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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 122. Die Matrikularbeiträge.

Für die Finanzwirthschaft führen daher die in Rede
stehenden Vorschriften der Reichsgesetze kein anderes praktisches
Resultat herbei, als wenn die Matrikularbeiträge abgeschafft worden
wären und nur die Ueberschüsse der "eigenen" Einnahmen
des Reiches über die Gesammtsumme der Ausgaben zur Verthei-
lung gebracht würden; nur die Abrechnung zwischen den Einzel-
staaten und der Reichskasse hätte in diesem Falle eine andere Ge-
stalt. Dagegen liegt die Bedeutung der reichsgesetzlichen Anord-
nungen auf dem Gebiete des Budgetrechts; sie haben zur
Folge, daß derjenige Betrag, welchen die Einzelstaaten aus den
ihnen zukommenden Zoll-, Tabaksteuer- und Stempel-Einnahmen
an die Reichskasse unter dem Namen von Matrikularbeiträgen
wieder zurückzugeben haben, durch das Etatsgesetz festgestellt wer-
den muß 1).

Das Rechtsverhältniß zwischen dem Reich und den Einzel-
staaten ist hierdurch sehr complizirt worden. Die Einzelstaaten
erheben die Zölle, die Tabaksteuer und die Stempelsteuer und
werden also zunächst Eigenthümer des in ihren Zoll- und Steuer-
kassen eingegangenen Geldes; sie erheben aber diese Abgaben für
gemeinschaftliche Rechnung der Bundesstaaten (für die Reichs-
kasse
) und sind demnach für den ganzen von ihnen erhobenen
Betrag, abzüglich der Rückvergütungen und Erhebungskosten, Schuld-
ner des Reichsfiskus. Das Reichsschatzamt berechnet sodann nach
dem Gesammterträgniß dieser Steuern diejenigen Summen, welche
den einzelnen Bundesstaaten zu überweisen sind, und zieht hievon

1) Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch sogen. "konstitutionelle
Garantien" für das Ausgabenbewilligungsrecht zu schaffen. Für praktisch er-
heblich kann ich dieselben aber nicht erachten. Ohne den Grundsatz des §. 8
würde durch das Reichsetatsgesetz (die Ausgaben-Bewilligung) festgesetzt werden,
welche Summe zur Vertheilung an die Einzelstaaten übrig bleibt; mit dem
Grundsatz des §. 8 wird durch das Etatsgesetz bestimmt, welcher Betrag in
der Form der Matrikularbeiträge compensando von dem Antheil der Einzel-
staaten (oder via versa) in Abzug gebracht wird. Dies kommt auch
politisch auf dasselbe hinaus. Fürst Bismarck erklärte im Reichstag: "Der
Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort bonnet blanc
oder blanc bonnet oder ob ich spreche von einem schwazen Tuchrock oder von
einem Rock von schwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterschied nicht,
jeder weitere Unterschied, den Sie hineinlegen, ist fingirt, widerspricht der
Sachlage und widerspricht unserer Verfassung". Stenograph. Berichte 1879
Bd. III S. 2193.
§. 122. Die Matrikularbeiträge.

Für die Finanzwirthſchaft führen daher die in Rede
ſtehenden Vorſchriften der Reichsgeſetze kein anderes praktiſches
Reſultat herbei, als wenn die Matrikularbeiträge abgeſchafft worden
wären und nur die Ueberſchüſſe der „eigenen“ Einnahmen
des Reiches über die Geſammtſumme der Ausgaben zur Verthei-
lung gebracht würden; nur die Abrechnung zwiſchen den Einzel-
ſtaaten und der Reichskaſſe hätte in dieſem Falle eine andere Ge-
ſtalt. Dagegen liegt die Bedeutung der reichsgeſetzlichen Anord-
nungen auf dem Gebiete des Budgetrechts; ſie haben zur
Folge, daß derjenige Betrag, welchen die Einzelſtaaten aus den
ihnen zukommenden Zoll-, Tabakſteuer- und Stempel-Einnahmen
an die Reichskaſſe unter dem Namen von Matrikularbeiträgen
wieder zurückzugeben haben, durch das Etatsgeſetz feſtgeſtellt wer-
den muß 1).

