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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 108. Das active Reichsvermögen.
Preußen gelten und von diesem Gesichtspunkt aus könnte man
das Eigenthum des Reichsfiskus an dem Preußischen Ministerial-
gebäude des auswärtigen Amtes und an den Preußischen Ge-
sandtschaftshotels bestreiten. Allein da die Identität des Kaisers
und des Königs von Preußen zur Folge hat, daß die Gesandten
des Reiches zugleich Preußische Gesandte sind und das Auswär-
tige Amt des Reiches zugleich als Preuß. Ministerium der aus-
wärtigen Angelegenheiten fungirt, so hat thatsächlich hier ein
Uebergang der Preuß. Verwaltung in eine Reichsverwaltung statt-
gefunden und demgemäß hat sich das Preußische Verwaltungs-
eigenthum dieses Ressorts in Reichseigenthum umgewandelt.

c) Die Post- und Telegraphen-Verwaltung ist
nach der complizirten Kompetenz-Abgränzung in Art. 50 der R.V.
verfassungsmäßig nur theilweise Reichsverwaltung, zum andern
Theil Landesverwaltung; dagegen sind nach Art. 49 der R.V. die
Kosten des Post- und Telegraphenwesens aus Reichsmitteln zu
bestreiten. Hier wird also die Fassung des §. 1 Abs. 1 des Ges.
v. 25. Mai 1873 von Erheblichkeit; sie überträgt dem Reich das
Eigenthum an dem gesammten Post- und Telegraphen-Inventar
aller Bundesstaaten, ohne Rücksicht auf die denselben verbliebenen
Verwaltungsbefugnisse. Ausgenommen sind jedoch Bayern und
Württemberg, da diese beiden Staaten nicht nur die Selbst-
verwaltung des Post- und Telegraphenwesens behalten haben,
sondern dieselbe auch für eigene Rechnung führen.

d) Die Heeresverwaltung. Obgleich es eine Reichs-
Militärverwaltung nicht giebt, sondern die einzelnen Staaten ihre
Kontingente selbst verwalten, so wird doch diese Verwaltung auf
Kosten und für Rechnung des Reiches geführt; das Gesetz vom
25. Mai 1873 findet daher auf das gesammte Inventar der Mili-
tärverwaltungen der einzelnen Bundesstaaten Anwendung 1). Hierin
liegt gerade die große praktische Tragweite der in dem Gesetz ge-
wählten Wortfassung, da weitaus der größte Theil des Verwal-
tungsvermögens dem dienstlichen Gebrauch des Militärs gewidmet

1) Es ist selbstverständlich, daß die Anordnungen des Gesetzes auch an
Stelle der Vereinbarungen in der Hessischen Militärconvention Art. 20 und
in der Badischen Militärconvention Art. 11 getreten sind. Vgl. darüber An-
nalen
S. 430. Eine materielle Veränderung der Rechte ist übrigens da-
durch kaum herbeigeführt worden.

§. 108. Das active Reichsvermögen.
Preußen gelten und von dieſem Geſichtspunkt aus könnte man
das Eigenthum des Reichsfiskus an dem Preußiſchen Miniſterial-
gebäude des auswärtigen Amtes und an den Preußiſchen Ge-
ſandtſchaftshotels beſtreiten. Allein da die Identität des Kaiſers
und des Königs von Preußen zur Folge hat, daß die Geſandten
des Reiches zugleich Preußiſche Geſandte ſind und das Auswär-
tige Amt des Reiches zugleich als Preuß. Miniſterium der aus-
wärtigen Angelegenheiten fungirt, ſo hat thatſächlich hier ein
Uebergang der Preuß. Verwaltung in eine Reichsverwaltung ſtatt-
gefunden und demgemäß hat ſich das Preußiſche Verwaltungs-
eigenthum dieſes Reſſorts in Reichseigenthum umgewandelt.

c) Die Poſt- und Telegraphen-Verwaltung iſt
nach der complizirten Kompetenz-Abgränzung in Art. 50 der R.V.
verfaſſungsmäßig nur theilweiſe Reichsverwaltung, zum andern
Theil Landesverwaltung; dagegen ſind nach Art. 49 der R.V. die
Koſten des Poſt- und Telegraphenweſens aus Reichsmitteln zu
beſtreiten. Hier wird alſo die Faſſung des §. 1 Abſ. 1 des Geſ.
v. 25. Mai 1873 von Erheblichkeit; ſie überträgt dem Reich das
Eigenthum an dem geſammten Poſt- und Telegraphen-Inventar
aller Bundesſtaaten, ohne Rückſicht auf die denſelben verbliebenen
Verwaltungsbefugniſſe. Ausgenommen ſind jedoch Bayern und
Württemberg, da dieſe beiden Staaten nicht nur die Selbſt-
verwaltung des Poſt- und Telegraphenweſens behalten haben,
ſondern dieſelbe auch für eigene Rechnung führen.

