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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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VII. Hauptstück.
Beschreibung ungleich vollständiger, und den meisten
kommen diese Namen nicht anders als Wurzelwörter
vor, weil sie den Begriff von der Sache haben, und
um den Ursprung ihres Namens nicht sehr bekümmert
sind. Man ist auch überhaupt mehr daran gewöhnt,
sich nur alsdann an den Namen zu halten, wo man den
Begriff nicht von der Sache selbst herholen kann. Und
in dieser Absicht ist die Etymologie eine Hülfswissen-
schaft, die man allerdings auch da, wo sie überflüßig
scheint, nicht versäumen muß, damit solche leichtere Fäl-
le den schwerern, wobey sie nothwendiger wird, gleich-
sam zur Probe dienen können.

§. 264. Jndessen giebt die Etymologie nicht immer
die Sache oder den Begriff ganz, sondern mehrentheils
nur eine Seite oder einen Theil, und zuweilen auch nur
etwas der Sache ähnliches, zuweilen auch etwas ganz
irriges, und zur Sache nicht dienendes an. Man muß
daher fast immer den Zusammenhang der Rede, Pa-
rallelstellen, historische Nachrichten und die Umstände
mit zu Hülfe nehmen, wenn man sehen will, welche
von diesen Möglichkeiten in einem vorgegebenen Falle
statt findet. So z. E. kömmt in dem Wort Baro-
meter
nur der Begriff der Schwere und des Mes-
sens
vor. Der Etymologie nach könnte es folglich je-
de Mittel, die Schwere zu bestimmen, und folglich eine
Wage, Schnellwage, Weinprobe etc. anzeigen. Und
wenn man es nicht sonst wüßte, so würde man schwer-
lich darauf verfallen, daß eigentlich nur das Gewicht
der Luft dadurch bestimmt wird. Man würde eben so
Mühe haben, aus der Etymologie des Worts Dicht-
kunst,
den Begriff des Sylbenmaaßes, und Verse,
und noch viel weniger der Reimen herauszubringen.
Und der Begriff der Geometrie ist ebenfalls viel hö-
her, als ihn die Etymologie des Griechischen angiebt.

§. 265.

VII. Hauptſtuͤck.
Beſchreibung ungleich vollſtaͤndiger, und den meiſten
kommen dieſe Namen nicht anders als Wurzelwoͤrter
vor, weil ſie den Begriff von der Sache haben, und
um den Urſprung ihres Namens nicht ſehr bekuͤmmert
ſind. Man iſt auch uͤberhaupt mehr daran gewoͤhnt,
ſich nur alsdann an den Namen zu halten, wo man den
Begriff nicht von der Sache ſelbſt herholen kann. Und
in dieſer Abſicht iſt die Etymologie eine Huͤlfswiſſen-
ſchaft, die man allerdings auch da, wo ſie uͤberfluͤßig
ſcheint, nicht verſaͤumen muß, damit ſolche leichtere Faͤl-
le den ſchwerern, wobey ſie nothwendiger wird, gleich-
ſam zur Probe dienen koͤnnen.

§. 264. Jndeſſen giebt die Etymologie nicht immer
die Sache oder den Begriff ganz, ſondern mehrentheils
nur eine Seite oder einen Theil, und zuweilen auch nur
etwas der Sache aͤhnliches, zuweilen auch etwas ganz
irriges, und zur Sache nicht dienendes an. Man muß
daher faſt immer den Zuſammenhang der Rede, Pa-
rallelſtellen, hiſtoriſche Nachrichten und die Umſtaͤnde
mit zu Huͤlfe nehmen, wenn man ſehen will, welche
von dieſen Moͤglichkeiten in einem vorgegebenen Falle
ſtatt findet. So z. E. koͤmmt in dem Wort Baro-
meter
nur der Begriff der Schwere und des Meſ-
ſens
vor. Der Etymologie nach koͤnnte es folglich je-
de Mittel, die Schwere zu beſtimmen, und folglich eine
Wage, Schnellwage, Weinprobe ꝛc. anzeigen. Und
wenn man es nicht ſonſt wuͤßte, ſo wuͤrde man ſchwer-
lich darauf verfallen, daß eigentlich nur das Gewicht
der Luft dadurch beſtimmt wird. Man wuͤrde eben ſo
Muͤhe haben, aus der Etymologie des Worts Dicht-
kunſt,
den Begriff des Sylbenmaaßes, und Verſe,
und noch viel weniger der Reimen herauszubringen.
Und der Begriff der Geometrie iſt ebenfalls viel hoͤ-
her, als ihn die Etymologie des Griechiſchen angiebt.

§. 265.
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[158/0164] VII. Hauptſtuͤck. Beſchreibung ungleich vollſtaͤndiger, und den meiſten kommen dieſe Namen nicht anders als Wurzelwoͤrter vor, weil ſie den Begriff von der Sache haben, und um den Urſprung ihres Namens nicht ſehr bekuͤmmert ſind. Man iſt auch uͤberhaupt mehr daran gewoͤhnt, ſich nur alsdann an den Namen zu halten, wo man den Begriff nicht von der Sache ſelbſt herholen kann. Und in dieſer Abſicht iſt die Etymologie eine Huͤlfswiſſen- ſchaft, die man allerdings auch da, wo ſie uͤberfluͤßig ſcheint, nicht verſaͤumen muß, damit ſolche leichtere Faͤl- le den ſchwerern, wobey ſie nothwendiger wird, gleich- ſam zur Probe dienen koͤnnen. §. 264. Jndeſſen giebt die Etymologie nicht immer die Sache oder den Begriff ganz, ſondern mehrentheils nur eine Seite oder einen Theil, und zuweilen auch nur etwas der Sache aͤhnliches, zuweilen auch etwas ganz irriges, und zur Sache nicht dienendes an. Man muß daher faſt immer den Zuſammenhang der Rede, Pa- rallelſtellen, hiſtoriſche Nachrichten und die Umſtaͤnde mit zu Huͤlfe nehmen, wenn man ſehen will, welche von dieſen Moͤglichkeiten in einem vorgegebenen Falle ſtatt findet. So z. E. koͤmmt in dem Wort Baro- meter nur der Begriff der Schwere und des Meſ- ſens vor. Der Etymologie nach koͤnnte es folglich je- de Mittel, die Schwere zu beſtimmen, und folglich eine Wage, Schnellwage, Weinprobe ꝛc. anzeigen. Und wenn man es nicht ſonſt wuͤßte, ſo wuͤrde man ſchwer- lich darauf verfallen, daß eigentlich nur das Gewicht der Luft dadurch beſtimmt wird. Man wuͤrde eben ſo Muͤhe haben, aus der Etymologie des Worts Dicht- kunſt, den Begriff des Sylbenmaaßes, und Verſe, und noch viel weniger der Reimen herauszubringen. Und der Begriff der Geometrie iſt ebenfalls viel hoͤ- her, als ihn die Etymologie des Griechiſchen angiebt. §. 265.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/164>, abgerufen am 23.11.2024.