Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
ten der Schöpfung hergenommen, und folglich te-
leologi
sch. Mann kann ihre Allgemeinheit auf eine
gedoppelte Art in Zweifel ziehen. Einmal kann man
fragen, ob sie nicht nothwendig eine sehr starke Ein-
schränkung leyden, und wenn auch dieses nicht ist, ob
es nicht einzele Fälle giebt, wo andere Absichten eine
Ausnahm daran machen. Das Lehrgebäude von den
Absichten der Schöpfung ist noch lange nicht so voll-
ständig, daß man jede einzele Absicht mit den übrigen
vergleichen, ihre Subordination veste setzen, die Ein-
schränkungen und Ausnahmen bestimmen, und da-
her auch jede vorkommende Fälle daraus beurtheilen
könnte. So lange dieses nicht ist, wird sich jeder Le-
ser ein unumschränktes Recht anmassen, von teleo-
logi
schen Beweisen so viel einzuräumen und zu ver-
werfen, als es ihme gefällt. Man wird in dem 6ten
und 8ten Briefe Betrachtungen finden, die hieher
gehören. In jenem wird die Beschaffenheit einer
vollständigen und strenge erwiesenen Teleologie, in
diesem aber das Recht untersucht, das sich jeder Le-
ser nach seiner besondern Gedenkart anmaßen kann,
an der hierinn beschriebenen Einrichtung des Welt-
baues zu zweifeln.

Eine Hauptschwürigkeit, die den teleologischen
Beweisen anhaftet, ist die Endlichkeit der Welt. So

groß
a 5

Vorrede.
ten der Schoͤpfung hergenommen, und folglich te-
leologi
ſch. Mann kann ihre Allgemeinheit auf eine
gedoppelte Art in Zweifel ziehen. Einmal kann man
fragen, ob ſie nicht nothwendig eine ſehr ſtarke Ein-
ſchraͤnkung leyden, und wenn auch dieſes nicht iſt, ob
es nicht einzele Faͤlle giebt, wo andere Abſichten eine
Ausnahm daran machen. Das Lehrgebaͤude von den
Abſichten der Schoͤpfung iſt noch lange nicht ſo voll-
ſtaͤndig, daß man jede einzele Abſicht mit den uͤbrigen
vergleichen, ihre Subordination veſte ſetzen, die Ein-
ſchraͤnkungen und Ausnahmen beſtimmen, und da-
her auch jede vorkommende Faͤlle daraus beurtheilen
koͤnnte. So lange dieſes nicht iſt, wird ſich jeder Le-
ſer ein unumſchraͤnktes Recht anmaſſen, von teleo-
logi
ſchen Beweiſen ſo viel einzuraͤumen und zu ver-
werfen, als es ihme gefaͤllt. Man wird in dem 6ten
und 8ten Briefe Betrachtungen finden, die hieher
gehoͤren. In jenem wird die Beſchaffenheit einer
vollſtaͤndigen und ſtrenge erwieſenen Teleologie, in
dieſem aber das Recht unterſucht, das ſich jeder Le-
ſer nach ſeiner beſondern Gedenkart anmaßen kann,
an der hierinn beſchriebenen Einrichtung des Welt-
baues zu zweifeln.

Eine Hauptſchwuͤrigkeit, die den teleologiſchen
Beweiſen anhaftet, iſt die Endlichkeit der Welt. So