d) Die Heeresverwaltung. Obgleich es eine Reichs-
Militärverwaltung nicht giebt, ſondern die einzelnen Staaten ihre
Kontingente ſelbſt verwalten, ſo wird doch dieſe Verwaltung auf
Koſten und für Rechnung des Reiches geführt; das Geſetz vom
25. Mai 1873 findet daher auf das geſammte Inventar der Mili-
tärverwaltungen der einzelnen Bundesſtaaten Anwendung 1). Hierin
liegt gerade die große praktiſche Tragweite der in dem Geſetz ge-
wählten Wortfaſſung, da weitaus der größte Theil des Verwal-
tungsvermögens dem dienſtlichen Gebrauch des Militärs gewidmet

1) Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die Anordnungen des Geſetzes auch an
Stelle der Vereinbarungen in der Heſſiſchen Militärconvention Art. 20 und
in der Badiſchen Militärconvention Art. 11 getreten ſind. Vgl. darüber An-
nalen
S. 430. Eine materielle Veränderung der Rechte iſt übrigens da-
durch kaum herbeigeführt worden.
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[223/0233] §. 108. Das active Reichsvermögen. Preußen gelten und von dieſem Geſichtspunkt aus könnte man das Eigenthum des Reichsfiskus an dem Preußiſchen Miniſterial- gebäude des auswärtigen Amtes und an den Preußiſchen Ge- ſandtſchaftshotels beſtreiten. Allein da die Identität des Kaiſers und des Königs von Preußen zur Folge hat, daß die Geſandten des Reiches zugleich Preußiſche Geſandte ſind und das Auswär- tige Amt des Reiches zugleich als Preuß. Miniſterium der aus- wärtigen Angelegenheiten fungirt, ſo hat thatſächlich hier ein Uebergang der Preuß. Verwaltung in eine Reichsverwaltung ſtatt- gefunden und demgemäß hat ſich das Preußiſche Verwaltungs- eigenthum dieſes Reſſorts in Reichseigenthum umgewandelt. c) Die Poſt- und Telegraphen-Verwaltung iſt nach der complizirten Kompetenz-Abgränzung in Art. 50 der R.V. verfaſſungsmäßig nur theilweiſe Reichsverwaltung, zum andern Theil Landesverwaltung; dagegen ſind nach Art. 49 der R.V. die Koſten des Poſt- und Telegraphenweſens aus Reichsmitteln zu beſtreiten. Hier wird alſo die Faſſung des §. 1 Abſ. 1 des Geſ. v. 25. Mai 1873 von Erheblichkeit; ſie überträgt dem Reich das Eigenthum an dem geſammten Poſt- und Telegraphen-Inventar aller Bundesſtaaten, ohne Rückſicht auf die denſelben verbliebenen Verwaltungsbefugniſſe. Ausgenommen ſind jedoch Bayern und Württemberg, da dieſe beiden Staaten nicht nur die Selbſt- verwaltung des Poſt- und Telegraphenweſens behalten haben, ſondern dieſelbe auch für eigene Rechnung führen. d) Die Heeresverwaltung. Obgleich es eine Reichs- Militärverwaltung nicht giebt, ſondern die einzelnen Staaten ihre Kontingente ſelbſt verwalten, ſo wird doch dieſe Verwaltung auf Koſten und für Rechnung des Reiches geführt; das Geſetz vom 25. Mai 1873 findet daher auf das geſammte Inventar der Mili- tärverwaltungen der einzelnen Bundesſtaaten Anwendung 1). Hierin liegt gerade die große praktiſche Tragweite der in dem Geſetz ge- wählten Wortfaſſung, da weitaus der größte Theil des Verwal- tungsvermögens dem dienſtlichen Gebrauch des Militärs gewidmet 1) Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die Anordnungen des Geſetzes auch an Stelle der Vereinbarungen in der Heſſiſchen Militärconvention Art. 20 und in der Badiſchen Militärconvention Art. 11 getreten ſind. Vgl. darüber An- nalen S. 430. Eine materielle Veränderung der Rechte iſt übrigens da- durch kaum herbeigeführt worden.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/233>, abgerufen am 03.05.2024.