sondern um Bestrafung eines Vergehens; daher werden auch durch diese Bestrafung die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungs- strafen nicht ausgeschlossen 1).
2) Die Pflicht zur Aussage (Zeugnißpflicht). Der Zeuge ist verpflichtet über seine persönlichen Verhältnisse (Alter, Re- ligion, Stand u. s. w.) und über diejenigen Umstände, welche seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Frage betreffen, Auskunft zu ertheilen und im Zusammenhange anzugeben, was ihm über den Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist 2). Die Erfüllung dieser Pflicht kann jedoch von dem Zeugen unter gewissen Umständen abgelehnt werden, wenn er durch Abgabe des Zeugnisses in eine Collision mit seinem eigenen Interesse oder mit andern Pflichten, auf die der Staat Rücksicht nimmt, gerathen würde. Diese Aus- nahmen von der Zeugenpflicht sind von sehr verschiedener recht- licher Natur; denn die letztere bestimmt sich nicht nach dem Wesen der Zeugenpflicht, sondern nach dem Wesen derjenigen Interessen oder Pflichten, auf deren Berücksichtigung die Ausnahmen beruhen. Es besteht namentlich darin eine Verschiedenheit, daß der Grund der Verweigerung entweder im eigenen Interesse des Zeugen oder seiner Angehörigen oder in einem ihm fremden Interesse liegen kann, da sich hiernach bestimmt, ob die Verweigerung des Zeug- nisses von dem eigenen Belieben des Zeugen oder von dem Willen eines Dritten abhängig ist. Die Ausnahmen von der Pflicht zur Zeugenaussage sind demgemäß auf zwei Kategorien zurückzu- führen:
a) Im eigenen Interesse des Zeugen. Die Angehörigen des Beschuldigten (im Strafprozeß) oder einer Partei (im Civilprozeß) sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt und vor ihrer Vernehmung hierüber zu belehren. Als Angehörige gelten in dieser Hinsicht der Verlobte, der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, und diejenigen Personen, welche in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert sind, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist,
ſondern um Beſtrafung eines Vergehens; daher werden auch durch dieſe Beſtrafung die auf das Nichterſcheinen geſetzten Ordnungs- ſtrafen nicht ausgeſchloſſen 1).
2) Die Pflicht zur Ausſage (Zeugnißpflicht). Der Zeuge iſt verpflichtet über ſeine perſönlichen Verhältniſſe (Alter, Re- ligion, Stand u. ſ. w.) und über diejenigen Umſtände, welche ſeine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Frage betreffen, Auskunft zu ertheilen und im Zuſammenhange anzugeben, was ihm über den Gegenſtand ſeiner Vernehmung bekannt iſt 2). Die Erfüllung dieſer Pflicht kann jedoch von dem Zeugen unter gewiſſen Umſtänden abgelehnt werden, wenn er durch Abgabe des Zeugniſſes in eine Colliſion mit ſeinem eigenen Intereſſe oder mit andern Pflichten, auf die der Staat Rückſicht nimmt, gerathen würde. Dieſe Aus- nahmen von der Zeugenpflicht ſind von ſehr verſchiedener recht- licher Natur; denn die letztere beſtimmt ſich nicht nach dem Weſen der Zeugenpflicht, ſondern nach dem Weſen derjenigen Intereſſen oder Pflichten, auf deren Berückſichtigung die Ausnahmen beruhen. Es beſteht namentlich darin eine Verſchiedenheit, daß der Grund der Verweigerung entweder im eigenen Intereſſe des Zeugen oder ſeiner Angehörigen oder in einem ihm fremden Intereſſe liegen kann, da ſich hiernach beſtimmt, ob die Verweigerung des Zeug- niſſes von dem eigenen Belieben des Zeugen oder von dem Willen eines Dritten abhängig iſt. Die Ausnahmen von der Pflicht zur Zeugenausſage ſind demgemäß auf zwei Kategorien zurückzu- führen:
a) Im eigenen Intereſſe des Zeugen. Die Angehörigen des Beſchuldigten (im Strafprozeß) oder einer Partei (im Civilprozeß) ſind zur Verweigerung des Zeugniſſes berechtigt und vor ihrer Vernehmung hierüber zu belehren. Als Angehörige gelten in dieſer Hinſicht der Verlobte, der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr beſteht, und diejenigen Perſonen, welche in gerader Linie verwandt, verſchwägert oder durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verſchwägert ſind, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerſchaft begründet iſt,
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§. 105. Die Zeugenpflicht.
ſondern um Beſtrafung eines Vergehens; daher werden auch durch
dieſe Beſtrafung die auf das Nichterſcheinen geſetzten Ordnungs-
ſtrafen nicht ausgeſchloſſen 1).
2) Die Pflicht zur Ausſage (Zeugnißpflicht). Der
Zeuge iſt verpflichtet über ſeine perſönlichen Verhältniſſe (Alter, Re-
ligion, Stand u. ſ. w.) und über diejenigen Umſtände, welche ſeine
Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Frage betreffen, Auskunft zu
ertheilen und im Zuſammenhange anzugeben, was ihm über den
Gegenſtand ſeiner Vernehmung bekannt iſt 2). Die Erfüllung dieſer
Pflicht kann jedoch von dem Zeugen unter gewiſſen Umſtänden
abgelehnt werden, wenn er durch Abgabe des Zeugniſſes in eine
Colliſion mit ſeinem eigenen Intereſſe oder mit andern Pflichten,
auf die der Staat Rückſicht nimmt, gerathen würde. Dieſe Aus-
nahmen von der Zeugenpflicht ſind von ſehr verſchiedener recht-
licher Natur; denn die letztere beſtimmt ſich nicht nach dem Weſen
der Zeugenpflicht, ſondern nach dem Weſen derjenigen Intereſſen
oder Pflichten, auf deren Berückſichtigung die Ausnahmen beruhen.
Es beſteht namentlich darin eine Verſchiedenheit, daß der Grund
der Verweigerung entweder im eigenen Intereſſe des Zeugen oder
ſeiner Angehörigen oder in einem ihm fremden Intereſſe liegen
kann, da ſich hiernach beſtimmt, ob die Verweigerung des Zeug-
niſſes von dem eigenen Belieben des Zeugen oder von dem Willen
eines Dritten abhängig iſt. Die Ausnahmen von der Pflicht zur
Zeugenausſage ſind demgemäß auf zwei Kategorien zurückzu-
führen:
a) Im eigenen Intereſſe des Zeugen. Die
Angehörigen des Beſchuldigten (im Strafprozeß) oder einer
Partei (im Civilprozeß) ſind zur Verweigerung des Zeugniſſes
berechtigt und vor ihrer Vernehmung hierüber zu belehren.
Als Angehörige gelten in dieſer Hinſicht der Verlobte, der
Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht mehr beſteht, und diejenigen
Perſonen, welche in gerader Linie verwandt, verſchwägert oder
durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten
Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verſchwägert ſind,
auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerſchaft begründet iſt,
1) Strafgeſetzb. Art. 138 Abſ. 3.
2) Strafproc.O. §§. 67. 68. Civilproc.O. §§. 360. 361.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/183>, abgerufen am 22.11.2024.
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