Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Hauptstück.
ten vorkommen, diese durch dienliche Bestimmungswör-
ter der Zeit und Person heben.

§. 166. Wir führen dieses nur an, um die bloße
Möglichkeit zu zeigen. Denn an sich betrachtet ist es
besser, wenn die Zeitwörter bestimmtere Bedeutungen
haben, und für jede Bedeutung anders lauten. Die
Kürze der Zeichnung fordert sie, und die Auslegung der
Rede wird dadurch erleichtert. Uebrigens ist an sich
klar, daß bestimmtere Ausdrücke schwerer zu
gebrauchen sind,
und wenn man sie richtig gebrau-
chen will, so muß man allerdings ihre Bedeutung ge-
nauer kennen, die Sache genauer wissen, und beyde zu-
sammenrichten. Da nun dieses nicht immer gleich
leicht ist, so ist es das nützlichste, wenn die Sprache für
jede Stuffen der Genauigkeit und Modificationen einge-
richtet ist. Und hierinn hat die griechische Sprache,
in Absicht auf die Zeitwörter, einige Vorzüge (§. 149.
150.).

§. 167. Die Mittelwörter (Participia) haben in den
Sprachen das besonders, daß man sie von andern Wör-
tern, die sich von Zeitwörtern ableiten lassen, unterschei-
det, und aus denselben eine besondere Classe macht. Es
ist für sich klar, daß dieser Unterschied von den ersten
Sprachforschern getroffen worden, weil die Mittelwör-
ter nach sehr allgemeinen Regeln von den Zeitwörtern
abgeleitet werden können, und nur für einige Fälle Ab-
weichungen anzumerken waren. Es ist aber ihre An-
zahl nicht in allen Sprachen gleich, und eben daher las-
sen sich auch mehrere gedenken. Die griechische Spra-
che ist damit am besten versehen, die lateinische hat
weniger, und die deutsche noch weniger, wenn man
nämlich nur die nimmt, die man in den Sprachlehren
für Mittelwörter angiebt. Denn eigentlich kömmt
noch die Frage vor, was man Mittelwörter heiße,
und wiefern der Begriff davon allgemeiner gemacht

werden

IV. Hauptſtuͤck.
ten vorkommen, dieſe durch dienliche Beſtimmungswoͤr-
ter der Zeit und Perſon heben.

§. 166. Wir fuͤhren dieſes nur an, um die bloße
Moͤglichkeit zu zeigen. Denn an ſich betrachtet iſt es
beſſer, wenn die Zeitwoͤrter beſtimmtere Bedeutungen
haben, und fuͤr jede Bedeutung anders lauten. Die
Kuͤrze der Zeichnung fordert ſie, und die Auslegung der
Rede wird dadurch erleichtert. Uebrigens iſt an ſich
klar, daß beſtimmtere Ausdruͤcke ſchwerer zu
gebrauchen ſind,
und wenn man ſie richtig gebrau-
chen will, ſo muß man allerdings ihre Bedeutung ge-
nauer kennen, die Sache genauer wiſſen, und beyde zu-
ſammenrichten. Da nun dieſes nicht immer gleich
leicht iſt, ſo iſt es das nuͤtzlichſte, wenn die Sprache fuͤr
jede Stuffen der Genauigkeit und Modificationen einge-
richtet iſt. Und hierinn hat die griechiſche Sprache,
in Abſicht auf die Zeitwoͤrter, einige Vorzuͤge (§. 149.
150.).

§. 167. Die Mittelwoͤrter (Participia) haben in den
Sprachen das beſonders, daß man ſie von andern Woͤr-
tern, die ſich von Zeitwoͤrtern ableiten laſſen, unterſchei-
det, und aus denſelben eine beſondere Claſſe macht. Es
iſt fuͤr ſich klar, daß dieſer Unterſchied von den erſten
Sprachforſchern getroffen worden, weil die Mittelwoͤr-
ter nach ſehr allgemeinen Regeln von den Zeitwoͤrtern
abgeleitet werden koͤnnen, und nur fuͤr einige Faͤlle Ab-
weichungen anzumerken waren. Es iſt aber ihre An-
zahl nicht in allen Sprachen gleich, und eben daher laſ-
ſen ſich auch mehrere gedenken. Die griechiſche Spra-
che iſt damit am beſten verſehen, die lateiniſche hat
weniger, und die deutſche noch weniger, wenn man
naͤmlich nur die nimmt, die man in den Sprachlehren
fuͤr Mittelwoͤrter angiebt. Denn eigentlich koͤmmt
noch die Frage vor, was man Mittelwoͤrter heiße,
und wiefern der Begriff davon allgemeiner gemacht

