sonders in den Sprachen nothwendig, wo man nicht daran gebunden ist, das Beywort dem Hauptworte, zu welchem es gehört, unmittelbar vorgehen oder folgen zu lassen, und überdieß werden dadurch Zuwörter und Bey- wörter leichter von einander unterschieden, weil auch ihre Bedeutung unterschieden ist (§. 224.).
§. 293. Der Unterschied der einzeln oder mehrern Zahl, welcher sowohl in den Nennwörtern als Zeitwör- tern vorkömmt, fordert auch eine Zusammenrichtung der veränderlichen Redetheile. Die Beywörter richten sich darinn schlechthin nach den Hauptwörtern, denen sie als Bestimmungen beygefügt werden, damit das Be- ziehende darinn auch dadurch noch kenntlicher werde. Hingegen richtet sich die Zahl des Zeitworts nach der Zahl des Hauptworts, welches den Thuenden oder Lei- denden vorstellt, und von dem eigentlich die Rede ist. Da der Unterschied der Zahl an sich leicht zu bestim- men ist, und überdieß etwas Geometrisches hat, so ist es auch nur den Anomalien des Gebrauches zuzuschrei- ben, wenn die Zahl verwechselt wird (§. 165.).
§. 294. Die Bestimmung der Zeit liegt schlechthin nur in den Zeitwörtern, so fern man nämlich sich mit dem Unterschiede des Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen begnügt. Denn sonst läßt sie sich so- wohl durch Zuwörter als auch durch ganze Redensar- ten genauer angeben. Jndessen gehen dabey verschie- dene Verwechslungen vor. Z. E. eine Erzählung von bereits geschehenen Dingen kann und sollte ganz in der vergangenen Zeit vorgestellt werden. Man findet sie aber öfters bey den Geschichtschreibern und besonders bey Rednern und Dichtern in der gegenwärtigen Zeit vorgetragen, und zwar, um die Vorstellung davon leb- hafter zu machen. Der Vortrag allgemeiner Sätze und Wahrheiten, die nicht an die Zeit gebunden sind, sondern immer bleiben, ist auch in der gegenwärtigen
Zeit,
VIII. Hauptſtuͤck.
ſonders in den Sprachen nothwendig, wo man nicht daran gebunden iſt, das Beywort dem Hauptworte, zu welchem es gehoͤrt, unmittelbar vorgehen oder folgen zu laſſen, und uͤberdieß werden dadurch Zuwoͤrter und Bey- woͤrter leichter von einander unterſchieden, weil auch ihre Bedeutung unterſchieden iſt (§. 224.).
§. 293. Der Unterſchied der einzeln oder mehrern Zahl, welcher ſowohl in den Nennwoͤrtern als Zeitwoͤr- tern vorkoͤmmt, fordert auch eine Zuſammenrichtung der veraͤnderlichen Redetheile. Die Beywoͤrter richten ſich darinn ſchlechthin nach den Hauptwoͤrtern, denen ſie als Beſtimmungen beygefuͤgt werden, damit das Be- ziehende darinn auch dadurch noch kenntlicher werde. Hingegen richtet ſich die Zahl des Zeitworts nach der Zahl des Hauptworts, welches den Thuenden oder Lei- denden vorſtellt, und von dem eigentlich die Rede iſt. Da der Unterſchied der Zahl an ſich leicht zu beſtim- men iſt, und uͤberdieß etwas Geometriſches hat, ſo iſt es auch nur den Anomalien des Gebrauches zuzuſchrei- ben, wenn die Zahl verwechſelt wird (§. 165.).
§. 294. Die Beſtimmung der Zeit liegt ſchlechthin nur in den Zeitwoͤrtern, ſo fern man naͤmlich ſich mit dem Unterſchiede des Vergangenen, Gegenwaͤrtigen und Zukuͤnftigen begnuͤgt. Denn ſonſt laͤßt ſie ſich ſo- wohl durch Zuwoͤrter als auch durch ganze Redensar- ten genauer angeben. Jndeſſen gehen dabey verſchie- dene Verwechslungen vor. Z. E. eine Erzaͤhlung von bereits geſchehenen Dingen kann und ſollte ganz in der vergangenen Zeit vorgeſtellt werden. Man findet ſie aber oͤfters bey den Geſchichtſchreibern und beſonders bey Rednern und Dichtern in der gegenwaͤrtigen Zeit vorgetragen, und zwar, um die Vorſtellung davon leb- hafter zu machen. Der Vortrag allgemeiner Saͤtze und Wahrheiten, die nicht an die Zeit gebunden ſind, ſondern immer bleiben, iſt auch in der gegenwaͤrtigen
Zeit,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0180"n="174"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VIII.</hi> Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/>ſonders in den Sprachen nothwendig, wo man nicht<lb/>
daran gebunden iſt, das Beywort dem Hauptworte, zu<lb/>
