baren Schäden erwachsen, die jetzt als dunkle Probleme der Kultur- menschheit schier unlösbare Aufgaben stellen.
Nicht als ob von dem Tage an, wo dem öffentlichen Einfluß der Frauen kein äußeres Hindernis mehr entgegensteht, diese Auf- gaben sofort gelöst sein würden. Die Frau hat unter Druck und Verwahrlosung so manche Eigenschaft in sich groß werden lassen, die erst unter der Verantwortlichkeit des öffentlichen Lebens allmählich ver- schwinden muß. Auch sind die Kräfte, die hier ins Spiel kommen, zu fein, zu innerlich, um äußere Einrichtungen schnell umzubilden, die ihnen mit der ganzen Wucht Jahrtausende alter Überlieferungen gegenüberstehen. Und dennoch ist in diesen Kräften ein Korrektiv von höchster Bedeutung gegeben. Und so sicher, wie im organischen Leben neue Kräfte neue Lebensformen schaffen, wird der Einfluß der zum Selbstbewußtsein, zum Glauben an sich erwachten Frau andere, ihr gemäßere soziale Verhältnisse zu schaffen vermögen. Vielleicht sehr langsam - nicht durch wenige äußere Siege der organisierten Frauen- bewegung, sondern durch die von innen heraus still und allmählich wachsende Macht eines neuen Willens. Je stärker er wird, um so weniger wird er des äußeren Kampfes bedürfen, um sich durchzusetzen. Den Menschen selbst unbewußt, in jenem heimlichen Spiel geistiger Kräfte, das hinter jedem Werturteil, hinter jeder Willensäußerung und jedem Glaubenssatz der Menschheit steht, wird dieser neue Frauen- wille wirksam werden. Wie weit es ihm gelingen wird, sich in den sozialen Lebensformen der Zukunft zur Geltung zu bringen, und wie diese Lebensformen beschaffen sein werden, das können wir jetzt nicht voraussagen. Aus einer ernsthaften Betrachtung solcher Probleme müssen alle billigen Zukunfts-Utopien ausscheiden, um so mehr, als unter dem langsamen Einfluß dieser Kräfte selbst sich allmählich die Maßstäbe ändern werden, die die jetzige Generation allzu eilfertig mit der Gehirnwage in der Hand bestimmt hat. Aber der Richtung, in der sich der Einfluß der Frau auf das Kulturleben äußern wird, ist sich die Frauengenration der Gegenwart schon bewußt. Er wird in die große Gesellschaftsordnung noch einmal alle die Kräfte ein- führen, die den geistig-sittlichen Untergrund der Familie gebildet haben: die seine menschliche Rücksicht auf den andern, gleichviel ob er stark oder schwach, ob er geistig reich oder arm ist, die liebevolle Achtung vor dem Einzelleben überhaupt, die geistigere Auffassung
baren Schäden erwachsen, die jetzt als dunkle Probleme der Kultur- menschheit schier unlösbare Aufgaben stellen.
