geführten Einnahmen nicht ausreichend ist zur Deckung der Aus- gaben, und nur provisorisch, d. h. "so lange Reichssteuern nicht eingeführt sind". Durch die erwähnten Gesetze sind diese Grundsätze der Reichsverfassung durchbrochen worden.
Das Ges. vom 15. Juli 1879 § 8 Abs. 1 bestimmt: "Derjenige Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer, welcher die Summe von 130 Mill. Mark in einem Jahr über- steigt, ist den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe der Bevölkerung, mit welcher sie zu den Matrikularbeiträgen herangezogen werden, zu überweisen." ... Es wird also nicht der gesammte Ertrag der Zölle und Ver- brauchsabgaben gemäß Art. 38 und 70 der R.V. zur Bestreitung der Bedürfnisse des Reiches verwendet, sondern nur eine fest be- stimmte Summe des Ertrages, ohne Rücksicht, ob dieselbe zur Deckung der gemeinschaftlichen Ausgaben genügt oder nicht.
Uebereinstimmend hiemit bestimmt das Ges. v. 1. Juli 1881 § 32: "Der Ertrag der Abgaben fließt . . . . in die Reichskasse und ist den einzelnen Bundesstaaten nach dem Maßstabe der Bevölkerung, mit welcher sie zu den Matrikularbeiträgen heran- gezogen werden, zu überweisen." Trotzdem also eine Reichssteuer eingeführt worden ist, deren Ertrag "in die Reichskasse fließt", so wird der letztere doch nicht gemäß Art. 70 der R.V. zur Deckung der gemeinschaftlichen Ausgaben verwendet, sondern er fließt nur durch die Reichskasse hindurch und theilt sich in Arme, die in die Landeskassen der Einzelstaaten ein- münden.
Die Reichsgesetze von 1879 und 1881 wollen materiell das Defizit beseitigen und in Beziehung auf die Finanzwirthschaft an die Stelle der Matrikularbeiträge der Einzelstaaten Matrikular- Antheile derselben an den Ueberschüssen des Reichs setzen 1); formell aber haben sie einerseits die Beitragspflicht und andererseits den Anspruch auf den Einnahme-Antheil neben einander bestehen lassen, so daß beide zu gesonderter rechtlicher Existenz gelangen und sich erst nachträglich durch Kompensation theilweise wieder aufheben.
1) Für das Etatsjahr 1882/83 besteht allerdings noch ein Mehrbetrag der Matrikularbeiträge über die an die Einzelstaaten zu überweisenden Summen; derselbe ist aber nicht mehr von Erheblichkeit.
§. 122. Die Matrikularbeiträge.
geführten Einnahmen nicht ausreichend iſt zur Deckung der Aus- gaben, und nur proviſoriſch, d. h. „ſo lange Reichsſteuern nicht eingeführt ſind“. Durch die erwähnten Geſetze ſind dieſe Grundſätze der Reichsverfaſſung durchbrochen worden.
Das Geſ. vom 15. Juli 1879 § 8 Abſ. 1 beſtimmt: „Derjenige Ertrag der Zölle und der Tabakſteuer, welcher die Summe von 130 Mill. Mark in einem Jahr über- ſteigt, iſt den einzelnen Bundesſtaaten nach Maßgabe der Bevölkerung, mit welcher ſie zu den Matrikularbeiträgen herangezogen werden, zu überweiſen.“ … Es wird alſo nicht der geſammte Ertrag der Zölle und Ver- brauchsabgaben gemäß Art. 38 und 70 der R.V. zur Beſtreitung der Bedürfniſſe des Reiches verwendet, ſondern nur eine feſt be- ſtimmte Summe des Ertrages, ohne Rückſicht, ob dieſelbe zur Deckung der gemeinſchaftlichen Ausgaben genügt oder nicht.
Uebereinſtimmend hiemit beſtimmt das Geſ. v. 1. Juli 1881 § 32: „Der Ertrag der Abgaben fließt . . . . in die Reichskaſſe und iſt den einzelnen Bundesſtaaten nach dem Maßſtabe der Bevölkerung, mit welcher ſie zu den Matrikularbeiträgen heran- gezogen werden, zu überweiſen.“ Trotzdem alſo eine Reichsſteuer eingeführt worden iſt, deren Ertrag „in die Reichskaſſe fließt“, ſo wird der letztere doch nicht gemäß Art. 70 der R.V. zur Deckung der gemeinſchaftlichen Ausgaben verwendet, ſondern er fließt nur durch die Reichskaſſe hindurch und theilt ſich in Arme, die in die Landeskaſſen der Einzelſtaaten ein- münden.
