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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 105. Die Zeugenpflicht.
wegen Verletzung der Gehorsamspflicht, grade so wie dies von der
Verletzung der Melde- oder Gestellungspflicht der Wehrpflichtigen
oder von der Verletzung der Gerichtspflicht der Schöffen und Ge-
schworenen gilt. Das unentschuldigte Ausbleiben eines ordnungs-
mäßig geladenen Zeugen bildet nicht den Thatbestand eines De-
licts im Sinne des öffentlichen Strafrechts, sondern einen Unge-
horsamsfall gegen einen staatlichen Spezialbefehl und die Strafe
hat demgemäß nicht den Charakter einer öffentlichen Strafe, son-
dern eines Mittels um die gehörige Erfüllung der Gehorsams-
pflicht zu sichern 1). Die Verurtheilung in Strafe und Kosten er-
folgt daher ohne Einleitung eines besonderen Strafverfahrens durch
dasjenige Gericht, vor welches der Zeuge geladen war (Prozeß-
gericht, auch die Civilkammern, Untersuchungsrichter, requirirter
Richter), als Incidentpunkt des Prozesses, in welchem die Ladung
erfolgt ist 2). Nur gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven
Marine angehörende Militärperson erfolgt die Festsetzung und
Vollstreckung der Strafe auf Ersuchen durch das Militärgericht 3).

b) Der ausgebliebene Zeuge kann zwangsweise vorge-
führt werden; in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten jedoch nur im
Falle wiederholten Ausbleibens. Die Vorführung einer dem ak-
tiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Militärperson
erfolgt durch Ersuchen der Militärbehörde 4). Die zwangsweise
Vorführung wird durch die Verurtheilung des Zeugen in Kosten
und Ordnungsstrafe nicht ausgeschlossen.

c) Wer, als Zeuge berufen, sein Ausbleiben durch Vorspiege-
lung einer unwahren Thatsache entschuldigt, wird mit Gefängniß
bis zu zwei Monaten bestraft 5). Dies ist ein öffentliches Delict,
auf welches die Vorschriften des Strafgesetzbuches und der Straf-
proceß-Ordnung uneingeschränkt Anwendung finden; es handelt
sich hierbei nicht um Sicherung oder Erzwingung des Gehorsams,

1) Geyer a. a. O.
2) Vgl. z. B. Civilproz.O. §. 365.
3) Dem Militärgericht steht nicht blos die Ausmessung und Vollstreckung
der Strafe, sondern auch die Entscheidung über die Strafbarkeit zu. Siehe
Voitus Kontroversen I. S. 20 ff.
4) Strafproz.O. §. 50. Civilproz.O. §. 345 Abs. 2. Centralbl. 1880 S. 481.
5) Strafgesetzb. Art. 138 Abs. 1. Vgl. über die entsprechende Vorschrift
bei der Gerichtspflicht oben S. 142, bei der Wehrpflicht III. 1 S. 146. 154.

§. 105. Die Zeugenpflicht.
wegen Verletzung der Gehorſamspflicht, grade ſo wie dies von der
Verletzung der Melde- oder Geſtellungspflicht der Wehrpflichtigen
oder von der Verletzung der Gerichtspflicht der Schöffen und Ge-
ſchworenen gilt. Das unentſchuldigte Ausbleiben eines ordnungs-
mäßig geladenen Zeugen bildet nicht den Thatbeſtand eines De-
licts im Sinne des öffentlichen Strafrechts, ſondern einen Unge-
horſamsfall gegen einen ſtaatlichen Spezialbefehl und die Strafe
hat demgemäß nicht den Charakter einer öffentlichen Strafe, ſon-
dern eines Mittels um die gehörige Erfüllung der Gehorſams-
pflicht zu ſichern 1). Die Verurtheilung in Strafe und Koſten er-
folgt daher ohne Einleitung eines beſonderen Strafverfahrens durch
dasjenige Gericht, vor welches der Zeuge geladen war (Prozeß-
gericht, auch die Civilkammern, Unterſuchungsrichter, requirirter
Richter), als Incidentpunkt des Prozeſſes, in welchem die Ladung
erfolgt iſt 2). Nur gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven
Marine angehörende Militärperſon erfolgt die Feſtſetzung und
Vollſtreckung der Strafe auf Erſuchen durch das Militärgericht 3).

