Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 7, v. 6-9. an die Römer. [Spaltenumbruch]
Ubelthaten wegen gefangen gehalten wird, inder beständigen Furcht des Urtheils zum Tode stehet Galat. 3, 23. 4, 3. Hebr. 2, 14. 15.) also daß wir (in der neuen Ehe unter der Gnade des Evangelii) dienen sollen (und können) im neuen Wesen des Geistes, (nach dem Geiste, der uns lebendig machet 2 Cor. 3, 17. in einem neuen Leben cap. 6, 4. und nach der Be- schneidung des Hertzens c. 2, 29. Da denn das Moral-Gesetz so gar nicht aufgehoben ist, daß es vielmehr aufgerichtet und uns ins Hertze ge- schrieben wird Jer. 31, 33. Hebr. 9, 16. 17. Rom. 3, 31.) und nicht im alten Wesen des Buch- stabens, (im verderbten Stande der Natur unter dem Gesetz.) Anmerckungen. 1. Weil das Gesetz in Buchstaben ver- 2. Es stehet zwar in etlichen Codicibus V. 7. Was wollen wir denn nun sagen? Anmerckungen. 1. Jst die Lust nach dem Fall schon an sich Sünde, also daß sie nicht erst durch gröbere Ausbrüche zur Sünde wird; wo wollen denn die Spieler, Tänzer und dergleichen eiteln Welt-Kinder mit der vorgegebenen Indisse- rentz, ja Erlaubniß, ihrer sündlichen Spiel- Tantz- und and anderer Lüste bleiben? 2. Es ist demnach der Jrrthum, nach wel- chem man die Lust und Lusthandlungen für in- difserent oder unsündlich hält, ein solcher Ver- stoß, der wider den kleinen Kinder-Catechismum von den Geboten GOttes läuft. Und gleich- wie er bey allen unbekehrten Menschen aus ih- rem bösen Willen, der noch gantz in der sünd- lichen Lust lieget, herrühret; also wird er bey den Gelehrten, aber dabey Verkehrten, aus der Aristotelischen Philosophie damit unterstü- tzet, daß man die Sünde nur setzet in dem gro- ben Excess oder Ausbruch der Lüste. 3. Ein anders sind die facultates der See- len, sonderlich des Willens: ein anders die darinn nach dem Fall befindliche Lust-Be- gierde. Denn da jene an sich gut ist, so ist diese böse, oder sündlich. Es muß demnach ei- nes mit dem andern nicht confundiret wer- den. V. 8. Da nahm aber die Sünde Ursache am V. 9. Jch aber lebte etwa (vor meiner Be- nicht
Cap. 7, v. 6-9. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
Ubelthaten wegen gefangen gehalten wird, inder beſtaͤndigen Furcht des Urtheils zum Tode ſtehet Galat. 3, 23. 4, 3. Hebr. 2, 14. 15.) alſo daß wir (in der neuen Ehe unter der Gnade des Evangelii) dienen ſollen (und koͤnnen) im neuen Weſen des Geiſtes, (nach dem Geiſte, der uns lebendig machet 2 Cor. 3, 17. in einem neuen Leben cap. 6, 4. und nach der Be- ſchneidung des Hertzens c. 2, 29. Da denn das Moral-Geſetz ſo gar nicht aufgehoben iſt, daß es vielmehr aufgerichtet und uns ins Hertze ge- ſchrieben wird Jer. 31, 33. Hebr. 9, 16. 17. Rom. 3, 31.) und nicht im alten Weſen des Buch- ſtabens, (im verderbten Stande der Natur unter dem Geſetz.) Anmerckungen. 1. Weil das Geſetz in Buchſtaben ver- 2. Es ſtehet zwar in etlichen Codicibus V. 7. Was wollen wir denn nun ſagen? Anmerckungen. 1. Jſt die Luſt nach dem Fall ſchon an ſich Suͤnde, alſo daß ſie nicht erſt durch groͤbere Ausbruͤche zur Suͤnde wird; wo wollen denn die Spieler, Taͤnzer und dergleichen eiteln Welt-Kinder mit der vorgegebenen Indiſſe- rentz, ja Erlaubniß, ihrer ſuͤndlichen Spiel- Tantz- und and anderer Luͤſte bleiben? 2. Es iſt demnach der Jrrthum, nach wel- chem man die Luſt und Luſthandlungen fuͤr in- difſerent oder unſuͤndlich haͤlt, ein ſolcher Ver- ſtoß, der wider den kleinen Kinder-Catechiſmum von den Geboten GOttes laͤuft. Und gleich- wie er bey allen unbekehrten Menſchen aus ih- rem boͤſen Willen, der noch gantz in der ſuͤnd- lichen Luſt lieget, herruͤhret; alſo wird er bey den Gelehrten, aber dabey Verkehrten, aus der Ariſtoteliſchen Philoſophie damit unterſtuͤ- tzet, daß man die Suͤnde nur ſetzet in dem gro- ben Excesſ oder Ausbruch der Luͤſte. 3. Ein anders ſind die facultates der See- len, ſonderlich des Willens: ein anders die darinn nach dem Fall befindliche Luſt-Be- gierde. Denn da jene an ſich gut iſt, ſo iſt dieſe boͤſe, oder ſuͤndlich. Es muß demnach ei- nes mit dem andern nicht confundiret wer- den. V. 8. Da nahm aber die Suͤnde Urſache am V. 9. Jch aber lebte etwa (vor meiner Be- nicht
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Cap. 7, v. 6-9. an die Roͤmer.