Die Reichsgeſetze von 1879 und 1881 wollen materiell das Defizit beſeitigen und in Beziehung auf die Finanzwirthſchaft an die Stelle der Matrikularbeiträge der Einzelſtaaten Matrikular- Antheile derſelben an den Ueberſchüſſen des Reichs ſetzen 1); formell aber haben ſie einerſeits die Beitragspflicht und andererſeits den Anſpruch auf den Einnahme-Antheil neben einander beſtehen laſſen, ſo daß beide zu geſonderter rechtlicher Exiſtenz gelangen und ſich erſt nachträglich durch Kompenſation theilweiſe wieder aufheben.
1) Für das Etatsjahr 1882/83 beſteht allerdings noch ein Mehrbetrag der Matrikularbeiträge über die an die Einzelſtaaten zu überweiſenden Summen; derſelbe iſt aber nicht mehr von Erheblichkeit.
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§. 122. Die Matrikularbeiträge.
geführten Einnahmen nicht ausreichend iſt zur Deckung der Aus-
gaben, und nur proviſoriſch, d. h. „ſo lange Reichsſteuern
nicht eingeführt ſind“. Durch die erwähnten Geſetze ſind dieſe
Grundſätze der Reichsverfaſſung durchbrochen worden.
Das Geſ. vom 15. Juli 1879 § 8 Abſ. 1 beſtimmt:
„Derjenige Ertrag der Zölle und der Tabakſteuer,
welcher die Summe von 130 Mill. Mark in einem Jahr über-
ſteigt, iſt den einzelnen Bundesſtaaten nach Maßgabe der
Bevölkerung, mit welcher ſie zu den Matrikularbeiträgen
herangezogen werden, zu überweiſen.“ …
Es wird alſo nicht der geſammte Ertrag der Zölle und Ver-
brauchsabgaben gemäß Art. 38 und 70 der R.V. zur Beſtreitung
der Bedürfniſſe des Reiches verwendet, ſondern nur eine feſt be-
ſtimmte Summe des Ertrages, ohne Rückſicht, ob dieſelbe zur
Deckung der gemeinſchaftlichen Ausgaben genügt oder nicht.
Uebereinſtimmend hiemit beſtimmt das Geſ. v. 1. Juli 1881 § 32:
„Der Ertrag der Abgaben fließt . . . . in die Reichskaſſe
und iſt den einzelnen Bundesſtaaten nach dem Maßſtabe der
Bevölkerung, mit welcher ſie zu den Matrikularbeiträgen heran-
gezogen werden, zu überweiſen.“
Trotzdem alſo eine Reichsſteuer eingeführt worden iſt, deren Ertrag
„in die Reichskaſſe fließt“, ſo wird der letztere doch nicht gemäß
Art. 70 der R.V. zur Deckung der gemeinſchaftlichen Ausgaben
verwendet, ſondern er fließt nur durch die Reichskaſſe hindurch und
theilt ſich in Arme, die in die Landeskaſſen der Einzelſtaaten ein-
münden.
Die Reichsgeſetze von 1879 und 1881 wollen materiell das
Defizit beſeitigen und in Beziehung auf die Finanzwirthſchaft
an die Stelle der Matrikularbeiträge der Einzelſtaaten Matrikular-
Antheile derſelben an den Ueberſchüſſen des Reichs ſetzen 1); formell
aber haben ſie einerſeits die Beitragspflicht und andererſeits den
Anſpruch auf den Einnahme-Antheil neben einander beſtehen
laſſen, ſo daß beide zu geſonderter rechtlicher Exiſtenz gelangen
und ſich erſt nachträglich durch Kompenſation theilweiſe wieder
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1) Für das Etatsjahr 1882/83 beſteht allerdings noch ein Mehrbetrag
der Matrikularbeiträge über die an die Einzelſtaaten zu überweiſenden Summen;
derſelbe iſt aber nicht mehr von Erheblichkeit.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/343>, abgerufen am 20.06.2024.
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