b) Der ausgebliebene Zeuge kann zwangsweiſe vorge-
führt werden; in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten jedoch nur im
Falle wiederholten Ausbleibens. Die Vorführung einer dem ak-
tiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Militärperſon
erfolgt durch Erſuchen der Militärbehörde 4). Die zwangsweiſe
Vorführung wird durch die Verurtheilung des Zeugen in Koſten
und Ordnungsſtrafe nicht ausgeſchloſſen.

c) Wer, als Zeuge berufen, ſein Ausbleiben durch Vorſpiege-
lung einer unwahren Thatſache entſchuldigt, wird mit Gefängniß
bis zu zwei Monaten beſtraft 5). Dies iſt ein öffentliches Delict,
auf welches die Vorſchriften des Strafgeſetzbuches und der Straf-
proceß-Ordnung uneingeſchränkt Anwendung finden; es handelt
ſich hierbei nicht um Sicherung oder Erzwingung des Gehorſams,

1) Geyer a. a. O.
2) Vgl. z. B. Civilproz.O. §. 365.
3) Dem Militärgericht ſteht nicht blos die Ausmeſſung und Vollſtreckung
der Strafe, ſondern auch die Entſcheidung über die Strafbarkeit zu. Siehe
Voitus Kontroverſen I. S. 20 ff.
4) Strafproz.O. §. 50. Civilproz.O. §. 345 Abſ. 2. Centralbl. 1880 S. 481.
5) Strafgeſetzb. Art. 138 Abſ. 1. Vgl. über die entſprechende Vorſchrift
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[172/0182] §. 105. Die Zeugenpflicht. wegen Verletzung der Gehorſamspflicht, grade ſo wie dies von der Verletzung der Melde- oder Geſtellungspflicht der Wehrpflichtigen oder von der Verletzung der Gerichtspflicht der Schöffen und Ge- ſchworenen gilt. Das unentſchuldigte Ausbleiben eines ordnungs- mäßig geladenen Zeugen bildet nicht den Thatbeſtand eines De- licts im Sinne des öffentlichen Strafrechts, ſondern einen Unge- horſamsfall gegen einen ſtaatlichen Spezialbefehl und die Strafe hat demgemäß nicht den Charakter einer öffentlichen Strafe, ſon- dern eines Mittels um die gehörige Erfüllung der Gehorſams- pflicht zu ſichern 1). Die Verurtheilung in Strafe und Koſten er- folgt daher ohne Einleitung eines beſonderen Strafverfahrens durch dasjenige Gericht, vor welches der Zeuge geladen war (Prozeß- gericht, auch die Civilkammern, Unterſuchungsrichter, requirirter Richter), als Incidentpunkt des Prozeſſes, in welchem die Ladung erfolgt iſt 2). Nur gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperſon erfolgt die Feſtſetzung und Vollſtreckung der Strafe auf Erſuchen durch das Militärgericht 3). b) Der ausgebliebene Zeuge kann zwangsweiſe vorge- führt werden; in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten jedoch nur im Falle wiederholten Ausbleibens. Die Vorführung einer dem ak- tiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Militärperſon erfolgt durch Erſuchen der Militärbehörde 4). Die zwangsweiſe Vorführung wird durch die Verurtheilung des Zeugen in Koſten und Ordnungsſtrafe nicht ausgeſchloſſen. c) Wer, als Zeuge berufen, ſein Ausbleiben durch Vorſpiege- lung einer unwahren Thatſache entſchuldigt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Monaten beſtraft 5). Dies iſt ein öffentliches Delict, auf welches die Vorſchriften des Strafgeſetzbuches und der Straf- proceß-Ordnung uneingeſchränkt Anwendung finden; es handelt ſich hierbei nicht um Sicherung oder Erzwingung des Gehorſams, 1) Geyer a. a. O. 2) Vgl. z. B. Civilproz.O. §. 365. 3) Dem Militärgericht ſteht nicht blos die Ausmeſſung und Vollſtreckung der Strafe, ſondern auch die Entſcheidung über die Strafbarkeit zu. Siehe Voitus Kontroverſen I. S. 20 ff. 4) Strafproz.O. §. 50. Civilproz.O. §. 345 Abſ. 2. Centralbl. 1880 S. 481. 5) Strafgeſetzb. Art. 138 Abſ. 1. Vgl. über die entſprechende Vorſchrift bei der Gerichtspflicht oben S. 142, bei der Wehrpflicht III. 1 S. 146. 154.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/182>, abgerufen am 02.05.2024.