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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 109. Die Reichsschulden.
Reiches wiederholt worden, indem §. 2 des Reichsgesetzes vom
27. Januar 1875 (R.G.Bl. S. 18) auf das Gesetz vom 6. April
1870, und jedes der folgenden Anleihegesetze auf den §. 2 des
Reichsgesetzes vom 27. Januar 1875 verweist.

Diese Bestimmungen enthalten eine Einschränkung oder vielmehr
Declaration des Hauptparagraphen; sie erklären, daß unter
einer "verzinslichen Anleihe" kein Zinsdarlehen, sondern eine
wiederkäufliche Rente gemeint ist 1) und sie beschränken daher
die dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung, "Geldmittel im Wege
des Credits flüssig zu machen", auf die Emission von Rentenschuld-
scheinen. Auch hinsichtlich der Ausgabe der Schatzscheine ist die
dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung durch die Anordnung
eingeschränkt, daß die Dauer ihrer Umlaufszeit den Zeitraum
eines Jahres nicht überschreiten darf 2).

Hiernach ist die in den Anleihegesetzen dem Reichskanzler er-
theilte Vollmacht auf folgende Sätze zu reduziren: er darf im
Wege des Credits eine gewisse Summe aufnehmen und zwar ent-
weder als Rentenschuld, deren Tilgung dem Reichsfiskus vorbe-
halten bleibt, oder als verzinsliche Darlehensschuld mit fest be-
stimmten, die Frist eines Jahres (von der Emission) nicht über-
schreitenden Fälligkeits-Terminen. Im Uebrigen sind die Modali-
täten des Creditgeschäftes der freien Vereinbarung des Reichs-
kanzlers mit den Kapitalisten überlassen.

Obwohl nach dem Wortlaut sämmtlicher Anleihegesetze
des Reiches die eben erwähnte Vollmacht dem Reichskanzler
ertheilt wird, so lehrt doch ein Blick in das Reichsgesetzblatt, daß
diese Vollmacht immer zunächst erst eine zweite Vollmacht im Ge-
folge hat, welche dem Reichskanzler in der Form eines von ihm
contrasignirten Kaiserlichen Erlasses ertheilt wird 3). Diese Er-

1) Der Ausdruck "Anleihe" umfaßt Beides; die Preußischen Anleihen
waren ursprünglich zinsbare Darlehen; durch die sogenannte "Consolidation"
sind sie in wiederkäufliche Renten verwandelt worden. Das Ges. v. 9. Nov.
1867 (B.G.Bl. S. 157) hatte den Abschluß eines tilgbaren Darlehens für
den Nordd. Bund in Aussicht genommen; noch ehe es aber ausgeführt wurde,
setzte das Ges. v. 6. April 1870 das System der Rentenschuld (consolidirten
Anleihe) an die Stelle.
2) Ges. v. 27. Januar 1875 §. 3. In sämmtlichen späteren An-
leihegesetzen des Reiches in Bezug genommen.
3) Zu sämmtlichen Anleihegesetzen gehören solche Erlasse. Zu den Gesetzen

§. 109. Die Reichsſchulden.
Reiches wiederholt worden, indem §. 2 des Reichsgeſetzes vom
27. Januar 1875 (R.G.Bl. S. 18) auf das Geſetz vom 6. April
1870, und jedes der folgenden Anleihegeſetze auf den §. 2 des
Reichsgeſetzes vom 27. Januar 1875 verweiſt.

Dieſe Beſtimmungen enthalten eine Einſchränkung oder vielmehr
Declaration des Hauptparagraphen; ſie erklären, daß unter
einer „verzinslichen Anleihe“ kein Zinsdarlehen, ſondern eine
wiederkäufliche Rente gemeint iſt 1) und ſie beſchränken daher
die dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung, „Geldmittel im Wege
des Credits flüſſig zu machen“, auf die Emiſſion von Rentenſchuld-
ſcheinen. Auch hinſichtlich der Ausgabe der Schatzſcheine iſt die
dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung durch die Anordnung
eingeſchränkt, daß die Dauer ihrer Umlaufszeit den Zeitraum
eines Jahres nicht überſchreiten darf 2).

Hiernach iſt die in den Anleihegeſetzen dem Reichskanzler er-
theilte Vollmacht auf folgende Sätze zu reduziren: er darf im
Wege des Credits eine gewiſſe Summe aufnehmen und zwar ent-
weder als Rentenſchuld, deren Tilgung dem Reichsfiskus vorbe-
halten bleibt, oder als verzinsliche Darlehensſchuld mit feſt be-
ſtimmten, die Friſt eines Jahres (von der Emiſſion) nicht über-
ſchreitenden Fälligkeits-Terminen. Im Uebrigen ſind die Modali-
täten des Creditgeſchäftes der freien Vereinbarung des Reichs-
kanzlers mit den Kapitaliſten überlaſſen.

