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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
könnten jede Arten der Pflanzen, Thiere etc. als Ganze
betrachtet, mit einzeln Sylben benennt werden. Jn die-
sen Sylben würden gewisse Buchstaben bedeutend ge-
macht, um daran die Classen und Arten, zu welchen
jede einzele Art gehört, zu erkennen. Allein die Anzahl
dieser einzeln Arten ist an sich merklich groß, und dürfte
leicht die Anzahl jeder möglichen Sylben erschöpfen und
übertreffen. Da wir nun noch zu allen diesen Arten
auch ihre Theile, und überdieß noch unzählige Arten von
Handlungen, Veränderungen, Modificationen, Verhält-
nissen etc. zu benennen haben, so ist klar, daß die Anzahl
der möglichen Sylben auf eine andere Art vertheilt,
und bedeutend gemacht werden müsse. Und überhaupt
fordert die Kürze der Zeichen, daß die einzeln Sylben
häufig vorkommende, und vielfältig verbindbare Be-
griffe bedeuten. Denn so lassen sich durch bloßes Zu-
sammenhängen solcher Sylben zusammengesetzte und
modificirte Begriffe vorstellen. Auf diese Art haben
die Handlungen und Verhältnisse ein vorzüglicheres und
viel natürlicheres Recht dazu, weil wir sie in Ermange-
lung der Rede zu Zeichen der Begriffe machen wür-
den, und auch bey der Rede wirklich dazu machen
(§. 118.).

§. 135. Die Ordnung der Sylben kann ebenfalls
bedeutend gemacht werden, und die wirklichen Sprachen
bieten uns Spuren davon an. Die Rede hat nur eine
Dimension und ist linear. Daher haben wir auch nur
eine ganz einfache Ordnung, weil eine Sylbe einer an-
dern schlechthin entweder vorgeht oder nachfolgt. Diese
Ordnung hat man in den Sprachen nicht ganz gleich-
gültig gelassen. Jm Deutschen sind Rathhaus und
Hausrath, Bruchstein und Steinbruch, Holz-
bau
und Bauholz, etc. solche Wörter, deren Verse-
tzung die Bedeutung ändert. Auf gleiche Art werden
die Ableitungstheilchen den Wörtern entweder vorgesetzt,

oder
Lamb. Organon II B. F

Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
koͤnnten jede Arten der Pflanzen, Thiere ꝛc. als Ganze
betrachtet, mit einzeln Sylben benennt werden. Jn die-
ſen Sylben wuͤrden gewiſſe Buchſtaben bedeutend ge-
macht, um daran die Claſſen und Arten, zu welchen
jede einzele Art gehoͤrt, zu erkennen. Allein die Anzahl
dieſer einzeln Arten iſt an ſich merklich groß, und duͤrfte
leicht die Anzahl jeder moͤglichen Sylben erſchoͤpfen und
uͤbertreffen. Da wir nun noch zu allen dieſen Arten
auch ihre Theile, und uͤberdieß noch unzaͤhlige Arten von
Handlungen, Veraͤnderungen, Modificationen, Verhaͤlt-
niſſen ꝛc. zu benennen haben, ſo iſt klar, daß die Anzahl
der moͤglichen Sylben auf eine andere Art vertheilt,
und bedeutend gemacht werden muͤſſe. Und uͤberhaupt
fordert die Kuͤrze der Zeichen, daß die einzeln Sylben
haͤufig vorkommende, und vielfaͤltig verbindbare Be-
griffe bedeuten. Denn ſo laſſen ſich durch bloßes Zu-
ſammenhaͤngen ſolcher Sylben zuſammengeſetzte und
modificirte Begriffe vorſtellen. Auf dieſe Art haben
die Handlungen und Verhaͤltniſſe ein vorzuͤglicheres und
viel natuͤrlicheres Recht dazu, weil wir ſie in Ermange-
lung der Rede zu Zeichen der Begriffe machen wuͤr-
den, und auch bey der Rede wirklich dazu machen
(§. 118.).

§. 135. Die Ordnung der Sylben kann ebenfalls
bedeutend gemacht werden, und die wirklichen Sprachen
bieten uns Spuren davon an. Die Rede hat nur eine
Dimenſion und iſt linear. Daher haben wir auch nur
eine ganz einfache Ordnung, weil eine Sylbe einer an-
dern ſchlechthin entweder vorgeht oder nachfolgt. Dieſe
Ordnung hat man in den Sprachen nicht ganz gleich-
guͤltig gelaſſen. Jm Deutſchen ſind Rathhaus und
Hausrath, Bruchſtein und Steinbruch, Holz-
bau
und Bauholz, ꝛc. ſolche Woͤrter, deren Verſe-
tzung die Bedeutung aͤndert. Auf gleiche Art werden
die Ableitungstheilchen den Woͤrtern entweder vorgeſetzt,

oder
Lamb. Organon II B. F
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[81/0087] Von der Sprache als Zeichen betrachtet. koͤnnten jede Arten der Pflanzen, Thiere ꝛc. als Ganze betrachtet, mit einzeln Sylben benennt werden. Jn die- ſen Sylben wuͤrden gewiſſe Buchſtaben bedeutend ge- macht, um daran die Claſſen und Arten, zu welchen jede einzele Art gehoͤrt, zu erkennen. Allein die Anzahl dieſer einzeln Arten iſt an ſich merklich groß, und duͤrfte leicht die Anzahl jeder moͤglichen Sylben erſchoͤpfen und uͤbertreffen. Da wir nun noch zu allen dieſen Arten auch ihre Theile, und uͤberdieß noch unzaͤhlige Arten von Handlungen, Veraͤnderungen, Modificationen, Verhaͤlt- niſſen ꝛc. zu benennen haben, ſo iſt klar, daß die Anzahl der moͤglichen Sylben auf eine andere Art vertheilt, und bedeutend gemacht werden muͤſſe. Und uͤberhaupt fordert die Kuͤrze der Zeichen, daß die einzeln Sylben haͤufig vorkommende, und vielfaͤltig verbindbare Be- griffe bedeuten. Denn ſo laſſen ſich durch bloßes Zu- ſammenhaͤngen ſolcher Sylben zuſammengeſetzte und modificirte Begriffe vorſtellen. Auf dieſe Art haben die Handlungen und Verhaͤltniſſe ein vorzuͤglicheres und viel natuͤrlicheres Recht dazu, weil wir ſie in Ermange- lung der Rede zu Zeichen der Begriffe machen wuͤr- den, und auch bey der Rede wirklich dazu machen (§. 118.). §. 135. Die Ordnung der Sylben kann ebenfalls bedeutend gemacht werden, und die wirklichen Sprachen bieten uns Spuren davon an. Die Rede hat nur eine Dimenſion und iſt linear. Daher haben wir auch nur eine ganz einfache Ordnung, weil eine Sylbe einer an- dern ſchlechthin entweder vorgeht oder nachfolgt. Dieſe Ordnung hat man in den Sprachen nicht ganz gleich- guͤltig gelaſſen. Jm Deutſchen ſind Rathhaus und Hausrath, Bruchſtein und Steinbruch, Holz- bau und Bauholz, ꝛc. ſolche Woͤrter, deren Verſe- tzung die Bedeutung aͤndert. Auf gleiche Art werden die Ableitungstheilchen den Woͤrtern entweder vorgeſetzt, oder Lamb. Organon II B. F

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/87>, abgerufen am 23.11.2024.