werden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
ten vorkommen, die&#x017F;e durch dienliche Be&#x017F;timmungswo&#x0364;r-<lb/>
ter der Zeit und Per&#x017F;on heben.</p><lb/>
          <p>§. 166. Wir fu&#x0364;hren die&#x017F;es nur an, um die bloße<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit zu zeigen. Denn an &#x017F;ich betrachtet i&#x017F;t es<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, wenn die Zeitwo&#x0364;rter be&#x017F;timmtere Bedeutungen<lb/>
haben, und fu&#x0364;r jede Bedeutung anders lauten. Die<lb/>
Ku&#x0364;rze der Zeichnung fordert &#x017F;ie, und die Auslegung der<lb/>
Rede wird dadurch erleichtert. Uebrigens i&#x017F;t an &#x017F;ich<lb/>
klar, <hi rendition="#fr">daß be&#x017F;timmtere Ausdru&#x0364;cke &#x017F;chwerer zu<lb/>
gebrauchen &#x017F;ind,</hi> und wenn man &#x017F;ie richtig gebrau-<lb/>
chen will, &#x017F;o muß man allerdings ihre Bedeutung ge-<lb/>
nauer kennen, die Sache genauer wi&#x017F;&#x017F;en, und beyde zu-<lb/>
&#x017F;ammenrichten. Da nun die&#x017F;es nicht immer gleich<lb/>
leicht i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t es das nu&#x0364;tzlich&#x017F;te, wenn die Sprache fu&#x0364;r<lb/>
jede Stuffen der Genauigkeit und Modificationen einge-<lb/>
richtet i&#x017F;t. Und hierinn hat die griechi&#x017F;che Sprache,<lb/>
in Ab&#x017F;icht auf die Zeitwo&#x0364;rter, einige Vorzu&#x0364;ge (§. 149.<lb/>
150.).</p><lb/>
          <p>§. 167. Die Mittelwo&#x0364;rter (<hi rendition="#aq">Participia</hi>) haben in den<lb/>
Sprachen das be&#x017F;onders, daß man &#x017F;ie von andern Wo&#x0364;r-<lb/>
tern, die &#x017F;ich von Zeitwo&#x0364;rtern ableiten la&#x017F;&#x017F;en, unter&#x017F;chei-<lb/>
det, und aus den&#x017F;elben eine be&#x017F;ondere Cla&#x017F;&#x017F;e macht. Es<lb/>
i&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;ich klar, daß die&#x017F;er Unter&#x017F;chied von den er&#x017F;ten<lb/>
Sprachfor&#x017F;chern getroffen worden, weil die Mittelwo&#x0364;r-<lb/>
ter nach &#x017F;ehr allgemeinen Regeln von den Zeitwo&#x0364;rtern<lb/>
abgeleitet werden ko&#x0364;nnen, und nur fu&#x0364;r einige Fa&#x0364;lle Ab-<lb/>
weichungen anzumerken waren. Es i&#x017F;t aber ihre An-<lb/>
zahl nicht in allen Sprachen gleich, und eben daher la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich auch mehrere gedenken. Die griechi&#x017F;che Spra-<lb/>
che i&#x017F;t damit am be&#x017F;ten ver&#x017F;ehen, die lateini&#x017F;che hat<lb/>
weniger, und die deut&#x017F;che noch weniger, wenn man<lb/>
na&#x0364;mlich nur die nimmt, die man in den Sprachlehren<lb/>
fu&#x0364;r Mittelwo&#x0364;rter angiebt. Denn eigentlich ko&#x0364;mmt<lb/>
noch die Frage vor, was man <hi rendition="#fr">Mittelwo&#x0364;rter</hi> heiße,<lb/>
und wiefern der Begriff davon allgemeiner gemacht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werden</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0102] IV. Hauptſtuͤck. ten vorkommen, dieſe durch dienliche Beſtimmungswoͤr- ter der Zeit und Perſon heben. §. 166. Wir fuͤhren dieſes nur an, um die bloße Moͤglichkeit zu zeigen. Denn an ſich betrachtet iſt es beſſer, wenn die Zeitwoͤrter beſtimmtere Bedeutungen haben, und fuͤr jede Bedeutung anders lauten. Die Kuͤrze der Zeichnung fordert ſie, und die Auslegung der Rede wird dadurch erleichtert. Uebrigens iſt an ſich klar, daß beſtimmtere Ausdruͤcke ſchwerer zu gebrauchen ſind, und wenn man ſie richtig gebrau- chen will, ſo muß man allerdings ihre Bedeutung ge- nauer kennen, die Sache genauer wiſſen, und beyde zu- ſammenrichten. Da nun dieſes nicht immer gleich leicht iſt, ſo iſt es das nuͤtzlichſte, wenn die Sprache fuͤr jede Stuffen der Genauigkeit und Modificationen einge- richtet iſt. Und hierinn hat die griechiſche Sprache, in Abſicht auf die Zeitwoͤrter, einige Vorzuͤge (§. 149. 150.). §. 167. Die Mittelwoͤrter (Participia) haben in den Sprachen das beſonders, daß man ſie von andern Woͤr- tern, die ſich von Zeitwoͤrtern ableiten laſſen, unterſchei- det, und aus denſelben eine beſondere Claſſe macht. Es iſt fuͤr ſich klar, daß dieſer Unterſchied von den erſten Sprachforſchern getroffen worden, weil die Mittelwoͤr- ter nach ſehr allgemeinen Regeln von den Zeitwoͤrtern abgeleitet werden koͤnnen, und nur fuͤr einige Faͤlle Ab- weichungen anzumerken waren. Es iſt aber ihre An- zahl nicht in allen Sprachen gleich, und eben daher laſ- ſen ſich auch mehrere gedenken. Die griechiſche Spra- che iſt damit am beſten verſehen, die lateiniſche hat weniger, und die deutſche noch weniger, wenn man naͤmlich nur die nimmt, die man in den Sprachlehren fuͤr Mittelwoͤrter angiebt. Denn eigentlich koͤmmt noch die Frage vor, was man Mittelwoͤrter heiße, und wiefern der Begriff davon allgemeiner gemacht werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/102
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/102>, abgerufen am 23.11.2024.