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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 109. Die Reichsschulden.
lasse sind alle nach demselben Formular abgefaßt; sie genehmi-
gen
auf Grund der darin bezeichneten Gesetze die Aufnahme der
Anleihe, bestimmen die Beträge, über welche die auszugebenden
Schuldverschreibungen lauten sollen, sowie die Höhe und Zahlungs-
termine der Zinsen; sie wiederholen die in den Anleihegesetzen
enthaltenen Anordnungen über die Tilgung und sie ermächtigen
den Reichskanzler, hienach die weiteren Anordnungen zu treffen.
Abgesehen von den Bestimmungen über die auszufertigenden Ap-
points und über die Zinsen haben daher diese Kaiserlichen Erlasse
vollkommen denselben Inhalt wie die Anleihegesetze. In
formeller Beziehung ist es unbestreitbar incorrect und anstößig,
daß eine und dieselbe Anordnung zweimal erlassen wird; das
erste Mal vom Kaiser unter Zustimmung von Bundesrath und
Reichstag und das zweite Mal wieder vom Kaiser "auf Grund"
jener ersten Anordnung; man sollte meinen, daß der bereits durch
Reichsgesetz ermächtigte Reichskanzler nicht nochmals ermächtigt zu
werden braucht. Materiell aber liegt in dieser Praxis ein tiefer
Sinn; die Anleihegesetze wollen etwas Anderes bedeuten als ihr
Wortlaut sagt oder sie werden wenigstens anders ausgelegt als
nach ihrem buchstäblichen Sinn. Gemäß dieser Usual-Interpretation
gilt nicht der Reichskanzler, sondern der Kaiser als ermächtigt,
eine Reichsanleihe aufzunehmen, und demnach ist ein Erlaß des
Kaisers an den Reichskanzler, durch den demselben die Beschaffung
der Geldmittel aufgetragen wird, erforderlich 1). Die in den An-
leihegesetzen gewählte Ausdrucksweise ist incorrect 2).


vom 27. Januar 1875, 3. Januar 1876, 3. Januar 1877, 10. Mai 1877,
23. Mai 1877 und 21. Mai 1877 der Erlaß v. 14. Juni 1877 (R.G.Bl.
S. 531); zu den Gesetzen vom 29. April 1878, 8. Mai 1878 und 12. Juni
1878 der Erl. v. 14. Juni 1878 (R.G.Bl. S. 125); zu den Gesetzen vom
30. März 1879 und v. 15. Mai 1879 der Erl. v. 13. Juni 1879 (R.G.Bl.
S. 152); zu den Gesetzen v. 9. Juli 1879 und v. 26. März 1880 der Erl. v.
13. Okt. 1880 (R.G.Bl. S. 187) u. s. w.
1) Indirect ist dies auch reichsgesetzlich anerkannt. Da nämlich die
Reichsschulden-Verwaltung die Schuldverschreibungen und Coupons ausfertigt
und zwar gemäß §. 2 des Ges. v. 9. Nov. 1867 -- der in den folgenden An-
leihegesetzen stets in Bezug genommen ist -- "nach besonderer Anord-
nung des Bundespräsidiums
", so kann der Reichskanzler ohne
einen speziellen Kaiserl. Erlaß der Reichsschulden-Verwaltung diese Ausfertigug
nicht austragen. Hierauf beruht die gesetzliche Nothwendigkeit jener Erlasse.
2) Die Incorrectheit der Fassung wäre übrigens leicht zu vermeiden. Im

§. 109. Die Reichsſchulden.
laſſe ſind alle nach demſelben Formular abgefaßt; ſie genehmi-
gen
auf Grund der darin bezeichneten Geſetze die Aufnahme der
Anleihe, beſtimmen die Beträge, über welche die auszugebenden
Schuldverſchreibungen lauten ſollen, ſowie die Höhe und Zahlungs-
termine der Zinſen; ſie wiederholen die in den Anleihegeſetzen
enthaltenen Anordnungen über die Tilgung und ſie ermächtigen
den Reichskanzler, hienach die weiteren Anordnungen zu treffen.
Abgeſehen von den Beſtimmungen über die auszufertigenden Ap-
points und über die Zinſen haben daher dieſe Kaiſerlichen Erlaſſe
vollkommen denſelben Inhalt wie die Anleihegeſetze. In
formeller Beziehung iſt es unbeſtreitbar incorrect und anſtößig,
daß eine und dieſelbe Anordnung zweimal erlaſſen wird; das
erſte Mal vom Kaiſer unter Zuſtimmung von Bundesrath und
Reichstag und das zweite Mal wieder vom Kaiſer „auf Grund“
jener erſten Anordnung; man ſollte meinen, daß der bereits durch
Reichsgeſetz ermächtigte Reichskanzler nicht nochmals ermächtigt zu
werden braucht. Materiell aber liegt in dieſer Praxis ein tiefer
Sinn; die Anleihegeſetze wollen etwas Anderes bedeuten als ihr
Wortlaut ſagt oder ſie werden wenigſtens anders ausgelegt als
nach ihrem buchſtäblichen Sinn. Gemäß dieſer Uſual-Interpretation
gilt nicht der Reichskanzler, ſondern der Kaiſer als ermächtigt,
eine Reichsanleihe aufzunehmen, und demnach iſt ein Erlaß des
Kaiſers an den Reichskanzler, durch den demſelben die Beſchaffung
der Geldmittel aufgetragen wird, erforderlich 1). Die in den An-
leihegeſetzen gewählte Ausdrucksweiſe iſt incorrect 2).


