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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Wortforschung.
Sprache nicht verstehen, unbekannt, und folglich trägt
sie zu mehrerer Kenntniß der Bedeutung des Wortes,
in Ansehung der meisten Leute, nichts bey. Wird aber
seine Bedeutung durch den Gebrauch oder durch Erklä-
rungen bekannt, so ist es allerdings wohl möglich, an-
dere Wörter daraus abzuleiten. So z. E. haben wir
im Deutschen die Wörter Philosoph, philosophisch,
philosophiren
etc. Man kann von dem ersten eine
etymologische und eine historische Erläuterung angeben,
aber statt beyder thut die Erklärung der Sache selbsten
bessere Dienste, weil die Wörter diese nicht angeben.

§. 263. Wenn in der Veränderung, die ein Wort
leidet, indem es aus einer Sprache in eine andere auf-
genommen wird, entweder nichts Allgemeines noch Re-
gelmäßiges vorkömmt, oder wenn diese Regeln nicht
bekannt sind, so ist der etymologische Beweis der Her-
kunft desto unzuverläßiger, je unähnlicher ein solches
Wort demjenigen ist, von welchem man es herleiten
will, es sey denn, daß man den Beweis nicht bloß aus
den Buchstaben und der allgemeinen Möglichkeit ihrer
Verwechslung, oder aus einem ähnlichen Beyspiele, son-
dern aus historischen Nachrichten hernehmen könne.
Ueberdieß hat man mit allem dem noch nicht mehr ge-
wonnen, als daß man weiß, eine Sprache habe von ei-
ner andern abgeborgt. Man gewinnt auch nur in de-
nen Fällen mehr, wo die Sprache, aus welcher das
Wort entlehnt ist, einen nützlichen und brauchbaren
Grund seiner Bedeutung angiebt, das will sagen, wo
sie die Seite beleuchtet, von welcher das Wort
die Sache vorstellt.
So z. E. hat man in den
neuern Zeiten die Wörter Barometer, Thermometer etc.
aus dem Griechischen gebildet, und ihre Etymologi
zeigt mehr oder minder ihre Bedeutung an. Aber
auch diese wird durch die Vorzeigung der dadurch [b]e-
nennten Jnstrumente oder durch ihre Definition und

Be-

Von der Wortforſchung.
Sprache nicht verſtehen, unbekannt, und folglich traͤgt
ſie zu mehrerer Kenntniß der Bedeutung des Wortes,
in Anſehung der meiſten Leute, nichts bey. Wird aber
ſeine Bedeutung durch den Gebrauch oder durch Erklaͤ-
rungen bekannt, ſo iſt es allerdings wohl moͤglich, an-
dere Woͤrter daraus abzuleiten. So z. E. haben wir
im Deutſchen die Woͤrter Philoſoph, philoſophiſch,
philoſophiren
ꝛc. Man kann von dem erſten eine
etymologiſche und eine hiſtoriſche Erlaͤuterung angeben,
aber ſtatt beyder thut die Erklaͤrung der Sache ſelbſten
beſſere Dienſte, weil die Woͤrter dieſe nicht angeben.

§. 263. Wenn in der Veraͤnderung, die ein Wort
leidet, indem es aus einer Sprache in eine andere auf-
genommen wird, entweder nichts Allgemeines noch Re-
gelmaͤßiges vorkoͤmmt, oder wenn dieſe Regeln nicht
bekannt ſind, ſo iſt der etymologiſche Beweis der Her-
kunft deſto unzuverlaͤßiger, je unaͤhnlicher ein ſolches
Wort demjenigen iſt, von welchem man es herleiten
will, es ſey denn, daß man den Beweis nicht bloß aus
den Buchſtaben und der allgemeinen Moͤglichkeit ihrer
Verwechslung, oder aus einem aͤhnlichen Beyſpiele, ſon-
dern aus hiſtoriſchen Nachrichten hernehmen koͤnne.
Ueberdieß hat man mit allem dem noch nicht mehr ge-
wonnen, als daß man weiß, eine Sprache habe von ei-
ner andern abgeborgt. Man gewinnt auch nur in de-
nen Faͤllen mehr, wo die Sprache, aus welcher das
Wort entlehnt iſt, einen nuͤtzlichen und brauchbaren
Grund ſeiner Bedeutung angiebt, das will ſagen, wo
ſie die Seite beleuchtet, von welcher das Wort
die Sache vorſtellt.
So z. E. hat man in den
neuern Zeiten die Woͤrter Barometer, Thermometer ꝛc.
aus dem Griechiſchen gebildet, und ihre Etymologi
zeigt mehr oder minder ihre Bedeutung an. Aber
auch dieſe wird durch die Vorzeigung der dadurch [b]e-
nennten Jnſtrumente oder durch ihre Definition und

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[157/0163] Von der Wortforſchung. Sprache nicht verſtehen, unbekannt, und folglich traͤgt ſie zu mehrerer Kenntniß der Bedeutung des Wortes, in Anſehung der meiſten Leute, nichts bey. Wird aber ſeine Bedeutung durch den Gebrauch oder durch Erklaͤ- rungen bekannt, ſo iſt es allerdings wohl moͤglich, an- dere Woͤrter daraus abzuleiten. So z. E. haben wir im Deutſchen die Woͤrter Philoſoph, philoſophiſch, philoſophiren ꝛc. Man kann von dem erſten eine etymologiſche und eine hiſtoriſche Erlaͤuterung angeben, aber ſtatt beyder thut die Erklaͤrung der Sache ſelbſten beſſere Dienſte, weil die Woͤrter dieſe nicht angeben. §. 263. Wenn in der Veraͤnderung, die ein Wort leidet, indem es aus einer Sprache in eine andere auf- genommen wird, entweder nichts Allgemeines noch Re- gelmaͤßiges vorkoͤmmt, oder wenn dieſe Regeln nicht bekannt ſind, ſo iſt der etymologiſche Beweis der Her- kunft deſto unzuverlaͤßiger, je unaͤhnlicher ein ſolches Wort demjenigen iſt, von welchem man es herleiten will, es ſey denn, daß man den Beweis nicht bloß aus den Buchſtaben und der allgemeinen Moͤglichkeit ihrer Verwechslung, oder aus einem aͤhnlichen Beyſpiele, ſon- dern aus hiſtoriſchen Nachrichten hernehmen koͤnne. Ueberdieß hat man mit allem dem noch nicht mehr ge- wonnen, als daß man weiß, eine Sprache habe von ei- ner andern abgeborgt. Man gewinnt auch nur in de- nen Faͤllen mehr, wo die Sprache, aus welcher das Wort entlehnt iſt, einen nuͤtzlichen und brauchbaren Grund ſeiner Bedeutung angiebt, das will ſagen, wo ſie die Seite beleuchtet, von welcher das Wort die Sache vorſtellt. So z. E. hat man in den neuern Zeiten die Woͤrter Barometer, Thermometer ꝛc. aus dem Griechiſchen gebildet, und ihre Etymologi zeigt mehr oder minder ihre Bedeutung an. Aber auch dieſe wird durch die Vorzeigung der dadurch be- nennten Jnſtrumente oder durch ihre Definition und Be-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/163>, abgerufen am 27.11.2024.