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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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des ersten Briefs an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] klar ist, daß dieser Schluß gemachet wird gegen
der Juden ihre böse Weise mit den Ehescheidun-
gen. Denn durch diese geschahe es, daß, da der
Mann mit seinem Weibe nur ein Fleisch seyn
und bleiben solte, so wol der Mann mit einem
andern Weibe, als auch das Weib mit einem
andern Manne, ein Fleisch wurde, und also das
vorige und rechtmäßige ein Fleisch nicht mehr ein
Fleisch bliebe, sondern zwey Fleisch wurde, nem-
lich ein iedes Theil mit einem andern. Die-
sem Ubel setzet der Heyland mit einer richtigen
illation diese Worte entgegen, und spricht: so
sind sie nun
(nemlich von rechts wegen, oder
Vermöge des Natur-Rechts vom Ehe-Stande)
nicht mehr zwey, sondern ein Fleisch.

§. VII. Der andere Schluß fliesset aus
dem ersten, wie auch aus den vorhergehenden
Worten, und heißt: Was nun GOTT zu-
sammen gefüget hat, das soll der Mensch
nicht scheiden.
Hier finden wir einen den jü-
dischen Ehe-Scheidungen ausdrücklich entgegen
gesetzten Ausspruch, und denn desselben ration,
oder Grund. Der Ausspruch, oder Befehl
ist:
der Mensch soll das ehelich zusammengefüg-
te nicht scheiden; und also soll es weder die Obrig-
keit, noch einer für sich selbst, thun. Die ratio
ist, weil GOTT die Ehe-Leute zusammen gefü-
get hat, oder weil das eheliche Band von GOtt
selbst unzertrennlich gemacht ist: da denn diese
Zusammenfügung ist eine unmittelbare und mit-
telbare. Die unmittelbare, und dabey gantz
ausserordentliche geschahe in den Personen A-
dams und seiner aus seiner Substantz erbaueten
Eva. Die mittelbare und ordentliche bestehet
darinnen, und geschiehet, wenn zwo zum Ehe-
Stand tüchtige Personen erkennen, GOTT
selbst habe den Ehe-Stand verordnet, und es sey
seinem Willen gemäß, daß sie sich darein begeben,
und dannenhero unter einander diesen Ehe-Bund
machen, daß sie beyderseits wollen Vater und
Mutter, nach dem oben gezeigten Verstande,
verlassen, gehülflich, d. i. häuslich und ehelich,
an einander hangen, und zur Fortpflantzung ih-
res Geschlechts ein Fleisch werden. Weil nun
dieser Ehe-Bund vermöge göttlicher Einsetzung
aufgerichtet wird, oder doch von Rechts wegen
aufgerichtet werden soll von allen; so wird die
Zusammenfügung billig GOTT zugeschrieben,
auch damit seine besondere Providentz über den
Ehe-Stand zu bezeugen. Nun solte dieser Bund
zwar auf Seiten der Menschen allezeit mit beson-
derer Anrufung GOttes gemacht werden: wo es
aber nicht geschiehet, so behält doch GOttes Ord-
nung an sich selbst ihre Kraft, ob sie gleich we-
der recht erkant, noch in seiner Furcht geheiliget
wird.