Ubelthaten wegen gefangen gehalten wird, in
der beſtaͤndigen Furcht des Urtheils zum Tode
ſtehet Galat. 3, 23. 4, 3. Hebr. 2, 14. 15.) alſo
daß wir (in der neuen Ehe unter der Gnade
des Evangelii) dienen ſollen (und koͤnnen)
im neuen Weſen des Geiſtes, (nach dem
Geiſte, der uns lebendig machet 2 Cor. 3, 17. in
einem neuen Leben cap. 6, 4. und nach der Be-
ſchneidung des Hertzens c. 2, 29. Da denn das
Moral-Geſetz ſo gar nicht aufgehoben iſt, daß
es vielmehr aufgerichtet und uns ins Hertze ge-
ſchrieben wird Jer. 31, 33. Hebr. 9, 16. 17. Rom.
3, 31.) und nicht im alten Weſen des Buch-
ſtabens, (im verderbten Stande der Natur
unter dem Geſetz.)
Anmerckungen.
1. Weil das Geſetz in Buchſtaben ver-
faſſet und mit Worten ausgedrucket iſt, und
auſſer dem, was wir am Geſetze der Natur da-
von ſchon in uns haben, es nur auſſer uns im
Buchſtaben bleibet, und ſich ſelbſt zum voͤlli-
gen Gehorſam in unſer Hertz nicht einſchreiben
kan, ſondern uns nur unſer Unvermoͤgen und
geiſtlichen Tod anzeiget, welches der Apoſtel
2 Cor. 3, 6. toͤdten nennet, wenn er ſaget, daß
der Buchſtabe toͤdtet, der Geiſt aber mache
lebendig; ſo wird alhier der Zuſtand unter dem
Geſetze das alte Weſen des Buchſtabens
genennet. Siehe faſt dergleichen Rom. 2, 27.
29.
2. Es ſtehet zwar in etlichen Codicibus
ἀποϑανόντος; welches denn ginge auf das vor-
hergehende Wort νόμου, und waͤre der Verſtand,
daß wir vom Geſetz dergeſtalt los worden, daß
es in Anſehung der ſtrengen Forderung und der
harten Drohung, gleichſam ſelbſt geſtorben ſey,
und ſich damit gegen uns ſo wenig rege, als ſich
ein Todter regen kan: allein die meiſten und
beſten alten Codices haben ἀποϑανόντες; damit
auch die Syriſche Verſion uͤberein koͤmmt: und
iſt dabey das pronomen ἀυτῷ, ei, ſcilicet νό-
μῳ, demſelben nemlich Geſetze, zu verſtehen.
Und dieſer Verſtand koͤmmt auch uͤberein mit
der protaſi v. 1. 2. da das leben und ſterben nicht
vom Geſetze, ſondern von dem Menſchen, der
unter dem Geſetze iſt, geſagt wird: nicht we-
niger mit der apodoſi v. 3. da das getoͤdtet ſeyn
auch von uns Menſchen ſtehet, und aufs Geſe-
tze appliciret wird, daß wir ihm abgeſtorben,
welchen der ſel. Lutherus gefolget.
V. 7.
Was wollen wir denn nun ſagen?
