ist. Auf diese Art haben wir bey den Nennwörtern und Zeitwörtern nur die einzele und mehrere Zahl, (singularis, pluralis,) weil sichs, sobald mehrere sind, nicht immer wissen oder bestimmen läßt, wie viele? Auf eine ähnliche Art sehen wir bey den Zeitwörtern nicht auf den Unterschied des Ortes, als in so fern sich den- selben die Ableitungstheilchen aus, vor, nach etc. vor- setzen lassen, und in Ansehung der Zeit sehen wir nur überhaupt auf das Vergangene, Gegenwärtige und Künftige, die genauere Bestimmung der Zeit und Dauer aber zeigen wir, wo es nöthig ist, durch beson- dere Wörter an.
§. 133. Ungeacht nun hiebey in den wirklichen Sprachen viel Willkührliches bleibt, so können wir doch die Grundregeln anführen, nach welchen eine durchaus wissenschaftliche Sprache eingerichtet seyn sollte. Wir rechnen daher zu den bereits vorhin angemerkten, noch folgende. Daß in den zusammengesetzten oder vielsylbigen Wörtern nicht nur jede Sylbe, sondern auch die Ordnung der Sylben, bedeu- tend seyn solle. Jeder Sylbe solle demnach ein Be- griff entsprechen, welcher für sich gedacht werden kann, und welcher sich mit andern wiederum verbinden läßt. Diese Regel mag vielleicht eine Ausnahm leiden, wenn nämlich die mögliche Anzahl der Sylben, so groß sie auch ist (§. 86. seqq.), nicht groß genug wäre, alles dadurch vorzustellen, was durch einzele Sylben vorge- stellt werden solle.
§. 134. Um dieses aber genauer zu durchgehen, so merken wir aus dem vorhergehenden (§. 122.) an, daß wir in Benennung der Dinge da anfangen, wo man nach der synthetischen Charakteristik Abkürzungen einführen und gebrauchen müßte, weil wir bereits schon vollendete Ganze vor uns haben, deren kleinste Theile und Structur uns unbekannt sind. Jn dieser Absicht
könnten
III. Hauptſtuͤck.
iſt. Auf dieſe Art haben wir bey den Nennwoͤrtern und Zeitwoͤrtern nur die einzele und mehrere Zahl, (ſingularis, pluralis,) weil ſichs, ſobald mehrere ſind, nicht immer wiſſen oder beſtimmen laͤßt, wie viele? Auf eine aͤhnliche Art ſehen wir bey den Zeitwoͤrtern nicht auf den Unterſchied des Ortes, als in ſo fern ſich den- ſelben die Ableitungstheilchen aus, vor, nach ꝛc. vor- ſetzen laſſen, und in Anſehung der Zeit ſehen wir nur uͤberhaupt auf das Vergangene, Gegenwaͤrtige und Kuͤnftige, die genauere Beſtimmung der Zeit und Dauer aber zeigen wir, wo es noͤthig iſt, durch beſon- dere Woͤrter an.
§. 133. Ungeacht nun hiebey in den wirklichen Sprachen viel Willkuͤhrliches bleibt, ſo koͤnnen wir doch die Grundregeln anfuͤhren, nach welchen eine durchaus wiſſenſchaftliche Sprache eingerichtet ſeyn ſollte. Wir rechnen daher zu den bereits vorhin angemerkten, noch folgende. Daß in den zuſammengeſetzten oder vielſylbigen Woͤrtern nicht nur jede Sylbe, ſondern auch die Ordnung der Sylben, bedeu- tend ſeyn ſolle. Jeder Sylbe ſolle demnach ein Be- griff entſprechen, welcher fuͤr ſich gedacht werden kann, und welcher ſich mit andern wiederum verbinden laͤßt. Dieſe Regel mag vielleicht eine Ausnahm leiden, wenn naͤmlich die moͤgliche Anzahl der Sylben, ſo groß ſie auch iſt (§. 86. ſeqq.), nicht groß genug waͤre, alles dadurch vorzuſtellen, was durch einzele Sylben vorge- ſtellt werden ſolle.
§. 134. Um dieſes aber genauer zu durchgehen, ſo merken wir aus dem vorhergehenden (§. 122.) an, daß wir in Benennung der Dinge da anfangen, wo man nach der ſynthetiſchen Charakteriſtik Abkuͤrzungen einfuͤhren und gebrauchen muͤßte, weil wir bereits ſchon vollendete Ganze vor uns haben, deren kleinſte Theile und Structur uns unbekannt ſind. Jn dieſer Abſicht
koͤnnten
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III. Hauptſtuͤck.
iſt. Auf dieſe Art haben wir bey den Nennwoͤrtern
und Zeitwoͤrtern nur die einzele und mehrere Zahl,
(ſingularis, pluralis,) weil ſichs, ſobald mehrere ſind,
nicht immer wiſſen oder beſtimmen laͤßt, wie viele? Auf
eine aͤhnliche Art ſehen wir bey den Zeitwoͤrtern nicht
auf den Unterſchied des Ortes, als in ſo fern ſich den-
ſelben die Ableitungstheilchen aus, vor, nach ꝛc. vor-
ſetzen laſſen, und in Anſehung der Zeit ſehen wir nur
uͤberhaupt auf das Vergangene, Gegenwaͤrtige und
Kuͤnftige, die genauere Beſtimmung der Zeit und
Dauer aber zeigen wir, wo es noͤthig iſt, durch beſon-
dere Woͤrter an.
§. 133. Ungeacht nun hiebey in den wirklichen
Sprachen viel Willkuͤhrliches bleibt, ſo koͤnnen wir doch
die Grundregeln anfuͤhren, nach welchen eine durchaus
wiſſenſchaftliche Sprache eingerichtet ſeyn ſollte. Wir
rechnen daher zu den bereits vorhin angemerkten, noch
folgende. Daß in den zuſammengeſetzten oder
vielſylbigen Woͤrtern nicht nur jede Sylbe,
ſondern auch die Ordnung der Sylben, bedeu-
tend ſeyn ſolle. Jeder Sylbe ſolle demnach ein Be-
griff entſprechen, welcher fuͤr ſich gedacht werden kann,
und welcher ſich mit andern wiederum verbinden laͤßt.
Dieſe Regel mag vielleicht eine Ausnahm leiden, wenn
naͤmlich die moͤgliche Anzahl der Sylben, ſo groß ſie
auch iſt (§. 86. ſeqq.), nicht groß genug waͤre, alles
dadurch vorzuſtellen, was durch einzele Sylben vorge-
ſtellt werden ſolle.
§. 134. Um dieſes aber genauer zu durchgehen, ſo
merken wir aus dem vorhergehenden (§. 122.) an, daß
wir in Benennung der Dinge da anfangen, wo man
nach der ſynthetiſchen Charakteriſtik Abkuͤrzungen
einfuͤhren und gebrauchen muͤßte, weil wir bereits ſchon
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und Structur uns unbekannt ſind. Jn dieſer Abſicht
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/86>, abgerufen am 17.07.2024.
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