§. VIII. Das dritte Stück der Rede bey
dem Matthäo ist der Einwurf vom Mosaischen
Scheide-Brief, da die Juden sagten: Warum
(wenn es nach der Einsetzung an dem ist, daß
keine menschliche Ehe-Scheidung unter den nach
der Einsetzung so genau verbundenen Ehe-Leuten
vorgehen soll,) hat den Moses geboten einen
Scheide-Brief zu geben und sich von ihr
zu scheiden?
Darauf denn das vierte Stück,
nemlich die Beantwortung CHristi folget,
[Spaltenumbruch] worinnen sich drey momenta finden. Das erste
von dem, wie Moses Worte anzusehen, nemlich
als eine blosse Erlaubniß und condescendentz, so
da um ihres Hertzens Härtigkeit willen geschehen.
Das andere von dem, daß es von Anfang, nem-
lich von der Einsetzung her, und in den darauf er-
folgten nächsten Zeiten, nicht also gewesen, und
also auch nicht also bleiben könne, sondern die
gantze Sache mit dem Ehe-Stande wieder nach
der ersten Einsetzung zu reguliren sey. Und da
unser Heiland gekommen war, nicht als ein neuer
Gesetzgeber, sondenn als der rechte Ausleger des
Gesetzes; so thut er mit voller Auctorität seinen
Ausspruch (als das dritte alhier zu observiren-
de momentum) hinzu, und setzet ihn dem mosai-
schen, so nur in einiger condescendentz und eine
Zeit lang gegeben war, gerade entgegen, hebet
die Ehe-Scheidung ausser dem Fall des Ehe-
bruchs, als wodurch das Ehe-Band ohne das ge-
trennet wird, gäntzlich auf, und spricht: Jch
sage euch aber, wer sich von seinem Weibe
scheidet, es sey denn um Hurerey willen,
und freyet eine andere, der bricht die Ehe,
und wer die abgescheidete freyet, der bricht
auch die Ehe.
Da man denn gantz deutlich
siehet, daß bey solchen Ehe-Scheidungen, wel-
che ausser dem casu des Ehebruchs geschehen, so
wol der scheidende Mann, als die geschiedene
Frau, nach wie vor in einem wie vor Menschen
unzertrenneten, also auch an sich selbst unter den
Menschen billig unzertrennlichen Bande der
Ehe verbleiben, und daher bey anderwärtiger
Verheyrathung des würcklichen Ehebruchs schul-
dig erkant werden.

§. IX. Hierauf folget nun das fünfte
Stück dieser gantzen Rede, und bestehet in einem
von den Jüngern aus den Worten CHristi gezo-
genen Schlusse, da sie sagen: Stehet die
Sache eines Mannes mit seinem Weibe al-
so, so ists nicht gut ehelich werden.
Wor-
aus man klärlich ersiehet, daß CHristus seine
vorige gantze Rede nicht anders verstanden ha-
ben müsse, als bisher in dieser deduction gezei-
get ist; wie sie denn auch ohne offenbare Wort-
Verkehrung unmöglich anders verstanden wer-
den kan: nemlich unser Heiland habe durch seinen
Ausspruch alle menschliche Ehe-Scheidungen,
ausser dem Fall des Ehebruchs, gäntzlich aufgeho-
ben, und das Band der Ehe für unauflöslich er-
kläret. Welches einen denn freylich die aller-
größte Behutsamkeit lehret, mit welcher man
den ehelichen Bund mit einer Person andern Ge-
schlechts aufrichten solle, weil man sonst aus sei-
ner eigenen Schuld in einer unglücklichen Ehe
die Zeit seines Lebens seine mortification haben
kan. Dieweil es aber in der wenigsten Men-
schen Vermögen stehet, ohne Sünde und viele
Verunruhigung beständig unverehelicht zu blei-
ben, so ist endlich sechstens der Schluß CHri-
sti dieser: Das Wort fasset nicht iederman,
sondern die, denen es gegeben ist
etc. v. 12.
13.

§. X. Dieses ist der richtige Wort-Ver-
stand
der gantzen Rede CHristi; wie ein iegli-
cher auch nach den allgemeinen regulis logicis
und hermenevticis gar wohl erkennen und da-

von

des erſten Briefs an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] klar iſt, daß dieſer Schluß gemachet wird gegen
der Juden ihre boͤſe Weiſe mit den Eheſcheidun-
gen. Denn durch dieſe geſchahe es, daß, da der
Mann mit ſeinem Weibe nur ein Fleiſch ſeyn
und bleiben ſolte, ſo wol der Mann mit einem
andern Weibe, als auch das Weib mit einem
andern Manne, ein Fleiſch wurde, und alſo das
vorige und rechtmaͤßige ein Fleiſch nicht mehr ein
Fleiſch bliebe, ſondern zwey Fleiſch wurde, nem-
lich ein iedes Theil mit einem andern. Die-
ſem Ubel ſetzet der Heyland mit einer richtigen
illation dieſe Worte entgegen, und ſpricht: ſo
ſind ſie nun
(nemlich von rechts wegen, oder
Vermoͤge des Natur-Rechts vom Ehe-Stande)
nicht mehr zwey, ſondern ein Fleiſch.

