§. 36. Wir merken serner an, daß die Zeichen + -- · : sqrt, und die Stelle der Exponenten, an sich betrachtet, willkührlich sind, daß man aber dennoch, um einander verständlich zu bleiben, nicht mehr davon ab- geht. Hingegen in Ansehung der Zeichen, die man für die Größen selbst gebraucht, ist mehr willkührliches. Man bedienet sich überhaupt der Buchstaben, und hat auch mehrerer Deutlichkeit halben sich angewöhnet, die bekannten und unveränderlichen Größen durch die ersten Buchstaben a, b, c etc. die unbekannten und veränderli- chen aber durch die letzten Buchstaben x, y, z etc. und die bloßen Verhältnisse durch die mittlern Buchstaben m, n, p etc. des Alphabets vorzustellen. Jndessen ist dieses so gar nothwendig nicht, und besonders werden die Verhältnisse öfters füglicher durch die Functionen von Zirkelbögen vorgestellet, zumal, nachdem die Jn- tegralrechnung gelehret hat, daß solche vorkommen kön- nen, wo von Figuren bald keine Rede ist, oder wo die Figuren selbst nur sinnliche Bilder der Größen sind.
§. 37. Der Grund, warum die Auswahl der Buch- staben, wodurch man die Größen selbst vorstellet, will- kührlicher ist, liegt darinn, daß die Algeber nicht mit Zahlen, sondern mit Größen umgeht, die man nach Belieben bestimmen kann, und daß bald jede Aufgabe mehr oder weniger gegebene und gesuchte Größen mit einander vergleicht. Hingegen kommen die Postulata + -- · : sqrt etc. immer vor, weil man nicht anders, als nach diesen allgemeinen und unbedingten Möglichkeiten, diejenigen bestimmen kann, welche in der Aufgabe vor- kommen.
§. 38. Die Algeber ist demnach nicht eine Zeichen- kunst der Größen selbst, sondern nur ihrer Verwan- delungen und Verhältnisse, und die Auflösung je- der algebraischen Aufgabe giebt an, wie man die gege- benen Größen addiren, multipliciren etc. und überhaupt
ver-
I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
§. 36. Wir merken ſerner an, daß die Zeichen + — · : √, und die Stelle der Exponenten, an ſich betrachtet, willkuͤhrlich ſind, daß man aber dennoch, um einander verſtaͤndlich zu bleiben, nicht mehr davon ab- geht. Hingegen in Anſehung der Zeichen, die man fuͤr die Groͤßen ſelbſt gebraucht, iſt mehr willkuͤhrliches. Man bedienet ſich uͤberhaupt der Buchſtaben, und hat auch mehrerer Deutlichkeit halben ſich angewoͤhnet, die bekannten und unveraͤnderlichen Groͤßen durch die erſten Buchſtaben a, b, c ꝛc. die unbekannten und veraͤnderli- chen aber durch die letzten Buchſtaben x, y, z ꝛc. und die bloßen Verhaͤltniſſe durch die mittlern Buchſtaben m, n, p ꝛc. des Alphabets vorzuſtellen. Jndeſſen iſt dieſes ſo gar nothwendig nicht, und beſonders werden die Verhaͤltniſſe oͤfters fuͤglicher durch die Functionen von Zirkelboͤgen vorgeſtellet, zumal, nachdem die Jn- tegralrechnung gelehret hat, daß ſolche vorkommen koͤn- nen, wo von Figuren bald keine Rede iſt, oder wo die Figuren ſelbſt nur ſinnliche Bilder der Groͤßen ſind.
§. 37. Der Grund, warum die Auswahl der Buch- ſtaben, wodurch man die Groͤßen ſelbſt vorſtellet, will- kuͤhrlicher iſt, liegt darinn, daß die Algeber nicht mit Zahlen, ſondern mit Groͤßen umgeht, die man nach Belieben beſtimmen kann, und daß bald jede Aufgabe mehr oder weniger gegebene und geſuchte Groͤßen mit einander vergleicht. Hingegen kommen die Poſtulata + — · : √ ꝛc. immer vor, weil man nicht anders, als nach dieſen allgemeinen und unbedingten Moͤglichkeiten, diejenigen beſtimmen kann, welche in der Aufgabe vor- kommen.
§. 38. Die Algeber iſt demnach nicht eine Zeichen- kunſt der Groͤßen ſelbſt, ſondern nur ihrer Verwan- delungen und Verhaͤltniſſe, und die Aufloͤſung je- der algebraiſchen Aufgabe giebt an, wie man die gege- benen Groͤßen addiren, multipliciren ꝛc. und uͤberhaupt
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I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
§. 36. Wir merken ſerner an, daß die Zeichen
+ — · : √, und die Stelle der Exponenten, an ſich
betrachtet, willkuͤhrlich ſind, daß man aber dennoch, um
einander verſtaͤndlich zu bleiben, nicht mehr davon ab-
geht. Hingegen in Anſehung der Zeichen, die man fuͤr
die Groͤßen ſelbſt gebraucht, iſt mehr willkuͤhrliches.
Man bedienet ſich uͤberhaupt der Buchſtaben, und hat
auch mehrerer Deutlichkeit halben ſich angewoͤhnet, die
bekannten und unveraͤnderlichen Groͤßen durch die erſten
Buchſtaben a, b, c ꝛc. die unbekannten und veraͤnderli-
chen aber durch die letzten Buchſtaben x, y, z ꝛc. und
die bloßen Verhaͤltniſſe durch die mittlern Buchſtaben
m, n, p ꝛc. des Alphabets vorzuſtellen. Jndeſſen iſt
dieſes ſo gar nothwendig nicht, und beſonders werden
die Verhaͤltniſſe oͤfters fuͤglicher durch die Functionen
von Zirkelboͤgen vorgeſtellet, zumal, nachdem die Jn-
tegralrechnung gelehret hat, daß ſolche vorkommen koͤn-
nen, wo von Figuren bald keine Rede iſt, oder wo die
Figuren ſelbſt nur ſinnliche Bilder der Groͤßen ſind.
§. 37. Der Grund, warum die Auswahl der Buch-
ſtaben, wodurch man die Groͤßen ſelbſt vorſtellet, will-
kuͤhrlicher iſt, liegt darinn, daß die Algeber nicht mit
Zahlen, ſondern mit Groͤßen umgeht, die man nach
Belieben beſtimmen kann, und daß bald jede Aufgabe
mehr oder weniger gegebene und geſuchte Groͤßen mit
einander vergleicht. Hingegen kommen die Poſtulata
+ — · : √ ꝛc. immer vor, weil man nicht anders, als
nach dieſen allgemeinen und unbedingten Moͤglichkeiten,
diejenigen beſtimmen kann, welche in der Aufgabe vor-
kommen.
§. 38. Die Algeber iſt demnach nicht eine Zeichen-
kunſt der Groͤßen ſelbſt, ſondern nur ihrer Verwan-
delungen und Verhaͤltniſſe, und die Aufloͤſung je-
der algebraiſchen Aufgabe giebt an, wie man die gege-
benen Groͤßen addiren, multipliciren ꝛc. und uͤberhaupt
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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