Das Rechtsverhältniß zwiſchen dem Reich und den Einzel-
ſtaaten iſt hierdurch ſehr complizirt worden. Die Einzelſtaaten
erheben die Zölle, die Tabakſteuer und die Stempelſteuer und
werden alſo zunächſt Eigenthümer des in ihren Zoll- und Steuer-
kaſſen eingegangenen Geldes; ſie erheben aber dieſe Abgaben für
gemeinſchaftliche Rechnung der Bundesſtaaten (für die Reichs-
kaſſe
) und ſind demnach für den ganzen von ihnen erhobenen
Betrag, abzüglich der Rückvergütungen und Erhebungskoſten, Schuld-
ner des Reichsfiskus. Das Reichsſchatzamt berechnet ſodann nach
dem Geſammterträgniß dieſer Steuern diejenigen Summen, welche
den einzelnen Bundesſtaaten zu überweiſen ſind, und zieht hievon

1) Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch ſogen. „konſtitutionelle
Garantien“ für das Ausgabenbewilligungsrecht zu ſchaffen. Für praktiſch er-
heblich kann ich dieſelben aber nicht erachten. Ohne den Grundſatz des §. 8
würde durch das Reichsetatsgeſetz (die Ausgaben-Bewilligung) feſtgeſetzt werden,
welche Summe zur Vertheilung an die Einzelſtaaten übrig bleibt; mit dem
Grundſatz des §. 8 wird durch das Etatsgeſetz beſtimmt, welcher Betrag in
der Form der Matrikularbeiträge compensando von dem Antheil der Einzel-
ſtaaten (oder via versa) in Abzug gebracht wird. Dies kommt auch
politiſch auf daſſelbe hinaus. Fürſt Bismarck erklärte im Reichstag: „Der
Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort bonnet blanc
oder blanc bonnet oder ob ich ſpreche von einem ſchwazen Tuchrock oder von
einem Rock von ſchwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterſchied nicht,
jeder weitere Unterſchied, den Sie hineinlegen, iſt fingirt, widerſpricht der
Sachlage und widerſpricht unſerer Verfaſſung“. Stenograph. Berichte 1879
Bd. III S. 2193.
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[334/0344] §. 122. Die Matrikularbeiträge. Für die Finanzwirthſchaft führen daher die in Rede ſtehenden Vorſchriften der Reichsgeſetze kein anderes praktiſches Reſultat herbei, als wenn die Matrikularbeiträge abgeſchafft worden wären und nur die Ueberſchüſſe der „eigenen“ Einnahmen des Reiches über die Geſammtſumme der Ausgaben zur Verthei- lung gebracht würden; nur die Abrechnung zwiſchen den Einzel- ſtaaten und der Reichskaſſe hätte in dieſem Falle eine andere Ge- ſtalt. Dagegen liegt die Bedeutung der reichsgeſetzlichen Anord- nungen auf dem Gebiete des Budgetrechts; ſie haben zur Folge, daß derjenige Betrag, welchen die Einzelſtaaten aus den ihnen zukommenden Zoll-, Tabakſteuer- und Stempel-Einnahmen an die Reichskaſſe unter dem Namen von Matrikularbeiträgen wieder zurückzugeben haben, durch das Etatsgeſetz feſtgeſtellt wer- den muß 1). Das Rechtsverhältniß zwiſchen dem Reich und den Einzel- ſtaaten iſt hierdurch ſehr complizirt worden. Die Einzelſtaaten erheben die Zölle, die Tabakſteuer und die Stempelſteuer und werden alſo zunächſt Eigenthümer des in ihren Zoll- und Steuer- kaſſen eingegangenen Geldes; ſie erheben aber dieſe Abgaben für gemeinſchaftliche Rechnung der Bundesſtaaten (für die Reichs- kaſſe) und ſind demnach für den ganzen von ihnen erhobenen Betrag, abzüglich der Rückvergütungen und Erhebungskoſten, Schuld- ner des Reichsfiskus. Das Reichsſchatzamt berechnet ſodann nach dem Geſammterträgniß dieſer Steuern diejenigen Summen, welche den einzelnen Bundesſtaaten zu überweiſen ſind, und zieht hievon 1) Die Majorität des Reichstages glaubte hierdurch ſogen. „konſtitutionelle Garantien“ für das Ausgabenbewilligungsrecht zu ſchaffen. Für praktiſch er- heblich kann ich dieſelben aber nicht erachten. Ohne den Grundſatz des §. 8 würde durch das Reichsetatsgeſetz (die Ausgaben-Bewilligung) feſtgeſetzt werden, welche Summe zur Vertheilung an die Einzelſtaaten übrig bleibt; mit dem Grundſatz des §. 8 wird durch das Etatsgeſetz beſtimmt, welcher Betrag in der Form der Matrikularbeiträge compensando von dem Antheil der Einzel- ſtaaten (oder via versa) in Abzug gebracht wird. Dies kommt auch politiſch auf daſſelbe hinaus. Fürſt Bismarck erklärte im Reichstag: „Der Streit macht mir ungefähr den Eindruck, wie das bekannte Wort bonnet blanc oder blanc bonnet oder ob ich ſpreche von einem ſchwazen Tuchrock oder von einem Rock von ſchwarzem Tuch; weiter finde ich einen Unterſchied nicht, jeder weitere Unterſchied, den Sie hineinlegen, iſt fingirt, widerſpricht der Sachlage und widerſpricht unſerer Verfaſſung“. Stenograph. Berichte 1879 Bd. III S. 2193.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/344>, abgerufen am 22.11.2024.