Obwohl nach dem Wortlaut ſämmtlicher Anleihegeſetze
des Reiches die eben erwähnte Vollmacht dem Reichskanzler
ertheilt wird, ſo lehrt doch ein Blick in das Reichsgeſetzblatt, daß
dieſe Vollmacht immer zunächſt erſt eine zweite Vollmacht im Ge-
folge hat, welche dem Reichskanzler in der Form eines von ihm
contraſignirten Kaiſerlichen Erlaſſes ertheilt wird 3). Dieſe Er-

1) Der Ausdruck „Anleihe“ umfaßt Beides; die Preußiſchen Anleihen
waren urſprünglich zinsbare Darlehen; durch die ſogenannte „Conſolidation“
ſind ſie in wiederkäufliche Renten verwandelt worden. Das Geſ. v. 9. Nov.
1867 (B.G.Bl. S. 157) hatte den Abſchluß eines tilgbaren Darlehens für
den Nordd. Bund in Ausſicht genommen; noch ehe es aber ausgeführt wurde,
ſetzte das Geſ. v. 6. April 1870 das Syſtem der Rentenſchuld (conſolidirten
Anleihe) an die Stelle.
2) Geſ. v. 27. Januar 1875 §. 3. In ſämmtlichen ſpäteren An-
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3) Zu ſämmtlichen Anleihegeſetzen gehören ſolche Erlaſſe. Zu den Geſetzen
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[235/0245] §. 109. Die Reichsſchulden. Reiches wiederholt worden, indem §. 2 des Reichsgeſetzes vom 27. Januar 1875 (R.G.Bl. S. 18) auf das Geſetz vom 6. April 1870, und jedes der folgenden Anleihegeſetze auf den §. 2 des Reichsgeſetzes vom 27. Januar 1875 verweiſt. Dieſe Beſtimmungen enthalten eine Einſchränkung oder vielmehr Declaration des Hauptparagraphen; ſie erklären, daß unter einer „verzinslichen Anleihe“ kein Zinsdarlehen, ſondern eine wiederkäufliche Rente gemeint iſt 1) und ſie beſchränken daher die dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung, „Geldmittel im Wege des Credits flüſſig zu machen“, auf die Emiſſion von Rentenſchuld- ſcheinen. Auch hinſichtlich der Ausgabe der Schatzſcheine iſt die dem Reichskanzler ertheilte Ermächtigung durch die Anordnung eingeſchränkt, daß die Dauer ihrer Umlaufszeit den Zeitraum eines Jahres nicht überſchreiten darf 2). Hiernach iſt die in den Anleihegeſetzen dem Reichskanzler er- theilte Vollmacht auf folgende Sätze zu reduziren: er darf im Wege des Credits eine gewiſſe Summe aufnehmen und zwar ent- weder als Rentenſchuld, deren Tilgung dem Reichsfiskus vorbe- halten bleibt, oder als verzinsliche Darlehensſchuld mit feſt be- ſtimmten, die Friſt eines Jahres (von der Emiſſion) nicht über- ſchreitenden Fälligkeits-Terminen. Im Uebrigen ſind die Modali- täten des Creditgeſchäftes der freien Vereinbarung des Reichs- kanzlers mit den Kapitaliſten überlaſſen. Obwohl nach dem Wortlaut ſämmtlicher Anleihegeſetze des Reiches die eben erwähnte Vollmacht dem Reichskanzler ertheilt wird, ſo lehrt doch ein Blick in das Reichsgeſetzblatt, daß dieſe Vollmacht immer zunächſt erſt eine zweite Vollmacht im Ge- folge hat, welche dem Reichskanzler in der Form eines von ihm contraſignirten Kaiſerlichen Erlaſſes ertheilt wird 3). Dieſe Er- 1) Der Ausdruck „Anleihe“ umfaßt Beides; die Preußiſchen Anleihen waren urſprünglich zinsbare Darlehen; durch die ſogenannte „Conſolidation“ ſind ſie in wiederkäufliche Renten verwandelt worden. Das Geſ. v. 9. Nov. 1867 (B.G.Bl. S. 157) hatte den Abſchluß eines tilgbaren Darlehens für den Nordd. Bund in Ausſicht genommen; noch ehe es aber ausgeführt wurde, ſetzte das Geſ. v. 6. April 1870 das Syſtem der Rentenſchuld (conſolidirten Anleihe) an die Stelle. 2) Geſ. v. 27. Januar 1875 §. 3. In ſämmtlichen ſpäteren An- leihegeſetzen des Reiches in Bezug genommen. 3) Zu ſämmtlichen Anleihegeſetzen gehören ſolche Erlaſſe. Zu den Geſetzen

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/245>, abgerufen am 22.11.2024.