Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von der Wortfügung. Zeit, und zwar weil in den meisten Sprachen die Aoristimangeln. Jn Weißagungen und Verheißungen wird statt der künftigen Zeit ebenfalls öfters die gegenwär- tige, und im Hebräischen auch selbst die vergangene gebraucht, theils um die Vorstellung lebhafter zu ma- chen, theils auch um die Gewißheit zu verstärken. Jn allen diesen Verwechslungen muß der Zusammenhang der Rede und die Natur der Sache anzeigen, ob von vergangenen, gegenwärtigen, fortdauernden oder künfti- gen Dingen die Rede ist. Und eben dieses solle sich auch finden, wenn in Redensarten, die durch Bindwör- ter zusammengehängt werden, die Abhänglichkeit der Zeiten zu bestimmen ist, in welchen jede Zeitwörter vor- kommen sollen. Da die Bestimmung oder Anzeige der Zeit überhaupt etwas sehr metaphysisches hat, so lassen sich die Anomalien, welche der Gebrauch zu re- den, in den Sprachen eingeführt hat, in jeden beson- dern Fällen leicht beurtheilen. §. 295. Die Modi der Zeitwörter haben einen §. 296. Wir werden demnach kürzlich die Ordnung auf
Von der Wortfuͤgung. Zeit, und zwar weil in den meiſten Sprachen die Aoriſtimangeln. Jn Weißagungen und Verheißungen wird ſtatt der kuͤnftigen Zeit ebenfalls oͤfters die gegenwaͤr- tige, und im Hebraͤiſchen auch ſelbſt die vergangene gebraucht, theils um die Vorſtellung lebhafter zu ma- chen, theils auch um die Gewißheit zu verſtaͤrken. Jn allen dieſen Verwechslungen muß der Zuſammenhang der Rede und die Natur der Sache anzeigen, ob von vergangenen, gegenwaͤrtigen, fortdauernden oder kuͤnfti- gen Dingen die Rede iſt. Und eben dieſes ſolle ſich auch finden, wenn in Redensarten, die durch Bindwoͤr- ter zuſammengehaͤngt werden, die Abhaͤnglichkeit der Zeiten zu beſtimmen iſt, in welchen jede Zeitwoͤrter vor- kommen ſollen. Da die Beſtimmung oder Anzeige der Zeit uͤberhaupt etwas ſehr metaphyſiſches hat, ſo laſſen ſich die Anomalien, welche der Gebrauch zu re- den, in den Sprachen eingefuͤhrt hat, in jeden beſon- dern Faͤllen leicht beurtheilen. §. 295. Die Modi der Zeitwoͤrter haben einen §. 296. Wir werden demnach kuͤrzlich die Ordnung auf
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Wortfuͤgung.</hi></fw><lb/> Zeit, und zwar weil in den meiſten Sprachen die <hi rendition="#aq">Aoriſti</hi><lb/> mangeln. Jn Weißagungen und Verheißungen wird<lb/> ſtatt der kuͤnftigen Zeit ebenfalls oͤfters die gegenwaͤr-<lb/> tige, und im Hebraͤiſchen auch ſelbſt die vergangene<lb/> gebraucht, theils um die Vorſtellung lebhafter zu ma-<lb/> chen, theils auch um die Gewißheit zu verſtaͤrken. Jn<lb/> allen dieſen Verwechslungen muß der Zuſammenhang<lb/> der Rede und die Natur der Sache anzeigen, ob von<lb/> vergangenen, gegenwaͤrtigen, fortdauernden oder kuͤnfti-<lb/> gen Dingen die Rede iſt. Und eben dieſes ſolle ſich<lb/> auch finden, wenn in Redensarten, die durch Bindwoͤr-<lb/> ter zuſammengehaͤngt werden, die Abhaͤnglichkeit der<lb/> Zeiten zu beſtimmen iſt, in welchen jede Zeitwoͤrter vor-<lb/> kommen ſollen. Da die Beſtimmung oder Anzeige<lb/> der Zeit uͤberhaupt etwas ſehr metaphyſiſches hat, ſo<lb/> laſſen ſich die Anomalien, welche der Gebrauch zu re-<lb/> den, in den Sprachen eingefuͤhrt hat, in jeden beſon-<lb/> dern Faͤllen leicht beurtheilen.