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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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II. Hauptstück.
dieselben nach ihrer Aussprache einrichtet. So hat ein
Deutscher Mühe, einen Engländer zu verstehen, wenn
dieser Latein oder Griechisch redt, weil er diese Sprachen
auf den Fuß des Engländischen liest und ausspricht.
Und ungeacht die Reuchlinische Aussprache derjenigen
nahe kömmt, die die heutigen Griechen noch haben, und
Erasmus aus Gründen zu erweisen gesucht hat, wie die
alten Griechen müssen ausgesprochen haben, so glauben
doch die Engländer, daß sie im Englischen alle die Töne
und Mannichfaltigkeiten haben, welche die Griechen
hatten, und daß niemand das Griechische genauer aus-
spreche, als sie es thun.

§. 84. Diese aus dem bloßen Nicht-üben herrüh-
rende Unmöglichkeit, jede zusammengeschlungene Mit-
lauter auszusprechen, hat in Absicht auf die Art einer
Sprache, Indoles oder Genius linguae, verschiedene
Folgen. Die Wörter einer fremden Sprache, denen
man in einer Sprache das Bürgerrecht giebt, werden
so verändert, daß sie sich aussprechen lassen. Man giebt
ihnen andere Wendungen, und dieses geht zuweilen so
weit, daß man Mühe hat, die Ableitung zu erkennen.
Auch die Möglichkeit und die Art, zusammengesetzte
Wörter zu bilden, hängt davon ab. Eine Sprache, in
welcher ohne Bedenken fünf, sechs und mehrere Mitlau-
ter an einander stoßen dürfen, weil man an ihre Aus-
sprache von Jugend auf schon gewöhnt ist, leidet eine
viel unmittelbarere Zusammensetzung, als eine gelindere
Sprache, die entweder Buchstaben weglassen, oder die
härtern mit weichern verwechseln, oder Vocalen einschal-
ten muß, um dem zusammengesetzten Worte eine Flüßig-
keit zu geben, die sich durch weniger biegsam gemachte
Zungen aussprechen lasse. Die deutsche Sprache leidet
eine solche unmittelbare Zusammensetzung, und geht dar-
inn so weit, daß sie ehender mehr Consonanten als
Selbstlauter einmengt, wie z. E. in den Wörtern:

Erfin-

II. Hauptſtuͤck.
dieſelben nach ihrer Ausſprache einrichtet. So hat ein
Deutſcher Muͤhe, einen Englaͤnder zu verſtehen, wenn
dieſer Latein oder Griechiſch redt, weil er dieſe Sprachen
auf den Fuß des Englaͤndiſchen lieſt und ausſpricht.
Und ungeacht die Reuchliniſche Ausſprache derjenigen
nahe koͤmmt, die die heutigen Griechen noch haben, und
Eraſmus aus Gruͤnden zu erweiſen geſucht hat, wie die
alten Griechen muͤſſen ausgeſprochen haben, ſo glauben
doch die Englaͤnder, daß ſie im Engliſchen alle die Toͤne
und Mannichfaltigkeiten haben, welche die Griechen
hatten, und daß niemand das Griechiſche genauer aus-
ſpreche, als ſie es thun.

§. 84. Dieſe aus dem bloßen Nicht-uͤben herruͤh-
rende Unmoͤglichkeit, jede zuſammengeſchlungene Mit-
lauter auszuſprechen, hat in Abſicht auf die Art einer
Sprache, Indoles oder Genius linguae, verſchiedene
Folgen. Die Woͤrter einer fremden Sprache, denen
man in einer Sprache das Buͤrgerrecht giebt, werden
ſo veraͤndert, daß ſie ſich ausſprechen laſſen. Man giebt
ihnen andere Wendungen, und dieſes geht zuweilen ſo
weit, daß man Muͤhe hat, die Ableitung zu erkennen.
Auch die Moͤglichkeit und die Art, zuſammengeſetzte
Woͤrter zu bilden, haͤngt davon ab. Eine Sprache, in
welcher ohne Bedenken fuͤnf, ſechs und mehrere Mitlau-
ter an einander ſtoßen duͤrfen, weil man an ihre Aus-
ſprache von Jugend auf ſchon gewoͤhnt iſt, leidet eine
viel unmittelbarere Zuſammenſetzung, als eine gelindere
Sprache, die entweder Buchſtaben weglaſſen, oder die
haͤrtern mit weichern verwechſeln, oder Vocalen einſchal-
ten muß, um dem zuſammengeſetzten Worte eine Fluͤßig-
keit zu geben, die ſich durch weniger biegſam gemachte
Zungen ausſprechen laſſe. Die deutſche Sprache leidet
eine ſolche unmittelbare Zuſammenſetzung, und geht dar-
inn ſo weit, daß ſie ehender mehr Conſonanten als
Selbſtlauter einmengt, wie z. E. in den Woͤrtern:

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[52/0058] II. Hauptſtuͤck. dieſelben nach ihrer Ausſprache einrichtet. So hat ein Deutſcher Muͤhe, einen Englaͤnder zu verſtehen, wenn dieſer Latein oder Griechiſch redt, weil er dieſe Sprachen auf den Fuß des Englaͤndiſchen lieſt und ausſpricht. Und ungeacht die Reuchliniſche Ausſprache derjenigen nahe koͤmmt, die die heutigen Griechen noch haben, und Eraſmus aus Gruͤnden zu erweiſen geſucht hat, wie die alten Griechen muͤſſen ausgeſprochen haben, ſo glauben doch die Englaͤnder, daß ſie im Engliſchen alle die Toͤne und Mannichfaltigkeiten haben, welche die Griechen hatten, und daß niemand das Griechiſche genauer aus- ſpreche, als ſie es thun. §. 84. Dieſe aus dem bloßen Nicht-uͤben herruͤh- rende Unmoͤglichkeit, jede zuſammengeſchlungene Mit- lauter auszuſprechen, hat in Abſicht auf die Art einer Sprache, Indoles oder Genius linguae, verſchiedene Folgen. Die Woͤrter einer fremden Sprache, denen man in einer Sprache das Buͤrgerrecht giebt, werden ſo veraͤndert, daß ſie ſich ausſprechen laſſen. Man giebt ihnen andere Wendungen, und dieſes geht zuweilen ſo weit, daß man Muͤhe hat, die Ableitung zu erkennen. Auch die Moͤglichkeit und die Art, zuſammengeſetzte Woͤrter zu bilden, haͤngt davon ab. Eine Sprache, in welcher ohne Bedenken fuͤnf, ſechs und mehrere Mitlau- ter an einander ſtoßen duͤrfen, weil man an ihre Aus- ſprache von Jugend auf ſchon gewoͤhnt iſt, leidet eine viel unmittelbarere Zuſammenſetzung, als eine gelindere Sprache, die entweder Buchſtaben weglaſſen, oder die haͤrtern mit weichern verwechſeln, oder Vocalen einſchal- ten muß, um dem zuſammengeſetzten Worte eine Fluͤßig- keit zu geben, die ſich durch weniger biegſam gemachte Zungen ausſprechen laſſe. Die deutſche Sprache leidet eine ſolche unmittelbare Zuſammenſetzung, und geht dar- inn ſo weit, daß ſie ehender mehr Conſonanten als Selbſtlauter einmengt, wie z. E. in den Woͤrtern: Erfin-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/58>, abgerufen am 23.11.2024.