Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.Vorrede. groß und ausgedehnt dieselbe auch seyn mag, so wirdsie dadurch auf endliche Zahlen eingeschränkt, und von der Unendlichkeit der göttlichen Absichten fällt da- durch die Helfte weg. Ihre Summe kann nur der Zeit nach als unendlich angesehen werden, weil sie sich durch die Ewigkeit erstrecken, und daher dem Un- endlichen immer näher kommen, ungeacht sie es nie erreichen. Dem Raume nach verhält es sich anderst. Das Ganze hat hier seine Schranken, welche der All- gemeinheit der teleologischen Sätze in so ferne Ab- bruch thun, daß man immer die Bedingung hinzu- setzen muß: So weit das Weltgebäude reicht. Dadurch aber kann man sie so unumschränkt nicht vortragen, und es ist leichte zu erachten, daß dieses Anlaß giebt, an der Zuverläßigkeit ihrer Anwendung zu zweifeln. So z. Ex. wenn man die Bewohnbar- keit der Welt als eine Hauptabsicht der Schöpfung ansehen, und Schlüsse daraus herleiten will, so kann man sie nicht ohne die so gar merkliche Einschränkung annehmen, daß die bewohnbare Plätze auf irgend ei- ne endliche Zahl müssen gesetzt werden. Man muß immer diese Absicht nur so vortragen: So weit das Weltgebäude reicht, ist es bewohnt. Es ist un- streitig, daß der Beweiß dieses Satzes schwerer wird, als wenn man an der Absicht weder Ausnah- me noch Einschränkung annehmen könnte. Ich
Vorrede. groß und ausgedehnt dieſelbe auch ſeyn mag, ſo wirdſie dadurch auf endliche Zahlen eingeſchraͤnkt, und von der Unendlichkeit der goͤttlichen Abſichten faͤllt da- durch die Helfte weg. Ihre Summe kann nur der Zeit nach als unendlich angeſehen werden, weil ſie ſich durch die Ewigkeit erſtrecken, und daher dem Un- endlichen immer naͤher kommen, ungeacht ſie es nie erreichen. Dem Raume nach verhaͤlt es ſich anderſt. Das Ganze hat hier ſeine Schranken, welche der All- gemeinheit der teleologiſchen Saͤtze in ſo ferne Ab- bruch thun, daß man immer die Bedingung hinzu- ſetzen muß: So weit das Weltgebaͤude reicht. Dadurch aber kann man ſie ſo unumſchraͤnkt nicht vortragen, und es iſt leichte zu erachten, daß dieſes Anlaß giebt, an der Zuverlaͤßigkeit ihrer Anwendung zu zweifeln. So z. Ex. wenn man die Bewohnbar- keit der Welt als eine Hauptabſicht der Schoͤpfung anſehen, und Schluͤſſe daraus herleiten will, ſo kann man ſie nicht ohne die ſo gar merkliche Einſchraͤnkung annehmen, daß die bewohnbare Plaͤtze auf irgend ei- ne endliche Zahl muͤſſen geſetzt werden. Man muß immer dieſe Abſicht nur ſo vortragen: So weit das Weltgebaͤude reicht, iſt es bewohnt. Es iſt un- ſtreitig, daß der Beweiß dieſes Satzes ſchwerer wird, als wenn man an der Abſicht weder Ausnah- me noch Einſchraͤnkung annehmen koͤnnte. Ich
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Vorrede.
groß und ausgedehnt dieſelbe auch ſeyn mag, ſo wird
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von der Unendlichkeit der goͤttlichen Abſichten faͤllt da-
durch die Helfte weg. Ihre Summe kann nur der
Zeit nach als unendlich angeſehen werden, weil ſie
ſich durch die Ewigkeit erſtrecken, und daher dem Un-
endlichen immer naͤher kommen, ungeacht ſie es nie
erreichen. Dem Raume nach verhaͤlt es ſich anderſt.
Das Ganze hat hier ſeine Schranken, welche der All-
gemeinheit der teleologiſchen Saͤtze in ſo ferne Ab-
bruch thun, daß man immer die Bedingung hinzu-
ſetzen muß: So weit das Weltgebaͤude reicht.
Dadurch aber kann man ſie ſo unumſchraͤnkt nicht
vortragen, und es iſt leichte zu erachten, daß dieſes
Anlaß giebt, an der Zuverlaͤßigkeit ihrer Anwendung
zu zweifeln. So z. Ex. wenn man die Bewohnbar-
keit der Welt als eine Hauptabſicht der Schoͤpfung
anſehen, und Schluͤſſe daraus herleiten will, ſo kann
man ſie nicht ohne die ſo gar merkliche Einſchraͤnkung
annehmen, daß die bewohnbare Plaͤtze auf irgend ei-
ne endliche Zahl muͤſſen geſetzt werden. Man muß
immer dieſe Abſicht nur ſo vortragen: So weit das
Weltgebaͤude reicht, iſt es bewohnt. Es iſt un-
ſtreitig, daß der Beweiß dieſes Satzes ſchwerer
wird, als wenn man an der Abſicht weder Ausnah-
me noch Einſchraͤnkung annehmen koͤnnte.
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