</p><lb/> <p>§. 295. Die <hi rendition="#aq">Modi</hi> der Zeitwoͤrter haben einen<lb/> metaphyſiſchen Unterſchied, den wir, wie oben (§. 148.)<lb/> angemerkt worden, ſchon in der Dianoiologie angege-<lb/> ben haben. Der <hi rendition="#aq">Coniunctiuus,</hi> welchem die Grie-<lb/> chen noch den <hi rendition="#aq">Optatiuum</hi> beyfuͤgen, ſcheint die meiſte<lb/> Schwierigkeit zu haben, weil es bald in jeden Sprachen<lb/> auf eine beſondere Art von dem Ungewiſſen, Bedingten<lb/> und von den Beywoͤrtern abhaͤngt, und oͤfters auch<lb/> durch ausgelaſſene Zeitwoͤrter und andere Redetheile<lb/> regiert wird. Wir haben hievon und von den dabey<lb/> vorkommenden Anomalien in den wirklichen Sprachen,<lb/> bey Betrachtung der Bindwoͤrter (§. 238.) und auch<lb/> vorhin (§. 282.) Erwaͤhnung gethan, und muͤſſen es<lb/> hier dabey bewenden laſſen, weil wir das, ſo jede Spra-<lb/> che hierinn beſonders hat, nicht mitnehmen koͤnnen.</p><lb/> <p>§. 296. Wir werden demnach kuͤrzlich die Ordnung<lb/> betrachten, in welcher die Woͤrter in jeden Redensarten<lb/> <fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0181]
Von der Wortfuͤgung.
Zeit, und zwar weil in den meiſten Sprachen die Aoriſti
mangeln. Jn Weißagungen und Verheißungen wird
ſtatt der kuͤnftigen Zeit ebenfalls oͤfters die gegenwaͤr-
tige, und im Hebraͤiſchen auch ſelbſt die vergangene
gebraucht, theils um die Vorſtellung lebhafter zu ma-
chen, theils auch um die Gewißheit zu verſtaͤrken. Jn
allen dieſen Verwechslungen muß der Zuſammenhang
der Rede und die Natur der Sache anzeigen, ob von
vergangenen, gegenwaͤrtigen, fortdauernden oder kuͤnfti-
gen Dingen die Rede iſt. Und eben dieſes ſolle ſich
auch finden, wenn in Redensarten, die durch Bindwoͤr-
ter zuſammengehaͤngt werden, die Abhaͤnglichkeit der
Zeiten zu beſtimmen iſt, in welchen jede Zeitwoͤrter vor-
kommen ſollen. Da die Beſtimmung oder Anzeige
der Zeit uͤberhaupt etwas ſehr metaphyſiſches hat, ſo
laſſen ſich die Anomalien, welche der Gebrauch zu re-
den, in den Sprachen eingefuͤhrt hat, in jeden beſon-
dern Faͤllen leicht beurtheilen.
§. 295. Die Modi der Zeitwoͤrter haben einen
metaphyſiſchen Unterſchied, den wir, wie oben (§. 148.)
angemerkt worden, ſchon in der Dianoiologie angege-
ben haben. Der Coniunctiuus, welchem die Grie-
chen noch den Optatiuum beyfuͤgen, ſcheint die meiſte
Schwierigkeit zu haben, weil es bald in jeden Sprachen
auf eine beſondere Art von dem Ungewiſſen, Bedingten
und von den Beywoͤrtern abhaͤngt, und oͤfters auch
durch ausgelaſſene Zeitwoͤrter und andere Redetheile
regiert wird. Wir haben hievon und von den dabey
vorkommenden Anomalien in den wirklichen Sprachen,
bey Betrachtung der Bindwoͤrter (§. 238.) und auch
vorhin (§. 282.) Erwaͤhnung gethan, und muͤſſen es
hier dabey bewenden laſſen, weil wir das, ſo jede Spra-
che hierinn beſonders hat, nicht mitnehmen koͤnnen.
§. 296. Wir werden demnach kuͤrzlich die Ordnung
betrachten, in welcher die Woͤrter in jeden Redensarten
auf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |