Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Hauptstück.
auf einander folgen sollen. Diese Ordnung ist nicht
nur in jeden Sprachen mehr oder minder verschieden,
sondern in einigen viel eingeschränkter als in andern.
Die Lateiner und Griechen lassen sich darinn mehr Frey-
heit als die Franzosen und Deutschen. Und man strei-
tet etwan darüber, welche Ordnung die beste sey? Was
wir hierüber anmerken können, kömmt darauf an.

§. 297. Einmal hat die freye Wahl, über die Ord-
nung der Wörter zu disponiren, gewisse Vortheile, weil
die Stelle, die jedes Wort in einer Redensart hat, eben
so wenig durchaus gleichgültig ist, als die Ordnung, so
die einzeln Redensarten in einer Rede unter sich haben.
Es ist nicht immer gleichgültig, wo man anfange, be-
sonders wenn man etwas mit Nachdruck, oder behut-
sam, oder mit einer Parrhesie vorzutragen hat. Jn
Reden und vornehmlich in Gedichten kömmt noch der
Wohlklang, das Sylbenmaaß und überhaupt der
Schwung der Periode
hinzu, welcher die Anord-
nung der Wörter noch weniger gleichgültig seyn läßt,
und fast nothwendig gewisse gar nicht prosaische Verse-
tzung der Wörter und Redensarten forderte, weil die
poetische Periode etwas viel abgerundeters hat (§. 100.).

§. 298. Es ist ferner möglich, die Ordnung der
Wörter bedeutend zu machen, und die wirklichen Spra-
chen bieten uns einige Beyspiele davon an, wiewohl sie
nur auf einzelne Wörter gehen. So z. E. im Deutschen
ist der Ausdruck: dieses wäre geschehen, eine An-
zeige und Folge einer Bedingung; hingegen der Aus-
druck: wäre dieses geschehen, entweder eine Be-
dingung oder eine Frage. Und auch der erstere dieser
Ausdrücke kann eine Frage vorstellen, die aber mit ei-
ner Verwunderung oder Befremdung verbunden ist.
Eben so haben auch die Bindwörter auf die Constru-
ction und Ordnung der Wörter einigen Einfluß. Z. E.
weil und denn sind Bindwörter, die den Grund anzei-

gen.

VIII. Hauptſtuͤck.
auf einander folgen ſollen. Dieſe Ordnung iſt nicht
nur in jeden Sprachen mehr oder minder verſchieden,
ſondern in einigen viel eingeſchraͤnkter als in andern.
Die Lateiner und Griechen laſſen ſich darinn mehr Frey-
heit als die Franzoſen und Deutſchen. Und man ſtrei-
tet etwan daruͤber, welche Ordnung die beſte ſey? Was
wir hieruͤber anmerken koͤnnen, koͤmmt darauf an.

§. 297. Einmal hat die freye Wahl, uͤber die Ord-
nung der Woͤrter zu diſponiren, gewiſſe Vortheile, weil
die Stelle, die jedes Wort in einer Redensart hat, eben
ſo wenig durchaus gleichguͤltig iſt, als die Ordnung, ſo
die einzeln Redensarten in einer Rede unter ſich haben.
Es iſt nicht immer gleichguͤltig, wo man anfange, be-
ſonders wenn man etwas mit Nachdruck, oder behut-
ſam, oder mit einer Parrheſie vorzutragen hat. Jn
Reden und vornehmlich in Gedichten koͤmmt noch der
Wohlklang, das Sylbenmaaß und uͤberhaupt der
Schwung der Periode
hinzu, welcher die Anord-
nung der Woͤrter noch weniger gleichguͤltig ſeyn laͤßt,
und faſt nothwendig gewiſſe gar nicht proſaiſche Verſe-
tzung der Woͤrter und Redensarten forderte, weil die
poetiſche Periode etwas viel abgerundeters hat (§. 100.).

§. 298. Es iſt ferner moͤglich, die Ordnung der
Woͤrter bedeutend zu machen, und die wirklichen Spra-
chen bieten uns einige Beyſpiele davon an, wiewohl ſie
nur auf einzelne Woͤrter gehen. So z. E. im Deutſchen
iſt der Ausdruck: dieſes waͤre geſchehen, eine An-
zeige und Folge einer Bedingung; hingegen der Aus-
druck: waͤre dieſes geſchehen, entweder eine Be-
dingung oder eine Frage. Und auch der erſtere dieſer
Ausdruͤcke kann eine Frage vorſtellen, die aber mit ei-
ner Verwunderung oder Befremdung verbunden iſt.
Eben ſo haben auch die Bindwoͤrter auf die Conſtru-
ction und Ordnung der Woͤrter einigen Einfluß. Z. E.
weil und denn ſind Bindwoͤrter, die den Grund anzei-