§. VII. Der andere Schluß flieſſet aus
dem erſten, wie auch aus den vorhergehenden
Worten, und heißt: Was nun GOTT zu-
ſammen gefuͤget hat, das ſoll der Menſch
nicht ſcheiden.
Hier finden wir einen den juͤ-
diſchen Ehe-Scheidungen ausdruͤcklich entgegen
geſetzten Ausſpruch, und denn deſſelben ration,
oder Grund. Der Ausſpruch, oder Befehl
iſt:
der Menſch ſoll das ehelich zuſammengefuͤg-
te nicht ſcheiden; und alſo ſoll es weder die Obrig-
keit, noch einer fuͤr ſich ſelbſt, thun. Die ratio
iſt, weil GOTT die Ehe-Leute zuſammen gefuͤ-
get hat, oder weil das eheliche Band von GOtt
ſelbſt unzertrennlich gemacht iſt: da denn dieſe
Zuſammenfuͤgung iſt eine unmittelbare und mit-
telbare. Die unmittelbare, und dabey gantz
auſſerordentliche geſchahe in den Perſonen A-
dams und ſeiner aus ſeiner Subſtantz erbaueten
Eva. Die mittelbare und ordentliche beſtehet
darinnen, und geſchiehet, wenn zwo zum Ehe-
Stand tuͤchtige Perſonen erkennen, GOTT
ſelbſt habe den Ehe-Stand verordnet, und es ſey
ſeinem Willen gemaͤß, daß ſie ſich darein begeben,
und dannenhero unter einander dieſen Ehe-Bund
machen, daß ſie beyderſeits wollen Vater und
Mutter, nach dem oben gezeigten Verſtande,
verlaſſen, gehuͤlflich, d. i. haͤuslich und ehelich,
an einander hangen, und zur Fortpflantzung ih-
res Geſchlechts ein Fleiſch werden. Weil nun
dieſer Ehe-Bund vermoͤge goͤttlicher Einſetzung
aufgerichtet wird, oder doch von Rechts wegen
aufgerichtet werden ſoll von allen; ſo wird die
Zuſammenfuͤgung billig GOTT zugeſchrieben,
auch damit ſeine beſondere Providentz uͤber den
Ehe-Stand zu bezeugen. Nun ſolte dieſer Bund
zwar auf Seiten der Menſchen allezeit mit beſon-
derer Anrufung GOttes gemacht werden: wo es
aber nicht geſchiehet, ſo behaͤlt doch GOttes Ord-
nung an ſich ſelbſt ihre Kraft, ob ſie gleich we-
der recht erkant, noch in ſeiner Furcht geheiliget
wird.