vom 27. Januar 1875, 3. Januar 1876, 3. Januar 1877, 10. Mai 1877,
23. Mai 1877 und 21. Mai 1877 der Erlaß v. 14. Juni 1877 (R.G.Bl.
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30. März 1879 und v. 15. Mai 1879 der Erl. v. 13. Juni 1879 (R.G.Bl.
S. 152); zu den Geſetzen v. 9. Juli 1879 und v. 26. März 1880 der Erl. v.
13. Okt. 1880 (R.G.Bl. S. 187) u. ſ. w.
1) Indirect iſt dies auch reichsgeſetzlich anerkannt. Da nämlich die
Reichsſchulden-Verwaltung die Schuldverſchreibungen und Coupons ausfertigt
und zwar gemäß §. 2 des Geſ. v. 9. Nov. 1867 — der in den folgenden An-
leihegeſetzen ſtets in Bezug genommen iſt — „nach beſonderer Anord-
nung des Bundespräſidiums
“, ſo kann der Reichskanzler ohne
einen ſpeziellen Kaiſerl. Erlaß der Reichsſchulden-Verwaltung dieſe Ausfertigug
nicht auſtragen. Hierauf beruht die geſetzliche Nothwendigkeit jener Erlaſſe.
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[236/0246] §. 109. Die Reichsſchulden. laſſe ſind alle nach demſelben Formular abgefaßt; ſie genehmi- gen auf Grund der darin bezeichneten Geſetze die Aufnahme der Anleihe, beſtimmen die Beträge, über welche die auszugebenden Schuldverſchreibungen lauten ſollen, ſowie die Höhe und Zahlungs- termine der Zinſen; ſie wiederholen die in den Anleihegeſetzen enthaltenen Anordnungen über die Tilgung und ſie ermächtigen den Reichskanzler, hienach die weiteren Anordnungen zu treffen. Abgeſehen von den Beſtimmungen über die auszufertigenden Ap- points und über die Zinſen haben daher dieſe Kaiſerlichen Erlaſſe vollkommen denſelben Inhalt wie die Anleihegeſetze. In formeller Beziehung iſt es unbeſtreitbar incorrect und anſtößig, daß eine und dieſelbe Anordnung zweimal erlaſſen wird; das erſte Mal vom Kaiſer unter Zuſtimmung von Bundesrath und Reichstag und das zweite Mal wieder vom Kaiſer „auf Grund“ jener erſten Anordnung; man ſollte meinen, daß der bereits durch Reichsgeſetz ermächtigte Reichskanzler nicht nochmals ermächtigt zu werden braucht. Materiell aber liegt in dieſer Praxis ein tiefer Sinn; die Anleihegeſetze wollen etwas Anderes bedeuten als ihr Wortlaut ſagt oder ſie werden wenigſtens anders ausgelegt als nach ihrem buchſtäblichen Sinn. Gemäß dieſer Uſual-Interpretation gilt nicht der Reichskanzler, ſondern der Kaiſer als ermächtigt, eine Reichsanleihe aufzunehmen, und demnach iſt ein Erlaß des Kaiſers an den Reichskanzler, durch den demſelben die Beſchaffung der Geldmittel aufgetragen wird, erforderlich 1). Die in den An- leihegeſetzen gewählte Ausdrucksweiſe iſt incorrect 2). 3) 1) Indirect iſt dies auch reichsgeſetzlich anerkannt. Da nämlich die Reichsſchulden-Verwaltung die Schuldverſchreibungen und Coupons ausfertigt und zwar gemäß §. 2 des Geſ. v. 9. Nov. 1867 — der in den folgenden An- leihegeſetzen ſtets in Bezug genommen iſt — „nach beſonderer Anord- nung des Bundespräſidiums“, ſo kann der Reichskanzler ohne einen ſpeziellen Kaiſerl. Erlaß der Reichsſchulden-Verwaltung dieſe Ausfertigug nicht auſtragen. Hierauf beruht die geſetzliche Nothwendigkeit jener Erlaſſe. 2) Die Incorrectheit der Faſſung wäre übrigens leicht zu vermeiden. Im 3) vom 27. Januar 1875, 3. Januar 1876, 3. Januar 1877, 10. Mai 1877, 23. Mai 1877 und 21. Mai 1877 der Erlaß v. 14. Juni 1877 (R.G.Bl. S. 531); zu den Geſetzen vom 29. April 1878, 8. Mai 1878 und 12. Juni 1878 der Erl. v. 14. Juni 1878 (R.G.Bl. S. 125); zu den Geſetzen vom 30. März 1879 und v. 15. Mai 1879 der Erl. v. 13. Juni 1879 (R.G.Bl. S. 152); zu den Geſetzen v. 9. Juli 1879 und v. 26. März 1880 der Erl. v. 13. Okt. 1880 (R.G.Bl. S. 187) u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/246>, abgerufen am 25.11.2024.