welchem es gehoͤrt, unmittelbar vorgehen oder folgen zu<lb/>
laſſen, und uͤberdieß werden dadurch Zuwoͤrter und Bey-<lb/>
woͤrter leichter von einander unterſchieden, weil auch ihre<lb/>
Bedeutung unterſchieden iſt (§. 224.).</p><lb/><p>§. 293. Der Unterſchied der einzeln oder mehrern<lb/>
Zahl, welcher ſowohl in den Nennwoͤrtern als Zeitwoͤr-<lb/>
tern vorkoͤmmt, fordert auch eine Zuſammenrichtung<lb/>
der veraͤnderlichen Redetheile. Die Beywoͤrter richten<lb/>ſich darinn ſchlechthin nach den Hauptwoͤrtern, denen ſie<lb/>
als Beſtimmungen beygefuͤgt werden, damit das Be-<lb/>
ziehende darinn auch dadurch noch kenntlicher werde.<lb/>
Hingegen richtet ſich die Zahl des Zeitworts nach der<lb/>
Zahl des Hauptworts, welches den Thuenden oder Lei-<lb/>
denden vorſtellt, und von dem eigentlich die Rede iſt.<lb/>
Da der Unterſchied der Zahl an ſich leicht zu beſtim-<lb/>
men iſt, und uͤberdieß etwas Geometriſches hat, ſo iſt<lb/>
es auch nur den Anomalien des Gebrauches zuzuſchrei-<lb/>
ben, wenn die Zahl verwechſelt wird (§. 165.).</p><lb/><p>§. 294. Die Beſtimmung der Zeit liegt ſchlechthin<lb/>
nur in den Zeitwoͤrtern, ſo fern man naͤmlich ſich mit<lb/>
dem Unterſchiede des Vergangenen, Gegenwaͤrtigen<lb/>
und Zukuͤnftigen begnuͤgt. Denn ſonſt laͤßt ſie ſich ſo-<lb/>
wohl durch Zuwoͤrter als auch durch ganze Redensar-<lb/>
ten genauer angeben. Jndeſſen gehen dabey verſchie-<lb/>
dene Verwechslungen vor. Z. E. eine Erzaͤhlung von<lb/>
bereits geſchehenen Dingen kann und ſollte ganz in der<lb/>
vergangenen Zeit vorgeſtellt werden. Man findet ſie<lb/>
aber oͤfters bey den Geſchichtſchreibern und beſonders<lb/>
bey Rednern und Dichtern in der gegenwaͤrtigen Zeit<lb/>
vorgetragen, und zwar, um die Vorſtellung davon leb-<lb/>
hafter zu machen. Der Vortrag allgemeiner Saͤtze<lb/>
und Wahrheiten, die nicht an die Zeit gebunden ſind,<lb/>ſondern immer bleiben, iſt auch in der gegenwaͤrtigen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Zeit,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[174/0180]
VIII. Hauptſtuͤck.
ſonders in den Sprachen nothwendig, wo man nicht
daran gebunden iſt, das Beywort dem Hauptworte, zu
welchem es gehoͤrt, unmittelbar vorgehen oder folgen zu
laſſen, und uͤberdieß werden dadurch Zuwoͤrter und Bey-
woͤrter leichter von einander unterſchieden, weil auch ihre
Bedeutung unterſchieden iſt (§. 224.).
§. 293. Der Unterſchied der einzeln oder mehrern
Zahl, welcher ſowohl in den Nennwoͤrtern als Zeitwoͤr-
tern vorkoͤmmt, fordert auch eine Zuſammenrichtung
der veraͤnderlichen Redetheile. Die Beywoͤrter richten
ſich darinn ſchlechthin nach den Hauptwoͤrtern, denen ſie
als Beſtimmungen beygefuͤgt werden, damit das Be-
ziehende darinn auch dadurch noch kenntlicher werde.
Hingegen richtet ſich die Zahl des Zeitworts nach der
Zahl des Hauptworts, welches den Thuenden oder Lei-
denden vorſtellt, und von dem eigentlich die Rede iſt.
Da der Unterſchied der Zahl an ſich leicht zu beſtim-
men iſt, und uͤberdieß etwas Geometriſches hat, ſo iſt
es auch nur den Anomalien des Gebrauches zuzuſchrei-
ben, wenn die Zahl verwechſelt wird (§. 165.).
§. 294. Die Beſtimmung der Zeit liegt ſchlechthin
nur in den Zeitwoͤrtern, ſo fern man naͤmlich ſich mit
dem Unterſchiede des Vergangenen, Gegenwaͤrtigen
und Zukuͤnftigen begnuͤgt. Denn ſonſt laͤßt ſie ſich ſo-
wohl durch Zuwoͤrter als auch durch ganze Redensar-
ten genauer angeben. Jndeſſen gehen dabey verſchie-
dene Verwechslungen vor. Z. E. eine Erzaͤhlung von
bereits geſchehenen Dingen kann und ſollte ganz in der
vergangenen Zeit vorgeſtellt werden. Man findet ſie
aber oͤfters bey den Geſchichtſchreibern und beſonders
bey Rednern und Dichtern in der gegenwaͤrtigen Zeit
vorgetragen, und zwar, um die Vorſtellung davon leb-
hafter zu machen. Der Vortrag allgemeiner Saͤtze
und Wahrheiten, die nicht an die Zeit gebunden ſind,
ſondern immer bleiben, iſt auch in der gegenwaͤrtigen
Zeit,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/180>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.