§. VIII. Das dritte Stuͤck der Rede bey
dem Matthaͤo iſt der Einwurf vom Moſaiſchen
Scheide-Brief, da die Juden ſagten: Warum
(wenn es nach der Einſetzung an dem iſt, daß
keine menſchliche Ehe-Scheidung unter den nach
der Einſetzung ſo genau verbundenen Ehe-Leuten
vorgehen ſoll,) hat den Moſes geboten einen
Scheide-Brief zu geben und ſich von ihr
zu ſcheiden?
Darauf denn das vierte Stuͤck,
nemlich die Beantwortung CHriſti folget,
[Spaltenumbruch] worinnen ſich drey momenta finden. Das erſte
von dem, wie Moſes Worte anzuſehen, nemlich
als eine bloſſe Erlaubniß und condeſcendentz, ſo
da um ihres Hertzens Haͤrtigkeit willen geſchehen.
Das andere von dem, daß es von Anfang, nem-
lich von der Einſetzung her, und in den darauf er-
folgten naͤchſten Zeiten, nicht alſo geweſen, und
alſo auch nicht alſo bleiben koͤnne, ſondern die
gantze Sache mit dem Ehe-Stande wieder nach
der erſten Einſetzung zu reguliren ſey. Und da
unſer Heiland gekommen war, nicht als ein neuer
Geſetzgeber, ſondenn als der rechte Ausleger des
Geſetzes; ſo thut er mit voller Auctoritaͤt ſeinen
Ausſpruch (als das dritte alhier zu obſerviren-
de momentum) hinzu, und ſetzet ihn dem moſai-
ſchen, ſo nur in einiger condeſcendentz und eine
Zeit lang gegeben war, gerade entgegen, hebet
die Ehe-Scheidung auſſer dem Fall des Ehe-
bruchs, als wodurch das Ehe-Band ohne das ge-
trennet wird, gaͤntzlich auf, und ſpricht: Jch
ſage euch aber, wer ſich von ſeinem Weibe
ſcheidet, es ſey denn um Hurerey willen,
und freyet eine andere, der bricht die Ehe,
und wer die abgeſcheidete freyet, der bricht
auch die Ehe.
Da man denn gantz deutlich
ſiehet, daß bey ſolchen Ehe-Scheidungen, wel-
che auſſer dem caſu des Ehebruchs geſchehen, ſo
wol der ſcheidende Mann, als die geſchiedene
Frau, nach wie vor in einem wie vor Menſchen
unzertrenneten, alſo auch an ſich ſelbſt unter den
Menſchen billig unzertrennlichen Bande der
Ehe verbleiben, und daher bey anderwaͤrtiger
Verheyrathung des wuͤrcklichen Ehebruchs ſchul-
dig erkant werden.

§. IX. Hierauf folget nun das fuͤnfte
Stuͤck dieſer gantzen Rede, und beſtehet in einem
von den Juͤngern aus den Worten CHriſti gezo-
genen Schluſſe, da ſie ſagen: Stehet die
Sache eines Mannes mit ſeinem Weibe al-
ſo, ſo iſts nicht gut ehelich werden.
Wor-
aus man klaͤrlich erſiehet, daß CHriſtus ſeine
vorige gantze Rede nicht anders verſtanden ha-
ben muͤſſe, als bisher in dieſer deduction gezei-
get iſt; wie ſie denn auch ohne offenbare Wort-
Verkehrung unmoͤglich anders verſtanden wer-
den kan: nemlich unſer Heiland habe durch ſeinen
Ausſpruch alle menſchliche Ehe-Scheidungen,
auſſer dem Fall des Ehebruchs, gaͤntzlich aufgeho-
ben, und das Band der Ehe fuͤr unaufloͤslich er-
klaͤret. Welches einen denn freylich die aller-
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ner eigenen Schuld in einer ungluͤcklichen Ehe
die Zeit ſeines Lebens ſeine mortification haben
kan. Dieweil es aber in der wenigſten Men-
ſchen Vermoͤgen ſtehet, ohne Suͤnde und viele
Verunruhigung beſtaͤndig unverehelicht zu blei-
ben, ſo iſt endlich ſechſtens der Schluß CHri-
ſti dieſer: Das Wort faſſet nicht iederman,
ſondern die, denen es gegeben iſt
ꝛc. v. 12.
13.