groß
a 5
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="IX"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
ten der Scho&#x0364;pfung hergenommen, und folglich <hi rendition="#aq">te-<lb/>
leologi</hi>&#x017F;ch. Mann kann ihre Allgemeinheit auf eine<lb/>
gedoppelte Art in Zweifel ziehen. Einmal kann man<lb/>
fragen, ob &#x017F;ie nicht nothwendig eine &#x017F;ehr &#x017F;tarke Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkung leyden, und wenn auch die&#x017F;es nicht i&#x017F;t, ob<lb/>
es nicht einzele Fa&#x0364;lle giebt, wo andere Ab&#x017F;ichten eine<lb/>
Ausnahm daran machen. Das Lehrgeba&#x0364;ude von den<lb/>
Ab&#x017F;ichten der Scho&#x0364;pfung i&#x017F;t noch lange nicht &#x017F;o voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig, daß man jede einzele Ab&#x017F;icht mit den u&#x0364;brigen<lb/>
vergleichen, ihre <hi rendition="#aq">Subordination</hi> ve&#x017F;te &#x017F;etzen, die Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkungen und Ausnahmen be&#x017F;timmen, und da-<lb/>
her auch jede vorkommende Fa&#x0364;lle daraus beurtheilen<lb/>
ko&#x0364;nnte. So lange die&#x017F;es nicht i&#x017F;t, wird &#x017F;ich jeder Le-<lb/>
&#x017F;er ein unum&#x017F;chra&#x0364;nktes Recht anma&#x017F;&#x017F;en, von <hi rendition="#aq">teleo-<lb/>
logi</hi>&#x017F;chen Bewei&#x017F;en &#x017F;o viel einzura&#x0364;umen und zu ver-<lb/>
werfen, als es ihme gefa&#x0364;llt. Man wird in dem 6ten<lb/>
und 8ten Briefe Betrachtungen finden, die hieher<lb/>
geho&#x0364;ren. In jenem wird die Be&#x017F;chaffenheit einer<lb/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen und &#x017F;trenge erwie&#x017F;enen <hi rendition="#aq">Teleologie,</hi> in<lb/>
die&#x017F;em aber das Recht unter&#x017F;ucht, das &#x017F;ich jeder Le-<lb/>
&#x017F;er nach &#x017F;einer be&#x017F;ondern Gedenkart anmaßen kann,<lb/>
an der hierinn be&#x017F;chriebenen Einrichtung des Welt-<lb/>
baues zu zweifeln.</p><lb/>
        <p>Eine Haupt&#x017F;chwu&#x0364;rigkeit, die den <hi rendition="#aq">teleologi</hi>&#x017F;chen<lb/>
Bewei&#x017F;en anhaftet, i&#x017F;t die Endlichkeit der Welt. So<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">a 5</fw><fw place="bottom" type="catch">groß</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IX/0014] Vorrede. ten der Schoͤpfung hergenommen, und folglich te- leologiſch. Mann kann ihre Allgemeinheit auf eine gedoppelte Art in Zweifel ziehen. Einmal kann man fragen, ob ſie nicht nothwendig eine ſehr ſtarke Ein- ſchraͤnkung leyden, und wenn auch dieſes nicht iſt, ob es nicht einzele Faͤlle giebt, wo andere Abſichten eine Ausnahm daran machen. Das Lehrgebaͤude von den Abſichten der Schoͤpfung iſt noch lange nicht ſo voll- ſtaͤndig, daß man jede einzele Abſicht mit den uͤbrigen vergleichen, ihre Subordination veſte ſetzen, die Ein- ſchraͤnkungen und Ausnahmen beſtimmen, und da- her auch jede vorkommende Faͤlle daraus beurtheilen koͤnnte. So lange dieſes nicht iſt, wird ſich jeder Le- ſer ein unumſchraͤnktes Recht anmaſſen, von teleo- logiſchen Beweiſen ſo viel einzuraͤumen und zu ver- werfen, als es ihme gefaͤllt. Man wird in dem 6ten und 8ten Briefe Betrachtungen finden, die hieher gehoͤren. In jenem wird die Beſchaffenheit einer vollſtaͤndigen und ſtrenge erwieſenen Teleologie, in dieſem aber das Recht unterſucht, das ſich jeder Le- ſer nach ſeiner beſondern Gedenkart anmaßen kann, an der hierinn beſchriebenen Einrichtung des Welt- baues zu zweifeln. Eine Hauptſchwuͤrigkeit, die den teleologiſchen Beweiſen anhaftet, iſt die Endlichkeit der Welt. So groß a 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/14
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/14>, abgerufen am 01.05.2024.