gleich
mit mehrer Beſchwerlichkeit geſchiehet.
2. Der Cœlibatus Clericorum, auch der
Moͤnche und Nonnen im Pabſtthum, iſt bey
den allermeiſten nichts anders, als eine ge-
faͤhrliche Beſtrickung der Gewiſſen.
V. 36.
So aber iemand (der Eltern, oder
auch, ſo ſie leben, alle beyde,) ſich laͤſſet
duͤncken, es wolle ſich nicht ſchicken mit
ſeiner Jungfrauen, weil ſie eben wohl
mannbar iſt, (ὑπέρακμος, ſchon uͤber ihre
Jahre der Mannbarkeit iſt,) und es will
nicht anders ſeyn, (es will ſich weder fuͤr ih-
re an ihr gemerckte Natur, noch fuͤr ſeine Fa-
milie, noch auch in Anſehung der zu ihrer Ver-
heyrathung gegebenen Gelegenheit, wohl ſchi-
cken, daß er ſie uͤber die Zeit bey ſich behalte:)
ſo thue er, was er will, er ſuͤndiget nicht,
er laſſe ſie freyen, (deßgleichen auch den Sohn
wenn er in dem Stande iſt, daß er einer Fami-
lie vorſtehen und ſie ernehren kan.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus, wie Kinder bey
ihrer Verheyrathung auſſer dem, daß ſie ihre
Entſchlieſſung in der Furcht des HErrn nach
ſeinem Willen wohl zu pruͤfen haben, es ſollen
auf den Rath und auf die Einwilligung ihrer El-
tern ankommen laſſen.
2. Eltern aber haben ſich auch wohl zu
beſcheiden, daß ſie ihr Recht nicht zu weit ex-
tendiren, noch die Berathung ihrer Kinder in
Unlauterkeit fuͤhren, oder ihnen einen Strick
an den Hals werfen; ſintemal der Eltern Wil-
le der Kinder Freyheit nicht ausſchlieſſet.
V. 37.
Wenn einer aber ihm veſt vornimmt,
weil er ungezwungen iſt, und ſeinen freyen
Willen hat, und beſchleußt ſolches in ſei-
nem Hertzen, ſeine Jungfrau (unverheyra-
thete Tochter, von der er erfaͤhret, und auch
ſonſt an ihr wahrnimmt, daß ſie zum ehelichen
Leben kein, oder doch gar wenig Belieben traͤ-
get, und alſo die Gabe der Enthaltung hat, es
auch die Umſtaͤnde ſeiner Familie zulaſſen,) al-
ſo bleiben zu laſſen, der thut wohl, (er
ſchonet ihrer in vielen Stuͤcken, und laͤßt ihr
die Gelegenheit, deſto ungehinderter GOTT zu
dienen.
Anmerckung.
Die Redens-Art ἐξουσίαν ἔχειν περὶ του῀
ἰδίου ϑελήματος, Macht uͤber ſeinen eig-
nen Willen haben und ungezwungen ſeyn,
zeiget mit den beyden uͤbrigen dabey ſtehenden
Ausdruͤcken, nemlich ihm veſt vorſetzen, und
in ſeinem Hertzen beſchlieſſen, gar klaͤrlich
an, daß GOttes Rathſchluß nicht der Grund
ſey aller menſchlichen Handlungen, als wenn
alles, was und wie es der Menſch thut oder
laͤßt, von GOTT alſo verordnet, und daher
nothwendig waͤre; ſondern daß GOTT den
Menſchen, nachdem er ihn mit einem freyen
Willen erſchaffen hat, den freyen Willen laſ-
ſe, und ob er gleich dabey auf mancherley Art
concurriret, ſonderlich mit der Darbietung,
auch Darreichung der noͤthigen Kraͤfte, er den-
noch den Menſchen keines weges zwinge. Da-
her er denn auch, weil er aus eigner Schuld,
mit Mißbrauch ſeines freyen Willens, die
Suͤnde hat herrſchen laſſen, mit Recht ver-
dammet wird; gleichwie hingegen das Gute, ſo
er gethan, ſo viel edler iſt, ſo viel freywilliger
es geſchehen.
V. 38.
Endlich, welcher (ſeine Tochter) ver-
heyrathet, der thut wohl. Welcher aber
(dieſelbe) nicht verheyrathet (bey denen Um-
ſtaͤnden, da die Tochter auſſer der Ehe gar wohl
und fuͤglich leben kan) der thut beſſer (nach
v. 1. 8. 26. 35. nicht ſo wol an ſich ſelbſt, als um
der zuvor gedachten gegenwaͤrtigen und noch be-
vorſtehenden Noth willen, damit ſie mit weniger
Verhinderung GOtt deſto leichter und beſtaͤndi-
ger dienen koͤnne. Welches denn auch von den
Perſonen maͤnnliches Geſchlechts und von den
Wittwen gilt, nach v. 1. u. 8.)
V. 39.
H h 3
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/273>, abgerufen am 16.07.2024.
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