§. X. Dieſes iſt der richtige Wort-Ver-
ſtand
der gantzen Rede CHriſti; wie ein iegli-
cher auch nach den allgemeinen regulis logicis
und hermenevticis gar wohl erkennen und da-

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[223/0251] des erſten Briefs an die Corinthier. klar iſt, daß dieſer Schluß gemachet wird gegen der Juden ihre boͤſe Weiſe mit den Eheſcheidun- gen. Denn durch dieſe geſchahe es, daß, da der Mann mit ſeinem Weibe nur ein Fleiſch ſeyn und bleiben ſolte, ſo wol der Mann mit einem andern Weibe, als auch das Weib mit einem andern Manne, ein Fleiſch wurde, und alſo das vorige und rechtmaͤßige ein Fleiſch nicht mehr ein Fleiſch bliebe, ſondern zwey Fleiſch wurde, nem- lich ein iedes Theil mit einem andern. Die- ſem Ubel ſetzet der Heyland mit einer richtigen illation dieſe Worte entgegen, und ſpricht: ſo ſind ſie nun (nemlich von rechts wegen, oder Vermoͤge des Natur-Rechts vom Ehe-Stande) nicht mehr zwey, ſondern ein Fleiſch. §. VII. Der andere Schluß flieſſet aus dem erſten, wie auch aus den vorhergehenden Worten, und heißt: Was nun GOTT zu- ſammen gefuͤget hat, das ſoll der Menſch nicht ſcheiden. Hier finden wir einen den juͤ- diſchen Ehe-Scheidungen ausdruͤcklich entgegen geſetzten Ausſpruch, und denn deſſelben ration, oder Grund. Der Ausſpruch, oder Befehl iſt: der Menſch ſoll das ehelich zuſammengefuͤg- te nicht ſcheiden; und alſo ſoll es weder die Obrig- keit, noch einer fuͤr ſich ſelbſt, thun. Die ratio iſt, weil GOTT die Ehe-Leute zuſammen gefuͤ- get hat, oder weil das eheliche Band von GOtt ſelbſt unzertrennlich gemacht iſt: da denn dieſe Zuſammenfuͤgung iſt eine unmittelbare und mit- telbare. Die unmittelbare, und dabey gantz auſſerordentliche geſchahe in den Perſonen A- dams und ſeiner aus ſeiner Subſtantz erbaueten Eva. Die mittelbare und ordentliche beſtehet darinnen, und geſchiehet, wenn zwo zum Ehe- Stand tuͤchtige Perſonen erkennen, GOTT ſelbſt habe den Ehe-Stand verordnet, und es ſey ſeinem Willen gemaͤß, daß ſie ſich darein begeben, und dannenhero unter einander dieſen Ehe-Bund machen, daß ſie beyderſeits wollen Vater und Mutter, nach dem oben gezeigten Verſtande, verlaſſen, gehuͤlflich, d. i. haͤuslich und ehelich, an einander hangen, und zur Fortpflantzung ih- res Geſchlechts ein Fleiſch werden. Weil nun dieſer Ehe-Bund vermoͤge goͤttlicher Einſetzung aufgerichtet wird, oder doch von Rechts wegen aufgerichtet werden ſoll von allen; ſo wird die Zuſammenfuͤgung billig GOTT zugeſchrieben, auch damit ſeine beſondere Providentz uͤber den Ehe-Stand zu bezeugen. Nun ſolte dieſer Bund zwar auf Seiten der Menſchen allezeit mit beſon- derer Anrufung GOttes gemacht werden: wo es aber nicht geſchiehet, ſo behaͤlt doch GOttes Ord- nung an ſich ſelbſt ihre Kraft, ob ſie gleich we- der recht erkant, noch in ſeiner Furcht geheiliget wird. §. VIII. Das dritte Stuͤck der Rede bey dem Matthaͤo iſt der Einwurf vom Moſaiſchen Scheide-Brief, da die Juden ſagten: Warum (wenn es nach der Einſetzung an dem iſt, daß keine menſchliche Ehe-Scheidung unter den nach der Einſetzung ſo genau verbundenen Ehe-Leuten vorgehen ſoll,) hat den Moſes geboten einen Scheide-Brief zu geben und ſich von