gen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
auf einander folgen &#x017F;ollen. Die&#x017F;e Ordnung i&#x017F;t nicht<lb/>
nur in jeden Sprachen mehr oder minder ver&#x017F;chieden,<lb/>
&#x017F;ondern in einigen viel einge&#x017F;chra&#x0364;nkter als in andern.<lb/>
Die Lateiner und Griechen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich darinn mehr Frey-<lb/>
heit als die Franzo&#x017F;en und Deut&#x017F;chen. Und man &#x017F;trei-<lb/>
tet etwan daru&#x0364;ber, welche Ordnung die be&#x017F;te &#x017F;ey? Was<lb/>
wir hieru&#x0364;ber anmerken ko&#x0364;nnen, ko&#x0364;mmt darauf an.</p><lb/>
          <p>§. 297. Einmal hat die freye Wahl, u&#x0364;ber die Ord-<lb/>
nung der Wo&#x0364;rter zu di&#x017F;poniren, gewi&#x017F;&#x017F;e Vortheile, weil<lb/>
die Stelle, die jedes Wort in einer Redensart hat, eben<lb/>
&#x017F;o wenig durchaus gleichgu&#x0364;ltig i&#x017F;t, als die Ordnung, &#x017F;o<lb/>
die einzeln Redensarten in einer Rede unter &#x017F;ich haben.<lb/>
Es i&#x017F;t nicht immer gleichgu&#x0364;ltig, wo man anfange, be-<lb/>
&#x017F;onders wenn man etwas mit Nachdruck, oder behut-<lb/>
&#x017F;am, oder mit einer <hi rendition="#aq">Parrhe&#x017F;ie</hi> vorzutragen hat. Jn<lb/>
Reden und vornehmlich in Gedichten ko&#x0364;mmt noch der<lb/>
Wohlklang, das Sylbenmaaß und u&#x0364;berhaupt <hi rendition="#fr">der<lb/>
Schwung der Periode</hi> hinzu, welcher die Anord-<lb/>
nung der Wo&#x0364;rter noch weniger gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;eyn la&#x0364;ßt,<lb/>
und fa&#x017F;t nothwendig gewi&#x017F;&#x017F;e gar nicht pro&#x017F;ai&#x017F;che Ver&#x017F;e-<lb/>
tzung der Wo&#x0364;rter und Redensarten forderte, weil die<lb/>
poeti&#x017F;che Periode etwas viel abgerundeters hat (§. 100.).</p><lb/>
          <p>§. 298. Es i&#x017F;t ferner mo&#x0364;glich, die Ordnung der<lb/>
Wo&#x0364;rter bedeutend zu machen, und die wirklichen Spra-<lb/>
chen bieten uns einige Bey&#x017F;piele davon an, wiewohl &#x017F;ie<lb/>
nur auf einzelne Wo&#x0364;rter gehen. So z. E. im Deut&#x017F;chen<lb/>
i&#x017F;t der Ausdruck: <hi rendition="#fr">die&#x017F;es wa&#x0364;re ge&#x017F;chehen,</hi> eine An-<lb/>
zeige und Folge einer Bedingung; hingegen der Aus-<lb/>
druck: <hi rendition="#fr">wa&#x0364;re die&#x017F;es ge&#x017F;chehen,</hi> entweder eine Be-<lb/>
dingung oder eine Frage. Und auch der er&#x017F;tere die&#x017F;er<lb/>
Ausdru&#x0364;cke kann eine Frage vor&#x017F;tellen, die aber mit ei-<lb/>
ner Verwunderung oder Befremdung verbunden i&#x017F;t.<lb/>
Eben &#x017F;o haben auch die Bindwo&#x0364;rter auf die Con&#x017F;tru-<lb/>
ction und Ordnung der Wo&#x0364;rter einigen Einfluß. Z. E.<lb/><hi rendition="#fr">weil</hi> und <hi rendition="#fr">denn</hi> &#x017F;ind Bindwo&#x0364;rter, die den Grund anzei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0182] VIII. Hauptſtuͤck. auf einander folgen ſollen. Dieſe Ordnung iſt nicht nur in jeden Sprachen mehr oder minder verſchieden, ſondern in einigen viel eingeſchraͤnkter als in andern. Die Lateiner und Griechen laſſen ſich darinn mehr Frey- heit als die Franzoſen und Deutſchen. Und man ſtrei- tet etwan daruͤber, welche Ordnung die beſte ſey? Was wir hieruͤber anmerken koͤnnen, koͤmmt darauf an. §. 297. Einmal hat die freye Wahl, uͤber die Ord- nung der Woͤrter zu diſponiren, gewiſſe Vortheile, weil die Stelle, die jedes Wort in einer Redensart hat, eben ſo wenig durchaus gleichguͤltig iſt, als die Ordnung, ſo die einzeln Redensarten in einer Rede unter ſich haben. Es iſt nicht immer gleichguͤltig, wo man anfange, be- ſonders wenn man etwas mit Nachdruck, oder behut- ſam, oder mit einer Parrheſie vorzutragen hat. Jn Reden und vornehmlich in Gedichten koͤmmt noch der Wohlklang, das Sylbenmaaß und uͤberhaupt der Schwung der Periode hinzu, welcher die Anord- nung der Woͤrter noch weniger gleichguͤltig ſeyn laͤßt, und faſt nothwendig gewiſſe gar nicht proſaiſche Verſe- tzung der Woͤrter und Redensarten forderte, weil die poetiſche Periode etwas viel abgerundeters hat (§. 100.). §. 298. Es iſt ferner moͤglich, die Ordnung der Woͤrter bedeutend zu machen, und die wirklichen Spra- chen bieten uns einige Beyſpiele davon an, wiewohl ſie nur auf einzelne Woͤrter gehen. So z. E. im Deutſchen iſt der Ausdruck: dieſes waͤre geſchehen, eine An- zeige und Folge einer Bedingung; hingegen der Aus- druck: waͤre dieſes geſchehen, entweder eine Be- dingung oder eine Frage. Und auch der erſtere dieſer Ausdruͤcke kann eine Frage vorſtellen, die aber mit ei- ner Verwunderung oder Befremdung verbunden iſt. Eben ſo haben auch die Bindwoͤrter auf die Conſtru- ction und Ordnung der Woͤrter einigen Einfluß. Z. E. weil und denn ſind Bindwoͤrter, die den Grund anzei- gen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/182
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/182>, abgerufen am 23.11.2024.