Nicht als ob von dem Tage an, wo dem öffentlichen Einfluß der Frauen kein äußeres Hindernis mehr entgegensteht, diese Auf- gaben sofort gelöst sein würden. Die Frau hat unter Druck und Verwahrlosung so manche Eigenschaft in sich groß werden lassen, die erst unter der Verantwortlichkeit des öffentlichen Lebens allmählich ver- schwinden muß. Auch sind die Kräfte, die hier ins Spiel kommen, zu fein, zu innerlich, um äußere Einrichtungen schnell umzubilden, die ihnen mit der ganzen Wucht Jahrtausende alter Überlieferungen gegenüberstehen. Und dennoch ist in diesen Kräften ein Korrektiv von höchster Bedeutung gegeben. Und so sicher, wie im organischen Leben neue Kräfte neue Lebensformen schaffen, wird der Einfluß der zum Selbstbewußtsein, zum Glauben an sich erwachten Frau andere, ihr gemäßere soziale Verhältnisse zu schaffen vermögen. Vielleicht sehr langsam – nicht durch wenige äußere Siege der organisierten Frauen- bewegung, sondern durch die von innen heraus still und allmählich wachsende Macht eines neuen Willens. Je stärker er wird, um so weniger wird er des äußeren Kampfes bedürfen, um sich durchzusetzen. Den Menschen selbst unbewußt, in jenem heimlichen Spiel geistiger Kräfte, das hinter jedem Werturteil, hinter jeder Willensäußerung und jedem Glaubenssatz der Menschheit steht, wird dieser neue Frauen- wille wirksam werden. Wie weit es ihm gelingen wird, sich in den sozialen Lebensformen der Zukunft zur Geltung zu bringen, und wie diese Lebensformen beschaffen sein werden, das können wir jetzt nicht voraussagen. Aus einer ernsthaften Betrachtung solcher Probleme müssen alle billigen Zukunfts-Utopien ausscheiden, um so mehr, als unter dem langsamen Einfluß dieser Kräfte selbst sich allmählich die Maßstäbe ändern werden, die die jetzige Generation allzu eilfertig mit der Gehirnwage in der Hand bestimmt hat. Aber der Richtung, in der sich der Einfluß der Frau auf das Kulturleben äußern wird, ist sich die Frauengenration der Gegenwart schon bewußt. Er wird in die große Gesellschaftsordnung noch einmal alle die Kräfte ein- führen, die den geistig-sittlichen Untergrund der Familie gebildet haben: die seine menschliche Rücksicht auf den andern, gleichviel ob er stark oder schwach, ob er geistig reich oder arm ist, die liebevolle Achtung vor dem Einzelleben überhaupt, die geistigere Auffassung
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0015"n="15"/>
baren Schäden erwachsen, die jetzt als dunkle Probleme der Kultur-<lb/>
menschheit schier unlösbare Aufgaben stellen.</p><lb/><p>Nicht als ob von dem Tage an, wo dem öffentlichen Einfluß<lb/>
der Frauen kein äußeres Hindernis mehr entgegensteht, diese Auf-<lb/>
gaben sofort gelöst sein würden. Die Frau hat unter Druck und<lb/>
Verwahrlosung so manche Eigenschaft in sich groß werden lassen, die<lb/>
erst unter der Verantwortlichkeit des öffentlichen Lebens allmählich ver-<lb/>
schwinden muß. Auch sind die Kräfte, die hier ins Spiel kommen,<lb/>
zu fein, zu innerlich, um äußere Einrichtungen schnell umzubilden,<lb/>
die ihnen mit der ganzen Wucht Jahrtausende alter Überlieferungen<lb/>
gegenüberstehen. Und dennoch ist in diesen Kräften ein Korrektiv von<lb/>
höchster Bedeutung gegeben. Und so sicher, wie im organischen Leben<lb/>
neue Kräfte neue Lebensformen schaffen, wird der Einfluß der zum<lb/>
Selbstbewußtsein, zum Glauben an sich erwachten Frau andere, ihr<lb/>
gemäßere soziale Verhältnisse zu schaffen vermögen. Vielleicht sehr<lb/>
langsam – nicht durch wenige äußere Siege der organisierten Frauen-<lb/>
bewegung, sondern durch die von innen heraus still und allmählich<lb/>
wachsende Macht eines neuen Willens. Je stärker er wird, um so<lb/>
weniger wird er des äußeren Kampfes bedürfen, um sich durchzusetzen.<lb/>
Den Menschen selbst unbewußt, in jenem heimlichen Spiel geistiger<lb/>
Kräfte, das hinter jedem Werturteil, hinter jeder Willensäußerung<lb/>
und jedem Glaubenssatz der Menschheit steht, wird dieser neue Frauen-<lb/>
wille wirksam werden. <hirendition="#g">Wie weit</hi> es ihm gelingen wird, sich in den<lb/>
sozialen Lebensformen der Zukunft zur Geltung zu bringen, und wie<lb/>
diese Lebensformen beschaffen sein werden, das können wir jetzt nicht<lb/>
voraussagen. Aus einer ernsthaften Betrachtung solcher Probleme<lb/>
müssen alle billigen Zukunfts-Utopien ausscheiden, um so mehr, als<lb/>
unter dem langsamen Einfluß dieser Kräfte selbst sich allmählich die<lb/>
Maßstäbe ändern werden, die die jetzige Generation allzu eilfertig<lb/>
mit der Gehirnwage in der Hand bestimmt hat. Aber der <hirendition="#g">Richtung</hi>,<lb/>
in der sich der Einfluß der Frau auf das Kulturleben äußern wird,<lb/>
ist sich die Frauengenration der Gegenwart schon bewußt. Er wird<lb/>
in die große Gesellschaftsordnung noch einmal alle die Kräfte ein-<lb/>
führen, die den geistig-sittlichen Untergrund der Familie gebildet<lb/>
haben: die seine menschliche Rücksicht auf den andern, gleichviel ob<lb/>
er stark oder schwach, ob er geistig reich oder arm ist, die liebevolle<lb/>
Achtung vor dem Einzelleben überhaupt, die geistigere Auffassung<lb/></p></body></text></TEI>
[15/0015]
baren Schäden erwachsen, die jetzt als dunkle Probleme der Kultur-
menschheit schier unlösbare Aufgaben stellen.