ihr zu ſcheiden? Darauf denn das vierte Stuͤck, nemlich die Beantwortung CHriſti folget, worinnen ſich drey momenta finden. Das erſte von dem, wie Moſes Worte anzuſehen, nemlich als eine bloſſe Erlaubniß und condeſcendentz, ſo da um ihres Hertzens Haͤrtigkeit willen geſchehen. Das andere von dem, daß es von Anfang, nem- lich von der Einſetzung her, und in den darauf er- folgten naͤchſten Zeiten, nicht alſo geweſen, und alſo auch nicht alſo bleiben koͤnne, ſondern die gantze Sache mit dem Ehe-Stande wieder nach der erſten Einſetzung zu reguliren ſey. Und da unſer Heiland gekommen war, nicht als ein neuer Geſetzgeber, ſondenn als der rechte Ausleger des Geſetzes; ſo thut er mit voller Auctoritaͤt ſeinen Ausſpruch (als das dritte alhier zu obſerviren- de momentum) hinzu, und ſetzet ihn dem moſai- ſchen, ſo nur in einiger condeſcendentz und eine Zeit lang gegeben war, gerade entgegen, hebet die Ehe-Scheidung auſſer dem Fall des Ehe- bruchs, als wodurch das Ehe-Band ohne das ge- trennet wird, gaͤntzlich auf, und ſpricht: Jch ſage euch aber, wer ſich von ſeinem Weibe ſcheidet, es ſey denn um Hurerey willen, und freyet eine andere, der bricht die Ehe, und wer die abgeſcheidete freyet, der bricht auch die Ehe. Da man denn gantz deutlich ſiehet, daß bey ſolchen Ehe-Scheidungen, wel- che auſſer dem caſu des Ehebruchs geſchehen, ſo wol der ſcheidende Mann, als die geſchiedene Frau, nach wie vor in einem wie vor Menſchen unzertrenneten, alſo auch an ſich ſelbſt unter den Menſchen billig unzertrennlichen Bande der Ehe verbleiben, und daher bey anderwaͤrtiger Verheyrathung des wuͤrcklichen Ehebruchs ſchul- dig erkant werden. §. IX. Hierauf folget nun das fuͤnfte Stuͤck dieſer gantzen Rede, und beſtehet in einem von den Juͤngern aus den Worten CHriſti gezo- genen Schluſſe, da ſie ſagen: Stehet die Sache eines Mannes mit ſeinem Weibe al- ſo, ſo iſts nicht gut ehelich werden. Wor- aus man klaͤrlich erſiehet, daß CHriſtus ſeine vorige gantze Rede nicht anders verſtanden ha- ben muͤſſe, als bisher in dieſer deduction gezei- get iſt; wie ſie denn auch ohne offenbare Wort- Verkehrung unmoͤglich anders verſtanden wer- den kan: nemlich unſer Heiland habe durch ſeinen Ausſpruch alle menſchliche Ehe-Scheidungen, auſſer dem Fall des Ehebruchs, gaͤntzlich aufgeho- ben, und das Band der Ehe fuͤr unaufloͤslich er- klaͤret. Welches einen denn freylich die aller- groͤßte Behutſamkeit lehret, mit welcher man den ehelichen Bund mit einer Perſon andern Ge- ſchlechts aufrichten ſolle, weil man ſonſt aus ſei- ner eigenen Schuld in einer ungluͤcklichen Ehe die Zeit ſeines Lebens ſeine mortification haben kan. Dieweil es aber in der wenigſten Men- ſchen Vermoͤgen ſtehet, ohne Suͤnde und viele Verunruhigung beſtaͤndig unverehelicht zu blei- ben, ſo iſt endlich ſechſtens der Schluß CHri- ſti dieſer: Das Wort faſſet nicht iederman, ſondern die, denen es gegeben iſt ꝛc. v. 12. 13. §. X. Dieſes iſt der richtige Wort-Ver- ſtand der gantzen Rede CHriſti; wie ein iegli- cher auch nach den allgemeinen regulis logicis und hermenevticis gar wohl erkennen und da- von

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/251>, abgerufen am 24.11.2024.