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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 108. Das active Reichsvermögen.
ist. Daß die Ausdehnung des Gesetzes auf das Militärinventar
durch die Gemeinsamkeit der Militärlasten und des Etats der
Heeresverwaltung mit Nothwendigkeit geboten war, unterliegt
keinem Zweifel; juristisch aber entsteht hieraus die sonderbare
Consequenz, daß die mit eigener Militärverwaltung ausgestatteten
Einzelstaaten zwar alle Rechtsgeschäfte der Heeresverwaltung führen
und durch dieselben obligatorisch berechtigt und verpflichtet werden,
daß überhaupt der Militärfiskus im Allgemeinen als Landesfiskus
anzusehen ist 1), daß aber das Eigenthum an sämmtlichen zum
Dienste der Heeresverwaltung bestimmten Gegenständen dem Reich
zusteht 2). Auch hinsichtlich der Festungen gilt derselbe Grund-
satz. Nur auf die Bayerische Heeresverwaltung und auf das
liegende und bewegliche Inventar der bayerischen Festungen findet
das Gesetz v. 25. Mai 1873 keine Anwendung 3); denn Bayern
führt die Heeresverwaltung, wenngleich nach Maßgabe der An-
sätze des Reichsetats für die übrigen Kontingente, auf eigene
Kosten; die Verwaltung des bayerischen Kontingents ist demnach
nicht eine "verfassungsmäßig aus Reichsmitteln zu unterhaltende
Verwaltung" 4).

2. Als der Zeitpunkt, in welchem sich der Uebergang des
Eigenthums oder der anderen dinglichen Rechte von dem Bundes-
staat auf das Reich vollzieht, ist nach dem Wortlaut des §. 1 cit.
"der Zeitpunkt des Uebergangs der Gegenstände in eine solche
(d. h. verfassungsmäßig aus Reichsmitteln zu unterhaltende) Ver-
waltung anzusehen". Diese, von der Reichstagskommission her-
rührende Fassung ist juristisch nicht gerade als gelungen zu be-
zeichnen; denn wann und wie geht ein Werthobjekt "in eine Ver-
waltung über"? Der wahre Sinn ist der, daß das Inventar der
einzelnen Verwaltungen in dem Zeitpunkt Reichseigenthum ge-
worden ist, in welchem das Reich die Kosten der betreffenden Ver-
waltung übernommen hat. Die unklare Formulirung beruht

1) Vgl. oben S. 194.
2) Daß hierdurch die ohnehin verwickelten Rechtsverhältnisse des soge-
nannten Militärfiskus noch mehr complizirt werden, ist einleuchtend.
3) Auf die Württembergische Militärverwaltung findet das Gesetz
Anwendung, was nach seinem Wortlaut und nach den Verhandlungen über
den Entwurf zweifellos ist. Vgl. Seydel a. a. O. S. 235.
4) Vgl. Bd. III. 1. S. 57 ff. 76 fg.

§. 108. Das active Reichsvermögen.
iſt. Daß die Ausdehnung des Geſetzes auf das Militärinventar
durch die Gemeinſamkeit der Militärlaſten und des Etats der
Heeresverwaltung mit Nothwendigkeit geboten war, unterliegt
keinem Zweifel; juriſtiſch aber entſteht hieraus die ſonderbare
Conſequenz, daß die mit eigener Militärverwaltung ausgeſtatteten
Einzelſtaaten zwar alle Rechtsgeſchäfte der Heeresverwaltung führen
und durch dieſelben obligatoriſch berechtigt und verpflichtet werden,
daß überhaupt der Militärfiskus im Allgemeinen als Landesfiskus
anzuſehen iſt 1), daß aber das Eigenthum an ſämmtlichen zum
Dienſte der Heeresverwaltung beſtimmten Gegenſtänden dem Reich
zuſteht 2). Auch hinſichtlich der Feſtungen gilt derſelbe Grund-
ſatz. Nur auf die Bayeriſche Heeresverwaltung und auf das
liegende und bewegliche Inventar der bayeriſchen Feſtungen findet
das Geſetz v. 25. Mai 1873 keine Anwendung 3); denn Bayern
führt die Heeresverwaltung, wenngleich nach Maßgabe der An-
ſätze des Reichsetats für die übrigen Kontingente, auf eigene
Koſten; die Verwaltung des bayeriſchen Kontingents iſt demnach
nicht eine „verfaſſungsmäßig aus Reichsmitteln zu unterhaltende
Verwaltung“ 4).