(nemlich dazu, daß nach c. 5. durch das Geſetz
die Luͤſte erreget werden, und man unter dem
Geſetze im Fleiſche und im alten Weſen der
Suͤnde bleibe:) Jſt denn das Geſetze Suͤn-
de? (auch ſelbſt ſuͤndlich und ſtraͤflich?) Das
ſey ferne. Aber (alſo verhaͤlt ſichs: nemlich)
die Suͤnde erkannte ich nicht, ohne durchs
Geſetze, (und alſo iſt es keine Urſache der
Suͤnde, ſondern es giebt die Suͤnde nur zu er-
kennen, und nimt ſie doch nicht weg. c. 3, 20.
4, 15.) denn ich wuſte (von mir ſelbſt, nach
dem Stande meiner verderbten Natur, da man
ſich ſelbſt nicht kennet,) nichts von der Luſt,
(und von dem, was mit der Luſt verknuͤpfet iſt,
daß ſie Suͤnde waͤre,) wo das Geſetz nicht
geſaget haͤtte: Laß dich nicht geluͤſten.
(Exod. 20, 17. Deut. 5, 21. Siehe auch Rom.
5, 20. Das Geſetz iſt dazu neben einkommen,
auf das die Suͤnde maͤchtiger wuͤrde.)
Anmerckungen.
1. Jſt die Luſt nach dem Fall ſchon an ſich
Suͤnde, alſo daß ſie nicht erſt durch groͤbere
Ausbruͤche zur Suͤnde wird; wo wollen denn
die Spieler, Taͤnzer und dergleichen eiteln
Welt-Kinder mit der vorgegebenen Indiſſe-
rentz, ja Erlaubniß, ihrer ſuͤndlichen Spiel-
Tantz- und and anderer Luͤſte bleiben?
2. Es iſt demnach der Jrrthum, nach wel-
chem man die Luſt und Luſthandlungen fuͤr in-
difſerent oder unſuͤndlich haͤlt, ein ſolcher Ver-
ſtoß, der wider den kleinen Kinder-Catechiſmum
von den Geboten GOttes laͤuft. Und gleich-
wie er bey allen unbekehrten Menſchen aus ih-
rem boͤſen Willen, der noch gantz in der ſuͤnd-
lichen Luſt lieget, herruͤhret; alſo wird er bey
den Gelehrten, aber dabey Verkehrten, aus
der Ariſtoteliſchen Philoſophie damit unterſtuͤ-
tzet, daß man die Suͤnde nur ſetzet in dem gro-
ben Excesſ oder Ausbruch der Luͤſte.
3. Ein anders ſind die facultates der See-
len, ſonderlich des Willens: ein anders die
darinn nach dem Fall befindliche Luſt-Be-
gierde. Denn da jene an ſich gut iſt, ſo iſt
dieſe boͤſe, oder ſuͤndlich. Es muß demnach ei-
nes mit dem andern nicht confundiret wer-
den.
V. 8.
Da nahm aber die Suͤnde Urſache am
Gebot, und erregte in mir allerley Luſt,
(das Gebot von der verbotenen Luſt machte
durch ſeinen Unterricht, daß die Erb-Suͤnde in
den wircklichen Luͤſten in mir erſt recht zum Ge-
fuͤhle kam; und da hieß es: nitimur in vetitum,
die Luſt gehet auf das, was verboten iſt.)
denn ohne das Geſetz (oder deſſelben eigent-
lichen Verſtand) war die Suͤnde (gleichſam)
todt, (eine unkraͤftige, unfuͤhlbare Sache,
die nicht einmal fuͤr Suͤnde erkannt wurde, viel-
weniger das Gewiſſen beunruhigte. Siehe
Joh. 15, 22. Wenn ich nicht gekommen waͤ-
re, und haͤtte es ihnen geſaget, ſo haͤtten
ſie keine (ſo groſſe) Suͤnde: nun aber koͤn-
nen ſie nichts vorwenden, ihre Suͤnde zu
entſchuldigen. Siehe auch c. 5, 13.
V. 9.
Jch aber lebte etwa (vor meiner Be-
kehrung eine Zeitlang im Stande der Sicher-
heit) ohne Geſetz, (ohne mich darinn durch
das Geſetz ſtoͤhren zu laſſen, und war, als haͤt-
te ich kein Geſetz,) da aber das (beſondere)
Gebot (des Geſetzes von der Luſt, darinnen
ſie zur Suͤnde gemachet wurde,) kam, (zu
meiner Notiz und meinem Gefuͤhle an das Ge-
wiſſen,) da ward die Suͤnde wieder leben-
dig, (regete ſich wieder, alſo, daß ich ſie
nicht
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