Nicht als ob von dem Tage an, wo dem öffentlichen Einfluß
der Frauen kein äußeres Hindernis mehr entgegensteht, diese Auf-
gaben sofort gelöst sein würden. Die Frau hat unter Druck und
Verwahrlosung so manche Eigenschaft in sich groß werden lassen, die
erst unter der Verantwortlichkeit des öffentlichen Lebens allmählich ver-
schwinden muß. Auch sind die Kräfte, die hier ins Spiel kommen,
zu fein, zu innerlich, um äußere Einrichtungen schnell umzubilden,
die ihnen mit der ganzen Wucht Jahrtausende alter Überlieferungen
gegenüberstehen. Und dennoch ist in diesen Kräften ein Korrektiv von
höchster Bedeutung gegeben. Und so sicher, wie im organischen Leben
neue Kräfte neue Lebensformen schaffen, wird der Einfluß der zum
Selbstbewußtsein, zum Glauben an sich erwachten Frau andere, ihr
gemäßere soziale Verhältnisse zu schaffen vermögen. Vielleicht sehr
langsam – nicht durch wenige äußere Siege der organisierten Frauen-
bewegung, sondern durch die von innen heraus still und allmählich
wachsende Macht eines neuen Willens. Je stärker er wird, um so
weniger wird er des äußeren Kampfes bedürfen, um sich durchzusetzen.
Den Menschen selbst unbewußt, in jenem heimlichen Spiel geistiger
Kräfte, das hinter jedem Werturteil, hinter jeder Willensäußerung
und jedem Glaubenssatz der Menschheit steht, wird dieser neue Frauen-
wille wirksam werden. Wie weit es ihm gelingen wird, sich in den
sozialen Lebensformen der Zukunft zur Geltung zu bringen, und wie
diese Lebensformen beschaffen sein werden, das können wir jetzt nicht
voraussagen. Aus einer ernsthaften Betrachtung solcher Probleme
müssen alle billigen Zukunfts-Utopien ausscheiden, um so mehr, als
unter dem langsamen Einfluß dieser Kräfte selbst sich allmählich die
Maßstäbe ändern werden, die die jetzige Generation allzu eilfertig
mit der Gehirnwage in der Hand bestimmt hat. Aber der Richtung,
in der sich der Einfluß der Frau auf das Kulturleben äußern wird,
ist sich die Frauengenration der Gegenwart schon bewußt. Er wird
in die große Gesellschaftsordnung noch einmal alle die Kräfte ein-
führen, die den geistig-sittlichen Untergrund der Familie gebildet
haben: die seine menschliche Rücksicht auf den andern, gleichviel ob
er stark oder schwach, ob er geistig reich oder arm ist, die liebevolle
Achtung vor dem Einzelleben überhaupt, die geistigere Auffassung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-11-05T13:58:55Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-11-05T13:58:55Z)
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Lange, Helene: Das Endziel der Frauenbewegung. Berlin, 1904, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_endziel_1904/15>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.