2. Als der Zeitpunkt, in welchem ſich der Uebergang des
Eigenthums oder der anderen dinglichen Rechte von dem Bundes-
ſtaat auf das Reich vollzieht, iſt nach dem Wortlaut des §. 1 cit.
„der Zeitpunkt des Uebergangs der Gegenſtände in eine ſolche
(d. h. verfaſſungsmäßig aus Reichsmitteln zu unterhaltende) Ver-
waltung anzuſehen“. Dieſe, von der Reichstagskommiſſion her-
rührende Faſſung iſt juriſtiſch nicht gerade als gelungen zu be-
zeichnen; denn wann und wie geht ein Werthobjekt „in eine Ver-
waltung über“? Der wahre Sinn iſt der, daß das Inventar der
einzelnen Verwaltungen in dem Zeitpunkt Reichseigenthum ge-
worden iſt, in welchem das Reich die Koſten der betreffenden Ver-
waltung übernommen hat. Die unklare Formulirung beruht

1) Vgl. oben S. 194.
2) Daß hierdurch die ohnehin verwickelten Rechtsverhältniſſe des ſoge-
nannten Militärfiskus noch mehr complizirt werden, iſt einleuchtend.
3) Auf die Württembergiſche Militärverwaltung findet das Geſetz
Anwendung, was nach ſeinem Wortlaut und nach den Verhandlungen über
den Entwurf zweifellos iſt. Vgl. Seydel a. a. O. S. 235.
4) Vgl. Bd. III. 1. S. 57 ff. 76 fg.
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[224/0234] §. 108. Das active Reichsvermögen. iſt. Daß die Ausdehnung des Geſetzes auf das Militärinventar durch die Gemeinſamkeit der Militärlaſten und des Etats der Heeresverwaltung mit Nothwendigkeit geboten war, unterliegt keinem Zweifel; juriſtiſch aber entſteht hieraus die ſonderbare Conſequenz, daß die mit eigener Militärverwaltung ausgeſtatteten Einzelſtaaten zwar alle Rechtsgeſchäfte der Heeresverwaltung führen und durch dieſelben obligatoriſch berechtigt und verpflichtet werden, daß überhaupt der Militärfiskus im Allgemeinen als Landesfiskus anzuſehen iſt 1), daß aber das Eigenthum an ſämmtlichen zum Dienſte der Heeresverwaltung beſtimmten Gegenſtänden dem Reich zuſteht 2). Auch hinſichtlich der Feſtungen gilt derſelbe Grund- ſatz. Nur auf die Bayeriſche Heeresverwaltung und auf das liegende und bewegliche Inventar der bayeriſchen Feſtungen findet das Geſetz v. 25. Mai 1873 keine Anwendung 3); denn Bayern führt die Heeresverwaltung, wenngleich nach Maßgabe der An- ſätze des Reichsetats für die übrigen Kontingente, auf eigene Koſten; die Verwaltung des bayeriſchen Kontingents iſt demnach nicht eine „verfaſſungsmäßig aus Reichsmitteln zu unterhaltende Verwaltung“ 4). 2. Als der Zeitpunkt, in welchem ſich der Uebergang des Eigenthums oder der anderen dinglichen Rechte von dem Bundes- ſtaat auf das Reich vollzieht, iſt nach dem Wortlaut des §. 1 cit. „der Zeitpunkt des Uebergangs der Gegenſtände in eine ſolche (d. h. verfaſſungsmäßig aus Reichsmitteln zu unterhaltende) Ver- waltung anzuſehen“. Dieſe, von der Reichstagskommiſſion her- rührende Faſſung iſt juriſtiſch nicht gerade als gelungen zu be- zeichnen; denn wann und wie geht ein Werthobjekt „in eine Ver- waltung über“? Der wahre Sinn iſt der, daß das Inventar der einzelnen Verwaltungen in dem Zeitpunkt Reichseigenthum ge- worden iſt, in welchem das Reich die Koſten der betreffenden Ver- waltung übernommen hat. Die unklare Formulirung beruht 1) Vgl. oben S. 194. 2) Daß hierdurch die ohnehin verwickelten Rechtsverhältniſſe des ſoge- nannten Militärfiskus noch mehr complizirt werden, iſt einleuchtend. 3) Auf die Württembergiſche Militärverwaltung findet das Geſetz Anwendung, was nach ſeinem Wortlaut und nach den Verhandlungen über den Entwurf zweifellos iſt. Vgl. Seydel a. a. O. S. 235. 4) Vgl. Bd. III. 1. S. 57 ff. 76 fg.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/234>, abgerufen am 24.11.2024.